TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/19 95/11/0390

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Veröffentlicht am 19.03.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
AVG §68 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 litf idF 1994/654;
StVO 1960 §99 Abs2 litc;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des C in R, vertreten durch Mag. G, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 28. September 1995, Zl. IIb2-K-3201/3-1995, betreffend Entziehung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B (eine Lenkerberechtigung für Anfänger im Sinne des § 64a KFG 1967) für die Dauer von vier Monaten von der Zustellung des die Entziehung verfügenden Mandatsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Reutte vom 3. Juli 1995 (somit vom 7. Juli 1995) an vorübergehend entzogen. Die mit dem angefochtenen Bescheid ebenfalls ausgesprochene Anordnung einer Nachschulung ist nicht Gegenstand der vorliegenden Beschwerde.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Grund für die Setzung der angefochtenen Entziehungsmaßnahme war, daß der Beschwerdeführer am 22. März 1995 auf einer näher genannten Bundesstraße eine Übertretung nach § 16 Abs. 2 (zu ergänzen: lit. b) StVO 1960 (Überholverbot bei ungenügender Sicht) begangen habe; auf Grund eines Sachverständigengutachtens sei davon auszugehen, daß diese Übertretung unter besonders gefährlichen Verhältnissen begangen worden sei und eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 darstelle.

1. Der Beschwerdeführer bestreitet, daß überhaupt eine solche bestimmte Tatsache vorliege und verweist diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Diese Rechtsprechung ist durch die Änderung des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 durch die 17. KFG-Novelle, BGBl. Nr. 654/1994, weitgehend überholt. In Ansehung von bestimmten Tatsachen nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 in der genannten Fassung muß nunmehr - wenn nicht ein Fall des zweiten Halbsatzes vorliegt - zu der Übertretung einer Verkehrsvorschrift noch der Umstand hinzutreten, daß die Übertretung durch ein Verhalten gesetzt wurde, das an sich geeignet ist, besonders gefährliche Verhältnisse herbeizuführen. Im übrigen steht auf Grund des - vom Beschwerdeführer nicht bemängelten - verkehrstechnischen Gutachtens fest, daß eine bestimmte Tatsache im Sinne des zweiten Halbsatzes letzter Fall des § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 vorliegt.

2. Der Beschwerdeführer vertritt den Standpunkt, daß die Wertung der vorliegenden bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 - insbesondere die Wertungskriterien der seit der Tat verstrichenen Zeit und des Verhaltens während dieser Zeit - dazu führen hätte müssen, daß keine im Zeitpunkt der Entziehung noch mindestens drei Monate andauernde Verkehrsunzuverlässigkeit im Sinne des § 73 Abs. 2 KFG 1967 vorliege; eine Entziehung hätte deswegen gar nicht stattfinden dürfen. Die Auffassung, daß der Beschwerdeführer im Hinblick auf den einmaligen Vorfall durch siebeneinhalb Monate verkehrsunzuverlässig sei (vom 22. März bis zum 7. November 1995), sei unbegründet.

Die belangte Behörde hatte in Ausübung ihrer Kontrollfunktion als Berufungsbehörde (vgl. dazu die entsprechenden Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1983, Slg. Nr. 11.237/A) zu prüfen, ob die Annahme der Erstbehörde, der Beschwerdeführer sei von der Erlassung ihres Mandatsbescheides vom 3. Juli 1995 an noch vier Monate verkehrsunzuverlässig, zutreffend war. Dabei konnte sie die rund drei seit der Tat verstrichenen Monate tatsächlich als zu kurz ansehen, um aus einem unauffälligen Verhalten während dieser Zeit darauf zu schließen, daß der Beschwerdeführer ungeachtet der von ihm gesetzten bestimmten Tatsache nicht verkehrszuverlässig sei. Dies ist auch unter dem Gesichtspunkt der Fall, daß während der in Rede stehenden Zeit ein Verwaltungsstrafverfahren nur bis zur Erlassung der Strafverfügung der Erstbehörde vom 24. April 1995 (am 27. April 1995) anhängig war und der Beschwerdeführer nach der Aktenlage vom anhängigen Entziehungsverfahren keine Kenntnis hatte. Die Annahme, der Beschwerdeführer wäre mindestens siebeneinhalb Monate lang verkehrsunzuverlässig, entspricht deswegen dem Gesetz, weil der Beschwerdeführer nicht nur das in Rede stehende strafbare Überholmanöver gesetzt, sondern - wie sich aus der Strafverfügung vom 24. April 1995 in Verbindung mit der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Tirol vom 2. April 1995 an die Erstbehörde ergibt - auf derselben Fahrt an anderer Stelle im Zuge eines anderen Überholvorganges die zulässige Höchstgeschwindigkeit beträchtlich überschritten hat (133 km/h statt 100 km/h). Eine Bindung der Entziehungsbehörde an den Umstand, daß die Strafbehörde keine besonders gefährlichen Verhältnisse im Sinne des § 99 Abs. 2 lit. c StVO 1960 angenommen, sondern lediglich den allgemeinen Strafsatz nach § 99 Abs. 3 lit. a StVO 1960 herangezogen hat, die dazu zu führen hätte, daß es der Entziehungsbehörde verwehrt wäre, eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. f KFG 1967 anzunehmen, kann schon deswegen nicht vorliegen, weil das Vorliegen besonders gefährlicher Verhältnisse - wie bereits oben ausgeführt - kein Tatbestandsmerkmal des § 66 Abs. 2 lit. f mehr ist.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1994.

Schlagworte

Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110390.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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