TE Vwgh Beschluss 2022/10/3 Ra 2022/19/0005

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Veröffentlicht am 03.10.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Seiler, in der Revisionssache des I A, vertreten durch Mag. Stefan Kathollnig, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, St.-Veiter-Ring 21a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2021, I411 2174874-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 23. Mai 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, er sei in Nigeria mit dem Tod bedroht worden, weil sein Vater umgebracht worden sei und der Revisionswerber einen der Täter schwer verletzt habe. Zudem leide er an einem Herzfehler.

2        Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG - soweit hier maßgeblich - aus, das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers sei nicht glaubwürdig. Der Revisionswerber leide an keiner schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung und sei arbeitsfähig. Es habe sich nicht ergeben, dass die bei ihm im Jahr 2016 diagnostizierte Herzerkrankung, eine Kardiomyopathie mit leichtgradig eingeschränkter Linksventrikelfunktion, therapie- oder behandlungsbedürftig sei. Zudem seien Herzerkrankungen im Herkunftsstaat des Revisionswerbers behandelbar.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit vor, das BVwG habe der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK nur abstrakte Länderberichte zugrunde gelegt, anstatt eine konkrete Einzelfallprüfung vorzunehmen. Zudem habe es sich nicht ausreichend mit der Erkrankung des Revisionswerbers und deren möglichen Auswirkungen auf seine Lebenssituation im Fall einer Rückkehr nach Nigeria auseinandergesetzt. Trotz entsprechenden Vorbringens würden sich in dem angefochtenen Erkenntnis keine - eine nachprüfende Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof ermöglichenden - Feststellungen über die zu erwartenden Auswirkungen einer Abschiebung auf den Gesundheitszustand und die Selbsterhaltungsfähigkeit des Revisionswerbers finden.

9        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.5.2020, Ra 2018/19/0652, mwN).

10       Das BVwG traf im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkrete - sowohl die persönliche Situation des Revisionswerbers als auch die allgemeine Sicherheits- und (medizinische) Versorgungslage betreffende - Feststellungen. Das BVwG ging davon aus, dass dem Revisionswerber, bei dem eine Kardiomyopathie mit leichtgradig eingeschränkter Linksventrikelfunktion diagnostiziert worden sei, der arbeitsfähig sei und an keiner schweren gesundheitlichen Beeinträchtigung leide, über Schulausbildung sowie mehrjährige Berufserfahrung im Herkunftsstaat verfüge und der in der Lage sei, in Nigeria eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um seinen Unterhalt zu sichern, im Fall einer Rückkehr nach Nigeria keine Gefahr der Verletzung seiner in Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte drohe.

11       Die Revision zeigt mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen auch im Hinblick auf die vom BVwG festgestellte Erkrankung des Revisionswerbers nicht auf, dass diese Beurteilung mit einer vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmenden Mangelhaftigkeit belastet wäre.

12       Werden Verfahrensmängel - wie hier Feststellungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung auch die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 29.9.2021, Ra 2021/19/0326, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung enthält die Revision nicht.

13       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. Oktober 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022190005.L00

Im RIS seit

26.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

26.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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