TE Vwgh Beschluss 2022/10/14 Ra 2019/04/0040

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Veröffentlicht am 14.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die B&S Böhmdorfer Schender Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien, Gußhausstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2019, Zl. W134 2210862-2/26E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. Sgesellschaft mbH in W, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19; 2. Ö AG in W, vertreten durch die Schramm Öhler Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Bartensteingasse 2/3), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Februar 2019 traf das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Vergabeverfahren „Erbringung von Verkehrsdienstleistungen im Schienenpersonenverkehr ab 15.12.2019 (Direktvergabe von Schienenpersonenverkehrsdiensten gemäß Art. 5 Abs. 6 PSO-VO)“ auf Grund der Anträge der W GmbH (Revisionswerberin) folgende Entscheidungen:

Der Antrag auf Nichtigerklärung der am 28. November 2018 kundgemachten Entscheidung der S GmbH (Erstmitbeteiligte, Auftraggeberin) wurde hinsichtlich der damit erfolgten Wahl der Direktvergabe abgewiesen (Spruchpunkt A.I.) und hinsichtlich der damit erfolgten Wahl der Zuschlagsempfängerin (Zweitmitbeteiligte, Ö AG) zurückgewiesen (Spruchpunkt A.II.).

Die Revision erklärte das BVwG gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

2        1.2. Nach Darstellung des Verfahrensganges gab das BVwG zunächst den Inhalt der von der Auftraggeberin am 28. November 2018 veröffentlichten Vorinformation gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße betreffend die beabsichtigte Direktvergabe von näher umschriebenen Schienenpersonenverkehrsdienstleistungen gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 durch die Erstmitbeteiligte an die Zweitmitbeteiligte mit einem voraussichtlichen Vertragsbeginn am 15. Dezember 2019 und einer Laufzeit von zehn Jahren wieder.

3        In seinen rechtlichen Erwägungen prüfte das BVwG, ob die Auftraggeberin die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 6 (hinsichtlich der Zulässigkeit der Direktvergabe) sowie des Art. 7 Abs. 2 (hinsichtlich des Inhaltes der Vorinformation) der Verordnung (EG) 1370/2007 eingehalten habe, und bejahte dies mit jeweils näherer Begründung.

Die Anwendbarkeit der Verordnung (EG) 1370/2007 begründete das BVwG damit, dass sämtliche in der Vorinformation genannten Personenverkehrsdienste einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung unterlägen. Dem Vorbringen der Revisionswerberin zur Anwendbarkeit der primärrechtlichen Grundsätze hielt das BVwG unter Verweis auf näher zitierte Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) entgegen, dass abschließend harmonisierte Bereiche des Unionsrechts anhand der Harmonisierungsmaßnahmen - somit der Verordnung (EG) 1370/2007 - und nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts zu prüfen seien. Da die einschlägigen Normen der Verordnung (EG) 1370/2007 und des Bundesvergabegesetzes 2018 (BVergG 2018) eingehalten worden seien, gehe auch das Vorbringen der Revisionswerberin ins Leere, die Direktvergabe sei ohne Beachtung der Grundsätze der Transparenz, des Effizienzgebotes, des Wettbewerbsprinzips und des Gleichbehandlungsgebotes bzw. Diskriminierungsverbotes erfolgt. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Wahl des Vergabeverfahrens sei daher abzuweisen gewesen.

4        Nach § 2 Z 15 lit. a sublit. gg BVergG 2018 sei im Fall einer Direktvergabe gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 nur die Wahl des Vergabeverfahrens gesondert anfechtbar. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Wahl des Zuschlagsempfängers sei somit zurückzuweisen gewesen.

5        Die beantragte Einholung eines eisenbahntechnischen und eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens sowie die beantragte Einvernahme von mehreren Zeugen seien für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts nicht erforderlich gewesen.

6        2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        3. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       4.1. Zur Begründung der Zulässigkeit der Revision wird zunächst vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (und des EuGH) dazu, ob eine Beschränkung der gesondert anfechtbaren Entscheidungen bei einer Direktvergabe gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 auf die Wahl des Vergabeverfahrens und somit der Direktvergabe (wie dies § 2 Z 15 lit. a sublit. gg BVergG 2018 vorsehe) unionsrechtskonform sei. Die Revisionswerberin verweist diesbezüglich auf die Regelung des Art. 5 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007, der zufolge Entscheidungen gemäß Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 wirksam und rasch überprüfbar sein müssen, und zwar auf Antrag einer Person, die angibt, durch einen Verstoß dieser Entscheidung gegen Gemeinschaftsrecht (nunmehr: Unionsrecht) oder nationales Recht zur Durchführung des Gemeinschaftsrechts geschädigt worden zu sein oder werden zu können.

