TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/28 95/03/0229

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Veröffentlicht am 28.02.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VStG §24;
VStG §25 Abs2;
VStG §51f Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des V in P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M in P, Bundesrepublik Deutschland, (Zustellungsbevollmächtigter: R, 1150 Wien) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 7. Juli 1995, Zl. UVS-3/2616/5-1995, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 52 lit. a Z. 10a StVO 1960 bestraft, weil er am 4. April 1994 um

16.42 Uhr auf einem näher bezeichneten Stück der Tauernautobahn einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gelenkt und dabei die auf diesem Teilstück der Autobahn durch Vorschriftszeichen kundgemachte erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 36 km/h überschritten habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer hatte sich im erstinstanzlichen Verfahren dahin verantwortet, daß das auf ihn zugelassene Fahrzeug zum fraglichen Zeitpunkt von seinem in Jugoslawien lebenden Bruder gelenkt worden sei. In der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis gab er den Namen seines Bruders und je eine Anschrift in Kroatien und in der Bundesrepublik Deutschland bekannt. In einem weiteren Schreiben teilte er mit, daß er sich mit seinem Bruder "erzürnt" und keinen Kontakt mehr mit diesem habe. Die Versuche der belangten Behörde, vom Bruder des Beschwerdeführers eine Mitteilung zu erlangen, ob die Verantwortung des Beschwerdeführers zutreffe, blieben erfolglos, weil das an die Anschrift in Kroatien ergangene Schreiben mit dem Vermerk "PARTI" zurücklangte und das an die Anschrift in der Bundesrepublik Deutschland ergangene Schreiben nicht beantwortet wurde. Die belangte Behörde beraumte daraufhin für den 4. Juli 1995 eine Verhandlung an, zu der der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschien und in der der angefochtene Bescheid verkündet wurde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer insofern seiner Mitwirkungspflicht nicht entsprochen habe, "als er keine weitere Adresse des angeblichen Lenkers trotz gegenteiliger Ankündigung bekanntgab und auch der Verhandlung zum Zwecke der Erteilung weiterer Informationen fernblieb". Es habe daher ohne weitere amtswegige Ermittlungen bezüglich der seinerzeitigen Lenkerperson davon ausgegangen werden können, daß der Beschwerdeführer selbst die ihm vorgeworfene Übertretung begangen habe.

Dem hält der Beschwerdeführer entgegen, daß er jede ihm mögliche Auskunft erteilt habe. Er habe angegeben, daß er das Fahrzeug seinem Bruder überlassen habe, und die ihm bekannten Adressen des Bruders in Deutschland bzw. im ehemaligen Jugoslawien bekanntgegeben. Weiters habe er mitgeteilt, daß er sich mit seinem Bruder überworfen und keinen Kontakt mehr zu diesem habe. Anhaltspunkte dafür, "was für weitere Informationen der Betroffene nunmehr noch erteilen kann," seien weder "vorgetragen" noch angefordert worden. Der Beschwerdeführer habe seinen Mitwirkungspflichten genügt. Es hätte den rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprochen, vor der Entscheidung im vorliegenden Verfahren dem Betroffenen mitzuteilen, daß eine Stellungnahme seines Bruders nicht zu erhalten gewesen sei "und daß er unverändert als Fahrer des Fahrzeuges angesehen wird."

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 31. Jänner 1996, Zl. 95/03/0271) befreit der Grundsatz, daß die Verwaltungsstrafbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen. Die Verwaltungsstrafbehörde kann ohne Verletzung von Verfahrensvorschriften aus dem Untätigbleiben des Zulassungsbesitzers im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber dem Vorwurf eines bestimmten strafbaren Verhaltens im Rahmen ihrer freien Beweiswürdigung den Schluß ableiten, der Zulassungsbesitzer selbst sei der Täter gewesen. Beruft sich der Zulassungsbesitzer darauf, daß das Fahrzeug von einer bestimmten, sich ständig oder vorübergehend im Ausland aufhaltenden Person gelenkt worden sei, so hat die Behörde im Sinne der im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Slg. Nr. 13451/A, dargelegten Grundsätze, sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet, den Versuch zu unternehmen, mit dieser Person schriftlich in Verbindung zu treten. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muß dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise zu erbringen. Diesen Verpflichtungen entsprach die belangte Behörde im Beschwerdefall. Sie hatte - zumal auch der Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungsstrafsachen, BGBl. Nr. 526/1990, - keine andere Vorgangsweise "gebietet" - den Versuch unternommen, mit dem Bruder des Beschwerdeführers unter den bekanntgegebenen Anschriften schriftlich in Verbindung zu treten. Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, zumindest in der von der belangten Behörde anberaumten Verhandlung, und zwar jedenfalls im Rahmen der nach § 51 f Abs. 3 VStG gebotenen Zusammenfassung des bisherigen Ganges des Verfahrens, vom Scheitern des Versuches, mit seinem Bruder in Verbindung zu treten, Kenntnis zu erlangen und im Hinblick darauf weitere zweckdienliche Beweisanträge zu stellen. Daß diese Gelegenheit infolge seines Fernbleibens trotz ordnungsgemäßer Ladung ungenützt geblieben ist, hat er sich selbst zuzuschreiben. Der belangten Behörde kann bei dieser Sachlage nicht vorgeworfen werden, sie habe das Parteiengehör verletzt. Eine Verpflichtung der Berufungsbehörde, einen Beschuldigten vor der Verhandlung bzw. den trotz ordnungsgemäßer Ladung ferngebliebenen Beschuldigten vor Schluß des Beweisverfahrens von bestimmten Verfahrensergebnissen gesondert in Kenntnis zu setzen, ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Dem Beschwerdeführer ist es somit nicht gelungen, seine Behauptung, nicht er selbst, sondern sein Bruder habe das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt gelenkt, unter Beweis zu stellen. Der von der belangten Behörde aus dem gegebenen Sachverhalt abgeleitete Schluß auf seine Tätereigenschaft begegnet auf dem Boden der oben dargestellten Rechtslage im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/03/0053) keinen Bedenken.

Soweit der Beschwerdeführer auf nach der Erlassung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vorgelegte Urkunden Bezug nimmt, handelt es sich um Ausführungen, die unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot fallen.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Auskünfte Bestätigungen Stellungnahmen Parteiengehör

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995030229.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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