TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/28 92/01/0899

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Veröffentlicht am 28.02.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des A in P, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 11. November 1991, Zl. 4.279.684/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bulgariens, der am 4. August 1989 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Februar 1990, mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht vorlägen, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 11. November 1991 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und stellte fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 15. August 1989 angegeben, er sei nicht Mitglied der kommunistischen Partei gewesen und nach Ableistung seines Militärdienstes in seinem Wehrsprengel zum Verteilen von Einberufungsbefehlen herangezogen worden. Auf Grund von Unruhen mit dem türkischen Bevölkerungsanteil seien die bulgarischen Wehrpflichtigen "inoffiziell mobilisiert" worden. Da der Beschwerdeführer nicht gewillt gewesen sei, gegen die türkische Bevölkerung vorzugehen, habe er sich vor ihn aufsuchenden Militärpersonen verleugnen lassen. Um diesen "Sachen" zu entgehen, habe er sich zum Teil bei seinen Eltern aufgehalten. Er habe als Kunsttischler bzw. Holzschnitzer für "Persönlichkeiten" gearbeitet und daher wahrscheinlich bessere Chancen gehabt, sich ins Ausland abzusetzen. Er verachte das bulgarische Regime und wolle damit nichts mehr zu tun haben.

In seiner gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 9. Februar 1990 erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er sei im Verlauf der Ableistung seines Militärdienstes trotz seines Widerstandes einer Spezialeinheit für Straßenkämpfer, Streikbrecher und Terroristenbekämpfer zugeteilt worden. Während dieser Zeit sei er auch gezwungen worden, unbezahlt Holzschnitzereien anzufertigen. Nach Beendigung des Militärdienstes sei er zur Gardeeinheit, die für die Überwachung öffentlicher Gebäude und militärischer Objekte zuständig sei, versetzt worden. Er habe sich Tag und Nacht auf Abruf bereithalten müssen und sei immer wieder zu nächtlichen Alarmübungen und auch Einsätzen herangezogen worden. Es sei ihm gedroht worden, ihn bei Fortsetzung seines Widerstandes vor ein Militärgericht zu stellen. Ab 1988 sei begonnen worden, ihn zu einer Offiziersausbildung zu zwingen; ab 1. September 1989 hätte er in einer Militärschule einen dreieinhalb Monate dauernden Offizierslehrgang besuchen müssen. Da er damit nicht einverstanden gewesen sei, habe er beabsichtigt, mit Hilfe seiner Gattin, die Stewardeß bei den "Balkan-Airlines" gewesen sei, sein Heimatland zu verlassen. Er habe daher im Mai 1989 für sich und seine Gattin Reisepässe beantragt. Auf Grund eines während der Abwesenheit des Beschwerdeführers erfolgten Besuchs eines Vertreters des Militärkommandos im Juni 1989 habe der Beschwerdeführer von einem Freund beim Militärkommando erfahren, daß er wegen des Konfliktes zwischen Bulgarien und der Türkei in die Grenzregion entsandt werden sollte. Er habe daraufhin "sozusagen im Untergrund" bei seinen Eltern gelebt und auf die Ausstellung der Reisepässe gewartet. Da das Militär und die Polizei nicht gut zusammengearbeitet hätten und ein Visum für die Ausreise nicht erforderlich gewesen sei, sei dem Beschwerdeführer und seiner Gattin die Ausreise geglückt.

Die belangte Behörde hat ihrer Entscheidung das Asylgesetz 1991 zugrunde gelegt. Gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen sind am 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, sie habe noch das Asylgesetz (1968) anzuwenden gehabt, ergibt sich aus dem Umstand, daß das Verfahren infolge Erlassung des angefochtenen Bescheides am 4. September 1992 (Datum der postamtlichen Hinterlegung dieses Bescheides) am 1. Juni 1992 noch bei ihr anhängig war, die Rechtsfolge, daß sie verpflichtet gewesen wäre, bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden (vgl. in diesem Zusammenhang das hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831). Daraus, daß die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, ist dem Beschwerdeführer, der dieses Vorgehen der belangten Behörde auch gar nicht gerügt hat, kein Rechtsnachteil erwachsen, da die belangte Behörde zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt ist, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention verneint hat, wobei diese Bestimmungen durch § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) keine inhaltliche Änderung erfahren haben.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, auch in demokratischen Staaten könne die Erfüllung der Wehrpflicht mit Strafen erzwungen werden, sodaß die Androhung der Erzwingung des Militärdienstes nicht als Verfolgung gewertet werden könne. Die Zuteilung zu einer Spezialeinheit ergebe sich aus den Erfordernissen der Landesverteidigung und treffe diese Einschränkung der Freiheit alle Wehrpflichtigen im gleichen Maße; dies gelte auch für Truppenübungen von Reservisten. Daß der Beschwerdeführer aber auch außerhalb von Truppenübungen über das übliche Maß hinaus zu Militäreinsätzen herangezogen worden wäre, gehe aus den von ihm vorgelegten Urkunden nicht hervor. Die Angaben des Beschwerdeführers, er habe sich vor den Militärbehörden zwei Monate lang verborgen gehalten, um sich einem weiteren Militärdienst zu entziehen, sei unglaubwürdig, weil diesfalls dem Beschwerdeführer kein Reisepaß ausgestellt worden wäre und er nicht problemlos hätte ausreisen können.

Der Beschwerdeführer vertritt nunmehr unter Zitierung eines Erlasses der belangten Behörde vom 4. Juni 1975 die Auffassung, aus der Verweigerung des Militärdienstes könne dann auf die Flüchtlingseigenschaft eines Asylwerbers geschlossen werden, wenn er glaubhaft mache, daß diese Verweigerung auf der Gegnerschaft zum politischen System des Heimatstaates, auf religiöser Überzeugung oder der Zugehörigkeit zu einer rassischen oder nationalen Minderheit beruhe, und wenn im Heimatland des Asylwerbers nicht die Möglichkeit der Ableistung eines Zivildienstes bestehe.

Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. Nach ständiger hg. Rechtsprechung rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - worunter sowohl die Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst als auch nach dessen Antritt die Desertion zu verstehen ist - grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, was auch in Fällen gilt, in denen in dem betreffenden Heimatstaat unter anderem ein Bürgerkrieg oder eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung stattfindet. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen drohen (vgl. hiezu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Der Beschwerdeführer hat aber weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde Umstände vorgebracht, aus denen im Sinne des angeführten Erkenntnisses ein Zusammenhang zwischen seiner Wehrdienstverweigerung und einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 genannten Gründe hergestellt werden könnte. Dies gilt auch insoweit, als der Beschwerdeführer meint, seine Flüchtlingseigenschaft könne daraus abgeleitet werden, daß seine Einberufung dazu gedient hätte, die Diktatur zu unterstützen und unschuldige Minderheiten und Systemgegner zu bekämpfen, weil auch dadurch kein Zusammenhang zwischen der diese Art der militärischen Einsätze ablehnenden politischen Gesinnung des Beschwerdeführers und den von ihm auf Grund seiner Wehrdienstverweigerung befürchteten Sanktionen aufgezeigt wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. November 1995, Zl. 95/01/0070).

Dem Beschwerdeführer ist zwar beizupflichten, daß die Auffassung der belangten Behörde, sein Vorbringen, sich vor seiner Ausreise zwei Monate bei seinen Eltern vor dem Zugriff der Militärbehörden verborgen gehalten, in der Folge einen Reisepaß erlangt zu haben und problemlos ausgereist zu sein, sei - ohne daß weitere Ermittlungen angestellt wurden - als unglaubwürdig anzusehen, der vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmenden Schlüssigkeitsprüfung nicht standzuhalten vermag, doch ist daraus für ihn nichts zu gewinnen, weil aus den Umständen, unter denen sich ein in seinem Heimatland Wehrpflichtiger der Einberufung zum Militärdienst entziehen konnte, für sich allein ebensowenig wie aus der Erlangung eines Reisepasses oder der Art der Ausreise Schlüsse auf das Vorliegen von Asylgründen gezogen werden können.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Artikel III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992010899.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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