TE Vwgh Beschluss 2022/10/17 Ra 2022/02/0191

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Veröffentlicht am 17.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter und die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 23. August 2022, LVwG 30.39-5626/2022-38, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Graz; mitbeteiligte Parteien: 1. H GmbH in G und 2. S in G, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis vom 23. Februar 2022 wurde dem Zweitmitbeteiligten als verantwortlichem Beauftragten der erstmitbeteiligten GmbH zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, dass am 6. Mai 2019 auf der sich an einer näher genannten Adresse AB 5 befindlichen auswärtigen Arbeitsstelle von näher genannten Arbeitnehmerinnen in Ausübung ihrer Tätigkeit als Gärtnerinnen, ein näher umschriebenes selbstfahrendes Arbeitsmittel betrieben worden sei, ohne dass für dieses die vorgeschriebenen Wartungen regelmäßig und sach- und fachgerecht nach den Vorschriften des Herstellers bzw. der Bedienungsanleitung und dem Wartungsbuch durchgeführt worden seien, obwohl bei der Benutzung von Arbeitsmitteln die für sie geltenden Bedienungsanleitungen der Hersteller oder Inverkehrbringer sowie die für sie geltenden elektrotechnischen Vorschriften einzuhalten seien. Der Zweitmitbeteiligte habe dadurch § 130 Abs. 1 Z 16 in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Z 2 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) in Verbindung mit § 9 Abs. 2 VStG verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 550,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Tag) verhängt wurde.

2        In Stattgebung der vom Zweitmitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde behob das Verwaltungsgericht das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein, weil gemäß dem Inhalt der Meldung nach § 23 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 der räumliche Zuständigkeitsbereich die Adresse AB 9 und nicht AB 5 erfasst habe. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

3        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Amtsrevision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft.

4        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit aus, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob bei der Auslegung von Bestellungserklärungen von verantwortlichen Beauftragten streng am Wortlaut zu haften sei oder ob offenkundige Schreibversehen zu berücksichtigen seien, wenn der beschuldigte verantwortliche Beauftragte selbst keine Zweifel daran lasse, dass er sich durch die von ihm mitunterfertigte Bestellungsurkunde als wirksam bestellt erachte. Zwar sei in der Bestellungsurkunde unter anderem die Adresse AB 5 angeführt. Allerdings gebe es an dieser Adresse keinen Stützpunkt, sondern an der Adresse AB 9. Es handle sich um einen bloßen Schreibfehler. Der offenkundige Wille des verantwortlichen Beauftragten sei zu berücksichtigen.

8        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Umfang des übertragenen Verantwortlichkeitsbereiches ausschließlich aus dem Inhalt der Bestellungsurkunde ohne weitere Ermittlungstätigkeit und Zuhilfenahme weiterer Beweise zu ermitteln (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/02/0115, mwN). Die Verwaltungsstrafbehörden sollen nicht in die Lage versetzt werden, Ermittlungen über den jeweiligen Betrieb und seine Gliederung in räumlicher und sachlicher Hinsicht, insbesondere über die Größe, Lage und Verwendung der einzelnen Betriebsräume, anstellen zu müssen. Sie sollen auch der Aufgabe enthoben sein, die Bestellung (ihren Nachweis) einer nur unter Zuhilfenahme weiterer Beweise möglichen Interpretation unterziehen zu müssen, um zu klären, welcher Inhalt einer diesbezüglich nicht eindeutigen Erklärung beizumessen ist. Bei der Auslegung der Bestellungsurkunde ist daher ein objektiver Maßstab anzulegen (anstatt vieler VwGH 20.2.2019, Ra 2018/03/0121, mwN).

9        Diese Grundsätze gelten sowohl für den Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches als auch für die Zustimmungserklärung. Beim Inhalt der Bestellungsurkunde handelt es sich um eine Erklärung im Einzelfall, die auszulegen ist. Wie eine solche Erklärung aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Auch die Frage, ob irgendwelche Besonderheiten - etwa auf Grund des Unternehmensgegenstandes oder der Unternehmensorganisation - eine andere Deutung der Willenserklärung zuließe, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Die Auslegung einer Bestellungsurkunde im Einzelfall wäre nur revisibel, wenn dem Verwaltungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl. erneut VwGH 13.7.2020, Ra 2020/02/0115, mwN).

10       Der räumliche Geltungsbereich wird in der hier vorliegenden Bestellungsurkunde nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts durch die Anführung konkreter Adressen umschrieben. Die festgestellten Formulierungen lassen keinen Zweifel über die Erklärungen zum räumlichen Zuständigkeitsbereich zu, weshalb für eine Umdeutung - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - kein Raum bleibt. Auf die Absicht der Erklärenden kommt es nach der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gerade nicht an.

11       Soweit die Revision Rechtsprechung zu Parteienerklärungen in Anträgen (Verweis auf VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066) ins Treffen führt, ist darauf hinzuweisen, dass der Umfang des übertragenen Verantwortlichkeitsbereiches ausschließlich aus dem Inhalt der Bestellungsurkunde zu ermitteln ist, weshalb davon abweichende, nachträgliche mündliche Erklärungen keine Berücksichtigung finden können.

12       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 17. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020191.L00

Im RIS seit

11.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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