11       4.2. Gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 können Auftraggeber entscheiden, „öffentliche Dienstleistungsaufträge im Eisenbahnverkehr [...] direkt zu vergeben“.

12       Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 9. Juni 2021, Ra 2019/04/0004, zum obigen Vorbringen der Revisionswerberin bereits ausgesprochen hat, stellt die Entscheidung, einen Auftrag „direkt zu vergeben“ die Entscheidung über die Wahl der Verfahrensart „Direktvergabe“ dar, die nach § 2 Z 15 lit. a sublit. gg BVergG 2018 gesondert anfechtbar ist. Gegen die von der Revisionswerberin offenbar vertretene Auffassung, auch die Entscheidung über die Auswahl des Auftragnehmers müsse anfechtbar sein, spricht - abgesehen vom Wortlaut der Regelung - auch der Umstand, dass die Entscheidung über die Auswahl des Vertragspartners nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) 1370/2007 in der Vorinformation nicht bekannt gegeben werden muss. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, der Verordnung (EG) 1370/2007 die Normierung einer Anfechtungsmöglichkeit hinsichtlich einer Entscheidung zu unterstellen, die gar nicht vorab bekannt gegeben werden muss. Auch die Regelung des Art. 7 Abs. 4 der Verordnung (EG) 1370/2007 betreffend die Offenlegung der Gründe für die Entscheidung über die Direktvergabe bezieht sich nur auf die Gründe, die die zuständige Behörde (Auftraggeberin) veranlasst haben, eine Direktvergabe vorzunehmen (siehe EuGH 24.10.2019, C-515/18, Autorità Garante, Rn. 26; siehe in diesem Zusammenhang auch Rn. 29 dieses Urteils, wonach die Direktvergabe jedes vorherige wettbewerbliche Vergabeverfahren ausschließt). Schließlich nimmt Art. 5 Abs. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 auf einen Verstoß der Entscheidungen gemäß Art. 5 Abs. 2 bis 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 gegen Gemeinschaftsrecht oder (dieses durchführendes) nationales Recht Bezug. Weder das BVergG 2018 (siehe dessen § 151 Abs. 2 letzter Satz) noch die Verordnung (EG) 1370/2007 (siehe die Definition der Direktvergabe in deren Art. 2 lit. h sowie die einschlägige Ausnahmebestimmung in deren Art. 5 Abs. 6) enthalten allerdings diesbezüglich bei der Auswahl des Vertragspartners einzuhaltende Vorgaben (vgl. VwGH 9.6.2021, Ra 2019/04/0004).

13       5.1. In der Revision wird in diesem Zusammenhang noch auf den Erwägungsgrund 21 zur Verordnung (EG) 1370/2007 verwiesen, dem zufolge der Rechtsschutz mit jenem gemäß der Richtlinie 89/665/EWG (Rechtsmittelrichtlinie) vergleichbar sein müsse. Nach Ansicht der Revisionswerberin zeige sich bei einem Vergleich etwa mit einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung (§ 2 Z 15 lit. a sublit. dd BVergG 2018), dass in diesen Verfahren deutlich mehr Entscheidungen anfechtbar seien als bei einer Direktvergabe.

14       5.2. Dem hat der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Beschluss VwGH 9.6.2021, Ra 2019/04/0004 entgegengehalten, dass eine Direktvergabe schon dem Grunde nach nicht mit einem Vergabeverfahren mit vorheriger Bekanntmachung verglichen werden kann. § 2 Z 15 lit. a sublit. gg BVergG 2018 sieht auch für alle Direktvergaben - und nicht nur diejenigen nach der Verordnung (EG) 1370/2007 - nur die Wahl des Vergabeverfahrens als gesondert anfechtbare Entscheidung vor. Dass die Zuschlagsentscheidung bei einer Direktvergabe keine gesondert anfechtbare Entscheidung darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt festgehalten (vgl. zuletzt VwGH 18.8.2017, Ra 2017/04/0077, Rn. 15, mwN). Schließlich verlangt auch die im genannten Erwägungsgrund zitierte Rechtsmittelrichtlinie ihrerseits keine Anfechtbarkeit einer Zuschlagsentscheidung bei einer Direktvergabe.

15       6.1. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nach Ansicht der Revisionswerberin auch deshalb vor, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob bei einer Direktvergabe gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 die primärrechtlichen Grundsätze, wie insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Diskriminierungsverbot und der Transparenzgrundsatz, anwendbar seien. Das BVwG sei mit seiner Beurteilung, wonach die primärrechtlichen Grundsätze nicht unmittelbar anwendbar wären, von (näher bezeichneter) Rechtsprechung des EuGH (Verweis auf das Urteil in der Rechtssache C-518/17) abgewichen. Hätte das BVwG bei richtiger rechtlicher Beurteilung die Anwendbarkeit dieser Grundsätze bejaht, wäre dem Nachprüfungsantrag wegen Verletzung der primärrechtlichen Grundsätze stattzugeben gewesen; dies insbesondere deshalb, weil trotz Kenntnis von der Leistungsbereitschaft der Revisionswerberin und ihrer Fähigkeit, die Leistungen zu erbringen, ihr keine Möglichkeit gegeben worden sei, sich am Vergabeverfahren zu beteiligen, ein Angebot zu legen und den Zuschlag zu erhalten.

16       6.2. In Ermangelung einer Untersagung auf nationaler Ebene (vgl. dazu VwGH 26.2.2014, 2011/04/0134) können öffentliche Dienstleitungsaufträge im Eisenbahnverkehr mit einer Höchstlaufzeit von zehn Jahren gemäß Art. 5 Abs. 6 der Verordnung (EG) 1370/2007 direkt vergeben werden. Dass diese Voraussetzungen gegenständlich erfüllt sind, wird von der Revision nicht bestritten.

17       Art. 2 lit. h der Verordnung (EG) 1370/2007 definiert die Direktvergabe eines Dienstleistungsauftrags an einen bestimmten Betreiber eines öffentlichen Dienstes ohne vorherige Durchführung eines wettbewerblichen Vergabeverfahrens. Bezugnehmend auf diese Definition hat der EuGH im Urteil vom 24. Oktober 2019 in der Rechtsache C-515/18, Autorita Garante, festgehalten, dass die Direktvergabe jedes vorherige wettbewerbliche Vergabeverfahren ausschließe, und zum Ausdruck gebracht, dass die in der Verordnung (EG) 1370/2007 vorgesehenen erheblichen Unterschiede zwischen der Direktvergabe und dem wettbewerblichen Vergabeverfahren nicht missachtet werden dürfen. Des Weiteren hat der EuGH im zitierten Urteil eine Verpflichtung des Auftraggebers verneint, eine vergleichende Bewertung aller möglicherweise eingegangenen Angebote vorzunehmen.

Ebenso hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auch nach der Definition des (damals noch maßgeblichen) § 25 Abs. 10 BVergG 2006 bei der Direktvergabe eine Leistung, gegebenenfalls nach Einholung von Angeboten oder unverbindlichen Preisauskünften von einem oder mehreren Unternehmern, formfrei unmittelbar von einem ausgewählten Unternehmer gegen Entgelt bezogen wird (vgl. VwGH 18.1.2021, Ra 2019/04/0082).

Demnach kann aber - so der Verwaltungsgerichtshof in VwGH 18.1.2021, Ra 2019/04/0082 - bei einer Direktvergabe kein Anspruch auf Teilnahme eines Unternehmers bestehen, zumal ansonsten die vom EuGH betonten Unterschiede zwischen der Direktvergabe und dem wettbewerblichen Vergabeverfahren missachtet würden.

18       Somit kann die Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen (wie auch schon im Verfahren Ra 2019/04/0082) nicht aufzeigen, inwieweit durch die gegenständlich nicht ermöglichte Teilnahme an einem wettbewerblichen Vergabeverfahren die Grundsätze der Transparenz oder der Nichtdiskriminierung verletzt worden wären. Das Vorbringen ist daher schon aus diesem Grund nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

Aus den Ausführungen des EuGH in dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Urteil vom 20. September 2018 in der Rechtssache C-518/17 zu den im Vergaberechtsschutz von den Mitgliedstaaten zu beachtenden Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität lässt sich für die hier gegenständliche Frage nichts ableiten (vgl. auch dazu bereits VwGH 18.1.2021, Ra 2019/04/0082).

19       7.1. Die Revision bringt zudem vor, es gäbe keine Rechtsprechung zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag gemäß Art. 2 lit. i der Verordnung (EG) 1370/2007 vorliege. In enger Anlehnung an den Wortlaut von Art. 2 lit. e der Verordnung (EG) 1370/2007 könnte man argumentieren, dass diese Beurteilung davon abhänge, ob der konkret beabsichtigte Auftragnehmer diese Leistung ohne Gegenleistung übernommen hätte. Eine derartige, auf die subjektiven Verhältnisse des geplanten Auftragnehmers abstellende Interpretation stehe jedoch den Zielen der Verordnung (EG) 1370/2007 entgegen. Der Zweck dieser Verordnung sei gemäß deren Art. 1 Abs. 1 „die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte.“ Grundgedanke der Verordnung (EG) 1370/2007 sei daher die Förderung von Aufträgen, die von Unternehmern unter Wettbewerbsbedingungen nicht erbracht werden würden. Aus teleologischen Gesichtspunkten sei Art. 2 lit. i der Verordnung (EG) 1370/2007 daher so zu interpretieren, dass die Beurteilung nach objektiven, auf die am Markt agierenden Unternehmer bezogenen Kriterien zu erfolgen habe.

20       7.2. Die Revisionswerberin macht damit einen Begründungsmangel geltend, ohne jedoch dessen Relevanz für den Verfahrensausgang aufzuzeigen (zum Erfordernis einer solchen Relevanzdarstellung in der Zulassungsbegründung in Zusammenhang mit einem behaupteten Begründungsmangel siehe etwa VwGH 11.12.2020, Ra 2020/22/0035, mwN).

In der Revision wird zwar ausgeführt, dass das BVwG bei Heranziehung der teleologischen Gesichtspunkte (und damit richtiger rechtlicher Beurteilung) dem Nachprüfungsantrag auf Nichtigerklärung der Wahl der Direktvergabe hätte stattgeben müssen. Eine Begründung dafür bleibt die Revision allerdings schuldig. Die Revisionswerberin bringt insbesondere nicht vor, dass sie selbst (als am Markt agierende Unternehmerin) die gegenständliche Leistung ohne Gegenleistung übernommen hätte und das BVwG somit zum Ergebnis hätte kommen müssen, dass keine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung und damit kein öffentlicher Dienstleistungsauftrag vorliegt.

21       8.1. Darüber hinaus rügt die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen, dass die Vorinformation und die Leistungsbeschreibung umfangreiche Vorbehalte möglicher Vertragsänderungen enthielten (im Ausmaß von plus/minus 15 % des Gesamtauftragswertes). Ein Vorbehalt derart weitreichender Änderungen sei unzulässig. Kernelement der Einordnung als ursprünglich vorgesehene Änderung sei, dass sie mit der Ausschreibung veröffentlicht und dem Wettbewerb unter Bietern unterzogen worden sei, was bei einer Direktvergabe aber nicht erfüllt werde. Die vorgesehene Änderung des Fahrplansystems mit der Inbetriebnahme der Koralmbahn komme einer Änderung des Gesamtcharakters gleich und sei auch bei ursprünglich vorgesehenen Vertragsänderungen unzulässig.

8.2. Zu diesem Vorbringen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Beschluss VwGH 18.1.2021, Ra 2019/04/0082 ausgesprochen, dass damit ein Widerspruch zwischen der entsprechenden Bestimmung in der Vorinformation und Art. 7 Abs. 2 lit. c der Verordnung (EG) 1370/2007 (Veröffentlichung der „von der Vergabe möglicherweise betroffenen Dienste und Gebiete“) nicht aufgezeigt werde und ebenso wenig ersichtlich sei, dass durch diese Bestimmung der Zweck der Vorinformation, nämlich Verkehrsunternehmer in die Lage zu versetzen, darauf zu reagieren bzw. ihr Interesse am Auftrag zu prüfen (vgl. dazu VwGH 1.10.2018, Ra 2015/04/0060), vereitelt worden wäre. Gleiches gilt für die vorgesehene Änderung infolge der Inbetriebnahme der Koralmbahn. Zudem wies der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Leistungsgegenstand mit der Veröffentlichung der Vorinformation noch nicht abschließend festgelegt wird. So hat auch der EuGH in seinem Urteil vom 24. Oktober 2019 in der Rechtssache C-515/18 zur Frage der Detailliertheit der in Zusammenhang mit einer beabsichtigten Direktvergabe zu veröffentlichenden Informationen festgehalten, dass sich anhand der in Art. 7 der Verordnung (EG) 1370/2007 aufgezählten Informationen kein Angebot vorbereiten lasse, das Gegenstand einer vergleichenden Bewertung sein könne, und Auftraggeber, die beabsichtigten, einen Auftrag für öffentliche Personenverkehrsdienste auf der Schiene direkt zu vergeben, nicht verpflichtet seien, alle erforderlichen Informationen zu veröffentlichen, damit möglicherweise interessierte Wirtschaftsteilnehmer ein hinreichend detailliertes Angebot erstellen könnten.

22       Damit kommt aber auch dem weiteren Vorbringen der Revisionswerberin, wonach das BVwG zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass Mängel der Vorinformation nicht zur Stattgabe des Nachprüfungsantrages führen würden, keine Relevanz (mehr) zu.

23       9.1. Schließlich rügt die Revision noch, das BVwG habe sich nicht mit ihrem (mit Urkunden belegten) Vorbringen, zu dessen Untermauerung weitere Beweise wie die Einvernahme konkret benannter Zeugen und die Einholung von Sachverständigengutachten beantragt worden seien, auseinandergesetzt und keine entsprechenden Beweise aufgenommen. Damit habe das BVwG auch seine Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhalts missachtet.

24       9.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Revision nicht, wie nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die hinreichende Darlegung von Verfahrensmängel vorausgesetzt, die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels auf (vgl. dazu nochmals VwGH 18.1.2021, 2019/04/0082, mwN).

25       10. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 14. Okober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019040040.L00

Im RIS seit

09.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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