TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/21 95/18/1441

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.03.1996
beobachten
merken

Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

EheG §23;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
FrG 1993 §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. November 1995, Zl. SD 807/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. November 1995 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin, die sich seit 24. Oktober 1991 im Bundesgebiet aufhalte, habe am 8. Jänner 1992 einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und daraufhin einen Befreiungsschein und einen Sichtvermerk erhalten. Mit rechtskräftigem Urteil vom 6. Oktober 1994 habe das Bezirksgericht Fünfhaus die Ehe für nichtig erklärt. Aus den Entscheidungsgründen des Urteiles ergebe sich, daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um der Beschwerdeführerin eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Angesichts dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nämlich ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme rechtfertigten.

Im vorliegenden Fall sei das im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG relevante Gesamt(fehl)verhalten der Beschwerdeführerin in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken. Entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 18 Abs. 1 leg. cit. darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremden- und Ausländerbeschäftigungswesen) rechtfertige. In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.

Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt der Beschwerdeführerin ebenso wie ihre Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger basierten. Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben der Beschwerdeführerin annehmen wollte, wäre dieser zulässig. Aufgrund des vierjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet könne der Beschwerdeführerin eine "gewisse Integration" nicht abgesprochen werden. Weiters sei zu berücksichtigen, daß auch deren 1975 und 1978 geborene Kinder im Bundesgebiet lebten. Die Beziehung der Beschwerdeführerin zu ihrem "Ex-Gatten" falle allerdings nicht unter den Schutzbereich des § 19 FrG. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes sei jedoch dringend geboten (und daher im Grunde des § 19 FrG zulässig). Wer nämlich, wie die Beschwerdeführerin, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG wäre die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da das Ausmaß der Integration der Beschwerdeführerin im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu ihren Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn " als rechtswidrig" aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/1333). Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Frage, ob die Ehe zu dem Zeitpunkt, in dem sie geschlossen wurde, mit Nichtigkeit bedroht war, im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, weil die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen - da allein zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen - die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraussetzt (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1333). Anders als die Beschwerde meint ist demnach die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine von einem Fremden mit derartiger Zweckbestimmung eingegange Ehe einen maßgebliche öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellt, der die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertigt und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG notwendig erscheinen läßt, völlig unabhängig von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Voraussetzungen für die Nichtigerklärung einer Ehe gemäß § 23 Ehegesetz. Ebenso ist es für die hier zu beurteilende Frage der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unerheblich, welche Auswirkungen die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe auf die Möglichkeit der Erlangung eines Sichtvermerkes hat.

2. Die Bekämpfung der von der belangten Behörde - für den Fall des Vorliegens eines relevanten Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführerin i.S. des § 19 FrG (was vorliegend zu bejahen ist) - zu Recht als erforderlich angesehenen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG ist nicht geeignet, die Abwägung und deren Ergebnis als rechtswidrig darzutun. Die vierjährige Dauer des inländischen Aufenthaltes der Beschwerdeführerin sowie den Aufenthalt der beiden Kinder im Bundesgebiet hat die belangte Behörde berücksichtigt. Die belangte Behörde hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, daß sowohl der Aufenthalt der Beschwerdeführerin als auch ihre Beschäftigung in Österreich hinsichtlich ihrer Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger zurückzuführen seien, folglich im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliches Gewicht seien. Die Beschwerdeführerin bestreitet zwar, daß die Berechtigung ihres Aufenthaltes auf die Eingehung der rechtsmißbräuchlichen Ehe zurückzuführen sei, vermag jedoch keine Umstände aufzuzeigen, die an der diesbezüglichen Feststellung der belangten Behörde Zweifel aufkommen lassen würden.

Die Tatsache, daß die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer langjährigen Beschäftigung nunmehr eine weitere Arbeitsbewilligung erhalten hat, ändert nichts daran, daß ihre Berechtigung zur Ausübung einer Beschäftigung im Inland letztendlich auf die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe zurückzuführen ist.

Angesicht des somit nicht allzu großen Gewichtes der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin einerseits und des sehr großen Gewichtes der Beeinträchtigung maßgeblicher öffentlicher Interessen durch die Beschwerdeführerin andererseits kann das die letztgenannten Interessen (die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) höher veranschlagende Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Abwägung nicht als rechtswidrig angesehen werden.

3. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995181441.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten