TE Lvwg Erkenntnis 2022/7/28 LVwG-M-17/001-2022, LVwG-M-29/001-2022

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.07.2022
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Entscheidungsdatum

28.07.2022

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
VStG 1991 §34b
VStG 1991 §39a
  1. B-VG Art. 130 heute
  2. B-VG Art. 130 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  5. B-VG Art. 130 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  6. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2015 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  7. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2013
  8. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  9. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  10. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  11. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  12. B-VG Art. 130 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  13. B-VG Art. 130 gültig von 18.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 215/1962
  14. B-VG Art. 130 gültig von 25.12.1946 bis 17.07.1962 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  15. B-VG Art. 130 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  16. B-VG Art. 130 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Dr. Goldstein als Einzelrichter über die Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt als auch über die Beschwerde wegen Verletzung von Richtlinien für das Einschreiten des Herrn A, vertreten durch B, Rechtsanwältin in ***, im Zusammenhang mit Amtshandlungen durch Organe der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 16. Jänner 2022 (Festnahme und anschließende Anhaltung), zu Recht:

1.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch seine Festnahme am 16.01.2022 um ca. 15:00 Uhr in ***, auf Höhe der *** in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

2.   Die Beschwerde, die einschreitenden Beamten im Polizeianhaltezentrum *** hätten eine gemäß § 31 Sicherheitspolizeigesetz festgelegte Richtlinie verletzt, weil dem Beschwerdeführer auch nach mehrmaliger Bitte kein Telefonat gewährt worden sei, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG iVm § 53 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

3.   Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 887,20 (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

4.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

Entscheidungsgründe:

1.   Zum Beschwerdevorbringen:

Mit Schriftsatz vom 25.02.2022 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung, Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Festnahme) durch namentlich nicht bekannte, zumindest fünf Polizisten, welche sich am 16.1.2022 um ca. 15:00 Uhr gegen den Beschwerdeführer gerichtet habe.

Der Beschwerdeführer habe am 16.1.2022 in ***, ***, an der Versammlung „***“ teilgenommen. Er sei im Demo-Zug marschiert und habe eine FFP2-Maske getragen, die er jedoch zum Zeitpunkt des Vorfalls gerade unter die Nase gezogen habe, da er auf Grund des bereits bestehenden Sauerstoffmangels kurz durchatmen habe müssen.

Der Beschwerdeführer sei von einem Polizeibeamten unwirsch aufgefordert worden, seine FFP2-Maske „ordentlich“ aufzusetzen. Noch bevor er jedoch die Maske wieder hochziehen konnte, sei er bereits von mehreren Beamten zuerst an den Armen und am rechten Bein „geschnappt“ worden, sodass er mit dem linken, auf dem Boden verbleibenden Bein mithüpfen musste, bevor er brutal von zahlreichen Beamten zu Boden gedrückt worden sei, obwohl er keinerlei Widerstand geleistet habe. Auf dem Boden seien ihm die Handschellen derart fest abgelegt und zusätzlich sogar noch die Kette verdreht worden, sodass sie noch enger geworden seien, dass er danach Druckstellen an beiden Handgelenken hatte.

Im PAZ seien dem Beschwerdeführer mehrere Zettel übergeben worden, auf denen er seine Rechte lesen konnte, ein Telefonat sei jedoch auch nach mehrmaliger Bitte nicht gewährt worden.

Die Festnahme sei gegen 15:00 Uhr erfolgt. Danach sei der Beschwerdeführer einige Stunden im PAZ in *** in Haft gewesen. Obwohl er sich während der gesamten Amtshandlung immer kooperativ gezeigt habe und den ungerechtfertigten Zwangsmaßnahmen nicht entgegenwirkte habe, sei er zunächst von den einschreitenden Polizisten und in weiterer Folge auch während der Haft wie ein Schwerverbrecher behandelt worden.

Offensichtlich hätten es die Polizeibeamten genau auf den Beschwerdeführer abgesehen, weil er durch seine langen Haare und den Filzhut, den er trug, aus der Menge herausgestochen sei. Es habe im Demo-Zug viele Personen gegeben, die nicht einmal eine Maske getragen haben, die jedoch nicht beamtshandelt worden seien.

Der Beschwerdeführer sei weder bei einer Straftat auf frischer Tat betreten worden, noch habe er ein aggressives Verhalten gesetzt. Es lägen sohin kein Grund für eine Festnahme vor. Durch die Festnahme sei der Beschwerdeführer in seinen subjektiven Rechten auf persönliche Freiheit, körperliche Integrität und Teilnahme an der oben genannten Versammlung verletzt worden. Die einschreitenden Beamten hätten sowohl bei der Festnahme als auch im PAZ *** gegen die RLV verstoßen.

Der Beschwerdeführer beantragte, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, die Beschwerde an die in dieser Sache zuständige Behörde zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde zuzuleiten, die in Beschwerde gezogene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt aufzuheben und für rechtswidrig zu erklären und den Rechtsträger der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG in den Kostenersatz zu verfällen.

2.   Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:

Mit Schreiben vom 8. März 2022 wurde die Landespolizeidirektion Niederösterreich eingeladen, soweit sich der Beschwerdeschriftsatz gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen den Beschwerdeführer (Festnahme am 16.01.2022 um ca. 15:00 Uhr) richtet, binnen vier Wochen ab Zustellung hiezu eine Gegenschrift zu erstatten und dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die bezughabenden Akten vorzulegen.

Im Übrigen – soweit Verstöße gegen die Richtlinien-Verordnung geltend gemacht wurden – wurde der Schriftsatz gemäß § 89 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz zur weiteren Bearbeitung zugeleitet.

In ihrer Gegenschrift verwies die belangte Behörde auf eine Stellungnahme des Stadtpolizeikommandos ***, welche wie folgt zitiert wurde:

„Am 16.1.2022 fand in *** eine CMG Versammlung statt. Bei dieser Versammlung wurde festgestellt, dass nicht alle Teilnehmer einen 2 G-Nachweis erbringen konnten. Somit bestand für die Teilnehmer eine Maskenpflicht. Die Einhaltung dieser Maskenpflicht wurde von den eingesetzten Polizeibeamten auch überwacht. Im Zuge des Demozuges konnte von C wahrgenommen werden, dass A, welcher sich inmitten des Demozuges befand, die Maske unter dem Kinn trug. A wurde daher von den Beamten aufgefordert, die Maske ordnungsgemäß zu tragen. Dazu darf angemerkt werden, dass gerade das Tragen einer Schutzmaske inmitten einer Menschenmenge, welche lautstark Parolen skandiert, eine besonders wichtige gesundheitliche Schutzmaßnahme darstellt. A reagierte auf diese Aufforderung nicht und drehte sich auch von dem Beamten weg. Von C wurde A daher am Arm erfasst. Als A wieder zum Beamten blickte, wurde er von diesem aufgefordert die Maske aufzusetzen. Diese Aufforderung erfolgte in einem normalen, höflichen Ton. A erwiderte allerdings nur, dass sich der Beamte schleichen solle und drehte sich wieder weg. A wurde daher von dem Beamten neuerlich am Arm erfasst und zur Ausweisleistung aufgefordert. Dieser Aufforderung leistete A wieder keine Folge und riss sich durch einen Ellbogenschlag los. Nachdem D dem Beamten C Unterstützung leistete, konnte A vorerst festgehalten werden. A wehrte sicher allerdings heftig gegen die Festhaltegriffe und brachte D dabei auch zu Fall. A versuchte in die Menschenmenge zu entkommen und wollte sich somit durch die Gewaltanwendung der Amtshandlung entziehen. Erst mit Unterstützung von weiteren Beamten konnte A aus dem Demonstrationszug verbracht werden. Auf Grund seiner heftigen Gegenwehr, musste er in Bauchlage gebracht und dort fixiert werden. Erst danach war das Anlegen der Handfesseln möglich. Nachdem A seinen Widerstand beendete, wurde dieser sofort in eine sitzende Position verbracht und danach mit dem Arrestantenwagen in das PAZ *** überstellt.

Die Angaben des Beschwerdeführers, dass er keinerlei Widerstand leistete und er einfach brutal aus dem Demonstrationszug gezogen wurde, entsprechen somit keinesfalls den Tatsachen. A setzte den Tatbestand des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt und wurde daher nach den Bestimmungen der StPO festgenommen. Da er auch noch bei der Festnahme Widerstand leistete, mussten ihm die Handfesseln angelegt werden. Dabei wurde allerdings keinerlei übermäßiger Druck ausgeübt. Das Anlegen der Handfesseln hinterlässt im Normalfalle immer Druckstellen, da ein Hautkontakt naturgemäß nicht vermieden werden kann. Allein durch die Armbewegungen des Festgenommenen entstehen durch die Handfesseln Druckstellen an den Handgelenken. Diese können somit überhaupt nicht gänzlich vermieden werden.

Von den Beamten wurden bei der Festnahme nur insofern Zwangsmaßnahmen gesetzt, als diese für die Umsetzung der Festnahme unbedingt erforderlich waren. Die Zwangsmaßnahmen wurden durch den von A gesetzten Widerstand ausgelöst. Hätte A an der Amtshandlung mitgewirkt, wären solche überhaupt nicht erforderlich gewesen.

Da die Festnahme nach der StPO erfolgte, war auch eine Kontaktaufnahme mit der Staatsanwaltschaft *** erforderlich. Da von der StA *** kein Antrag auf Untersuchungshaft gestellt wurde, erfolgte die Aufhebung der Haft. Für die Entscheidung der StA sind allerdings im Vorfeld Erhebungen und Einvernahmen zu tätigen, welche einen gewissen Zeitrahmen erfordern. Von einer übermäßig langen Anhaltung kann somit keinesfalls gesprochen werden.

Da A nach den Bestimmungen der StPO festgenommen wurde, erfolgte die Aufnahme im PAZ nach den Richtlinien der Anhalteordnung. Die vollkommen unsachlichen Behauptungen, dass A wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde und die einschreitenden Beamten es auf A abgesehen hätten, entbehren jeglichen sachlichen Hintergrundes. Im Zuge der Demoüberwachung wurden auch zahlreiche andere Teilnehmer wegen der Maskenpflicht beanstandet. Im Gegensatz zu A befolgten diese aber die Anweisungen der Exekutivbeamten (EB) und wendeten auch keinerlei körperliche Gewalt gegen die EB an.“

Die belangte Behörde beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Mit Schreiben vom 17.03.2022 teilte die Landespolizeidirektion Niederösterreich dem Beschwerdeführer in ihrer Eigenschaft als Aufsichtsbehörde gemäß § 89 Abs. 2 SPG mit, dass nach Ansicht der Landespolizeidirektion Niederösterreich durch das Verhalten der Beamten keine Richtlinie gemäß § 31 SPG in Verbindung mit der RLV verletzt worden sei.

Mit (rechtzeitig eingebrachtem) Antrag vom 06.04.2022 beantragte der Beschwerdeführer, das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich möge diesbezüglich feststellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 16.5.2022 und am 19.7.2022 gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlungen durch, in welchen sowohl die Maßnahmenbeschwerde vom 25.02.2022 als auch die Richtlinienbeschwerde vom 06.04.2022 behandelt worden sind. Hierbei wurden die jeweils einschreitenden Personen und weitere Zeugen einvernommen.

Im Rahmen der Verhandlungen konkretisierte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers auf Ersuchen des Verhandlungsleiters den Beschwerdeschriftsatz abschließend dahingehend, dass unter der Maßnahmenbeschwerde die Festnahme, und betreffend die Richtlinienbeschwerde angefochten wird, dass dem Beschwerdeführer im Anhaltezentrum ein Anruf verweigert wurde.

3.   Feststellungen:

3.1 Der Beschwerdeführer hat am 16.01.2022 in ***, ***, an der Versammlung „***“ teilgenommen. Hier wurde von Polizisten eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer aufgenommen, weil er keine FFP2-Maske aufhatte. Es wurde auch die Identität des Beschwerdeführers aufgenommen. Anschließend setzte er die FFP2-Maske wieder auf und marschierte im Demonstrationszug mit. Später nahm der Beschwerdeführer seine FFP2-Maske erneut ab und wurde zwei oder drei Mal von Polizisten diesbezüglich ermahnt und angewiesen, die Maske wieder aufzusetzen. Dies tat er zunächst und zog die Maske anschließend wieder unter seine Nase.

3.2 Dies wurde ca. um 15:00 Uhr auf Höhe der *** von C, welcher den Demonstrationszug begleitete, bemerkt. Er deutete dem Beschwerdeführer, als er in seine Richtung geschaut hat, dass er die Maske über die Nase ziehen soll. Nachdem der Beschwerdeführer das nicht getan hat, ging C zu ihm und berührte ihn am Arm, damit er ihn wahrnimmt und er ihn auf die Maskenpflicht hinweisen kann. Der Beschwerdeführer reagierte hierauf mit einer Wischbewegung mit seiner Hand und sagte „schleich dich“. C nahm den Beschwerdeführer daraufhin erneut am Arm und forderte ihn auf, mit ihm zwecks Identitätsfeststellung zur Seite zu gehen. Er deutete dies dem Beschwerdeführer auch mit einer Geste. Die Identität des Beschwerdeführers war C zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt. Bei der unter Punkt 3.1 genannten Identitätsfeststellung war er nicht anwesend.

3.3 Der Beschwerdeführer riss seinen Arm los, ruderte hierbei mit seinem Ellenbogen in Richtung des C aus und versetzte ihm einen Stoß gegen die Schulter.

3.4 Daraufhin versuchte C erneut einen Arm des Beschwerdeführers zu ergreifen und D, welcher das Geschehen beobachtete, kam zur Hilfe und versuchte den anderen Arm des Beschwerdeführers zu ergreifen. Der Beschwerdeführer riss sich mehrmals los und entledigte sich seiner Jacke, an welcher die Polizisten versuchten ihn festzuhalten. Er lehnte sich stark nach vorne und versuchte in den Demonstrationszug zu laufen, um sich der Amtshandlung zu entziehen. D kam infolge des Gerangels zu Sturz und fiel auf beide Knie. E, welcher ebenfalls den Demonstrationszug begleitete, sah dies und begab sich zum Ort des Geschehens, um die nun frei gewordene Hand des Beschwerdeführers zu ergreifen. Der Beschwerdeführer versuchte weiterhin, sich gegen das Festhalten zu wehren und seine Hände wegzuziehen. Er spreizte seine Beine und versuchte diese zu verkeilen. Schließlich konnte er insofern aus dem Demonstrationszug gebracht werden, als in zwei Polizisten an den Händen hielten und ein weiterer Polizist ein Bein des Beschwerdeführers anhob. Er wurde auf den Parkplatz eines an den Demonstrationszug angrenzenden Autohauses gebracht. Der Beschwerdeführer wurde zu Boden gebracht, wobei er sich nach vorne fallen ließ, sodass E zu Sturz kam und auf sein Knie viel.

