TE Vwgh Erkenntnis 1996/2/29 95/18/1182

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Veröffentlicht am 29.02.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des K, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 2. Mai 1995, Zl. SD 603/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 2. Mai 1995 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen brachte die belangte Behörde zum Ausdruck, daß in einem Feststellungsverfahren nach § 54 Abs. 1 iVm § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG das Vorbringen des Antragstellers die zentrale Entscheidungsgrundlage darstelle, wobei es diesem obliege, alles Zweckdienliche vorzubringen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 37 leg. cit. nachvollziehbar zu machen. Hiebei könne die Behörde einen Sachverhalt nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Antragsteller während des Verfahrens vor den verschiedenen Instanzen und Behörden im wesentlichen gleichbleibende Angaben mache und diese Angaben wahrscheinlich und einleuchtend erschienen.

Davon ausgehend sei für den vorliegenden Fall festzuhalten, daß die Angaben des Beschwerdeführers, die er im Asylverfahren gemacht habe, von erheblichen Widersprüchen gekennzeichnet gewesen seien. Habe er (vor der erstinstanzlichen Asylbehörde am 20. Jänner 1995) zunächst deponiert, daß im August 1994 Leute der NPF (National-Party-Force), deren Mitglied sein Vater gewesen sei, seine Eltern und Geschwister erschossen hätten, habe er unmittelbar darauf angegeben, Angehörige der Armee hätten seine Angehörigen erschossen. Bemerkenswert erscheine in diesem Zusammenhang auch die Angabe des Beschwerdeführers, wonach er gleich zu Beginn des von ihm geschilderten Überfalles geflüchtet sei und danach sofort sein Heimatland verlassen habe. Diesen Ausführungen folgend sei es daher zweifelhaft, ob der Beschwerdeführer überhaupt in der Lage sei, über das Schicksal seiner Familie konkrete Angaben zu machen. Auch der von ihm angegebene Fluchtweg sei geprägt durch divergierende Angaben und daher wenig glaubwürdig. Wie bereits der Bundesminister für Inneres im zweitinstanzlichen Asylbescheid festgestellt habe, sei aufgrund der Ausführungen des Beschwerdeführers ein Zeit-Weg-Diagramm seines Fluchtweges nicht möglich. Der Beschwerdeführer sei im Rahmen der Einvernahme darauf hingewiesen worden, habe aber trotz Abänderung seiner Angaben ein Zeitmanko von ca. zwei Monaten nicht zu erklären vermocht. Der Beschwerdeführer habe behauptet, Monrovia am 30. August 1994 verlassen zu haben und am 17. Jänner 1995 nach Österreich eingereist zu sein. Seinen Angaben zufolge habe er von Monrovia bis in ein ihm unbekanntes Land, wo er einen Englisch sprechenden Polizisten getroffen habe, etwa 14 Stunden benötigt. Nach weiteren drei Stunden habe er einen Fluß erreicht, auf dem er mit einem Schiff etwa acht Tage lang seine Flucht fortgesetzt habe. Nach Verlassen des Schiffes habe es etwa zehn Tage gedauert, bis er in Österreich eingetroffen sei. Selbst unter Bedachtnahme auf mögliche Fehlerquellen hätte die Flucht des Beschwerdeführers demnach maximal ein Monat gedauert.

Angesichts dieser widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben des Beschwerdeführers müsse ihm insgesamt die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Die im Heimatstaat des Beschwerdeführers herrschende Bürgerkriegssituation stelle für sich allein noch keine Bedrohung i.S. des § 37 FrG dar, zumal es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine konkrete Bedrohung seiner Person glaubhaft darzutun. Die von ihm vorgelegenen Beweismittel (Schreiben von Amnesty International vom 12. Oktober 1993 sowie Beschlüsse der Verwaltungsgerichte Aachen und Köln vom Juli bzw. August 1993) seien ebenfalls nicht geeignet, eine persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers zu untermauern, würden doch diese Berichte lediglich Aufschlüsse über die in der Vergangenheit herrschende Situation in seinem Heimatland geben.

Aufgrund des gegebenen Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme hätten objektiviert werden können, daß der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht wäre.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0946, mwN).

