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Baurecht - WienNorm
AVG §56Beachte
y25423; y25424;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Krzizek, Dr. Lehne, Dr. Leibrecht und Dr. Hrdlicka als Richter, im Beisein des Schriftführers prov. Magistratskommissär Dr. Macho, über die Beschwerde der „N“ Elektrovertriebsgesellschaft m.b.H. & Co. KG. in W, vertreten durch Dr. Otto Heller und Dr. Christa Heller, Rechtsanwälte in Wien IV, Paulanergasse 9, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 24. Oktober 1967, Zl. MDR-B VII-8/67 (mitbeteiligte Partei: G Werbegesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien I, Schottengasse 4), betreffend Abweisung von Anrainereinwendungen gegen die Erteilung einer widerruflichen Baubewilligung, nach durchgeführter Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Otto Heller, des Vertreters der belangten Behörde, Magistratsrat DDr. WH, und des Vertreters der mitbeteiligten Partei, Rechtsanwalt Dr. Herbert Schachter, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde Wien Aufwendungen in der Höhe von S 790,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 1.250,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Hauses Wien VII, N Gasse 61, das zufolge des mit Beschluß des Gemeinderates der Stadt Wien vom 22. September 1967, Zl. 2040/67 (Plandokument Nr. 4416) genehmigten Bebauungsplanes ca. 1,70 m vor der Baulinie steht. Die unmittelbar angrenzenden Häuser N Gasse 59-57, 55 usw. stehen bereits in der geltenden Baulinie. Diese Situierung des Hauses N Gasse 61 bewirkt, daß die Feuermauer dieses Hauses zum Haus N Gasse 59-57 ca. 1,70 m frei sichtbar vorragt. An dieser Mauerfläche beabsichtigte die „G“ Werbegesellschaft m.b.H., die Mitbeteiligte des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, eine Plakattafel im Ausmaß von 1,70 m Breite und 4,30 m Höhe anzubringen. Nachdem zunächst ihr Versuch, mit der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Hauses N Gasse 61 zu einer privaten Vereinbarung zu kommen, .an dieser Feuermauer die Plakattafel zu errichten, gescheitert war, stellte die Mitbeteiligte am 17. Februar 1966 beim Magistrat der Stadt Wien den Antrag, auf öffentlichem Grund (Gehsteig) und im darüber befindlichen Luftraum, parallel zur bestehenden Feuermauer in einem Abstand von 10 cm die Errichtung einer freistehenden Plakattafel in dem bereits genannten Ausmaß zu bewilligen. Bei der über dieses Ansuchen vom Magistrat der Stadt Wien M. Abt. 35 am 31. März 1966 an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Verhandlung wendete die Beschwerdeführerin als Nachbar ein, daß sie selbst diese Feuermauer für Werbezwecke verwenden wolle. Sie besitze als Hauseigentümerin das subjektive-öffentliche Recht an der Gestaltung der Außenmauer ihres Hauses. Dieses Recht würde aber durch das Vorhaben der Mitbeteiligten unmöglich gemacht und damit verletzt. Außerdem würde durch die Gestaltung der Feuermauer durch einen Schaukasten, wie ihn die Beschwerdeführerin plane, ein besserer architektonischer Effekt erzielt werden als durch eine Plakatwand. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien - M. Abt. 35 vom 17. April 1967 wurde der Mitbeteiligten die behördliche Bewilligung zur Errichtung der geplanten Plakattafel in der bereits beschriebenen Form einerseits nach dem Gebrauchsabgabengesetz, LGBl. für Wien Nr. 20/1966, sowie gemäß § 82 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung 1960, in der derzeit geltenden Fassung, und andererseits auch nach der Bauordnung für Wien, und zwar gemäß § 71 gegen jederzeitigen Widerruf erteilt; dies jedoch mit der Auflage, daß die Feuermauer des Hauses Nr. 61 nicht in Anspruch genommen werden darf, sondern die Plakattafel in einem Abstand von 10 cm auf öffentlichem Grund freistehend auf Betonfundamenten und Eisenträgern zu errichten ist. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin wurden abgewiesen bzw. - soweit sie privatrechtlicher Natur waren - auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zur Begründung der baubehördlichen Bewilligung - nur sie ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens - wurde ausgeführt, daß diese wegen des bestimmungsgemäßen Zweckes des Baugrundes (Verkehrsfläche) nicht als Daueranlage verbleiben könne und daher nur gegen jederzeitigen Widerruf habe erteilt werden können. Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin wurde ausgeführt, sie könne aus der Tatsache, daß die Feuermauer sichtbar sei, nach der Bauordnung für Wien nicht das Recht ableiten, daß diese stets frei und sichtbar bleiben müsse und sie darüber jederzeit frei verfügen könne. Die Begrenzungslinie, welche diese Feuermauer vom öffentlichen Gemeindegrund (Verkehrsfläche) trenne, sei keine Baulinie und würden sich daher auch keine mit der Baulinie verbundenen Anliegerrechte, wie das Recht auf Zugänglichkeit, das Recht zur Herstellung der nach § 86 Abs. 1 zulässigen Vorbauten, ein Fensterrecht usw. ergeben. Was den Einwand anlange, eine Gestaltung der Feuermauer durch einen Schaukasten würde einen besseren architektonischen Effekt erzielen, sei dem entgegenzuhalten, daß der der Verhandlung beigezogene Amtssachverständige das Bauvorhaben der Mitbeteiligten nicht negativ beurteilt habe, weshalb auch keine Gründe vorgelegen seien, diesem die Bewilligung gemäß § 87 Abs. 3 der Bauordnung für Wien zu versagen.
In der dagegen eingebrachten Berufung machte die Beschwerdeführerin - neben Zustellungsmängeln - geltend, daß die Rechtsauffassung, die Grundgrenze, die durch eine Feuermauer gegenüber der öffentlichen Verkehrsfläche gebildet wird, sei keine Baulinie, mit § 5 Abs. 2 lit. a der Bauordnung für Wien im Widerspruch stünde. Auch diese Grenze sei eine Baulinie, weshalb sich daraus auch das Recht ergebe, den - an die Baulinie anliegenden - Baugrund nach Maßgabe der Bestimmungen der Bauordnung zu bebauen, die notwendigen Ausgänge, Anschlüsse und Fenster herstellen. Mit der Baulinie sei aber auch eine Reihe von anderen Anliegerrechten verbunden, so u.a., daß die Feuermauer stets sichtbar bleiben und die Beschwerdeführerin darüber jederzeit verfügen können müsse. Da nun der Eigentümer nach der Bauordnung für Wien das Recht habe, seine Feuermauer besonders auszugestalten, habe er damit auch das subjektive-öffentliche Recht, sie für seine Zwecke zu verwenden. Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus den Jahren 1928 bis 1931, die begangen, daß die längs einer Feuermauer laufende Begrenzung eines Grundstückes keine Baulinie darstelle, stehe mit § 5 Abs. 2 der Bauordnung für Wien in Widerspruch. Abgesehen davon könnten Feuermauern entlang einer Verkehrsfläche nicht mit Feuermauern, die an einen Nachbarbau anstoßen, gleichgesetzt werden. Dies zeige bereits die Bestimmung des § 101 Abs. 2 lit. a der Bauordnung für Wien. Wenn die Behörde verlangen könne, daß eine Feuermauer entsprechend ausgestaltet werde, dann könne sie nicht nachträglich einer dritten Person eine Gebrauchserlaubnis erteilen, die zur Folge habe, daß die Ausgestaltung der Feuermauer für den Hauseigentümer faktisch gegenstandslos und zwecklos gemacht wird. Da nun die Beschwerdeführerin die Feuermauer für ihre Zwecke ausgestalten will, dürfe nicht eine dritte Person in diese Rechte eingreifen. Was die Frage der zweckmäßigen architektonischen Gestaltung anlange, könne sich die Baubehörde auf kein Sachverständigengutachten berufen, da der Amtssachverständige nach Ansicht der Beschwerdeführerin zu dieser Frage überhaupt kein Gutachten abgegeben habe. Die Mitbeteiligte versuche, da sie die Zustimmung der Beschwerdeführerin, die Plakattafel an der Feuermauer anzubringen, nicht erlangen konnte, dieses Hindernis in schikanöser Weise zu umgehen. Darüber hinaus hätte aber die Errichtung einer derartigen Plakatwand in nur 10 cm Entfernung von der Feuermauer der Beschwerdeführerin auch aus sanitären und damit öffentlichen Rücksichten nicht bewilligt werden dürfen, da sich, in einem so engen Zwischenraum erfahrungsgemäß jeglicher Unrat ansammle, wodurch auch die von der Beschwerdeführerin völlig renovierte Feuermauer in Mitleidenschaft gezogen werde. Auch hätte berücksichtigt werden müssen, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen freistehenden und anstoßenden Feuermauern bestehe. Bei freistehenden Feuermauern habe nämlich der jeweilige Grundeigentümer alle jene Rechte zur Benützung des Nachbargrundes, die § 126 der Bauordnung für Wien vorsehe. Dieses Recht zur Benützung des Nachbargrundes - hier des Straßengrundes - sei ein subjektives-öffentliches Recht. Durch die Aufstellung einer nur 10 cm von der Feuermauer entfernten Plakatwand werde aber dieses Recht verletzt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 24. Oktober 1967 gab die Bauoberbehörde für Wien der Berufung keine Folge, änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid dahin ab, daß der Abspruch über die Einwendungen der Beschwerdeführerin als Anrainerin zu lauten habe: „Die Einwendungen der Anrainerin, daß sie das unmittelbar an die Feuermauer anschließende Lokal erworben und das Haus selbst generalrenoviert habe und nunmehr die Feuermauer für Werbezwecke der Gesellschaft verwendet werden soll, daß Planungsaufträge bereits vergeben seien und nach Fertigstellung der Pläne um die notwendigen behördlichen Bewilligungen angesucht werde, und die Hausinhabung auf dem Standpunkt stehe, daß hier nicht nur zivilrechtliche, sondern auch subjektiv-öffentliche Rechte an der Gestaltung sämtlicher Außenmauern, weiters insbesondere auch an der Feuermauer zustehen würden, die durch die Stattgebung des Bauansuchens verletzt würden, werden, soweit ein Schadenersatz geltend gemacht wird, als privatrechtlich erklärt und auf den Zivilrechtsweg verwiesen und im übrigen werden die Einwendungen als unbegründet abgewiesen. Die Einwendung, daß eine Gestaltung durch einen Schaukasten, wie von der Anrainerin geplant, einen besseren architektonischen Effekt erzielt würde als Plakatwand, wird als unzulässig zurückgewiesen.“ Zur Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, daß für eine Plakattafel, die freistehend in einem Abstand von 10 cm von der Feuermauer des Hauses der Beschwerdeführerin gemäß § 71 der Bauordnung für Wien gegen jederzeitigen Widerruf bewilligt wurde, die Bestimmungen dieser Bauordnung nur insofern gelten, als sie nach der Lage des Falles geboten seien, worüber der Bescheid das Nähere zu enthalten habe. Durch die Ausnahme dürfen weder durch die Bauordnung gegebene subjektive-öffentliche Rechte noch Privatrechte verletzt werden. Im erstinstanzlichen Bescheid sei diese Verletzungsmöglichkeit verneint und ausgeführt worden, daß die Begrenzungslinie, welche die Feuermauer vom öffentlichen Gut (Verkehrsfläche) trenne, keine Baulinie sei und sich daher aus dieser keineswegs die nur mit der Baulinie verbundenen Anliegerrechte ergeben würden. Bei ihrer gegenteiligen, in der Berufung aufgestellten Behauptung übersehe die Beschwerdeführerin, daß ihr Haus (N Gasse 61) die Baulinie überrage und sich daher aus § 5 Abs. 2 lit. a der Bauordnung für Wien für ihren Standpunkt nichts gewinnen lasse. Wenn aber feststehe, daß die bescheidgegenständliche Feuermauer nicht durch eine Baulinie von der öffentlichen Verkehrsfläche begrenzt werde, dann stünden der Beschwerdeführerin auch nicht die in ihrer Berufung geltend gemachten Rechte (§ 9 BO) zu. Auch aus der Bestimmung des § 101 Abs. 2 der Bauordnung für Wien könne, da diese nur Verpflichtungen zum Gegenstand habe, kein subjektives-öffentliches Recht des Anrainers abgeleitet werden. Was § 126 BO für Wien anlange, so regle diese Bestimmung lediglich die Benützung des Nachbargrundes, während im vorliegenden Fall die Plakatwand auf öffentlichem Gut zu liegen komme. Damit solle nicht bestritten werden, daß der Beschwerdeführerin analoge Rechte bei erforderlichen Arbeiten an der Feuermauer zuzugestehen seien. In einem solchen Falle müßte, wenn die bescheidgegenständliche Plakatwand den erforderlichen Arbeiten hinderlich sein sollte, eben der Widerruf der Baubewilligung ausgesprochen werden. Der Einwand, der schmale Zwischenraum zwischen Plakatwand und Feuermauer könne zu einer Ansammlung von Unrat führen, sei, abgesehen davon, daß er kein subjektives-öffentliches Recht zum Gegenstand habe, unbeachtlich, da die Bauordnung für Wien keine Bestimmung enthalte, die es ermöglichen würde, aus diesem Grunde eine Baubewilligung zu versagen. Durch die auf Widerruf erteilte Baubewilligung sei die Beschwerdeführerin aber auch in keinem privaten Recht verletzt worden. Das hier mögliche private Recht der Beschwerdeführerin könne nicht bewirken, daß die Erteilung der Baubewilligung verhindert werde, sondern es könne die Gebrauchnahme von der Baubewilligung möglicherweise ein Privatrecht, nämlich auf Schadenersatz, erst entstehen lassen. Diesbezüglich seien die Einwendungen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen gewesen. Soweit die Einwendungen schönheitliche Rücksichten zum Gegenstand haben, seien sie als unzulässig zurückzuweisen gewesen, weil es in der Bauordnung für Wien kein, subjektives-öffentliches Recht auf Wahrung solcher Belange gebe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich. die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Über das Ansuchen der Mitbeteiligten, ihr für die Errichtung der Plakatwand auf öffentlichem Grund eine Bewilligung nach dem Wiener Gebrauchsabgabengesetz 1966, nach der Straßenverkehrsordnung 1960, sowie nach der Bauordnung für Wien zu erteilen, hat der Magistrat der Stadt Wien - M. Abt. 35 mit einem einzigen Bescheid in erster Instanz abgesprochen. Über die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung, die sich lediglich gegen die Erteilung der Baubewilligung gerichtet hatte, hat in zweiter und letzter Instanz die Bauoberbehörde für Wien entschieden. Die Beschwerdeführerin vermeint nun - und dies ist der Grund für ihre Behauptung, der Bescheid sei rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde -, daß über die von der Mitbeteiligten u.a. beantragte baubehördliche Bewilligung nicht die M. Abt. 35, sondern nur die M. Abt. 36 hätte entscheiden dürfen. Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin nicht im Recht, ganz abgesehen davon, daß es sich - falls die Meinung der Beschwerdeführerin richtig wäre - um eine Rechtswidrigkeit des Inhaltes handeln würde da ja die in Bausachen auf jeden Fall als Berufungsbehörde zuständige Bauoberbehörde für Wien entschieden hat. Die Rechtswidrigkeit des Inhaltes würde sich dann daraus ergeben, daß die belangte Behörde nicht erkannt hat, daß in erster Instanz eine in Bausachen nicht zuständige Behörde eingeschritten ist. Dieser Vorwurf ist aber, wie bereits gesagt, nicht gerechtfertigt. Die Beschwerdeführerin übersieht hier nämlich, daß - wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift vollkommen zutreffend eingewendet hat - nach § 132 Abs. 1 der BO für Wien der „Magistrat“ schlechthin, sofern dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, zur Handhabung der Bauordnung als Baubehörde erster Instanz berufen wird. Daß nun die M. Abt. 35 ebenso wie die M. Abt. 36 ein Teil des „Magistrates der Stadt Wien“ ist, steht außer jedem Zweifel. Einen Rechtsanspruch darauf, daß die M. Abt. 36 hätte einschreiten müssen, besitzt die Beschwerdeführerin nicht, weil die innere Einteilung der Behörde, ihre Gliederung in Abteilungen usw. eine Angelegenheit der Verwaltung ist, die durch interne Verwaltungsmaßnahmen geregelt werden kann und keines Gesetzes bedarf, insbesondere da auch § 110 der Verfassung der Bundeshauptstadt Wien ausdrücklich vorsieht, daß der Magistrat eine Einheit ist. Welche Dienststelle einer Behörde im Einzelfall die der Behörde zukommende Aufgabe zu versehen hat, ist nicht eine Frage der Zuständigkeit, sondern lediglich eine Frage der inneren Gliederung der Behörde (vgl. hiezu die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes Slg. Nr. 1705/1948 und 4772/1964). Auch dadurch, daß die Behörde erster Instanz in einem Bescheid über die Erteilung der Gebrauchsabgabe, der Bewilligung nach der Straßenverkehrsordnung und der Erteilung der Baubewilligung entschieden hat, könnte die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt sein, weil es keine gesetzliche Vorschrift gibt, die ein derartiges Vorgehen der Verwaltungsbehörde verbieten würde.
Die Beschwerdeführerin behauptet in der Beschwerde aber auch, daß die Bauoberbehörde für Wien über jenen Teil des erstinstanzlichen Bescheides entschieden habe, mit welchem die Bewilligung nach dem Wiener Gebrauchsabgabengesetz 1966 erteilt worden ist. Diese Behauptung ist aktenwidrig, da ja Gegenstand der Berufungsentscheidung nach dem Inhalt der Berufung ausschließlich die von der Beschwerdeführerin bekämpfte Erteilung der Baubewilligung war. Die belangte Behörde hat auch tatsächlich nur über diese Frage entschieden. Es kann dabei dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdeführerin überhaupt legitimiert gewesen wäre. Auch gegen die Erteilung der Bewilligung nach dem Wiener Gebrauchsabgabengesetz 1966 bzw. nach der Straßenverkehrsordnung 1960 eine Berufung zu ergreifen.
Was nun die Behauptung, der angefochtene Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, anlangt, so ist einmal grundsätzlich davon auszugehen, daß nicht nur in der Berufung sondern auch im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nur mehr das vorgebracht bzw. bekämpft werden kann, was im Zusammenhang mit den von der Beschwerdeführerin bis zur mündlichen Verhandlung vor der Behörde erster Instanz vorgebrachten Einwendungen steht (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Slg. N. F. Nr. 6246/A, u.a.). Zu dieser Verhandlung wurde ja die Beschwerdeführerin unter ausdrücklichem Hinweis auf die nach § 42 AVG eintretenden Präklusionsfolgen geladen. Sie hat bei dieser Verhandlung im wesentlichen eingewendet, daß sie selbst die Feuermauer für Werbezwecke verwenden möchte und daß sie ein subjektives-öffentliches Recht auf Freihaltung bzw. Gestaltung der Feuermauer nach ihren eigenen Intentionen besitze. In der Beschwerde wird nun die Rechtsauffassung vertreten, daß die Feuermauer, die dadurch sichtbar wird, daß das daran anschließende Nachbargebäude N Gasse 59-57 mit seiner Baulinie um 1,70 m gegenüber der Baulinie des Hauses der Beschwerdeführerin zurückliegt, selbst einen Bestandteil der „Baulinie dieses Hauses“ im Sinne des § 5 Abs. 2 lit. a der BO für Wien mit allen sich daraus ergebenden subjektiven-öffentlichen Rechten für den Eigentümer darstellt. Dazu wird, wie bereits in der Berufung, auch in der Beschwerde die Ansicht vertreten, daß die aus den Jahren 1928 bis 1931 stammenden Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes, wonach die längs der Feuermauer laufende Begrenzung des Grundstückes keine Baulinie sei, mit § 5 Abs. 2 lit. a der BO für Wien in Widerspruch stehe. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese Ansicht nicht zu teilen. Er hat diese Auffassung nicht nur in den von der Beschwerdeführerin genannten Erkenntnissen, sondern auch in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1964, Zl. 1562, 1563/64, dem ein rechtlich völlig gleichgelagerter Beschwerdefall zugrunde lag (Baubewilligung für die G auf öffentlichem Grund im Abstand von 10 cm vor einer frei sichtbaren Feuermauer eine Plakatwand zu errichten), aufrechterhalten. Von dieser Rechtsprechung, insbesondere von dem vorgenannten Erkenntnis, auf das unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird, abzugehen, besteht für den Verwaltungsgerichtshof kein Anlaß. Das Haus der Beschwerdeführerin ist sicherlich an einer Baulinie errichtet worden. Daß aber auch die als Feuermauer ausgebildete Begrenzung jemals als Baulinie bestimmt worden wäre, dafür fehlt jeder Anhaltspunkt. In dieser Richtung ist auch nicht der Hinweis der Beschwerdeführerin auf § 101 Abs. 2 der Bauordnung für Wien zielführend, denn diese Bestimmung besagt lediglich, daß freistehende Feuermauern und ebensolche Feuermauerteile, auch wenn sie nur vorübergehend ungedeckt bleiben, von außen zu verputzen sind, wobei die Behörde, wenn es die Rücksicht auf das örtliche Stadtbild erfordert, eine entsprechende Ausgestaltung sichtbarer Feuermauerteile verlangen kann. Nach dieser Gesetzesstelle ist es zunächst rechtlich unerheblich, ob die Feuermauer oder die Feuermauerteile an eine Verkehrsfläche oder an ein Nachbargebäude angrenzen. Ein faktischer Unterschied kann nur darin gelegen sein, daß Feuermauern, die unmittelbar an Verkehrsflächen angrenzen, in der Regel im örtlichen Stadtbild störender in Erscheinung treten. In diesem Zusammenhang erweist