3.5 Auf dem Boden legte E seine Handfessel an der rechten Hand des Beschwerdeführers an und F an der linken Hand. Sie arretierten die Handfessel. Hierbei handelte es sich um keine Handfessel mit einer Kette, sondern eine Gelenk-Handfessel. Ein zu festes Anlegen der Handfessel konnte nicht festgestellt werden. Die Arme des Beschwerdeführers wurden nicht überkreuzt.

3.6 E sprach während des Anlegens der Handfessel die Festnahme aus. Auch C sagte ihm mehrmals, dass er nun festgenommen ist. Sowohl während des Anlegens der Handfessel als auch beim anschließenden Verbringen zum Arrestantenwagen. Grund für die Festnahme war, dass der Beschwerdeführer verdächtig war, das Delikt des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß § 15 iVm § 269 StGB begangen hat.

3.7 Der Beschwerdeführer wurde zum Arrestantenwagen gebracht und abgetastet, bevor er in den Arrestantenwagen gestiegen ist. Dieser brachte ihn in das Polizeianhaltezentrum ***.

3.8 Das Anhalteprotokoll II wurde von C, nicht gemeinsam mit dem Beschwerdeführer ausgefüllt. Insbesondere hat der Beschwerdeführer die hierin enthaltene, verneinend angekreuzte Frage, ob er will, dass eine Person seines Vertrauens über die Festnahme verständigt wird, nicht unterschrieben.

3.9 Im Polizeianhaltezentrum wurde der Beschwerdeführer zu Beginn der Anhaltung insofern über seine Rechte informiert, als ihm Informationsblätter zum Durchlesen übergeben worden sind. Er wurde bei der Aufnahme in das Anhaltezentrum – wie jeder Häftling – in einem separaten Raum in Anwesenheit von insgesamt zwei Polizeiorganen des Anhaltezentrums durchsucht. Hierbei wurde er aufgefordert, sich zu entkleiden und als er gerade seine lange Ski-Unterhose hinuntergezogen hat bzw. mit einem Bein aus dieser herausgestiegen ist, wurde ihm gesagt, dass er die Unterhose wieder hinaufziehen kann. Später erfolgte eine amtsärztliche Untersuchung und der Beschwerdeführer wurde von Beamten der Kriminalpolizei als Beschuldigter einvernommen. Um 18:20 Uhr wurde der Beschwerdeführer im Anschluss an seine Einvernahme entlassen, weil der zuständige Staatsanwalt erklärte, dass er keinen Haftantrag stellen wird.

3.10 Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer während seines Aufenthaltes im Anhaltezentrum ein Telefonat verlangt hat.

4.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zu Punkt 3.1 ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung (VHS vom 16.5.2022, Seiten 3f) sowie im Beschwerdeschriftsatz vom 25.02.2022.

Die Feststellungen zu Punkt 3.2 basieren im Wesentlichen auf der glaubwürdigen Aussage des Zeugen C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung (VHS vom 16.5.2022, Seiten 19f und 26). Die Verantwortung des Beschwerdeführers im Rahmen der Verhandlung stimmte hiermit in wesentlichen Punkten überein. So gab er etwa an „schleich dich“ gesagt zu haben, auch wenn dies nicht in Richtung des einschreiten Polizisten, sondern als Ausdruck seines Unmutes über den erneuten Hinweis auf die Maskenpflicht gemeint war. Ebenso gab er an, die Maske unter der Nase getragen zu habe und dass C schon gesagt haben wird, dass er die Maske ordentlich aufsetzen soll (VHS vom 16.5.2022, Seiten 4f).

Die Feststellungen zu Punkt 3.3 ergeben sich aus den im Wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der Zeugen C, D und E im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung (VHS vom 16.05.2022, Seiten 20, 28, 34 und 42). Der Beschwerdeführer gab diesbezüglich an, seine Hand nach vorne weggezogen zu haben und stellte eine – mit den Schilderungen der Polizisten übereinstimmende – kreisende Bewegung mit seinem Ellenbogen dar (VHS vom 16.05.2022, Seite 4).

Die Feststellungen zu Punkt 3.4 ergeben sich aus den glaubwürdigen und in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden Aussagen der Zeugen C, D, E und F im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung (VHS vom 16.05.2022, Seiten 20, 28, 34f und 42). Sie wirkten bemüht, den tatsächlichen Ablauf der Geschehnisse anhand ihrer jeweiligen Erinnerungen wiederzugeben. Demgegenüber war die Darstellung des Beschwerdeführers sowie des Zeugen G, wonach der Beschwerdeführer sofort von mehreren Polizisten geschnappt und brutal zu Boden gedrückt worden sei, obwohl er keinerlei Widerstand geleistet habe, keineswegs nachvollziehbar. Schließlich sind auch zwei (sehr kräftig gebaute) Polizisten während der Amtshandlung zu Sturz gekommen, sodass von einem beträchtlichen Widerstand auszugehen war. Ebenso war nicht nachvollziehbar, weshalb es die einschreitenden Beamten aufgrund des Filzhutes oder der langen Haare des Beschwerdeführers auf diesen „abgesehen“ haben sollten.

Die Feststellungen zu Punkt 3.5 ergeben sich aus den Aussagen der Zeugen E und F im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung (VHS vom 16.5.2022, Seiten 29f und 34ff). E erschien zur Verhandlung in seiner Uniform und zeigte seine Handfessel mit Gelenk-Verbindung, die er auch im Rahmen der angefochtenen Amtshandlungen verwendet hat. Schließlich gab auch der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhandlung an, dass er lediglich vermutete, dass die Kette der Handfessel verdreht worden sei, weil er seine Hände nicht auch ein Stückchen auseinander geben konnte. Diese Beschreibung entspricht einer Handfessel mit einer Gelenk-Verbindung. Ein überkreuzen der Arme des Beschwerdeführers hinter seinem Rücken konnte nicht festgestellt werden. E demonstrierte im Rahmen der Verhandlung nachvollziehbar, dass eine Fixierung der Arme in einer überkreuzten Position mit den Handfesseln gar nicht möglich ist, weil die Arme wieder zurückgedreht werden könnten. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass die Handfessel zu eng angelegt worden ist, nur weil der Beschwerdeführer laut eigenen Angaben Druckstellen an seinen Handgelenken aufwies. Zumindest leichte Druckstellen sind hierbei in der Regel nicht zu vermeiden, insbesondere wenn der Beschwerdeführer testet, ob er seine Hände auseinanderziehen kann.

Die Feststellungen zu Punkt 3.6 basieren auf den glaubwürdigen und detaillierten Aussagen der Zeugen C und E im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung (VHS vom 16.05.2022, Seiten 25 und 29). Der Umstand, dass F nicht angeben konnte, ob die Festnahme formell ausgesprochen worden ist, war insofern nachvollziehbar, als er angab, dass sein Fokus auf der Sicherung des Beschwerdeführers und dem Anliegen der Handschellen gelegen ist. Dies konnte nicht als Beweis dafür gewertet werden, dass die Festnahme gegenüber dem Beschwerdeführer nicht formell ausgesprochen worden ist, sondern bekräftigte vielmehr den Eindruck, dass die einschreitenden Polizisten bemüht waren, wahrheitsgemäß lediglich jene Umstände anzugeben, an welche sie sich noch konkret erinnern konnten.

Die Feststellung zu Punkt 3.6 hinsichtlich des Festnahmegrundes ergibt sich aus dem Anhalteprotokoll I vom 16.01.2022, ***, auf welchem in dem Feld „Delikt/Gründe“ „§§ 15, 269 StGB“ ausgefüllt wurde und als Sachverhalt „StPO Festnahme aufgrund heftiger Gegenwehr im Zuge einer I-Feststellung während der CMG Demo in ***“ ausgefüllt wurde. Auch die einschreitenden Polizisten sprachen im Rahmen der Verhandlung ausschließlich von dem Delikt des Widerstandes gegen die Staatsgewalt. Zudem wurde C bereits 50 Minuten nach der Durchführung der Festnahme als Zeuge hinsichtlich des Deliktes des Widerstandes gegen die Staatsgewalt einvernommen (Protokoll über die Zeugeneinvernahme vom 16.01.2022, ***). Für die Behauptung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers am Ende der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 19.7.2022, dass sich die Festnahme ursprünglich auf § 35 VStG gestützt habe, gibt es keine Anhaltspunkte. Bei einer Identitätsfeststellung gemäß § 34b VStG handelt es sich, auch wenn hierbei Zwang angewendet wird, um keine Festnahme im Sinne des § 35 VStG.

Die Feststellungen zu Punkt 3.7 ergeben sich aus den in diesem Umfang übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers sowie des Zeugen C im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zu Punkt 3.8 ergeben sich einerseits aus dem Anhalteprotokoll II vom 16.01.2022, ***, welches keine Unterschrift des Beschwerdeführers aufweist sowie der ergänzenden Stellungnahme der Polizeiinspektion *** vom 24.06.2022, ***.

Die Feststellungen zu Punkt 3.9 ergeben sich im Wesentlichen aus den übereinstimmenden Aussagen des Beschwerdeführers (VHS vom 16.05.2022, Seite 6ff) sowie der Zeugen H und I im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 16.5.2022. Die Feststellungen zur Entlassung ergeben sich aus dem Anhalteprotokoll II vom 16.01.2022, ***.

Hinsichtlich der Feststellung zu Punkt 3.10 stand die Aussage des Beschwerdeführers gegen die Aussage der Zeugen H und I.

H und I gaben jeweils an, dass sie dem Beschwerdeführer ein Telefonat ermöglicht hätten, wenn er dies verlangt hätte bzw. gab I an, dass er ein solches Verlangen sicher weitergeleitet hätte, als seine Dienstzeit zu Ende war. Sie führten aus, dass jeder festgenommenen Person ein Telefonat in gleicher Weise ermöglicht wird, wenn dies verlangt wird und beschrieben die Vorgehensweise hierbei. Dies war auch insofern nachvollziehbar, als es auf Grund anderer Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich amtsbekannt ist, dass festgenommenen Personen (auch im Zusammenhang mit Demonstrationen im zeitlichen Nahebereich) im Anhaltezentrum *** Telefonate ermöglicht worden sind.

