TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/28 94/03/0078

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Veröffentlicht am 28.02.1996
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65003 Jagd Wild Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

JagdG NÖ 1974 §6 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §9 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §9 Abs3;
JagdRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde der H KG in P, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 8. November 1993, Zl. VI/4-J-79, betreffend Jagdgebietsfeststellung (mitbeteiligte Partei:

Jagdgenossenschaft F , vertreten durch den Obmann des Jagdausschusses B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 4. Dezember 1992 wurde das Ausmaß der Genossenschaftsjagd F, bestehend aus den Gebieten der Katastralgemeinden F und T, für die Jagdperiode vom 1. Jänner 1993 bis zum 31. Dezember 2001 mit einem Flächenausmaß von 1.681,1554 ha festgesetzt und der Antrag der Beschwerdeführerin vom 5. August 1992 auf Zuerkennung der Befugnis zur Eigenjagd auf den in ihrem Eigentum stehenden Grundstücken abgewiesen.

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung wird ausgeführt, die belangte Behörde habe aufgrund der Berufung einen jagdfachlichen Amtssachverständigen mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser habe am 2. Juni 1993 einen Lokalaugenschein aufgenommen. Im Zuge dieses Lokalaugenscheins habe er festgestellt, daß jener Teil der Grundstücke der Beschwerdeführerin, die südlich der Landeshauptstraße gelegen seien, gemeinsam mit einem Teil der (nördlich der Landeshauptstraße gelegenen) Parzellen 77/1, 77/11, 77/12 und 35 ein Gesamtausmaß von 115,2230 ha erreichten, sodaß das erforderliche Ausmaß für die Anerkennung einer Eigenjagd gegeben sei. Dagegen habe der Obmann der Jagdgenossenschaft eingewendet, daß im Bereich der Parzellen 60, 61, 51/1, 774/1 und 77/1 ein Längenzug gegeben sei, welcher Teile der südlich der Landeshauptstraße gelegenen Flächen miteinander verbinde. Nach den Feststellungen des Sachverständigen würden die Parzellen 60 und 51/1 sowie 61 landwirtschaftlich genutzt. Die Parzelle 774/1 stelle die von Westen nach Osten verlaufende Landeshauptstraße dar. Nördlich der Landeshauptstraße befinde sich die langgestreckte Parzelle 77/1, die ein Böschungsgrundstück darstelle. Nördlich des an die Landeshauptstraße anschließenden und parallel zu dieser verlaufenden Teiles des Grundstückes 77/1 befänden sich die Parzellen 139, 77/12, 77/11, 148 und .35, die - wie die Parzelle 77/1 - im Eigentum der Beschwerdeführerin stünden. Die Parzelle 139 stelle ein in der Natur mit Sträuchern und forstlichem Bewuchs bestocktes Grundstück dar und weise in nördlicher Richtung gesehen eine Verbindung mit den nördlich der Landeshauptstraße befindlichen Grundstücken der Beschwerdeführerin auf. Ebenso stellten diese Verbindung die Grundstücke 148, 77/12, 77/11 und .35 her. Auch ein Teil des Grundstückes 77/1 sei in dieser Verbindung miteinbezogen. Der jagdfachliche Amtssachverständige habe in der Folge ein Gutachten erstattet und dabei ausgeführt: Die im Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung der Eigenjagdbefugnis angeführten Grundstücke ließen sich im wesentlichen in einen nördlich und einen südlich der von Westen nach Osten verlaufenden Landeshauptstraße gelegenen Bereich einteilen. Die Verbindung zwischen dem nördlichen und dem südlichen Bereich werde durch vier im Eigentum der Beschwerdeführerin stehende Verbindungsstücke hergestellt:

1. durch Teilbereiche der Parzelle 153/6 (Länge ca. 80 m;

durchschnittliche Breite ca. 1,7 m)

2. durch die Parzelle 148 sowie Teilbereiche der Parzellen 77/1, 77/12 und .35 (Länge ca. 90 m;

durchschnittliche Breite ca. 47 m)

3. durch Parzelle 139 und Teilbereiche der Parzelle 77/1 (Länge ca. 70 m; durchschnittliche Breite ca. 26 m)

4. Teilbereiche der Parzellen 77/8 und 77/1 (Länge ca. 96 m; durchschnittliche Breite ca. 42 m).

Diese vier Teilbereiche seien als Längenzüge zu werten, die infolge ihrer Breite und Gestaltung für die zweckmäßige Ausübung der Jagd ungeeignet seien und somit keine geeignete Verbindung der beiden Revierteile (Nordteil und Südteil) darstellten. Die südlich der Landeshauptstraße gelegenen Grundstücksflächen im Eigentum der Beschwerdeführerin wiesen ein Gesamtausmaß von 114,5913 ha auf. Da Straßen gemäß § 9 Abs. 3 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes keine Unterbrechung des Zusammenhanges darstellten, wenn sie Grundflächen durchschneiden, seien die nördlich der Landeshauptstraße gelegenen Teilflächen der Parzellen 77/1, 77/11, 77/12 und .35 mit einem Gesamtausmaß von 6.317 m2 zu den südlich gelegenen Flächen hinzuzurechnen, sodaß sich eine zusammenhängende Eigengrundfläche von 115,2230 ha ergebe. Werde diese Fläche hinsichtlich einer für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeigneten Gestaltung aus jagdfachlicher Hinsicht überprüft, so sei anzumerken, daß im nordwestlichen Teil die Grundstücke 51/1 (zum Teil), 60, 61 und 77/1 (zum Teil) die Verbindung zu den Parzellen 52/1, 52/2, 54, 55, .27, .28, .29 und .108 bildeten. Diese Verbindungsgrundstücke würden südlich und teilweise auch östlich durch verbautes Wohngebiet sowie westlich durch einen Teil der Parzelle 779 (Straße) begrenzt, im Norden würde die Landeshauptstraße diese Verbindungsfläche durchschneiden. Dieser Bereich weise eine Länge von 165 m und eine durchschnittliche Breite von 90 m auf und könne von Osten nur über einen 30 m langen und 30 m breiten oder über einen 85 m langen und 70 m breiten Korridor erreicht werden. Unter Berücksichtigung der im gegenständlichen Jagdgebiet primär vorkommenden Wildarten (Niederwild und Rehwild) und der üblichen Bejagungsweise (Schrot- bzw. Kugelschuß) weise nach Ansicht des Sachverständigen dieser Verbindungsbereich keine geeignete Gestaltung und insbesondere Breite auf, die eine zweckmäßige und gefährdungsfreie Ausübung der Jagd gewährleisten würde. Dies auch insbesondere deshalb, weil sämtliche der angrenzenden Verkehrs- und verbauten Grundflächen im Gefährdungsbereich von Schrotschüssen lägen und im Zuge jeglicher Schußabgabe eine Gefährdung der umliegenden Wohn- und Verkehrsbereiche erwartet werden müsse. Der südliche Teil der Grundstücke der Beschwerdeführerin weise daher lediglich auf einer Fläche von ca. 109 ha eine für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeigente Gestaltung und Breite auf. Die belangte Behörde erachte die Feststellungen des Amtssachverständigen für zutreffend, daß hinsichtlich jeder der von ihm beschriebenen fünf Verbindungsstreifen (vier zwischen dem nördlichen und dem südlichen Teil der Grundstücke der Beschwerdeführerin, einer im Bereich des südlichen Teiles) ein Längenzug bestehe, weil die Länge die Breite jeweils erheblich übersteige. Nach den schlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen sei eine zweckmäßige Jagdausübung auf den Längenzügen nicht möglich. Aufgrund des Ermittlungsverfahrens gehe die belangte Behörde daher davon aus, daß kein Teil der Grundfläche der Beschwerdeführerin zur Feststellung der Eigenjagdbefugnis geeignet sei.

Mit Beschluß vom 1. März 1994, B 2268/93, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Mit Schriftsatz vom 16. Juni 1994 ergänzte die Beschwerdeführerin die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 des Niederösterreichischen Jagdgesetzes 1974, LGBl. 6500 (JG), steht die Befugnis zur Eigenjagd in der Regel dem Eigentümer einer zusammenhängenden Grundfläche von mindestens 115 ha zu, welche eine für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignete Gestaltung und insbesondere Breite besitzt (Eigenjagdgebiet).