sich aber auch, daß die Kritik der Beschwerdeführerin an der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung, ihr Haus überrage die Baulinie, rechtlich verfehlt ist. Die Festsetzung der Baulinie durch den Beschluß des Gemeinderates vom 22. September 1967, Zl. 2040/67 (Plandokument Nr. 4416), ist als Inhalt des Fluchtlinienplanes und sohin des Bebauungsplanes rechtlich als Verordnung zu werten. Diese Festsetzung könnte theoretisch jederzeit abgeändert werden, etwa in der Richtung, daß die Baulinie nicht im Verlauf der Häuser N Gasse 59-57 usw., sondern im Verlauf des Hauses der Beschwerdeführerin festgelegt und damit vorverlegt wird. In diesem Falle hätte der Eigentümer des Hauses N Gasse 59-57, falls er einen Neubau durchführt, nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, sein Haus bis an die so festgesetzte Baulinie heranzubringen, wodurch die bis dahin frei sichtbare Feuermauer des Hauses N Gasse 61 verdeckt würde, ohne daß die Beschwerdeführerin irgendeinen Rechtsanspruch auf weitere Freihaltung derselben wegen Vorhandenseins von Schaukästen u.dgl. geltend machen könnte. Die in diesem Zusammenhang behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften - Verlauf der Baulinie - ist unzutreffend, weil es sich in der Art, wie der angefochtene Bescheid diese Frage beantwortet hat, ausschließlich um eine Rechtsfrage und nicht um eine Sachverhaltsermittlung gehandelt hat. Die Gemeinde Wien hat mit der Erteilung der Gebrauchserlaubnis für die Benützung des Straßengrundes an die Mitbeteiligte nichts anderes getan, als was jeder Grundnachbar tun darf; denn auch dem privaten Grundnachbar gegenüber kann der Besitzer einer Feuermauer nicht deren Freihaltung verlangen. Von einer schikanösen. Rechtsanwendung kann daher, auch wenn dadurch die Beschwerdeführerin in der Verfügung über die Feuermauerfläche behindert wird, nicht gesprochen werden. Eine Verletzung des im § 71 der Bauordnung für Wien genannten Privatrechtes würde nur dann vorliegen, wenn in ein Recht eingegriffen wird, das nach der Privatrechtsordnung durchsetzbar ist und auf eine Pflicht zur Unterlassung seitens des eine solche Baubewilligung anstrebenden Nachbarn hinausläuft. So hätte etwa der Mitbeteiligten ohne Zustimmung der Beschwerdeführerin keine auf § 71 der Bauordnung für Wien gestützte Bewilligung, die Plakatwand unmittelbar an der Feuermauer der Beschwerdeführerin zu befestigen, erteilt werden dürfen. Die Frage, ob, aus welchem Grund immer, in Hinkunft Schadenersatzansprüche der Beschwerdeführerin gegenüber der Mitbeteiligten entstehen, hat damit nichts zu tun.
Was die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Einwendung der Beschwerdeführerin, das Vorhaben der Mitbeteiligten verstoße gegen die schönheitlichen Rücksichten, anlangt, so ist dadurch die Beschwerdeführerin ebenfalls in keinem Recht verletzt worden, weil es sich hiebei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis Slg. N. F. Nr. 6246/A) um kein dem Nachbarn eingeräumtes subjektives-öffentliches Recht, sondern ausschließlich um allein der Behörde übertragene Rechte auf Wahrung von öffentlichen Interessen handelt.
Hinsichtlich der behaupteten Verletzung sanitätspolizeilicher Vorschriften ist die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift mit Recht eingewendet hat, präkludiert, da sie diese Einwendung nicht bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung vor der Baubehörde erster Instanz vorgebracht hat. Abgesehen davon würde aber auch im Falle zeitgerechter Erhebung dieser Einwendung das gleiche wie im Falle der Wahrung der schönheitlichen Rücksichten gelten.
Aus allen diesen Gründen ergibt sich, daß der angefochtene Bescheid die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt. Damit erweist sich die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 abzuweisen.
Der Ausspruch über die Kosten gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 lit. a, b und d und Abs. 3 lit.. d VwGG 1965 sowie auf Art. 1 B Z. 4, 5 und 6 und C Z. 8 der Verordnung des Bundeskanzleramtes, BGBl. Nr. 4/1965.
Wien, am 24. November 1969
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Tod des Beschwerdeführers Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1969:1968000004.X00Im RIS seit
07.11.2022Zuletzt aktualisiert am
07.11.2022