TE Vwgh Beschluss 2022/10/5 Ra 2021/13/0154

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Veröffentlicht am 05.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision der R GmbH in K, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in 4655 Vorchdorf, Schloßplatz 15, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 2. September 2021, Zl. LVwG-450741/8/Wg, betreffend Kanalbenützungsgebühren 10/2015 bis 10/2019 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde K), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 setzte der Bürgermeister der Marktgemeinde K gegenüber der Revisionswerberin Kanalbenützungsgebühren für den Zeitraum Oktober 2015 bis Oktober 2019 fest. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig. Es stellte fest, dass die im Spruch des Bescheides enthaltenen Tabellen den von den Wasserzählern aufgezeichneten Verbrauch den einzelnen Kalenderjahren und den jeweils geltenden Tarifen zuordnen würden. Strittig sei ausschließlich die Frage, ob zwischen R bzw. der Revisionswerberin einerseits und der Marktgemeinde K andererseits eine konkludente Vereinbarung bestehe, die der in den Bescheiden erfolgten Abgabenfestsetzung entgegenstehen könne. Dass derartige konkludente Vereinbarungen bestünden, wonach sich die Marktgemeinde zur kostenlosen bzw. unentgeltlichen Duldung der Indirekteinleitung von Abwässern im verfahrensgegenständlichen Zeitraum verpflichtet hätte, habe im Beschwerdeverfahren nicht festgestellt werden können.

3        In der Beweiswürdigung führte das Landesverwaltungsgericht aus, im Behördenakt befinde sich eine Verhandlungsschrift vom 30. März 1951, sowie Auszüge aus Sitzungsprotokollen. Unbestritten sei keine schriftliche Vereinbarung vorhanden, in der sich die Marktgemeinde ausdrücklich zur unentgeltlichen bzw. kostenlosen Duldung der Indirekteinleitung verpflichtet hätte. Auch die Revisionswerberin habe vorgebracht, dass sie aus der Niederschrift keine Vereinbarung, auch keine konkludente, ableite. Allerdings resultiere aus der Tatsache, dass bisher kein Entgelt geleistet oder gefordert worden sei, das Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung. Der Bürgermeister habe darauf hingewiesen, dass der alte Kanal von 1951 ohne weitere Gegenleistung der Revisionswerberin bzw. deren Rechtsvorgänger 1982 erneuert und 2003 nochmals teilsaniert worden sei. Nach Ansicht des Bürgermeisters seien selbst aus rein zivilrechtlicher Sicht die Argumente der Revisionswerberin nicht stichhaltig. Aus den vorliegenden Beweismitteln könne nach Ansicht des Gerichts nicht abgeleitet werden, dass sich die Marktgemeinde, wie von der Revisionswerberin behauptet, in einer konkludenten Vereinbarung verpflichtet hätte, die Indirekteinleitung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum kostenlos bzw. unentgeltlich zu dulden.

4        In der rechtlichen Beurteilung führte das Landesverwaltungsgericht aus, nach § 4 Abs. 1 der Kanalgebührenordnung in den im Revisionszeitraum geltenden Fassungen sei für die Beseitigung der Abwässer und die damit verbundene Benützung des öffentlichen Kanalnetzes eine Kanalbenützungsgebühr zu entrichten. Die Gebühr richte sich nach der Menge des verbrauchten Wassers. Die Beschwerde habe keine Rechtswidrigkeit des Bescheides aufgezeigt.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, die Auslegung, ob bestimmte Verhaltensweisen das Zustandekommen eines konkludenten Vertrages, im vorliegenden Fall eines Vergleiches bewirken könnten, sei eine Frage der rechtlichen Beurteilung und eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich nicht revisibel sei, sofern die rechtliche Beurteilung nicht unvertretbar im Sinn einer krassen Fehlleistung erscheine. Eine verfahrensrechtlich einwandfreie Grundlage im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze liege gegenständlich nicht vor. Das erkennende Gericht vertrete in der Rubrik Sachverhalt nämlich in der einzig strittigen Frage, ob konkludente Vereinbarungen zwischen R bzw. seinen Rechtsnachfolgern und der Gemeinde bestünden, wonach sich diese zur kostenlosen bzw. unentgeltlichen Duldung der Indirekteinleitung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum verpflichtet habe, die Ansicht, dass Derartiges nicht festgestellt werden könne. Dem Gericht sei jedoch entgegenzuhalten, dass es sich dabei um keine Sachverhaltsdarstellung, sondern um eine rechtliche Beurteilung handle. Es seien keine Feststellungen darüber getroffen worden, welche Tatsachen vorliegen würden, die eine rechtliche Beurteilung, ob konkludente Vereinbarungen bestünden oder nicht, ermöglichten. Es liege eine mangelhafte Sachverhaltsdarstellung vor. Es seien zusätzliche Feststellungen begehrt, aber nicht getroffen worden.