Demgegenüber führte der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 25.02.2022 aus, dass ihm ein Telefonat auch nach mehrmaliger Bitte nicht gewährt worden sei. Im Rahmen der Verhandlung änderte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, dass er nicht mehrmals, sondern nur einmal nach einem Telefonat gefragt hat. Außerdem konnte der Beschwerdeführer nicht (mehr) angeben, wen er anrufen wollte. In einer Gesamtbetrachtung dieses Umstandes, der geänderten Behauptung des Beschwerdeführers sowie den glaubwürdigen Aussagen der Zeugen H und I konnte den Angaben des Beschwerdeführers nicht uneingeschränkt gefolgt werden.

Schließlich konnte aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer das Anhalteprotokoll II bzw. die hierin enthaltene, verneinend angekreuzte Frage, ob er will, dass eine Person seines Vertrauens über die Festnahme verständigt wird, nicht unterschrieben hat, kein Schluss darüber gezogen werden, ob der Beschwerdeführer im Anhaltezentrum nach einem Telefonat gefragt hat oder nicht. Dieses Protokoll wurde nämlich von C, welcher im Anhaltezentrum nicht anwesend war, ohne Beteiligung des Beschwerdeführers ausgefüllt und wurde letztendlich von niemandem, auch nicht von C unterschrieben. Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass weder die belangte Behörde noch die einschreitenden Beamten im gegenständlichen Verfahren behauptet haben, dass der Beschwerdeführer diese Frage unterschrieben hat. Die diesbezügliche Überprüfung wurde durch das Gericht amtswegig veranlasst.

5.   Rechtslage:

5.1 Die einschlägigen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) idF BGBl. I Nr. 58/2018, lauten auszugsweise:

Identitätsfeststellung
§ 34b.

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind zur Feststellung der Identität einer Person ermächtigt, wenn diese auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen. § 35 Abs. 2 und 3 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, ist sinngemäß anzuwenden.

(…)

Zwangsgewalt
§ 39a.

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, verhältnismäßigen und angemessenen Zwang anzuwenden, um die ihnen nach den §§ 34b, 35, 37a Abs. 3 und 39 Abs. 2 eingeräumten Befugnisse durchzusetzen. Dabei haben sie unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person vorzugehen. Für den Waffengebrauch gelten die Bestimmungen des Waffengebrauchsgesetzes 1969, BGBl. Nr. 149/1969.“

5.2 Die einschlägigen Bestimmungen des Covid-19-Maßnahmengesetzes idF BGBl. I Nr. 255/2021 lauteten zum gegenständlichen Zeitpunkt auszugsweise:

Strafbestimmungen
§ 8.

(..)

  1. (5a) Wer
    1. 1.
      eine Zusammenkunft organisiert und dabei eine Untersagung oder Bewilligungspflicht gemäß § 5 missachtet oder an einer untersagten oder nicht bewilligten Zusammenkunft teilnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 145 Euro bis zu 1 450 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen;
    2. 2.
      eine Zusammenkunft entgegen den sonstigen gemäß § 5 Abs. 4 festgelegten Beschränkungen organisiert oder daran teilnimmt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 50 Euro bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche, zu bestrafen;
    3. 3.
      gewerbsmäßig Zusammenkünfte organisiert und dabei eine Untersagung oder eine Bewilligungspflicht gemäß § 5 missachtet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von 3 000 Euro bis zu 30 000 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu sechs Wochen, zu bestrafen;
    4. 4.
      gewerbsmäßig Zusammenkünfte organisiert und dabei sonstige gemäß § 5 Abs. 4 festgelegte Beschränkungen missachtet oder nicht dafür Sorge trägt, dass gemäß § 5 Abs. 4 festgelegte Beschränkungen eingehalten werden, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 360 Euro bis zu 3 600 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu vier Wochen, zu bestrafen.

    (…)

Mitwirkung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes
§ 10.
  1. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben die nach diesem Bundesgesetz zuständigen Behörden und Organe über deren Ersuchen bei der Ausübung ihrer beschriebenen Aufgaben bzw. zur Durchsetzung der vorgesehenen Maßnahmen, erforderlichenfalls unter Anwendung von Zwangsmitteln, zu unterstützen.
  2. (2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben an der Vollziehung dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen mitzuwirken durch
    1. 1.
      Maßnahmen zur Vorbeugung gegen drohende Verwaltungsübertretungen,
    2. 2.
      Maßnahmen zur Einleitung und Sicherung eines Verwaltungsstrafverfahrens und
    3. 3.
      die Ahndung von Verwaltungsübertretungen durch Organstrafverfügungen (§ 50 VStG).
    Zu diesem Zweck dürfen Betriebsstätten, Arbeitsorte mit Ausnahme solcher im privaten Wohnbereich, Verkehrsmittel, bestimmte Orte und Orte der Zusammenkunft mit Ausnahme solcher im privaten Wohnbereich betreten werden.
  3. (3) Sofern nach der fachlichen Beurteilung der jeweiligen Gesundheitsbehörde im Rahmen der nach Abs. 1 vorgesehenen Mitwirkung für die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach der Art der übertragbaren Krankheit und deren Übertragungsmöglichkeiten eine Gefährdung verbunden ist, der nur durch besondere Schutzmaßnahmen begegnet werden kann, sind die Gesundheitsbehörden verpflichtet, adäquate Schutzmaßnahmen zu treffen.“

5.3 Die einschlägigen Bestimmungen der 6. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung idF BGBl. II Nr. 6/2022 lauteten zum gegenständlichen Zeitpunkt auszugsweise:

Allgemeine Bestimmungen
§ 2.
  1. (1) Als Maske im Sinne dieser Verordnung gilt eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard.

    (…)

Zusammenkünfte
§ 14.
  1. (1) Das Verlassen des eigenen privaten Wohnbereichs und der Aufenthalt außerhalb des eigenen privaten Wohnbereichs zum Zweck der Teilnahme an Zusammenkünften ist für Personen, die über keinen 2G-Nachweis verfügen, nur für folgende Zusammenkünfte zulässig:
    1. 1.
      Begräbnisse;
    2. 2.
      Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953;
    3. 3.
      Zusammenkünfte zu beruflichen Zwecken, wenn diese zur Aufrechterhaltung der beruflichen Tätigkeit erforderlich sind;
    4. 4.
      unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen politischer Parteien, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist;
    5. 5.
      unaufschiebbare Zusammenkünfte von Organen juristischer Personen, sofern eine Abhaltung in digitaler Form nicht möglich ist;
    6. 6.
      unaufschiebbare Zusammenkünfte nach dem Arbeitsverfassungsgesetz – ArbVG, BGBl. Nr. 22/1974;
    7. 7.
      Zusammenkünfte von medizinischen und psychosozialen Selbsthilfegruppen;
    8. 8.
      das Befahren von Theatern, Konzertsälen und -arenen, Kinos, Varietees und Kabaretts, wenn dies mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen erfolgt;
    9. 9.
      Zusammenkünfte gemäß Abs. 6 und den §§ 15 und 16.
    Bei Zusammenkünften gemäß Z 1 bis 7 ist in geschlossenen Räumen eine Maske zu tragen. Bei Zusammenkünften gemäß Z 2 gilt dies auch im Freien.

    (…)“

5.4 § 269 Strafgesetzbuch (StGB) idF BGBl. Nr. 60/1974 lautet:

Widerstand gegen die Staatsgewalt
§ 269.
  1. (1) Wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt und wer einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung an einer Amtshandlung hindert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, im Fall einer schweren Nötigung (§ 106) jedoch mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
  2. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Behörde mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt oder einen Beamten mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Amtshandlung nötigt.
  3. (3) Als Amtshandlung im Sinn der Abs. 1 und 2 gilt nur eine Handlung, durch die der Beamte als Organ der Hoheitsverwaltung oder der Gerichtsbarkeit eine Befehls- oder Zwangsgewalt ausübt.
  4. (4) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn die Behörde oder der Beamte zu der Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist oder die Amtshandlung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstößt.“

5.5 Die einschlägigen Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) idF BGBl. I Nr. 243/2021 lauten auszugsweise:

„§ 170.
  1. (1) Die Festnahme einer Person, die der Begehung einer strafbaren Handlung verdächtig ist, ist zulässig,
    1. 1.
      wenn sie auf frischer Tat betreten oder unmittelbar danach entweder glaubwürdig der Tatbegehung beschuldigt oder mit Gegenständen betreten wird, die auf ihre Beteiligung an der Tat hinweisen,
    2. 2.
      wenn sie flüchtig ist oder sich verborgen hält oder, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde flüchten oder sich verborgen halten,
    3. 3.
      wenn sie Zeugen, Sachverständige oder Mitbeschuldigte zu beeinflussen, Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren versucht hat oder auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, sie werde dies versuchen,
    4. 4.
      wenn die Person einer mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohten Tat verdächtig und auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie werde eine eben solche, gegen dasselbe Rechtsgut gerichtete Tat begehen, oder die ihr angelastete versuchte oder angedrohte Tat (§ 74 Abs. 1 Z 5 StGB) ausführen.
  2. (2) Wenn es sich um ein Verbrechen handelt, bei dem nach dem Gesetz auf mindestens zehnjährige Freiheitsstrafe zu erkennen ist, muss die Festnahme angeordnet werden, es sei denn, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, das Vorliegen aller im Abs. 1 Z 2 bis 4 angeführten Haftgründe sei auszuschließen.
  3. (3) Festnahme und Anhaltung sind nicht zulässig, soweit sie zur Bedeutung der Sache außer Verhältnis stehen (§ 5).

Anordnung
§ 171.
  1. (1) Die Festnahme ist durch die Staatsanwaltschaft auf Grund einer gerichtlichen Bewilligung anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.
  2. (2) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, den Beschuldigten von sich aus festzunehmen
    1. 1.
      in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 1 und
    2. 2.
      in den Fällen des § 170 Abs. 1 Z 2 bis 4, wenn wegen Gefahr im Verzug eine Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
  3. (3) Im Fall des Abs. 1 ist dem Beschuldigten sogleich oder innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach seiner Festnahme die Anordnung der Staatsanwaltschaft und deren gerichtliche Bewilligung zuzustellen; im Falle des Abs. 2 eine schriftliche Begründung der Kriminalpolizei über Tatverdacht und Haftgrund.
  4. (4) Dem Beschuldigten ist sogleich oder unmittelbar nach seiner Festnahme schriftlich in einer für ihn verständlichen Art und Weise sowie in einer Sprache, die er versteht, Rechtsbelehrung (§ 50) zu erteilen, die ihn darüber hinaus zu informieren hat, dass er
    1. 1.
      soweit er nicht freizulassen ist (§ 172 Abs. 2), ohne unnötigen Aufschub in die Justizanstalt eingeliefert und dem Gericht zur Entscheidung über die Haft vorgeführt werden wird (§§ 172 Abs. 1 und 3 und 174 Abs. 1), sowie
    2. 2.
      berechtigt ist,
      1. a.
        einen Angehörigen oder eine andere Vertrauensperson und einen Verteidiger unverzüglich von seiner Festnahme zu verständigen oder verständigen zu lassen (Art. 4 Abs. 7 BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit),wobei ihm auf Verlangen die Kontaktaufnahme mit einem „Verteidiger in Bereitschaft“ (§ 59 Abs. 4) zu ermöglichen ist, dessen Kosten er unter den Voraussetzungen des § 59 Abs. 5 nicht zu tragen hat,
      2. b.
        Beschwerde gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahme zu erheben und im Übrigen jederzeit seine Freilassung zu beantragen,
      3. c.
        seine konsularische Vertretung unverzüglich verständigen zu lassen (Art. 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969),
      4. d.
        Zugang zu ärztlicher Betreuung zu erhalten (§§ 66 bis 74 StVG).
    Ist die schriftliche Belehrung in einer Sprache, die der Beschuldigten versteht, nicht verfügbar, so ist sie zunächst mündlich zu erteilen (§ 56 Abs. 2) und sodann ohne unnötigen Aufschub nachzureichen. Der Umstand der erteilten Belehrung ist in jedem Fall schriftlich festzuhalten (§§ 95 und 96).“

5.6 § 8 der Richtlinienverordnung (RLV) idF BGBl. Nr. 266/1993 lautet:

Informationspflichten
§ 8.
  1. (1) Sofern das Gesetz einem Menschen ein Recht auf Verständigung oder Beiziehung einer Vertrauensperson oder eines Rechtsbeistandes einräumt, haben ihn die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes von diesem Recht in Kenntnis zu setzen
    1. 1.
      bei Festnahmen, Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen nach § 40 Abs. 4 SPG;
    2. 2.
      sobald abzusehen ist, daß die Amtshandlung länger als eine Stunde dauern wird.
  2. (2) Ist der Betroffene nicht in der Lage, selbst eine Verständigung der Vertrauensperson oder des Rechtsbeistandes zu veranlassen, so ist er auch davon in Kenntnis zu setzen, daß er die Verständigung durch die Behörde verlangen kann.
  3. (3) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben einen Angehaltenen, der von einem von der Behörde beauftragten Arzt untersucht werden soll, davon in Kenntnis zu setzen, daß es ihm freisteht, zu dieser Untersuchung auf seine Kosten einen Arzt seiner Wahl beizuziehen, sofern dies ohne wesentliche Verzögerungen der Untersuchung bewirkt werden kann.“

6.   Erwägungen:

6.1 Prüfungsmaßstab und Prüfungsgegenstand

Das Handeln der Kriminalpolizei im Dienste der Strafjustiz ist, soweit es um die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt geht, (nach der Aufhebung der Worte „oder Kriminalpolizei“ in § 106 Abs. 1 StPO) mit Maßnahmenbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht bekämpfbar (VwGH 10.11.2021, Ra 2021/01/0211 mwN). In diesem Fall hat die Überprüfung der bekämpften Maßnahme alleine nach den Bestimmungen der StPO zu erfolgen (VwGH 07.09.2020, Ro 2020/01/0010).

Im Rahmen eines Maßnahmenbeschwerdeverfahrens ist Gegenstand der Prüfung durch das Verwaltungsgericht alleine, ob der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163). Ausgehend von diesem Prozessgegenstand ist jene Sach- und Rechtslage maßgebend, die im Zeitpunkt der Setzung des Verwaltungsaktes bestand (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063). Zu berücksichtigen sind nur solche Sachverhaltselemente, die dem einschreitenden Organ bei Anwendung der im Hinblick auf den Zeitfaktor zumutbaren Sorgfalt bekannt sein mussten (ex ante-Betrachtung aus dem Blickwinkel des einschreitenden Organs; VwGH 05.12.2017, Ra 2017/01/0373; 25.01.1990, 89/16/0163; 06.08.1998, 96/07/0053). Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob die einschreitenden Organe in zumindest vertretbarer Weise das Vorliegen der Voraussetzungen für ihr Einschreiten annehmen durften (VwGH 04.12.2020, Ra 2019/01/0163; 24.11.2015, Ra 2015/05/0063

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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