TE Vfgh Erkenntnis 1994/2/28 B1293/93

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Veröffentlicht am 28.02.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

StGG Art4
StGG Art5
Tir GVG 1983 §4 Abs2 lita

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs aufgrund der Annahme drohender Überfremdung; keine Verletzung des Rechts auf Freizügigkeit des Vermögens mangels Geltung dieses Rechts für Liegenschaftsbewegungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 25. März 1992 erwarb der Beschwerdeführer, ein niederländischer Staatsangehöriger, von einem österreichischen Staatsbürger ein Grundstück in Westendorf in Tirol im Ausmaß von 760 m2 samt dem darauf errichteten Wohnhaus (unter demselben Datum verkaufte er seine Liegenschaft im Nachbarort Söll im Ausmaß von 1012 m2 samt der darauf befindlichen Pension an einen österreichischen Staatsbürger).

Die Grundverkehrsbehörde Westendorf bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel versagte dem Rechtserwerb des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 4. August 1992 gemäß §3 Abs1 und §4 Abs2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), die grundverkehrsbehördliche Zustimmung, weil in der Gemeinde Westendorf eine Überfremdung einzutreten drohe. Auch handle es sich beim Kaufobjekt um ein Wohnhaus, welches für die heimische soziale Wohn- und Siedlungstätigkeit geeignet sei.

2. Die dagegen vom Beschwerdeführer fristgerecht erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 18. Mai 1993 als unbegründet abgewiesen.

Dieser Bescheid wurde im wesentlichen damit begründet, daß dem Rechtserwerb unter dem Blickwinkel des §4 Abs2 lita GVG 1983 die Zustimmung versagt werden müsse. Nach dem Ergebnis des - unbestritten gebliebenen - ergänzenden Ermittlungsverfahrens betrage der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Westendorf 4,19 %, weshalb die Gefahr einer Überfremdung gegeben sei. Gerade in kleinen Gemeinden sei es nämlich im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht denkunmöglich, daß jeder Neuerwerb eines Grundstückes durch einen Ausländer die soziale Struktur der Gemeinde beeinflusse.

Auch der Umstand, daß der Käufer gleichzeitig eine in seinem Eigentum befindliche Liegenschaft in einem anderen Ort an einen Inländer verkauft habe und sich somit "gesamttirolerisch gesehen" der Anteil der ausländischen Grundbesitzer nicht erhöhe, sei im gegebenen Zusammenhang ohne Bedeutung. Es finde sich im GVG 1983 kein Anhaltspunkt dafür, daß ein Widerspruch zu den in §4 Abs2, erster Satz, genannten Interessen nur dann vorliegen könne, wenn eine "weitere" Überfremdung drohe, also eine Erhöhung des Ausmaßes des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes bzw. der Zahl der ausländischen Grundbesitzer eintrete. Bei grammatikalischer wie auch teleologischer Interpretation sei vielmehr davon auszugehen, daß ein solcher Widerspruch auch dann vorliege, wenn infolge der Versagung der Zustimmung die bloße Möglichkeit begründet werde, einer aus welchen Gründen immer bereits eingetretenen Überfremdung entgegenzuwirken.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und der Freizügigkeit des Vermögens behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

5. Die beteiligte Partei hat eine Äußerung abgegeben, in welcher sie sich dem Vorbringen des Beschwerdeführers anschließt und beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte kostenpflichtig aufzuheben.

II. 1.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich insbesondere auf §4 Abs2 lita GVG 1983; diese Bestimmung lautet:

"§4. (1) ...

(2) Wenn der Rechtserwerber dem Personenkreis nach §1 Abs1 Z2 angehört, darf die nach §3 Abs1 erforderliche Zustimmung bei sämtlichen diesem Gesetz unterliegenden Grundstücken (§1 Abs1) - unbeschadet der Bestimmungen des Abs1 - nur erteilt werden, wenn der Rechtserwerb staatspolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen oder kulturellen Interessen nicht widerspricht; ein Widerspruch zu solchen Interessen liegt insbesondere dann vor, wenn

a) in der betreffenden Gemeinde oder Ortschaft mit Rücksicht auf das Ausmaß des schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzes oder auf die Zahl der ausländischen Grundbesitzer eine Überfremdung einzutreten droht oder

b) ..."

1.2. Gegen diese Bestimmung trägt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; solche sind beim Verfassungsgerichtshof auch aus Anlaß dieses Beschwerdeverfahrens nicht entstanden (vgl. dazu schon VfSlg. 6546/1971, 8436/1978, 8501/1979, 10688/1985, 10894/1986, 10935/1986, 11411/1987, 11672/1988, 12339/1990, 12987/1992, VfGH 14.12.1992, B377/92, 21.6.1993, B1841/92).

2.1. Zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums führt der Beschwerdeführer aus, durch den Kauf der gegenständlichen Liegenschaft würden öffentliche Interessen in keiner Weise beeinträchtigt. Insbesondere bedeute der Verkauf seiner Pension und der Kauf des gegenständlichen Hauses nichts anderes als eine Verkleinerung seines bisherigen Vermögens, wie ein Vergleich der Größe des Hauses, des Umfanges des Pensionsbetriebes und des Flächenausmaßes zeige. Verkauf und Kauf dürften im gegenständlichen Fall nicht isoliert betrachtet werden: Der Entschluß zum Verkauf sei mit dem Entschluß zum Kauf untrennbar verbunden. Im Ergebnis liege eine Verkleinerung des bisherigen Liegenschaftseigentums vor, welche zB auch dann eingetreten wäre, wenn durch eine Realteilung Teilflächen der Liegenschaft in Söll verkauft worden wären.

Die belangte Behörde lasse die im konkreten Einzelfall gegebenen Besonderheiten völlig außer Betracht. Es sei denkunmöglich, die Verweigerung der Genehmigung des Rechtserwerbes nicht auf Umstände zu stützen, die den gegenständlichen Rechtserwerb beträfen, und §4 Abs2 GVG 1983 zu unterstellen, daß auf den Einzelfall nicht Bedacht genommen werden müsse.

Die von der belangten Behörde angenommene Überfremdungsgefahr liege nicht vor. Der Beschwerdeführer habe die (im Jahre 1985 gekaufte) Pension in Söll an einen österreichischen Staatsbürger weiterverkauft, der die Pension auch weiterhin führe. Dem stehe der Kauf der gegenständlichen kleinen Liegenschaft in Westendorf gegenüber. Es sei die Annahme denkunmöglich, daß bei einem Anteil ausländischer Grundbesitzer in der Gemeinde Westendorf von 4,19 % die Gefahr einer Überfremdung drohe, wenn bei im wesentlichen gleicher Struktur im selben Bundesland Tirol in der Gemeinde Söll ein viel größerer ausländischer Grundbesitz von fremdenverkehrswirtschaftlicher Bedeutung in österreichische Hände übergehe. Söll und Westendorf lägen nur wenige Kilometer voneinander entfernt, seien beide ungefähr gleich klein und wiesen beide ungefähr die gleiche Struktur auf. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Überfremdung vorliege oder drohe, seien nicht nur Orts- oder Katastralgemeinden zu vergleichen, sondern die Überfremdung "auf einen größeren örtlichen Bereich bezogen", also regional zu prüfen. Es werde auch nicht ausgeführt, warum durch den gegenständlichen Rechtserwerb die soziale Struktur der Gemeinde beeinflußt werden sollte. Es müsse jedenfalls ausgerechnet werden, wie hoch der Prozentsatz nach dem gegenständlichen Neuerwerb sei. Es fehlten auch die Angabe des Ausmaßes des Grundbesitzes in ausländischer Hand und die Vergleichswerte der Gemeinde Söll nach dem Verkauf der Pension.

Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer und seine Familie allein schon durch ihren langen Aufenthalt in Österreich in die Gesellschaft eingegliedert und sowohl Subjekt als auch Objekt der hier berührten öffentlichen Interessen seien, habe der Beschwerdeführer nach Ablauf einer kurzen weiteren Zeit Anspruch auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft oder aber werde die Gleichstellung mit den österreichischen Staatsbürgern gemäß den Verträgen zum EWR bzw. zur EG gegeben sein.

2.2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).

2.3. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß der belangten Behörde ein derartiger Vorwurf zu machen wäre: Diese gelangte auf Grund eines verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ermittlungsverfahrens zum Schluß, der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Westendorf betrage 4,19 %. Unter diesen Voraussetzungen erscheint die Annahme der Überfremdung gesamthaft betrachtet jedenfalls denkmöglich (VfGH 21.6.1993, B1841/92). An dieser Beurteilung vermag auch das Vorbringen des Beschwerdeführers nichts zu ändern, er habe zugleich mit dem Kauf der Liegenschaft in Westendorf eine in seinem Eigentum befindliche (größere) Liegenschaft in Söll an einen österreichischen Staatsbürger verkauft und es habe sich somit der Anteil der ausländischen Grundbesitzer in Tirol insgesamt nicht erhöht. Wie der Verfassungsgerichtshof nämlich wiederholt ausgesprochen hat, ist es unbedenklich, auf eine drohende Überfremdung auch dann zu schließen, wenn durch den beabsichtigten Rechtserwerb keine Vermehrung der Anzahl der schon vorhandenen ausländischen Grundbesitzer bewirkt wird (vgl. VfSlg. 7274/1974, 12601/1991, 12987/1992, VfGH 21.6.1993, B1841/92). Es erübrigt sich daher auch, auf das - im übrigen den eindeutigen Wortlaut des §4 Abs2 lita GVG 1983 übersehende - Beschwerdevorbringen näher einzugehen, Verkauf und Kauf dürften im gegenständlichen Fall nicht isoliert betrachtet werden und es sei regional zu prüfen, ob eine Überfremdung drohe, weshalb Vergleichswerte der Gemeinde Söll nach dem Verkauf der Pension herangezogen werden müßten.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums hat somit nicht stattgefunden.

3.1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freizügigkeit des Vermögens (Art4 StGG) verletzt. Wenn auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Art4 StGG bei Liegenschaften begrifflich nicht in Betracht komme, so ergebe sich doch im konkreten Einzelfall auf Grund der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die hier geboten sei, die Anwendbarkeit dieses Grundrechtes. Der Beschwerdeführer habe unter einem mit dem gegenständlichen Rechtserwerb die Pension in Söll verkauft. Auch wenn es sich hier um verschiedene Vertragspartner handle, liege faktisch ein Tausch, wirtschaftlich gesehen eine Verkleinerung und Verlegung des Betriebes vor. Der Beschwerdeführer habe nicht den gegenständlichen Betrieb vergrößert oder erweitert, eine zusätzliche Betriebsstätte oder Filiale errichtet oder ähnliches, sondern aus gesundheitlichen Gründen den bisherigen großen Betrieb in Söll in österreichische Hände gegeben und werde nun in wesentlich kleinerem Umfang eine Pension in Westendorf betreiben.

Den Pensionsbetrieb in Söll habe er nach der im Jahre 1985 geltenden Rechtslage (Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen der Republik Österreich und dem Königreiche der Niederlande, BGBl. 299/1930) in Wahrung und zur Förderung des öffentlichen Interesses erworben, gepflegt und aufgebaut, sodaß nicht einzusehen sei, warum der Beschwerdeführer diesen Betrieb in wesentlich kleinerem Umfang nicht nach Westendorf verlegen dürfe. Die Verweigerung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zum gegenständlichen Rechtserwerb würde bei einem österreichischen Staatsbürger jedenfalls die Verletzung der Erwerbsfreiheit bedeuten. Für den Beschwerdeführer bedeute sie darüberhinaus die Zufügung eines großen unwiederbringlichen Schadens, weil er dadurch den seinerzeit auf der Basis der damaligen Rechtslage erworbenen Betrieb verliere.

3.2. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich durch das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, von seiner ständigen Rechtsprechung abzugehen, wonach sich das durch Art4 StGG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freizügigkeit des Vermögens nur auf die örtliche Bewegung des Vermögens, die bei Liegenschaften nicht in Betracht kommt, bezieht (vgl. VfSlg. 9680/1983, 10564/1985, 10814/1986).

Der Beschwerdeführer wurde sohin nicht in seinem Recht auf Freizügigkeit des Vermögens verletzt.

4. Das Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

5. Ob aber der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist nicht vom Verfassungsgerichtshof zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall (vgl. dazu insbesondere §13 Abs4 Z1 litb und §13 Abs9 GVG 1983 sowie Art20 Abs2 B-VG) - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 9454/1982, 10565/1985, 10659/1985, 12697/1991, 12823/1991, 12987/1992, VfGH 21.6.1993, B1841/93).

6. Im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen (s. Punkt II.1.2.) ist es auch ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

7. Die Beschwerde war deshalb insgesamt als unbegründet abzuweisen.

III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Ausländergrunderwerb, Überfremdung, Freizügigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1293.1993

Dokumentnummer

JFT_10059772_93B01293_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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