6        Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8        Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Die Kanalgebührenordnungen der Marktgemeinde K für die Jahre 1999, 2017, 2018 und 2019, die in den Revisionsjahren anwendbar waren und auf Grundlage des § 15 Abs. 3 Z 5 Finanzausgleichsgesetz 1997 bzw. des § 17 Abs. 3 Z 4 Finanzausgleichsgesetz 2017 ergangen sind, sahen in ihrem § 4 vor, dass der Gebührenpflichtige (der Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke) eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten hat.

10       Die Revision macht Verfahrensmängel in Form von Feststellungs- und Begründungsmängeln geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 21.6.2022, Ro 2021/15/0022, mwN).

11       Die Revision legt nicht dar, welche rechtliche Relevanz es für die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühren gehabt hätte, wenn das Landesverwaltungsgericht eine konkludente Vereinbarung zwischen der Revisionswerberin und der Marktgemeinde K angenommen hätte.

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Entstehung, Inhalt und Erlöschen der Abgabenschuld einschließlich des diesbezüglichen Verfahrens und der diesbezüglichen Rechtsformen hoheitlichen Handelns ausschließlich durch das Gesetz - entsprechend dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Abgabenverwaltung - geregelt. Weder Abgabenvorschriften noch eine andere gesetzliche Bestimmung sehen vor, dass die Abgabenschuld ungeachtet der Verwirklichung des Abgabentatbestandes im Falle einer gegenteiligen vertraglichen Vereinbarung zwischen Abgabenschuldner und Abgabenbehörde nicht entstünde (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2014/17/0015, mwN).

13       Weiters wurde bereits ausgesprochen, dass Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld - etwa auch über einen gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung - ohne abgabenrechtliche Bedeutung sind. Zulässig sind solche Vereinbarungen nur dann, wenn die Gesetze sie ausdrücklich vorsehen, wobei sich diese gesetzlichen Ermächtigungen nur dann als verfassungskonform erweisen, wenn die öffentlich-rechtlichen Verträge lediglich die Modalitäten der Abgabenerhebung (Berechnung der Bemessungsgrundlage, Fälligkeit, etc.) und nicht die Steuerpflicht selbst betreffen, wenn im Gesetz Voraussetzungen und Inhalt hinreichend bestimmt sind und wenn in Streitfällen eine bescheidförmige Erledigung vorgesehen ist, sodass eine Prüfung der Gesetzmäßigkeit möglich ist. Insbesondere kann die Behörde ohne gesetzliche Ermächtigung auf die Erhebung von Abgaben nicht verzichten. Abmachungen über den Inhalt einer Abgabenschuld stehen - soweit sie nicht im Gesetz ausdrücklich zugelassen sind - im Widerspruch zu dem aus Art. 18 B-VG abzuleitenden Erfordernis der Gesetzmäßigkeit der Vollziehung der Abgabenvorschriften (vgl. VwGH vom 20.3.2007, 2006/17/0384, mwN).

14       Aus § 4 der Kanalgebührenordnung in der jeweils anzuwendenden Fassung ergibt sich die Verpflichtung der Revisionswerberin, Kanalbenützungsgebühren zu entrichten. Weder in den Verordnungen noch im Finanzausgleichsgesetz findet sich eine (gesetzliche) Ermächtigung, auf die Erhebung von Abgaben zu verzichten. Selbst bei Vorliegen einer konkludenten Vereinbarung zwischen der Gemeinde und der Revisionswerberin hätte dies auf die Entstehung der Abgabenschuld keinen Einfluss genommen, da wie dargelegt Abmachungen zwischen dem Abgabengläubiger und dem Abgabenschuldner über den Inhalt der Abgabenschuld - etwa auch über einen gänzlichen Verzicht auf die Abgabenforderung - grundsätzlich ohne abgabenrechtliche Bedeutung sind (vgl. VwGH 12.8.1997, 93/17/0126). Im Fehlen weiterer Ermittlungen oder Feststellungen zu diesem Thema kann daher kein Verfahrensmangel erblickt werden.

15       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130154.L00

Im RIS seit

02.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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