TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/22 94/18/0994

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.03.1996
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z6;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde der S in D, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Juni 1994, Zl. 100.329/2-III/11/94, betreffend Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen einen Bescheid des Bundesministers für Inneres (belangte Behörde) vom 30. Juni 1994, mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) i.V.m. § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen wurde. Die belangte Behörde verwies in ihrer Begründung auf die Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz, wonach der Beschwerdeführerin am 29. Mai 1992 ein bis zum 28. August 1992 gültiger Sichtvermerk zum Zwecke des Besuchs ihrer in Österreich lebenden Familie erteilt worden sei. Die Beschwerdeführerin sei vermutlich im Juni 1992 nach Österreich eingereist und seither ununterbrochen in D polizeilich gemeldet und wohnhaft. Sie sei am 26. April 1993 wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet gemäß § 82 Abs. 1 Z. 4 FrG rechtskräftig bestraft worden. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid weiters damit, daß gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ein Sichtvermerk zu versagen sei, wenn er zeitlich anschließend an einen Touristensichtvermerk erteilt werden solle. Gemäß § 5 Abs. 1 AufG dürfe eine Bewilligung nicht erteilt werden, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund vorliege. Art. 8 MRK komme im Fall der Beschwerdeführerin nicht zum Tragen. Gegen eine feste Integration der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet spreche der Umstand, daß sie ihr bisheriges Leben in der Türkei verbracht habe. Überdies habe sie selbst bei ihrem Antrag bei der österreichischen Botschaft in Ankara angegeben, lediglich auf Besuch nach Österreich reisen zu wollen. Für die belangte Behörde seien somit die öffentlichen Interessen höher zu werten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, und von diesem mit Beschluß vom 30. November 1994, B 1748/94-6, dem Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 5 Abs. 1 AufG darf eine Bewilligung Fremden nicht erteilt werden, bei denen u.a. ein Sichtvermerksversagungsgrund gemäß § 10 Abs. 1 FrG vorliegt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde; der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 liegt vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden soll.

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil die belangte Behörde mit der Versagung der Erteilung einer Bewilligung aufgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG nicht ausreichend auf die familiären Interessen der Beschwerdeführerin, deren gesamte Familie in Österreich lebe, Bedacht genommen und keine faire Güterabwägung vorgenommen habe. Im Hinblick auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG sei auch zu bedenken, daß die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt ihrer Einreise (vor Inkrafttreten von Fremdengesetz und Aufenthaltsgesetz) damit habe rechnen können, die Verlängerung ihres Visums im Inland beantragen und die Entscheidung darüber im Inland abwarten zu dürfen, zumal der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG zu diesem Zeitpunkt noch nicht existiert habe.

Mit diesen Ausführungen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Sie läßt nämlich unbestritten - und auch der Verwaltungsgerichtshof hegt diesbezüglich keine Bedenken -, daß die von ihr beantragte Bewilligung dem Antrag zufolge anschließend an einen Touristensichtvermerk erteilt werden soll. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG stand zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides in Kraft und war daher (mangels anderslautender Übergangsbestimmungen) auch im Fall der Beschwerdeführerin anzuwenden. § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG erfordert weiters keine Bedachtnahme auf die privaten und familiären Verhältnisse des Fremden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/0935). Die belangte Behörde durfte den Antrag der Beschwerdeführerin daher zu Recht aufgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG versagen.

Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auch zu Recht auf § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gegründet war, erübrigt sich somit im vorliegenden Fall. Für das Schicksal der Beschwerde ohne Relevanz war der darin enthaltene Hinweis auf eine - nur inter partes geltende - gütliche Einigung gemäß Art. 28 Abs. 2 MRK in einem nicht die Beschwerdeführerin betreffenden Verfahren sowie auf einen diesbezüglichen - bloß an Verwaltungsorgane gerichteten - Erlaß des Bundesministers für Inneres. Auch die in der Beschwerde erfolgte Auseinandersetzung mit den Ergebnissen einer Nationalratswahl und Äußerungen hinsichtlich geplanter Gesetzesänderungen waren für die Beschwerde ohne Relevanz.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994180994.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten