TE Vfgh Erkenntnis 2022/9/26 G291/2020, V 484/2020 (G291/2020-18, V484/2020-18)

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Veröffentlicht am 26.09.2022
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Index

L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
RaumOG Sbg 2009 §31, §86
Zweitwohnung-DeklarierungsV
VfGG §7 Abs1
  1. B-VG Art. 139 heute
  2. B-VG Art. 139 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  5. B-VG Art. 139 gültig von 30.11.1996 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 659/1996
  6. B-VG Art. 139 gültig von 01.01.1991 bis 29.11.1996 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  7. B-VG Art. 139 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  8. B-VG Art. 139 gültig von 21.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 205/1962
  9. B-VG Art. 139 gültig von 19.12.1945 bis 20.07.1962 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  10. B-VG Art. 139 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 140 heute
  2. B-VG Art. 140 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.2008 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2008
  5. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. B-VG Art. 140 gültig von 06.06.1992 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 276/1992
  7. B-VG Art. 140 gültig von 01.01.1991 bis 05.06.1992 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  8. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1988 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  9. B-VG Art. 140 gültig von 01.07.1976 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  10. B-VG Art. 140 gültig von 19.12.1945 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 140 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit der Sbg Zweitwohnung-DeklarierungsV auf Grund Aufhebung ihrer gesetzlichen Grundlage (Sbg RaumOG 2009) durch den VfGH

Spruch

I.   Die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 über die Deklarierung der künftigen Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung (Zweitwohnung-Deklarierungsverordnung), LGBl für das Land Salzburg Nr 112/2018, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II.  Die Salzburger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen

.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1. Mit dem vorliegenden, auf "Art135 Abs4 iVm Art89 Abs2 B-VG iVm Art140 Abs1 Z1 lita B-VG" gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Salzburg, der Verfassungsgerichtshof möge

"1. §86 Abs15 Raumordnungsgesetz 2009 (StF LGBl Nr 82/2009 idgF)

2. die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 über die Deklarierung der künftigen Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung (Zweitwohnung-Deklarierungsverordnung), LGBl 112/2018

3. §31 Abs2 Z5 Raumordnungsgesetz 2009 (StF LGBl Nr 82/2009 idgF)"

als verfassungswidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. §5 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 über die Raumordnung im Land Salzburg (Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 – ROG 2009), Sbg LGBl 30/2009 idF Sbg LGBl 82/2019, §31 ROG 2009 idF Sbg LGBl 82/2018 und §86 Sbg ROG 2009 idF Sbg LGBl 82/2017 lauteten auszugsweise wie folgt (die mit dem Antrag angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Begriffsbestimmungen

§5

Im Sinn dieses Landesgesetzes bedeuten die Begriffe:

[…]

9. Hauptwohnsitz: der Hauptwohnsitz einer Person ist dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat (Art6 Abs3 B-VG);

[…]

17. Zweitwohnung und Verwendung als Zweitwohnung:

a) Zweitwohnung: Wohnung, die nicht verwendet wird:

aa) als Hauptwohnsitz,

bb) für die touristische Beherbergung von Gästen,

cc) für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke, wie etwa die Bewirtschaftung von Almen oder Forstkulturen,

dd) für Zwecke der Ausbildung oder der Berufsausübung, soweit dafür ein dringendes Wohnbedürfnis besteht,

ee) für Zwecke der notwendigen Pflege oder Betreuung von Menschen,

ff) für sonstige Zwecke, die den Raumordnungszielen gemäß §2 Abs1 Z1 und 7 litb und d nicht entgegenstehen, wobei die Landesregierung diese durch Verordnung zu bezeichnen hat;

b) Verwendung als Zweitwohnung: Innehabung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und zum Wohnen oder Schlafen (tatsächlich) benutzt wird.

[…]

Zweitwohnungsbeschränkungen und Zweitwohnungsgebiete

§31

(1) Die Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung ist raumordnungsrechtlich beschränkt:

1. in Gemeinden, in denen der Anteil an Wohnungen, die nicht als Hauptwohnsitz verwendet werden, 16 % des gesamten Wohnungsbestandes in der Gemeinde übersteigt (Zweitwohnung-Beschränkungsgemeinden);

2. in Gebieten, die durch Kennzeichnung im Flächenwidmungsplan der Gemeinde zu Zweitwohnung-Beschränkungsgebieten erklärt worden sind; eine solche Kennzeichnung kann erfolgen, wenn dies zur Versorgung der Bevölkerung mit geeigneten Wohnungen für Hauptwohnsitzzwecke oder zur Vermeidung nachteiliger Auswirkungen auf die örtlichen Siedlungs-, Sozial- oder Wirtschaftsstrukturen erforderlich ist.

Die Landesregierung hat das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß der Z1 alle fünf Jahre festzustellen und die Zweitwohnung-Beschränkungsgemeinden durch Verordnung zu bezeichnen. Auf Antrag einer Gemeinde kann der Prozentsatz gemäß der Z1 für die betreffende Gemeinde erhöht werden, wenn dies überörtlichen strukturellen Entwicklungszielen nicht zuwiderläuft. Für die Feststellung des Prozentanteils ist jeweils das arithmetische Mittel des Nicht-Hauptwohnsitzanteils zum Stichtag 31. Oktober der letzten fünf Jahre heranzuziehen.

(2) In Zweitwohnung-Beschränkungsgemeinden oder -gebieten ist die Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung nur in ausgewiesenen Zweitwohnungsgebieten zulässig. Ausgenommen davon sind Wohnungen:

1. die durch Rechtserwerb von Todes wegen oder nach zehnjähriger Hauptwohnsitznutzung durch Schenkung oder Übergabevertrag von Personen erworben worden sind, die zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, soweit keine entgeltliche Überlassung der Wohnung an Dritte zu Zweitwohnzwecken erfolgt; dies gilt auch, wenn Anteile zwischen Personen, die diese auf eine der vorgenannten Arten erworben haben, in weiterer Folge rechtsgeschäftlich übertragen werden;

2. die als Zweitwohnung baurechtlich bewilligt worden sind (zB Wochenendhäuser);

3. für die durch Bescheid (Abs3) eine ausnahmsweise Verwendung als Zweitwohnung gestattet ist;

4. die bereits vor dem 1. März 1993 für Zwecke des Urlaubs, des Wochenendes oder andere Freizeitzwecke oder vor Inkrafttreten einer Verordnung gemäß Abs1 Z1 oder Kennzeichnung gemäß Abs1 Z2 als Zweitwohnung verwendet worden sind, wenn und soweit dies bau- und raumordnungsrechtlich zulässig war;

5. die unter die Regelung gemäß §86 Abs15 fallen, soweit keine eigentumsrechtliche Übertragung oder sonstige entgeltliche Überlassung der Wohnung an Dritte zu Zweitwohnzwecken erfolgt.

(3) Die Gemeindevertretung kann die Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung außerhalb ausgewiesener Zweitwohnungsgebiete aus berücksichtigungswürdigen Gründen (zB wenn die Wohnung bisher dem Eigentümer zur Deckung des ganzjährigen Wohnbedarfes von sich oder seinen Angehörigen [Ehegatten, eingetragene Partner, Eltern, Kinder, Stiefkinder, Enkelkinder, Wahl-, Pflege- oder Schwiegerkinder] diente oder der familiären Vorsorge zur Deckung eines solchen Bedarfes dient) auf Antrag ausnahmsweise gestatten. Die Ausnahme ist auf höchstens zehn Jahre zu befristen und soweit erforderlich unter Auflagen oder Bedingungen zu erteilen. Der Bescheid ist jedenfalls zu begründen.

(4) Die Ausweisung von Zweitwohnungsgebieten ist nicht zulässig, wenn sie überörtlichen strukturellen Entwicklungszielen zuwiderläuft. Die Gemeinde ist ermächtigt, zum Zweck der Feststellung des Anteils an Zweitwohnungen in der Gemeinde eine (formlose) Zweitwohnungserhebung durchzuführen und die Adressdaten der gemeldeten und zulässigen Zweitwohnungen in einem Zweitwohnungsverzeichnis einzutragen.

(5) Zum Zweck der Überwachung der Einhaltung der sich aus Abs2 ergebenden Beschränkungen für die Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung sind den damit betrauten Organen die Zufahrt und zu angemessener Tageszeit der Zutritt zu dem jeweiligen Objekt zu gewähren und die erforderlichen Auskünfte über dessen Verwendung zu erteilen. Ist auf Grund bestimmter Tatsachen eine Nutzung anzunehmen, die den sich aus Abs2 ergebenden Beschränkungen widerspricht, haben die Versorgungs- oder Entsorgungsunternehmen, die Erbringer von Postdiensten oder von elektronischen Zustelldiensten auf Anfrage des Bürgermeisters oder der Bürgermeisterin die zur Beurteilung der Nutzung erforderlichen Auskünfte zu erteilen oder die erforderlichen personenbezogenen Daten zu übermitteln.

[…]

§86

(1) In der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 82/2017 treten in Kraft:

1. mit 1. Jänner 2018 die §§1 bis 4, 5 Z1 bis 16, 5a, 5b, 6 bis 16, 18, 20 Abs2, 24 Abs1, 25 bis 27, 29, 30, 31b, 32, 33 Abs3, 34 Abs1 und 3, 36 Abs1 und 9, 37 Abs4, 38, 39, 40 Abs2 und 4, 42, 43 Abs1 und 2, 46 Abs3 bis 5, 47 Abs2, 48, 49 Abs1 und 2, 50, 56 Abs2, 57 Abs2 und 3, 62 Abs2, 65 bis 67, 74, 75 Abs1, 76, 77a und 77b, 78 Abs1 Z4 und 5a sowie Abs3 und 4, 79 sowie die Anlage 1; gleichzeitig treten die §§31 Abs5 und 68 bis 72 sowie die Anlage 2 außer Kraft;

2. mit 1. Jänner 2019 die §§5 Z17, 31, 31a und 78 Abs1 Z3 und 5.

[…]

(15) Wohnungen, die zu dem im Abs1 Z2 bestimmten Zeitpunkt bis zur Meldung (Z1) nicht als Hauptwohnsitz, aber nach den bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen des Landes rechtmäßig verwendet werden, sind von den Beschränkungen des §31 Abs2 erster Satz in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 82/2017 ausgenommen, wenn

1. der Gemeinde von den Eigentümern der Wohnung innerhalb eines Jahres ab dem im Abs1 Z2 bestimmten Zeitpunkt die künftige Verwendung als Zweitwohnung schriftlich angezeigt wird und

 

2. der Erwerb der Wohnung zum Stichtag der Anzeige bereits länger als drei Jahre zurückliegt.

 

Im Streitfall ist darüber von der Gemeindevertretung mit Bescheid zu entscheiden. Für die Meldung ist ein Formular zu verwenden, dessen näherer Inhalt von der Landesregierung durch Verordnung festzulegen ist."

2. §86 Abs15 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 über die Raumordnung im Land Salzburg (Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 – ROG 2009), wurde mit Landesgesetz, Sbg LGBl 62/2021, geändert und lautete demnach wie folgt:

"(15) Wohnungen, die zu dem im Abs1 Z2 bestimmten Zeitpunkt bis zur Meldung (Z1) nicht als Hauptwohnsitz, aber nach den bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen des Landes rechtmäßig verwendet werden, sind von den Beschränkungen des §31 Abs2 erster Satz in der Fassung des Gesetzes LGBl Nr 82/2017 ausgenommen, wenn

1. der Gemeinde von den Eigentümern der Wohnung innerhalb eines Jahres ab dem im Abs1 Z2 bestimmten Zeitpunkt die künftige Verwendung als Zweitwohnung schriftlich angezeigt wird und

2. der Erwerb der Wohnung zum Stichtag der Anzeige bereits länger als drei Jahre zurückliegt.

Liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach dem ersten Satz nicht vor, hat dies die Gemeindevertretung (in der Stadt Salzburg der Gemeinderat) mit Bescheid festzustellen. Durch Verordnung der Landesregierung kann festgelegt werden, dass für die Meldung (Z1) ein Formular mit näher zu bestimmendem Inhalt zu verwenden ist; ferner, dass eine Bescheinigung über das Einlangen dieser Meldung auszustellen ist, und dass sich die Gemeinde eine Bescheiderlassung im Sinn des zweiten Satzes innerhalb einer vier Wochen nicht übersteigenden Frist vorbehalten kann, widrigenfalls die Meldung nach Ablauf dieser Frist unmittelbar wirksam wird."

3. Die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 über die Deklarierung der künftigen Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung (Zweitwohnung-Deklarierungsverordnung), Sbg LGBl 112/2018, lautet:

"§1

Für Erklärungen gemäß §86 Abs15 ROG 2009 ist ein Formular nach dem im Anhang zu dieser Verordnung enthaltenen Muster zu verwenden.

§2

(1) Die Gemeinde hat auf dem Formular gemäß §1 das Einlangen der Erklärung zu bescheinigen und eine Kopie davon dem bzw der Erklärenden auszuhändigen oder an die bekanntgegebene Adresse zu übermitteln.

(2) Innerhalb von vier Wochen ab Einlangen der Erklärung kann sich die Gemeinde eine Entscheidung durch Bescheid (§86 Abs15 vorletzter Satz ROG 2009) vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt ist dem bzw der Erklärenden schriftlich mitzuteilen. Erfolgt innerhalb der vorgenannten Frist kein schriftlicher Vorbehalt, wird die Erklärung unmittelbar rechtswirksam.

§3

Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2019 in Kraft."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem beim Verfassungsgerichtshof vorliegenden Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht sind nach einem Erb- und Pflichtteilsübereinkommen vom 7. April 2010 jeweils zur Hälfte Eigentümerinnen einer Wohnung in Bad Hofgastein. Zu Gunsten ihrer Mutter, der Drittbeschwerdeführerin im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht, wurde ein bis 9. Mai 2026 befristetes Fruchtgenussrecht eingeräumt und im Grundbuch einverleibt. Die Drittbeschwerdeführerin war zuvor Eigentümerin der maßgeblichen Liegenschaft.

1.2. Das Grundstück ist im Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Bad Hofgastein als Bauland "Reines Wohngebiet" ausgewiesen. Sowohl in den Verhandlungsschriften zum Bauplatzerklärungsverfahren als auch zur Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung dieses Objektes wurde festgelegt bzw auf die Verpflichtung verwiesen, dass Wohnungen mit dem Verwendungszweck Ferienwohnung oder Zweitwohnsitz nicht errichtet werden dürften und die Objekte als Haupt- oder ständiger Wohnsitz bewohnt werden müssten.

1.3. Mit einem Formular namens "Erklärung über die beabsichtigte künftige Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung gemäß §86 Abs15 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 2009" erklärten die Beschwerdeführerinnen am 14. August 2019 gegenüber dem Bauamt der Marktgemeinde Bad Hofgastein in Bezug auf die in Rede stehende Wohnung die Absicht der künftigen Verwendung als Zweitwohnung sowie dass diese seit 1998 bis zum Tag der Erklärung nach bau- und raumordnungsrechtlichen Bestimmungen rechtmäßig, aber nicht als Hauptwohnsitz verwendet worden sei.

1.4. Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Bad Hofgastein vom 18. März 2020 wurde den Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen eine "Legalisierung der Zweitwohnnutzung" des in Rede stehende Wohnobjektes bewilligt, der Drittbeschwerdeführerin aber versagt.

1.5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen hinsichtlich der Verfahrenskosten Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg. Die Drittbeschwerdeführerin erhob gegen die Abweisung ihres Antrages Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Salzburg.

1.6. Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Salzburg den vorliegenden, auf "Art135 Abs4 iVm Art89 Abs2 B-VG iVm Art140 Abs1 Z1 lita B-VG" gestützten Antrag auf Aufhebung des "§86 Abs15 Raumordnungsgesetz 2009 (StF LGBl Nr 82/2009 idgF)" und "§31 Abs2 Z5 Raumordnungsgesetz 2009 (StF LGBl Nr 82/2009 idgF)" sowie der "Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 über die Deklarierung der künftigen Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung (Zweitwohnung-Deklarierungsverordnung), LGBl 112/2018".

2. Die Salzburger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie die Zulässigkeit des Antrages bestreitet und den Bedenken entgegentritt.

3. Die beschwerdeführenden Parteien im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht erstatteten eine Äußerung, in der sie sich im Wesentlichen den Bedenken des antragstellenden Gerichtes anschließen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Zum Antrag auf Aufhebung der Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 über die Deklarierung der künftigen Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung (Zweitwohnung-Deklarierungsverordnung), Sbg LGBl 112/2018 (V 484/2020):

1.1.1. Die Salzburger Landesregierung brachte zur Zulässigkeit des Antrages vor, dass gemäß §15 Abs2 VfGG für Anträge an den Verfassungsgerichtshof die Bezugnahme auf den Artikel des B-VG, auf Grund dessen der Verfassungsgerichtshof angerufen wird, zwingendes Erfordernis sei (vgl VfSlg 19.232/2010; VfGH 11.12.2013, G63/2013).

1.1.2. Damit ist die Salzburger Landesregierung nicht im Recht:

Der Antrag des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg an den Verfassungsgerichtshof wurde auf "Art135 Abs4 iVm Art89 Abs2 B-VG und Art140 Abs1 Z1 lita B-VG" gestützt. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf Art139 B-VG erfolgte zwar nicht, jedoch geht aus dem Antrag hervor, dass sich das Landesverwaltungsgericht Salzburg der Sache nach auch auf diese Vorschrift stützt.

1.1.3.

Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

1.2. Zum Antrag auf Aufhebung von Bestimmungen des Sbg ROG 2009 (G 291/2020):

1.2.1. Der Verfassungsgerichtshof hob – nach Einbringung des vorliegenden Antrages – mit Erkenntnis vom 30. Juni 2022, G366/2021, §31 Abs2 Z5 Sbg ROG 2009 idF Sbg LGBl 82/2017 und §86 Abs15 Sbg ROG 2009 idF Sbg LGBl 62/2021 als verfassungswidrig auf und stellte fest, dass §86 Abs15 Sbg ROG 2009 idF Sbg LGBl 82/2017 verfassungswidrig war.

1.2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB

VfSlg 12.778/1991, 12.813/1991, 14.278/1995

) kann ein bereits aufgehobenes oder als verfassungswidrig festgestelltes Gesetz nicht neuerlich Gegenstand eines entsprechenden Aufhebungs- oder Feststellungsbegehrens sein.

1.2.3. Der Antrag ist daher gemäß

§19 Abs3 Z2 litd VfGG

mangels tauglichen Prüfungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

2. In der Sache

2.1. Die angefochtene Verordnung hatte ihre gesetzliche Grundlage bis zum Ablauf des 31. Juli 2021 in §86 Abs15 Sbg ROG idF Sbg LGBl 82/2017, und danach in §86 Abs15 Sbg ROG idF Sbg LGBl 62/2021. Mit der Aufhebung der zuletzt genannten Vorschrift durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Juni 2022, G366/2021, hat sie ihre gesetzliche Grundlage verloren.

2.2. Gemäß Art139 Abs3 Z1 B-VG hat der Verfassungsgerichtshof die ganze Verordnung aufzuheben, wenn diese der gesetzlichen Grundlage entbehrt.

V. Ergebnis

1. Die Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 19. Dezember 2018 über die Deklarierung der künftigen Verwendung einer Wohnung als Zweitwohnung (Zweitwohnung-Deklarierungsverordnung), Sbg LGBl 112/2018, ist zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben.

Im Übrigen ist der Antrag zurückzuweisen.

2. Die Verpflichtung der Salzburger Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 liti Salzburger Landes-Verlautbarungsgesetz.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Raumordnung, Wohnsitz Zweit-, Raumplanung örtliche, VfGH / Prüfungsgegenstand, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Verwerfungsumfang, Verordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:G291.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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