TE Vwgh Beschluss 2022/10/4 Ra 2022/08/0130

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Veröffentlicht am 04.10.2022
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ABGB §1151
ABGB §1167
ASVG §4 Abs2
ASVG §4 Abs4
  1. ABGB § 1151 heute
  2. ABGB § 1151 gültig ab 01.01.1917 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916
  1. ABGB § 1167 heute
  2. ABGB § 1167 gültig ab 01.01.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 48/2001
  3. ABGB § 1167 gültig von 01.01.1917 bis 31.12.2001 zuletzt geändert durch RGBl. Nr. 69/1916

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2022/08/0131

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revisionen der M GmbH in Wien, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in 1030 Wien, Pfarrhofgasse 16/2, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts jeweils vom 26. Juli 2022, W229 2221105-1/7E, W229 2221171-1/7E und W229 2231858-1/7E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Gesundheitskasse; mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. S H in W, 2. B K in W, 3. Pensionsversicherungsanstalt, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit den angefochtenen Erkenntnissen stellte das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung von Bescheiden der Österreichischen Gesundheitskasse - fest, dass die Erstmitbeteiligte aufgrund ihrer Tätigkeit für die revisionswerbende Partei von 29. Mai 2017 bis 3. März 2019 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z 14 und Abs. 4 ASVG sowie die Zweitmitbeteiligte aufgrund ihrer Tätigkeit für die revisionswerbende Partei von 1. Oktober 2018 bis 28. Dezember 2018 gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 iVm. § 7 Z 3 lit. a ASVG der Teilversicherung in der Unfallversicherung unterlegen seien. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Die revisionswerbende Partei betreibe ein Fitnesscenter. Dort seien von der Erst- und der Zweitmitbeteiligten im Auftrag der revisionswerbenden Partei Kurse (Tanz- bzw. Fitnesskurse) abgehalten worden. In rechtlicher Hinsicht seien keine Werkverträge vorgelegen. Die Erst- und die Zweitmitbeteiligte hätten sich nämlich zur Abhaltung von Kursen (Tätigkeiten) und nicht zur Erbringung gewährleistungstauglicher Werke verpflichtet. Unter Berücksichtigung der (näher dargestellten) Umstände der Leistungserbringung sei bei der Erstmitbeteiligten ein freier Dienstvertrag nach § 4 Abs. 4 ASVG vorgelegen. Die Zweitmitbeteiligte sei in persönlicher Abhängigkeit in einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG gestanden, wobei ihr Arbeitsentgelt aber unter der Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG) gelegen sei.

3        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

4        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

5        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6        In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 18.8.2022, Ra 2021/08/0123, mwN).

7        Zur Zulässigkeit der Revisionen wird vorgebracht, es sei die Frage zu klären, ob im Rahmen eines Werkvertrages Dienstleistungen angeboten werden könnten oder ob „jedweder Dienstleistungsvertrag“ beim Vorliegen auch nur eines Merkmals der persönlichen Abhängigkeit zum „automatischen Vorliegen“ einer Pflichtversicherung nach dem ASVG führe. Im vorliegenden Fall liege kein Überwiegen der Merkmale der persönlichen Abhängigkeit vor, durch die ein Werkvertrag ausgeschlossen werde.

8        Hinsichtlich der Abgrenzung des Dienstvertrages (der Beschäftigung nach § 4 Abs. 2 ASVG) vom freien Dienstvertrag einerseits und vom Werkvertrag andererseits entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass allen drei Vertragstypen die freiwillige Verpflichtung zur Arbeit, die Entgeltlichkeit sowie eine gewisse Dauer gemeinsam ist. Zur Unterscheidung zwischen einem Dienstvertrag und einem Werkvertrag kommt es entscheidend darauf an, ob sich jemand auf gewisse Zeit zur Dienstleistung für einen anderen (den Dienstgeber) verpflichtet. In diesem Fall liegt ein Dienstvertrag vor. Wird die Herstellung eines Werkes gegen Entgelt übernommen, wobei es sich um eine im Vertrag individualisierte und konkretisierte Leistung, also eine in sich geschlossene Einheit handelt, liegt ein Werkvertrag vor. Dagegen kommt es beim Dienstvertrag primär auf die rechtlich begründete Verfügungsmacht des Dienstgebers über die Arbeitskraft des Dienstnehmers, also auf die Bereitschaft des Dienstnehmers zur Erbringung von Dienstleistungen für eine bestimmte Zeit, an. Der Werkvertrag begründet in der Regel ein Zielschuldverhältnis. Die Verpflichtung besteht darin, die genau umrissene Leistung - in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet das Vertragsverhältnis. Das Interesse des Bestellers und die Vertragsverpflichtung des Werkunternehmers sind lediglich auf das Endprodukt als solches gerichtet. Für den Werkvertrag ist die Gewährleistungsverpflichtung essenziell, die am Maßstab des Erfolges der Tätigkeit gemessen werden kann (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2018/08/0028, mwN).

9        Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Beurteilung, es lägen Dienstverträge vor, im Sinn dieser Rechtsprechung darauf gestützt, dass die Erst- und die Zweitmitbeteiligte sich gegenüber der revisionswerbenden Partei zur laufenden Abhaltung von Kursen - somit zu Dienstleistungen -, nicht aber zur Erbringung eines Werkes - somit zu individualisierten und konkretisierten Leistungen - verpflichtet hätten. Mit ihrem Vorbringen zeigen die Revisionen nicht konkret auf, dass das Bundesverwaltungsgericht mit dieser fallbezogenen Beurteilung von der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen wäre.

Das gilt auch hinsichtlich der Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit bei der Beschäftigung der Zweitbitbeteiligten.

10       In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 4. Oktober 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022080130.L00

Im RIS seit

27.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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