Werden Teile einer Grundfläche durch den Längenzug von Grundstücken, die zwischen fremden Gründen liegen, verbunden, so wird dadurch gemäß § 9 Abs. 2 JG der für die Bildung eines Eigenjagdgebietes erforderliche Zusammenhang nur dann hergestellt, wenn die die Verbindung bildenden Grundstücke infolge ihrer Breite und übrigen Gestaltung für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignet sind.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, daß die Grundstücke der Beschwerdeführerin einen zusammenhängenden nördlichen Bereich und einen zusammenhängenden südlichen Bereich bilden; die beiden Bereiche hingen durch vier (schmale) Verbindungsflächen zusammen. Die südlich dieser Verbindungsflächen gelegenen Grundstücke hätten ein Ausmaß von 115,2230 ha, wobei allerdings die Grundstücke Nr. 52/1, 52/2, 54, 55, .27, .28, .29 und .108 über die durch die Grundstücke Nr. 51/1 (zum Teil), 60, 61 und 77/1 (zum Teil) gebildete Verbindungsfläche mit den weiteren Grundstücken des südlichen Bereiches zusammenhingen. In rechtlicher Hinsicht wertete die belangte Behörde jede dieser fünf Verbindungsflächen als Längenzug im Sinn des § 9 Abs. 2 JG und ging weiters davon aus, daß diese Längenzüge für die zweckmäßige Ausübung der Jagd nicht geeignet seien.

Ein "Längenzug von Grundstücken" ist eine solche Grundfläche, deren Längsausdehnung die Breite wesentlich überwiegt (vgl. hg. Erkenntnis vom 23. März 1973, Zl. 1633/72). Unter dem Gesetzesbegriff des Grundstückes ist grundsätzlich eine Parzelle als katastermäßige Einheit zu verstehen (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. September 1989, Zl. 88/03/0245). Ein "Längenzug von Grundstücken", wie er in § 9 Abs. 2 JG geregelt ist, kann nur angenommen werden, wenn mindestens drei selbständige Grundstücke vorhanden sind, von denen das eine (der Längenzug) die Verbindung zwischen den beiden anderen herstellt (vgl. hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1996, Zl. 94/03/0069). Mit Erkenntnis vom 24. Mai 1989, 89/03/0038, hat der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Bestimmung des Salzburger Jagdgesetzes ausgesprochen, es entspreche nicht dem Gesetz, eine einzige Parzelle, die sich in eine bestimmte Richtung allmählich verenge und schließlich mit dem übrigen Eigenjagdgebiet in einem Punkt zusammenstoße, mit Rücksicht auf ihre Gestaltung als zwei gesonderte Grundflächen aufzufassen, von denen die eine als der zwischen fremdem Grundbesitz liegende Längenzug von Grundstücken anzusehen wäre. Eine derartige Konstellation liegt auch im Beschwerdefall vor:

Aus dem sich im Verwaltungsakt befindenden Lageplan ergibt sich, daß zu den (arrondierten) Grundstücken des nördlichen Bereiches der Beschwerdeführerin auch das Grundstück Nr. 77/1 gehört. Dieses Grundstück setzt sich in Richtung Süden fort (insbesondere in der Verbindungsfläche, die im Sachverständigengutachten mit der Nummer 2 bezeichnet wird) und schließt (über einen langgezogenen Bereich) an die nördliche Grenze der Landesstraße an, und zwar in einem Bereich, in welchem sich - wie sich dies ebenfalls aus dem Lageplan ergibt - auf der gegenüberliegenden (südlichen) Seite der Landesstraße der zusammenhängende Teil des südlichen Bereiches der Grundstücke der Beschwerdeführerin (Grundstücke 68/1, 70, 75/2, 51/2) anschließt. Unter Beachtung der Bestimmung des § 9 Abs. 3 JG, nach welcher u.a. Straßen, die Grundflächen durchschneiden, keine Unterbrechung des Zusammenhanges dieser Grundflächen bilden, stellt somit das Grundstück Nr. 77/1 die Verbindung zwischen dem nördlichen und dem südlichen Bereich der Grundstücke der Beschwerdeführerin dar. In einem solchen Fall kann nach dem oben Ausgeführten nicht von einem Längenzug iSd § 9 Abs. 2 JG ausgegangen werden. Insofern hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 49 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Ersatz für Stempelgebühren war zuzusprechen für drei Ausfertigungen der Beschwerde (360,--) und eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (120,--).

Schlagworte

Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Bildung von Jagdgebieten Feststellung Eigenjagd

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994030078.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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