TE Vfgh Erkenntnis 1994/3/1 B1425/93

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.03.1994
beobachten
merken

Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §68 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die als Abweisung zu deutende "Zurückweisung" der Berufung gegen die Zurückweisung eines Antrags auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages wegen entschiedener Sache; kein Substrat für die Erteilung der Zustimmung mangels Vorliegen eines Kaufvertrages

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk St. Johann im Pongau versagte mit Bescheid vom 8. August 1985 dem zwischen E W als Verkäufer sowie J H und E H als Käufer im Jahre 1984 geschlossenen Kaufvertrag über Teilflächen der im Eigentum des Verkäufers stehenden Liegenschaft EZ 68, Grundbuch 55112 Hof, Bezirksgericht St. Johann im Pongau, die Zustimmung. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

b) Den von den Käufern gestellten Antrag auf Erteilung der Zustimmung zu dem im Jahre 1985 zwischen denselben Vertragsparteien geschlossenen, dieselben Grundflächen betreffenden Kaufvertrag wies die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk St. Johann im Pongau mit Bescheid vom 24. Februar 1986 wegen entschiedener Sache zurück.

Eine gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid der Grundverkehrslandeskommission Salzburg vom 28. Juli 1986 als unbegründet abgewiesen.

c) Mit Eingabe vom 23. Oktober 1992 stellten die Käufer an die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk St. Johann im Pongau unter Bezugnahme auf §68 AVG den Antrag, den Bescheid dieser Behörde vom 24. Februar 1986 sowie den (Berufungs-)Bescheid der Grundverkehrslandeskommission Salzburg vom 28. Juli 1986 aufzuheben bzw. "dergestalt abzuändern", daß dem im Jahre 1985 geschlossenen Kaufvertrag die Zustimmung erteilt wird.

Dieser Antrag wurde von der Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk St. Johann im Pongau mit Bescheid vom 3. März 1993 unter Berufung auf §68 Abs1 AVG "wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen".

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung der Käufer entschied die Grundverkehrslandeskommission Salzburg mit Bescheid vom 14. Juni 1993, dessen Spruch folgendermaßen lautet:

"Gemäß §68 Abs1 AVG 1950, wird die Berufung zurückgewiesen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die ausschließlich von den Käufern erhobene, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit des Liegenschaftserwerbes sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Die Grundverkehrslandeskommission Salzburg hat ihre Akten (nicht jedoch die der Behörde erster Instanz) vorgelegt. Von der Erstattung einer Gegenschrift hat sie abgesehen.

Der Verkäufer - der weder im Administrativverfahren ein Rechtsmittel ergriffen hat noch den angefochtenen Bescheid bekämpft - hat in einer Äußerung unter Verzeichnung von Kosten die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde ua. verletzt, wenn die Behörde in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB. VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB. VfSlg. 10374/1985, 11160/1986).

2. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen:

a) Nach §68 Abs1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer in Fällen der §§69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlaß zu einer Verfügung gemäß §68 Abs2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Auf §68 Abs1 AVG stützte die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk St. Johann im Pongau ihren Bescheid vom 24. Februar 1986, mit dem sie den Antrag auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung (wegen entschiedener Sache) zurückwies. Die Grundverkehrslandeskommission Salzburg hat, indem sie die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung mit Bescheid vom 28. Juli 1986 abwies, einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid inhaltlich übereinstimmenden Bescheid erlassen (vgl. etwa VfSlg. 6486/1971, 8084/1977, 8098/1977), der an die Stelle des erstinstanzlichen Bescheides trat. Mit dieser - rechtskräftigen - Entscheidung stand fest, daß der im Jahre 1985 geschlossene Kaufvertrag nicht die - eine Voraussetzung für seine Wirksamkeit bildende (s. in diesem Zusammenhang §15 Abs1 des hier maßgeblich gewesenen Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1974, LGBl. 8) - grundverkehrsbehördliche Zustimmung gefunden hatte.

b) Dem mit Eingabe vom 23. Oktober 1992 an die Grundverkehrskommission für den politischen Bezirk St. Johann im Pongau von den (vormaligen) Käufern gestellten Antrag auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung lag demnach kein Kaufvertrag, dem die Zustimmung hätte erteilt werden können, zugrunde (vgl. in diesem Zusammenhang etwa VfSlg. 10920/1986). Da somit ein geeignetes Substrat für eine Zustimmung fehlte, war der Antrag schon aus diesem Grund für eine meritorische Erledigung nicht geeignet, weshalb seine mit Bescheid vom 3. März 1993 erfolgte Zurückweisung durch die Grundverkehrsbehörde erster Instanz - wie immer die Ausführungen in der Begründung dieses Bescheides zu beurteilen sein mögen - jedenfalls dem Gesetz entsprach.

c) Der Verfassungsgerichtshof deutet den in Beschwerde gezogenen Berufungsbescheid der Grundverkehrslandeskommission Salzburg ungeachtet der Formulierung seines Spruches, wonach die Berufung zurückgewiesen wird, dahin, daß die Berufungsbehörde in Wahrheit die Berufung abgewiesen und damit einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden, den Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung - wie dargelegt, zu Recht - zurückweisenden Bescheid erlassen hat. Einen Hinweis dafür, daß dies in ihrer Absicht lag, bildet der letzte Halbsatz der Begründung des angefochtenen Bescheides, demzufolge die Grundverkehrslandeskommission Salzburg sich der Ansicht der Erstbehörde anschließt und "daher spruchgemäß entschieden und den Antrag" (also nicht etwa die Berufung) "zurückgewiesen" hat.

Die Grundverkehrslandeskommission Salzburg hat demnach nicht zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.

3. Da der angefochtene - einen Antrag zurückweisende, somit verfahrensrechtliche - Bescheid im Ergebnis dem (verfassungsrechtlich unbedenklichen) Gesetz entsprach, sind die Beschwerdeführer durch diesen Bescheid auch nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz oder in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden (vgl. etwa VfSlg. 7555/1975, 9328/1982, 11951/1989).

4. Da Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Vorschriften weder in der Beschwerde vorgebracht wurden noch beim Verfassungsgerichtshof aus der Sicht des Beschwerdefalles entstanden sind, sind die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Mit Rücksicht auf die Abweisung der Beschwerde waren auch die vom Verkäufer begehrten Kosten im Hinblick darauf nicht zuzusprechen, daß sich dieser im hier maßgeblichen Zusammenhang in derselben Rechtsposition befindet wie der Beschwerdeführer (vgl. dazu etwa VfSlg. 9452/1982, S. 554).

6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Verwaltungsverfahren, Abänderung und Behebung von amtswegen, Bescheid Rechtskraft, Rechtskraft Bescheid, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1425.1993

Dokumentnummer

JFT_10059699_93B01425_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten