TE Vwgh Beschluss 2022/10/17 Ra 2019/08/0029

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Veröffentlicht am 17.10.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, in der Revisionssache der Dr. H W in R, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in 3580 Horn, Pragerstraße 5/1/11, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 30. November 2018, LVwG-S-1562/001-2018, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2        2.1. Mit Straferkenntnis vom 3. Oktober 2017 (im Folgenden: Strafbescheid) sprach die Bezirkshauptmannschaft H (im Folgenden: Behörde) die Bestrafung der Revisionswerberin gemäß § 111 Abs. 1 Z 1 iVm § 33 Abs. 2 iVm Abs. 1 ASVG mit einer Geldstrafe von € 365,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 56 Stunden) aus, weil sie es unterlassen habe, den von ihr „zumindest am 23.03.2017“ - in der Tatbeschreibung heißt es weiters: „am 23.03.2017 um 11.02 Uhr“ (Zeitpunkt der finanzpolizeilichen Kontrolle) sowie „seit 22.03.2017 um 08:30 Uhr“ - an einem näher bezeichneten Ort (Anwesen der Familie der Revisionswerberin in R) mit der Ausführung von Gartenarbeiten geringfügig beschäftigten J G vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Unfallversicherung anzumelden.

2.2. Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab.

Das Verwaltungsgericht führte in der Begründung - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - unter anderem aus, eine hinreichende Konkretisierung in Bezug auf die Tatzeit liege vor, gehe doch aus dem Strafbescheid zweifelsfrei hervor, dass J G die Arbeiten am 22. März 2017 von 8:30 Uhr bis 11:00 Uhr und am 23. März 2017 von 8:30 Uhr bis jedenfalls 11:00 Uhr ausgeführt habe. Die im Auftrag der Revisionswerberin verrichteten Arbeiten stellten keinen bloßen Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienst dar, unter dem eine kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit aufgrund spezifischer Bindungen zu verstehen sei. J G sei zwar mit der Revisionswerberin seit zirka zehn Jahren bekannt und treffe mit dieser auch gelegentlich zusammen, dies vor allem im Sommer beim Badebuffet ihres Freundes in H und mitunter auch zum Kartenspielen, worin aber keine besondere spezifische Bindung zu erblicken sei. Es liege auch keine Unentgeltlichkeit der Arbeiten vor, habe doch J G im Personenblatt ausdrücklich angegeben, für die verrichtete Tätigkeit Essen und Trinken im Sommer in der Kantine (im Badebuffet in H) zu erhalten; zudem habe er „Trinkgeld?“ angegeben, sodass er ein solches zumindest erhofft habe.

Das Verwaltungsgericht sprach ferner aus, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3        3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die - Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend machende - außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs behauptet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

4        4.1. Die Revisionswerberin releviert einerseits, das angefochtene Erkenntnis werde in Bezug auf die Umschreibung der Tatzeit dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z 1 VStG nicht gerecht. Eine entsprechende Konkretisierung sei geboten, um die Tat dem in Betracht kommenden Tatbestand unterstellen zu können sowie um eine allfällige Doppelbestrafung auszuschließen.

4.2. Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof zum Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG ausgehend von dessen Zielrichtung bereits wiederholt ausgesprochen hat, dass die an die Tatumschreibung zu stellenden Erfordernisse nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweiligen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall unterschiedlich zu beurteilen sind. Eine derartige - notwendigerweise einzelfallbezogene - Beurteilung ist daher im Regelfall, wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisibel (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2017/11/0301; 20.12.2021, Ra 2018/08/0013).

Vorliegend wird in der Revision nicht näher dargelegt und ist auch nicht zu sehen, dass das Verwaltungsgericht seine Beurteilung im Sinn des Vorgesagten nicht auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und nicht in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen hätte.

4.3. Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten, was in der Regel die Angabe des Tatorts und der Tatzeit sowie des wesentlichen Inhalts des Tatgeschehens erfordert (vgl. VwGH 20.10.2017, Ra 2017/02/0078). Zur Erfüllung dieses Erfordernisses kommt es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darauf an, dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorzuwerfen, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben den Vorwurf zu widerlegen, und ihn rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Die angelastete Tat muss also derart unverwechselbar konkretisiert sein, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, auf den Vorwurf entsprechend zu reagieren und damit sein Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0146; 3.3.2021, Ra 2021/03/0031).

4.4. Gegenständlich hat die Behörde zwar im Spruch ihres Strafbescheids die Tatzeit uneinheitlich - nämlich mit „zumindest am 23.03.2017“, „am 23.03.2017 um 11.02 Uhr“ bzw. „seit 22.03.2017 um 08:30 Uhr“ - umschrieben. Für die Revisionswerberin konnte aber nicht zweifelhaft sein, welcher konkrete Tatvorwurf ihr gemacht wurde, da das Beschäftigungsverhältnis, auf das sich die Pflichtverletzung bezog, eindeutig bestimmt war (vgl. VwGH 6.6.2012, 2011/08/0368).

5        5.1. Die Revisionswerberin macht andererseits geltend, nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens sei für die gegenständlichen Arbeiten „ausdrücklich die Unentgeltlichkeit zugrunde zu legen“. Nach den Angaben des J G treffe sich dieser öfters mit der Revisionswerberin und lade man sich dann gegenseitig zum Essen und Trinken ein. Auch der Hinweis „Trinkgeld?“ im Personenblatt weise darauf hin, dass kein Entgelt vereinbart worden sei, J G habe zwar ein solches erhofft, aber nicht erhalten. Es sei daher von einem Gefälligkeitsdienst auszugehen.

Vom Vorliegen unentgeltlicher Freundschafts- bzw. Gefälligkeitsdienste kann freilich - wie im Folgenden zu zeigen sein wird - fallbezogen nicht ausgegangen werden.

5.2. Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind nach einhelliger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kurzfristige, freiwillige und (vor allem) unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten, wobei es Sache der Partei ist, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. VwGH 13.11.2013, 2011/08/0099; 20.5.2014, 2012/08/0257).

Nach den vom Verwaltungsgericht getroffenen Feststellungen wurden die Gartenarbeiten von J G keineswegs unentgeltlich ausgeführt, hat er doch im Personenblatt im Zuge der finanzpolizeilichen Kontrolle ausdrücklich angegeben, für die verrichtete Tätigkeit jedenfalls Essen und Trinken im Sommer in der Kantine (im vom Freund der Revisionswerberin betriebenen Badebuffet in H) zu erhalten. Folglich wurde ein Sachbezug im Sinn der §§ 49 Abs. 1, 50 ASVG vereinbart, der die Unentgeltlichkeit der Leistungserbringung ausschließt (vgl. etwa VwGH 14.3.2013, 2010/08/0229 [Getränke als Sachbezug]). Da die Verpflegung insbesondere nicht freiwillig und zudem nicht am Arbeitsplatz gewährt wurde, kommt der Revisionswerberin auch nicht der - das Vorliegen eines Entgelts ausschließende - Tatbestand des § 49 Abs. 3 Z 12 ASVG (vgl. auch Z 13) zugute (vgl. VwGH 15.12.1992, 88/08/0178; 30.5.2001, 96/08/0384).

5.3. Demnach ist ein Gefälligkeitsdienst schon im Hinblick auf die zwischen der Revisionswerberin und J G vereinbarte Entgeltlichkeit der Arbeiten zu verneinen. Soweit sich die Revisionswerberin über die betreffenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts hinwegsetzt, ist die Revision auch nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Dahingestellt bleiben kann, ob allein aufgrund des Umstands, dass J G mit der Revisionswerberin seit zirka zehn Jahren bekannt ist sowie mit dieser gelegentlich im Sommer beim Badebuffet ihres Freundes und auch zum Kartenspielen zusammentrifft, bereits eine besondere spezifische Bindung oder Nahebeziehung zu erblicken wäre, die ein für die Erbringung von Gefälligkeitsdiensten nachvollziehbares Motiv bilden könnte.

6        6. Insgesamt wird daher in der Revision keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 17. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019080029.L00

Im RIS seit

02.11.2022

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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