TE Vfgh Erkenntnis 2022/9/22 E2078/2022

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Veröffentlicht am 22.09.2022
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Index

10/10 Grundrechte, Datenschutz, Auskunftspflicht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gerichtsakt
StGG Art2
DSG 2000 §1 Abs1, §24
DS-GVO Art5, Art6
VfGG §7 Abs1
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Feststellung einer Verletzung im Recht auf Geheimhaltung von personenbezogenen Daten bei deren Verarbeitung in einem Privatgutachten; kein Recht des im Scheidungsprozess befindlichen Ehegattens auf Geheimhaltung seiner Einkommensdaten; Rechtsanspruch der Ehegattin auf Auskunft und Rechnungslegung zur Festlegung des Unterhaltsbegehrens; berechtigtes Interesse der Ehegattin, dass sich der Ehegatte nicht der gesetzlichen Unterhaltspflicht durch Geheimhaltung seiner Einkommensdaten entziehen kann

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.

Das Erkenntnis wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Justiz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Am 22. August 2018 brachte die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof beteiligte Partei Dr. R*** *** eine Datenschutzbeschwerde gegen den Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren bei der Datenschutzbehörde ein, weil er in seinem Recht auf Geheimhaltung gemäß §1 Abs1 DSG verletzt worden sei. Er begründete dies zusammengefasst damit, dass der nunmehrige Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren im Zuge des Scheidungsverfahrens der beteiligten Partei ein Gutachten für seine (Noch-)Ehefrau, I*** ***, BA, erstellt habe. In diesem Gutachten seien Daten enthalten, die nicht öffentlich zugänglich seien, weswegen offenkundig sei, dass diese rechtswidrig erhalten und verarbeitet worden seien. Der Beschwerdeführer habe insbesondere wirtschaftliche Kennzahlen der *** Privatstiftung und das dem (Noch-)Ehemann Dr. R*** *** daraus zufließende Einkommen einer dritten Person mitgeteilt und diesen daher in seinem Recht auf Geheimhaltung nach §1 Abs1 DSG verletzt.

2. Mit Spruchteil 1. des Bescheides vom 10. April 2019 wies die Datenschutzbehörde die Datenschutzbeschwerde (teilweise) ab.

Begründend führte die Datenschutzbehörde zusammengefasst aus, der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren habe das Gutachten in einem Scheidungsverfahren im Auftrag der (Noch-)Ehefrau erstellt. Es könne nicht festgestellt werden, wie der Beschwerdeführer an die verarbeiteten Daten des (Noch-)Ehemannes und der *** Privatstiftung gelangt sei. Grundsätzlich sei zwar ein schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse an den personenbezogenen Daten zu bejahen. Bei der gemäß §1 Abs2 DSG vorzunehmenden Interessenabwägung überwögen aber die Interessen des Beschwerdeführers an der Erfüllung des Gutachtensauftrages die Interessen des (Noch-)Ehemannes. Noch schwerer wögen allerdings die Interessen der (Noch-)Ehefrau, weil sich diese in einem Scheidungsverfahren befinde und ihre rechtlichen Ansprüche prüfen müsse. Außerdem sei darauf zu verweisen, dass die (Noch-)Ehefrau als Begünstigte der Privatstiftung einen Auskunftsanspruch gegen diese habe. Im Ergebnis sei daher die Verarbeitung der Daten rechtmäßig gewesen.

3. Gegen Spruchteil 1. dieses Bescheides der Datenschutzbehörde erhob der (Noch-)Ehemann fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und begründete diese zusammengefasst damit, dass das Interesse an der Erfüllung eines Werkvertrages das Grundrecht auf Datenschutz nicht überwiegen könne. Es könne zudem auch kein rechtlich geschütztes Interesse der (Noch-)Ehefrau bestehen, die fraglichen Kennzahlen unter Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes zu erlangen. Sie hätte die Kennzahlen auf offiziellem Weg erfragen müssen. Da sie dies offenkundig nicht getan habe, bestehe kein Grund, die Daten rechtswidrig zu erhalten und zu verarbeiten.

4. Mit dem nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde statt und stellte fest, der Beschwerdeführer im verfassungsgerichtlichen Verfahren habe den (Noch-)Ehemann dadurch in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, dass er dessen schutzwürdige Daten in einem Privatgutachten verarbeitet habe.

Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer in dem Gutachten personenbezogene Daten des (Noch-)Ehemannes verarbeitet habe, die lediglich zu einem geringen Teil öffentlich zugänglich gewesen seien; zum größten Teil seien die Daten von der (Noch-)Ehefrau zur Verfügung gestellt worden. Diese habe es lediglich dem sorglosen Umgang ihres (Noch-)Ehemannes als Computerlaien zu verdanken gehabt, dass sie in den Besitz dieser Unterlagen gekommen sei, weil sie auch noch nach dessen Auszug aus der Ehewohnung Zugang zu seinem E-Mail-Postfach gehabt habe. Die (Noch-)Ehefrau hätte wissen müssen, dass ihr Gatte keine Einwilligung zur Verarbeitung der Daten erteilt hatte. Der Beschwerdeführer sei verpflichtet gewesen, die Rechtmäßigkeit der von ihm verarbeiteten Daten sicherzustellen. Er habe als allein Verantwortlicher für die (Noch-)Ehefrau ein Privatgutachten erstellt, um deren allfälligen zukünftigen Unterhaltsanspruch zu dokumentieren. Da keine Einwilligung zur Datenverarbeitung vorgelegen sei, sei zu prüfen, ob die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen eines Dritten, nämlich der (Noch-)Ehefrau, erforderlich gewesen sei, sofern nicht die Interessen der betroffenen Person am Schutz der personenbezogenen Daten überwögen. Auch wenn der (Noch-)Ehefrau ein berechtigtes Interesse an der Dokumentation ihrer möglichen (Unterhalts-)Ansprüche nicht abgesprochen werden könne, überwiege doch das Interesse des (Noch-)Ehemannes. Dieser habe nämlich als über 80-jähriger Computerlaie nicht gewusst, dass seine (Noch-)Ehefrau weiterhin Zugang zu seinem E-Mail-Postfach habe. Er habe daher auch nicht damit rechnen können, dass seine Daten in einem Gutachten verarbeitet würden.

5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG sowie in weiteren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend gemacht wird.

Das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wende §1 Abs1 DSG in willkürlicher Weise an. Das Bundesverwaltungsgericht verkenne, dass es sich bei den streitgegenständlichen Daten um solche der Privatstiftung, nicht um jene des (Noch-)Ehemannes gehandelt habe. Es rechne die Daten in denkunmöglicher Auslegung des Gesetzes dem (Noch-)Ehemann zu. Dieser sei von der Datenverarbeitung gar nicht betroffen. Das Bundesverwaltungsgericht sei zudem in willkürlicher Gesetzesauslegung davon ausgegangen, dass der Gutachter Verantwortlicher bzw Auftraggeber der Datenverarbeitung gewesen sei; richtigerweise sei er lediglich Auftragsverarbeiter bzw Dienstleister gewesen. Dies sei entscheidungserheblich, weil sich das Interesse des Dienstleisters von demjenigen ableite, der die Daten zur Verfügung stelle, im vorliegenden Fall sohin der (Noch-)Ehefrau. Zudem sei die vom Bundesverwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung willkürlich. Diese gehe nämlich – anders als vom Bundesverwaltungsgericht angenommen – eindeutig zugunsten der (Noch-)Ehefrau aus. Diese benötige die streitgegenständlichen Daten, um ihre gesetzlichen Ansprüche auf Unterhalt und Vermögensaufteilung im nachehelichen Aufteilungsverfahren verfolgen zu können. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bestehe kein schutzwürdiges Interesse eines Ehegatten auf Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber seiner Ehegattin, um sich seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen. Ein Ehegatte, der dem anderen Ehegatten sein Einkommen verschweige, handle somit pflichtwidrig. Pflichtwidriges Handeln könne aber kein schutzwürdiges Interesse begründen. Daraus ergebe sich, dass das Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Datenverarbeitung das Interesse an der Geheimhaltung eindeutig überwiege. Ob es sich bei dem (Noch-)Ehemann um einen Computerlaien handle, sei für die Interessenabwägung unerheblich.

6. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Gerichtsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

7. Die Datenschutzbehörde erstattete eine Äußerung, in der sie zusammengefasst vorbrachte, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes willkürlich und damit gleichheitswidrig sei.

Es handle sich zwar bei den streitgegenständlichen Daten (auch) um solche des (Noch-)Ehemannes, weswegen das Vorbringen in der Beschwerde, dass es sich (ausschließlich) um Daten der Privatstiftung handle, unzutreffend sei. Ebenso sei die Qualifikation des Beschwerdeführers als datenschutzrechtlicher Verantwortlicher nicht willkürlich, sondern entspreche dem Gesetz. Die Datenschutzbehörde stimme jedoch dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu, dass die Interessenabwägung des Bundesverwaltungsgerichtes willkürlich erfolgt sei. Die (Noch-)Ehefrau habe auf Grund ihrer Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt und Vermögensaufteilung ein überwiegendes Interesse an der Verarbeitung der personenbezogenen Daten. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gebe es kein schutzwürdiges Interesse eines Ehegatten an der Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber dem anderen Ehegatten, um sich damit einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen. Ebenso wenig bestehe ein schutzwürdiges Interesse einer Privatstiftung an der Geheimhaltung ihres Vermögens oder Einkommens, das ihr der Unterhaltsschuldner zugewendet habe, gegenüber dem Unterhaltsberechtigten.

8. Die (Noch-)Ehefrau erstattete eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen den in der Beschwerde vorgebrachten Argumenten anschloss.

9. Der (Noch-)Ehemann erstattete ebenfalls eine Äußerung, in der er zusammengefasst vorbrachte, dass die (Noch-)Ehefrau in umfassender Weise seinen E-Mail-Account "ausspioniert" habe. Eine Stattgabe der Beschwerde führte dazu, dass ein äußerst weitgehendes Selbsthilferecht geschaffen werde, das die rechtswidrige Erlangung und Verarbeitung von Daten legitimierte. Die (Noch-)Ehefrau hätte sich zur Erlangung der Daten des staatlichen Rechtsschutzes bedienen müssen; diesfalls wäre die Herausgabe der Daten unter staatlicher Kontrolle erfolgt. Bei den vorliegenden Daten handle es sich – entgegen dem Beschwerdevorbringen – sehr wohl um Daten des (Noch-)Ehemannes. Die vom Beschwerdeführer angegebene Judikatur des Obersten Gerichtshofes stütze seinen Prozessstandpunkt nicht. Es gebe keine ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung des unterhaltspflichtigen Ehegatten, dem anderen Ehegatten über Vermögen und Einkünfte Auskunft zu erteilen. Die Datenverarbeitung sei im vorliegenden Fall nicht erforderlich gewesen; insbesondere hätte die (Noch-)Ehefrau eine Stufenklage erheben können. Diesfalls hätte sie lediglich jene Daten erlangt, die für die Bemessung des Unterhaltes erforderlich seien. Es sei daher auch kein Beweisnotstand vorgelegen. Da der Beschwerdeführer die Daten rechtswidrig erlangt habe, diene das von ihm erstellte Gutachten keinem rechtlich anerkannten Zweck. Die vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung sei zutreffend und nicht willkürlich.

10. Das Bundesverwaltungsgericht erstattete eine Replik zur Äußerung der Datenschutzbehörde, in der es mit näheren Argumenten darlegte, dass die Interessenabwägung im angefochtenen Erkenntnis nicht willkürlich erfolgt sei.

11. Der Beschwerdeführer erstattete einen weiteren Schriftsatz, in der er den Argumenten des Bundesverwaltungsgerichtes im Wesentlichen unter Verweis auf die Argumentation in der Beschwerde entgegentrat.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr 2016/679 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, in der Folge: DSGVO), ABl 2016 L 119, 1, lauten auszugsweise:

"Artikel 5

Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten

(1) Personenbezogene Daten müssen

a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden ('Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz');

b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; eine Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gilt gemäß Artikel 89 Absatz 1 nicht als unvereinbar mit den ursprünglichen Zwecken ('Zweckbindung');

c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein ('Datenminimierung');

d) sachlich richtig und erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sein; es sind alle angemessenen Maßnahmen zu treffen, damit personenbezogene Daten, die im Hinblick auf die Zwecke ihrer Verarbeitung unrichtig sind, unverzüglich gelöscht oder berichtigt werden ('Richtigkeit');

e) in einer Form gespeichert werden, die die Identifizierung der betroffenen Personen nur so lange ermöglicht, wie es für die Zwecke, für die sie verarbeitet werden, erforderlich ist; personenbezogene Daten dürfen länger gespeichert werden, soweit die personenbezogenen Daten vorbehaltlich der Durchführung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen, die von dieser Verordnung zum Schutz der Rechte und Freiheiten der betroffenen Person gefordert werden, ausschließlich für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke oder für wissenschaftliche und historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke gemäß Artikel 89 Absatz 1 verarbeitet werden ('Speicherbegrenzung');

f) in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen ('Integrität und Vertraulichkeit');

(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können ('Rechenschaftspflicht').

Artikel 6

Rechtmäßigkeit der Verarbeitung

(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

b) die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

d) die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;

e) die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.

(2) Die Mitgliedstaaten können spezifischere Bestimmungen zur Anpassung der Anwendung der Vorschriften dieser Verordnung in Bezug auf die Verarbeitung zur Erfüllung von Absatz 1 Buchstaben c und e beibehalten oder einführen, indem sie spezifische Anforderungen für die Verarbeitung sowie sonstige Maßnahmen präziser bestimmen, um eine rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgende Verarbeitung zu gewährleisten, einschließlich für andere besondere Verarbeitungssituationen gemäß Kapitel IX.

(3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch

a) Unionsrecht oder

b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.

[…]"

III. Erwägungen

1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

2. Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt in seiner Entscheidung, dass der (Noch-)Ehemann in der vorliegenden Konstellation kein Recht auf Geheimhaltung seiner Einkommensdaten hat.

3.1. Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte hat nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Auskunft und Rechnungslegung (vgl zB OGH 11.5.2007, 10 Ob 47/07w). Es kann dem Unterhaltsberechtigten nämlich nicht zugemutet werden, gewissermaßen "ins Blaue zu klagen", sohin irgendeine Einkommenshöhe, die am wahrscheinlichsten erscheine, zu behaupten und dem Unterhaltsbegehren zugrunde zu legen (OGH 13.11.2013, 7 Ob 123/13h). Die wechselseitigen ehelichen Informationspflichten wirken auch nach der Eheauflösung fort (OGH 7.5.2013, 2 Ob 261/12i).

3.2. Vor diesem Hintergrund kommt eine Verletzung des (Noch-)Ehemannes in seinem Recht auf Geheimhaltung von vornherein nicht in Betracht. Wo nämlich ein Rechtsanspruch auf Auskunft und Rechnungslegung besteht, kann es kein Recht auf Geheimhaltung personenbezogener Daten geben. Diese Interessenabwägung zu Gunsten der (Noch-)Ehefrau schlägt auf den von ihr beauftragten Beschwerdeführer durch.

4. Doch selbst wenn man von einem Recht auf Geheimhaltung der Einkommensdaten des (Noch-)Ehemannes ausginge, überwöge das berechtigte Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Verarbeitung der Daten durch den Beschwerdeführer.

Das Interesse der (Noch-)Ehefrau an der Ermittlung der ihr allenfalls zustehenden (Unterhalts-)Ansprüche ist jedenfalls als berechtigtes Interesse iSd Art6 Abs1 litf DSGVO anzuerkennen. Zudem besteht kein schutzwürdiges Interesse des Unterhaltspflichtigen an der Geheimhaltung seines Einkommens gegenüber seinem Ehegatten, um sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entziehen (vgl OGH 17.3.2004, 9 ObA 50/03y). Ebenso wenig besteht ein schutzwürdiges Interesse einer Privatstiftung an der Geheimhaltung ihres Vermögens oder Einkommens, das ihr der Unterhaltsschuldner zugewendet hat, gegenüber der Unterhaltsberechtigten, um die Prüfung eines allfälligen Unterhaltsanspruches unmöglich zu machen (OGH 23.9.2008, 10 Ob 46/08z).

5. Vor diesem Hintergrund erweist sich die vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die Interessen des (Noch-)Ehemannes an der Geheimhaltung seiner Einkommensverhältnisse überwögen, als willkürlich.

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist somit durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.

5. Den Anträgen der beteiligten Parteien auf Kostenersatz ist nicht stattzugeben, weil es sich bei den von ihnen eingebrachten Schriftsätzen, mit denen sie von der ihnen eingeräumten Möglichkeit der Erstattung einer Äußerung Gebrauch gemacht haben, nicht um abverlangte Schriftsätze handelt (VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000, 16.463/2002) und die von ihnen erstatteten Äußerungen nichts zur Rechtsfindung beigetragen haben (zB VfSlg 14.214/1995, 15.916/2000).

Schlagworte

Datenschutz, Entscheidungsbegründung, Interessen geschützte, Unterhalt, Einkünfte, Stiftung, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E2078.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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