3.1. Die belangte Behörde sprach dem Beschwerdeführer im Hinblick auf seine - im bekämpften Bescheid dargestellten (oben I. 1.) - widersprüchlichen und nicht nachvollziehbaren Angaben hinsichtlich des Vorfalles, der ihn angeblich zur Flucht aus Liberia veranlaßt hatte, sowie der Dauer und näheren Umstände seiner Flucht insgesamt die Glaubwürdigkeit ab und kam im wesentlichen aufgrund dessen zu der Ansicht, daß der Beschwerdeführer eine aktuelle Gefährdung und/oder Bedrohung seiner Person i.S. des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG nicht glaubhaft gemacht habe. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken. Auch das Beschwerdevorbringen vermag daran nichts zu ändern.

3.2. Wenn die Beschwerde den von der belangten Behörde aufgezeigten Widerspruch hinsichtlich der Angaben des Beschwerdeführers, wer seine Eltern und Geschwister erschossen habe, mit einem "offenkundigen Mißverständnis bei der Protokollierung meiner Einvernahme im Asylverfahren" (am 20. Jänner 1995) zu erklären versucht, so ist ihr entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer die besagte Niederschrift eigenhändig unterfertigte, weshalb für die Behörde keine Veranlassung bestand, an der Richtigkeit von deren Inhalt zu zweifeln. Darin, daß dem Beschwerdeführer in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Feststellungsverfahren seine im Asylverfahren gemachte Aussage nicht vorgehalten worden ist, ist entgegen der Ansicht der Beschwerde kein Verfahrensmangel zu erblicken, durfte doch die belangte Behörde davon ausgehen, daß dem Beschwerdeführer der Inhalt seiner eigenen, kurz vorher gemachten Angaben - deren Verwertung der belangten Behörde nicht verwehrt war (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0794, mwN) - bekannt ist.

Was die Beschwerdemeinung anlangt, die belangte Behörde habe verkannt, daß "zur Prüfung der Gründe gemäß § 37 FrG die Beantwortung der Frage des Fluchtweges und der Plausibilität hiezu außer acht gelassen werden kann", so übersieht der Beschwerdeführer, daß die belangte Behörde aus seinen nicht nachvollziehbaren Angaben betreffend den Verlauf, im besonderen die Dauer seiner Flucht nicht unmittelbar auf das Fehlen einer Gefährdung/Bedrohung i.S. des § 37 Abs. 1/Abs. 2 FrG schloß, sondern die diesbezüglichen Ungereimtheiten als Begründung für die Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers heranzog - eine Beweiswürdigung, die weder mit den Denkgesetzen noch der Lebenserfahrung in Widerspruch steht. Im übrigen sei an dieser Stelle festgehalten, daß die Beschwerdebehauptung, in der Berufung sei aufgezeigt worden, daß "die von der Behörde behauptete Unstimmigkeit meiner Angaben über den Fluchtweg nicht vorliegt", aktenwidrig ist.

4. Auch der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe die mit der Berufung vorgelegten Beweismittel "mit keinem Wort gewürdigt", ist verfehlt. Vielmehr ergibt sich aus dem letzten Absatz der Begründung des angefochtenen Bescheides, daß sich die belangte Behörde mit den vom Beschwerdeführer vorgelegten Beschlüssen deutscher Verwaltungsgerichte und einem Bericht von Amnesty International sehr wohl befaßte. Daß diese Auseinandersetzung nicht i.S. des Standpunktes des Beschwerdeführers ausfiel, macht deren Ergebnis nicht rechtswidrig. Der belangten Behörde ist vielmehr in ihrer Beurteilung beizupflichten, daß die genannten Beweismittel lediglich Aufschlüsse über die in Liberia allgemein herrschende Situation geben, ihnen somit die Eignung mangelt, eine konkret für den Beschwerdeführer bestehende Gefahr für sein Leben oder seine Freiheit im Fall seiner Rückkehr nach Liberia darzutun.

5. Da nach dem Gesagten die belangte Behörde zutreffend zu dem Ergebnis gelangte, daß der Beschwerdeführer keine stichhaltigen Gründe ins Treffen zu führen vermochte, welche die Annahme der im § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG umschriebenen Gefährdung bzw. Bedrohung gerechtfertigt erscheinen ließen, wurde der Beschwerdeführer nicht in dem von ihm geltend gemachten Recht auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Liberia verletzt.

6. Die mithin unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995181182.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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