TE Vwgh Beschluss 2022/10/13 Ra 2022/19/0056

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Veröffentlicht am 13.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr. Funk-Leisch als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, über die Revision des E J alias A J, vertreten durch MMag. Sabine Fehringer, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schottenring 14, als bestellte Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Mag. Katrin Blecha-Ehrbar, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Dorotheergasse 6-8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. Februar 2022, W102 2205557-1/54E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 4. Jänner 2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, die Taliban hätten seinen Bruder mitgenommen und in weiterer Folge auch nach dem Revisionswerber gefragt.

2        Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 5. Juni 2013 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verurteilt.

3        Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 18. September 2014 wurde der Revisionswerber wegen des mehrfachen Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 und Abs. 4 Z 1 SMG und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten verurteilt.

4        Mit Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 22. September 2016 wurde der Revisionswerber wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter Fall SMG, mehrfach wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG und mehrfach wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt.

5        Mit Urteil des Bezirksgerichts Wiener Neustadt vom 6. Oktober 2016 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs. 2 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Monaten verurteilt.

6        Mit Bescheid vom 7. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.), erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.), gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt V.), sprach aus, dass der Revisionswerber sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 11. Juni 2013 verloren habe (Spruchpunkt VI.), und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

7        Mit Teilerkenntnis vom 20. September 2018, W120 2205557-1/5E, gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides statt, behob den angefochtenen Bescheid hinsichtlich dieses Spruchpunktes und erkannte der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zu.

8        Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Februar 2021 wurde der Revisionswerber wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB, des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1 StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

9        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das BVwG - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I., II. und VI. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab. In Erledigung der Beschwerde änderte das BVwG den Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides dahingehend ab, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung erlassen und gleichzeitig festgestellt werde, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Revisionswerbers in den Herkunftsstaat Afghanistan unzulässig sei. Das BVwG gab der Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VII. jeweils mit der Maßgabe statt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Enthaftung festgelegt und die Dauer des Einreiseverbots auf sieben Jahre herabgesetzt werde. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

10       Begründend führte das BVwG - soweit hier relevant - aus, dass eine Bedrohung des Revisionswerbers oder seiner Familie durch die Taliban nicht festgestellt werden könne. Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 sei ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft darstelle. Der Revisionswerber sei insgesamt fünf Mal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt worden. Die vom Revisionswerber begangene absichtliche schwere Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen und das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vom Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 umfasst. Der Revisionswerber sei jeweils nach seiner Verurteilung bzw. Haftentlassung sehr bald rückfällig geworden und habe erneut strafbare Handlungen gesetzt. Im Ergebnis sei von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG hätte nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen gehabt, dass der Revisionswerber bei seiner Ankunft in Österreich und zum Zeitpunkt der Antragstellung noch minderjährig gewesen sei, vor allem aber, dass sich seine Fluchtgeschichte über weite Strecken auf eine Zeit beziehe, in der er noch ein Kind gewesen sei. Den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis sei nicht zu entnehmen, dass im Rahmen der Beweiswürdigung auf diese Tatsache Bedacht genommen worden sei.

15       Mit diesem Vorbringen geht die Revision ins Leere, weil das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Begründung abgewiesen hat, der Revisionswerber sei von der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ausgeschlossen, weil er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeute. Wenn ein Ausschlussgrund nach § 6 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegt, kann der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 6 Abs. 2 AsylG 2005 in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden (vgl. zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten etwa VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0289).

16       Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit des Weiteren vor, das BVwG stelle die dem Revisionswerber zur Last gelegten und den Grund für die Erlassung des „Aufenthaltsverbotes“ bildenden Straftaten im Wesentlichen nur der Strafregisterauskunft folgend dahingehend fest, dass lediglich die Gerichte, Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen die verhängten Strafen angeführt würden. Das reiche für eine Gefährdungsprognose nicht aus. Es wären konkrete Feststellungen zu den einzelnen, den Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten zu treffen gewesen. Ferner bringt die Revision vor, das BVwG habe nicht festgestellt, welche konkreten psychischen Probleme der Revisionswerber habe. Das BVwG habe das konkrete Vorbringen des Revisionswerbers ignoriert und den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt.

17       Das BVwG traf entgegen dem Vorbringen der Revision konkrete Feststellungen zu den Tathandlungen der vom Revisionswerber begangenen Straftaten, den Folgen dieser Straftaten, sowie den jeweils herangezogenen Milderungs- und Erschwerungsgründen. Werden außerdem Verfahrensmängel - wie hier Feststellungs- und Ermittlungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 20.1.2022, Ra 2021/19/0302, mwN). Die Revision enthält hinsichtlich der vorgebrachten Feststellungsmängel keine solche Relevanzdarstellung.

18       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 13. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190056.L00

Im RIS seit

09.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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