TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/6 95/20/0219

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.03.1996
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1 impl;
AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Bachler und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. König, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. Jänner 1995, Zl. 4.328.560/2-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Bangladeshs, ist am 28. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt. Eine Einvernahme des Beschwerdeführers im Verfahren erster Instanz erfolgte nicht.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. Jänner 1993 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nicht erfülle. In seiner gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Berufung brachte er als Fluchtgrund vor, er sei als Aktivist der Jatiya-Partei von den Handlangern der dann zur Macht gekommenen Bangladesh National Party terrorisiert, geschlagen und schwer verwundet worden, er sei - typisch für die Methode der politischen Verfolgung in Bangladesh - auf Grund seiner politischen Aktivitäten und Parteizugehörigkeit fälschlich wegen Waffen- und Sprengstoffbesitzes angezeigt worden und habe von vornherein keine Chance auf den ihm logischerweise zustehenden Freispruch gehabt. Diese Sachverhalte könnten auch durch internationale Medienberichterstattung objektiv belegt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. Sie begründete ihren Ausspruch im wesentlichen rechtlich dahingehend, das Asylrecht schütze ausschließlich Personen, gegen die von staatlicher Seite mit erheblicher Intensität in Verfolgungsabsicht vorgegangen werde. Die von dem Beschwerdeführer geltend gemachten bzw. befürchteten Übergriffe durch Private hingegen stellten auch in seinem Heimatstaat strafbare Handlungen dar, die von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden bei Kenntnis verfolgt und geahndet würden. Eine Billigung dieser Übergriffe durch die Behörden könne nicht erkannt werden. Es sei nicht dargetan, daß diese Übergriffe von den Behörden seines Heimatlandes geduldet worden wären oder der Beschwerdeführer, hätte er sie angezeigt, keinen Schutz erhalten habe. Es liege außerhalb der Möglichkeit eines Staates, jeden denkbaren Übergriff Dritter präventiv zu verhindern. Auch die Behauptung, zu Unrecht strafbarer Handlungen beschuldigt worden zu sein, könne Flüchtlingseigenschaft noch nicht begründen. Das asylrechtlich Entscheidende sei immer die Motivation der einschreitenden Staatsorgane, wenn diese "subjektiv ehrlich" davon überzeugt seien, ein gemeinstrafrechtliches Delikt zu untersuchen, so verschlage es nichts, wenn sie verleumderisch dazu angeregt worden sein sollten. Das Asylrecht schütze vor illegitim motiviertem Staatshandeln, nicht aber vor Verleumdung oder Justizirrtümern, "welche ein Risiko jedes Rechtsunterworfenen in allen Rechtskulturen" darstellten. Gerade der Umstand, daß die politischen Gegner des Beschwerdeführers sich auf das Mittel der Verleumdung verwiesen gesehen hätten, zeige deutlich, daß es ihnen nicht möglich gewesen sei, die staatliche Gewalt direkt - und deren Organen bewußt - zu Zwecken politischer Nachstellung zu instrumentalisieren. Daher wäre es dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen, sich wie jeder andere Staatsbürger in jedem anderen Staat dem Gericht zu stellen und die aufgebotenen Beweismittel zu entkräften.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Zunächst ist klarzustellen, daß die belangte Behörde im Sinne des § 25 Abs. 2 i.V.m. § 25 Abs. 1 AsylG 1991 das vorliegende Asylverfahren nach der bis zum Inkrafttreten des Asylgesetzes 1991 geltenden Rechtslage, sohin nach den Bestimmungen des Asylgesetzes (1968) zu Ende zu führen hatte, da der Bescheid erster Instanz nach dem 1. Juni 1992, nämlich erst am 25. Jänner 1993 rechtswirksam erlassen worden ist (vgl. als Beispiel für viele hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831). Daraus, daß die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, ist dem Beschwerdeführer, der dieses Vorgehen der belangten Behörde nicht nur nicht gerügt hat, sondern demselben Rechtsirrtum unterfallen ist, kein Rechtsnachteil erwachsen. Die belangte Behörde ist zu ihrer Entscheidung deshalb gelangt, weil sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 AsylG 1991 beurteilt hat, welche Bestimmung aber keine inhaltliche Änderung gegenüber dem nach § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff bedeutet.

Im Ergebnis zutreffend hat sich daher die belangte Behörde mit dem in der Berufung enthaltenen Vorbringen auch inhaltlich auseinandergesetzt. Hiebei kann der belangten Behörde aber nicht gefolgt werden, wenn sie die Ansicht vertritt, die Darstellung der Fluchtgründe des Beschwerdeführers könnte eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht dartun. Zunächst ist ihr entgegenzuhalten, daß der Begriff eines "Handlangers" die Werkzeugeigenschaft des Objekts und damit die Zurechenbarkeit zum "Anstifter" indiziert. Ausführungen des "Handlangers" sind daher nach dem allgemeinen Verständnis dem "Anstifter" voll zurechenbar. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung deutlich gemacht, daß "Anstifter" in diesem Sinne die an der Regierung befindliche BNP bzw. deren Protagonisten sind, womit klargestellt ist, wem die Verantwortlichkeit zuzuordnen ist. Ohne Berücksichtigung der Gesamtumstände im Heimatstaat des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde daher nicht ohne weiteres annehmen dürfen, die regierende Partei bzw. deren Protagonisten stellten keine "staatlichen Stellen" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Auch entbehrt die weitere Annahme der belangten Behörde, die einschreitenden Staatsorgane handelten in Verfolgung der verleumderisch gegen die Oppositionellen des Landes geführten Ermittlungen "subjektiv ehrlich", gerade im Hinblick auf die dezidiert anders lautende Behauptung des Beschwerdeführers jeglicher Grundlage (vgl. im übrigen das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/20/0200, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Im übrigen kann wohl nicht in Zweifel gezogen werden, daß auch Verleumdung zur politischen Waffe erklärt werden kann, um den dahinterliegenden politischen Charakter auch vor der internationalen Öffentlichkeit zu verschleiern. Gerade darauf weist der Beschwerdeführer in seinen Beschwerdeausführungen neuerlich hin.

Ausgehend von diesen Überlegungen erweist sich jedoch der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verorndung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200219.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten