TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/25 95/10/0073

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Veröffentlicht am 25.03.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/10 Schülerbeihilfen;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §46;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art7 Abs1;
SchBeihG 1983 §2 Abs1 Z1;
SchBeihG 1983 §3 Abs1;
SchBeihG 1983 §3 Abs2 Z2;
SchBeihG 1983 §3 Abs2;
SchBeihG 1983 §3;
SchBeihG 1983 §4;
VwGG §13 Abs1 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des R in N, vertreten durch Mag. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 28. Februar 1995, Zl. 1086/2-III/10/95, betreffend Schülerbeihilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am 18. Dezember 1994 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung von Schülerbeihilfe für das Schuljahr 1994/1995. Zum Nachweis für das Einkommen seines Vaters legte er Lohnzettel für das Jahr 1993 und dessen Antrag auf Durchführung des Jahresausgleiches für das Jahr 1993, mit dem unter anderem außergewöhnliche Belastungen von S 67.200,-- geltend gemacht wurden, vor.

Mit dem gemäß § 16 Abs. 2 des Schülerbeihilfengesetzes 1983 (SchBG) in Verbindung mit § 57 AVG erlassenen Mandatsbescheid wies die belangte Behörde den Antrag ab und sprach aus, daß im Schuljahr 1994/1995 kein Anspruch auf Schülerbeihilfe bestehe. Begründend wurde dargelegt, daß die Bedürftigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 SchBG nicht gegeben sei; dabei ging die belangte Behörde von einem Einkommen des Vaters von S 286.493,-- aus.

Der Beschwerdeführer erhob Vorstellung. Dem Vorbringen der Beschwerde zufolge (die entsprechenden Aktenteile befinden sich nicht bei den Verwaltungsakten, die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden) machte er unter gleichzeitiger Vorlage des am 30. Dezember 1994 erlassenen Jahresausgleichsbescheides für das Jahr 1993 unter anderem geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht die steuerlichen Abzugsposten, insbesondere die außergewöhnlichen Belastungen, bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage nicht berücksichtigt. Nach Ausweis des beiliegenden Jahresausgleichsbescheides für das Jahr 1993 habe das Finanzamt bei der Berechnung des steuerlichen Einkommens insbesondere auf außergewöhnliche Belastungen Bedacht genommen.

Mit dem angefochtenen, gemäß § 57 Abs. 2 AVG erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung ab. Nach Darlegung der Rechtslage vertrat sie begründend die Auffassung, bei der Beurteilung des Einkommens habe sie im Hinblick auf die Antragstellung am 20. Dezember 1994 von jenen Grundlagen auszugehen, die an diesem Tag dem Rechtsbestand angehört hätten. Die Parameter des Jahresausgleichsbescheides 1993 seien daher bedeutungslos, da dieser abgabenrechtliche Bescheid erst am 30. Dezember 1994 erlassen worden sei. Ausgehend von den Einkünften des Vaters aus nichtselbständiger Arbeit, die sich aus den vorgelegten Lohnzetteln ergeben, vermindert um das Sonderausgaben- und Werbungskostenpauschale sowie die Werbungskosten, ergebe sich ein Einkommen von S 286.493,--. Daraus sei unter den gegebenen, näher dargelegten Umständen eine zumutbare Unterhaltsleistung von S 32.422,-- zu errechnen. Daraus folge, daß die Bedürftigkeit nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Voraussetzung für die Gewährung von Schülerbeihilfen ist - neben anderen, hier nicht näher zu erörternden Voraussetzungen -, daß der Schüler bedürftig ist (§ 2 Abs. 1 Z. 1 SchBG).

Der mit "Beurteilung der Bedürftigkeit" überschriebene § 3 SchBG hat (auszugsweise) folgenden Wortlaut:

"(1) Für die Beurteilung der Bedürftigkeit sind Einkommen, Vermögen und Familienstand im Sinne dieses Bundesgesetzes maßgebend. Für die Nachweise im Sinne der Abs. 2 und 3 und den Familienstand ist der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.

(2) Das Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist bei Personen,

1. die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr;

2. die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, durch die Vorlage des Bescheides über den Jahresausgleich über das letztvergangene Kalenderjahr oder, sofern dieser nicht vorliegt, durch die Vorlage der Lohnbestätigung(en) über das letztvergangene Kalenderjahr;

3. deren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen gemäß § 17 EStG 1988 ermittelt werden, durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides;

4. ...

nachzuweisen.

...

Der Nachweis des Vermögens der zur Vermögensteuer

veranlagten Personen ist durch Vorlage des zuletzt zugestellten

Steuerbescheides zu erbringen.

..."

Der Begriff des "Einkommens" im Sinne des SchBG ist in dessen § 4 geregelt. Nach Abs. 1 der zitierten Vorschrift ist Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 zuzüglich der sich aus den §§ 5 und 6 ergebenden Hinzurechnungen. Nach Abs. 2 leg. cit. sind, wenn im Einkommen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthalten sind, bei der Ermittlung des Einkommens nach Abs. 1 die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit anzusetzen, die in dem der Antragstellung vorangegangenen Kalenderjahr zugeflossen sind. Eine Hinzurechnung derartiger Einkünfte hat auch dann zu erfolgen, wenn zwar nicht im zuletzt veranlagten, jedoch in dem der Antragstellung vorangegangenen Kalenderjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zugeflossen sind.

Bei der Beurteilung der Frage der Bedürftigkeit (des Schülers) sind die dargelegten Regelungen (auch) auf das Einkommen der Eltern des Schülers zu beziehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. April 1994, Zl. 92/10/0434).

Die belangte Behörde ermittelte das Einkommen des Vaters des Beschwerdeführers auf der Grundlage der mit dem Antrag vorgelegten Lohnbestätigungen für das Jahr 1993 unter Bedachtnahme auf die dort ausgewiesenen Werbungskosten sowie auf die Sonderausgaben- und Werbungskostenpauschale; auf die darüber hinaus im Jahresausgleichsbescheid, der der belangten Behörde im Ermittlungsverfahren vorlag, berücksichtigten steuerlichen Abzugsposten (insbesondere außergewöhnliche Belastungen) könne wegen § 3 Abs. 1 zweiter Satz SchBG nicht Bedacht genommen werden, weil der Bescheid erst nach der Antragstellung erlassen worden sei.

Dieser Auffassung (vgl. auch Jonak-Kövesi, Das österreichische Schulrecht5, Anm 1 zu § 3 SchBG) kann sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anschließen.

Nach § 3 Abs. 2 Z. 2 SchBG ist das Einkommen im Sinne des SchBG bei Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit beziehen, durch die Vorlage des Bescheides über den Jahresausgleich über das letztvergangene Kalenderjahr oder, sofern dieser nicht vorliegt, durch die Vorlage der Lohnbestätigung(en) über das letztvergangene Kalenderjahr nachzuweisen. Nach § 3 Abs. 1 zweiter Satz SchBG ist für die Nachweise im Sinne der Abs. 2 und 3 und den Familienstand der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend.

Mit der der letztzitierten Vorschrift inhaltsgleichen Regelung des § 3 Abs. 1 zweiter Satz des Studienförderungsgesetzes idF BGBl. Nr. 333/1981, hat sich der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. November 1986, Zl. 85/12/0118, auseinandergesetzt. Der Gerichtshof legte unter anderem folgendes dar:

"Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die Regelung, wonach für die Einkommensnachweise der Zeitpunkt der Antragstellung maßgebend ist, zunächst Klarheit darüber geschaffen, daß die folgenden Wendungen "zuletzt veranlagtes Kalenderjahr", "letztvergangenes Kalenderjahr", "zuletzt ergangener Einheitswertbescheid", "zuletzt zugestellter Steuerbescheid" aus der Sicht der Antragstellung - und nicht etwa aus der Sicht der späteren Entscheidung - zu verstehen sind. Zugleich ist damit auch ausgesagt, daß ein Einkommensteuerbescheid für einen späteren Veranlagungszeitraum, eine Lohnbestätigung über ein späteres Kalenderjahr sowie Einheitswert- und Vermögensteuerbescheide auf spätere Stichtage auch dann unberücksichtigt zu bleiben haben, wenn ihre Bekanntgabe noch im Laufe des Studienbeihilfenverfahrens erfolgt ist. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt der erörterten Bestimmung im gegebenen Zusammenhang nicht zu. ... Daß die belangte Behörde im Beschwerdefall das vor der Zustellung ihrer Berufungsentscheidung vom Beschwerdeführer vorgelegte neue Beweismittel des geänderten Einkommensteuerbescheides für 1982 nicht berücksichtigt hat, bedeutet daher eine Verletzung von Verfahrensvorschriften."

Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise für § 3 Abs. 1 zweiter Satz SchBG.

Dem ist hinzuzufügen, daß die Auffassung, die zitierte Vorschrift bedeute ein Verbot der Verwertung von Beweismitteln, die zwar vor der Erlassung des im Verfahren über den Schülerbeihilfenantrag ergangenen Bescheides, aber nach Antragstellung produziert bzw. vorgelegt wurden, Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift erzeugen müßte.

§ 3 SchBG knüpft an bestehende und gesetzlich bereits geregelte Einkommensnachweise an (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/10/0083, vom 18. April 1994, Zl. 92/10/0434, und vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0152). Für eine Regelung, wonach eine Bedachtnahme auf bestehende und gesetzlich geregelte, im Ermittlungsverfahren vorliegende Einkommensnachweise deshalb ausgeschlossen wäre, weil diese nicht schon im Zeitpunkt der Antragstellung vorlagen, wäre keine sachliche Rechtfertigung zu finden. Auch Gesichtspunkte der Verfahrensökonomie könnten eine Anordnung nicht als sachlich gerechtfertigt erscheinen lassen, die die Verwertung eines vorliegenden, seiner Art nach den Anforderungen des Gesetzes entsprechenden Beweismittels verbietet; dies könnte im Einzelfall mit der - im Sinne der Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren nicht in Kauf zu nehmenden - Wirkung verbunden sein, daß der Entscheidung ein Sachverhalt zugrunde gelegt wird, dessen mangelnde Übereinstimmung mit den wahren Gegebenheiten evident ist.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen Interpretation der Vorschrift ist es sohin geboten, Art. 3 Abs. 1 zweiter Satz in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Z. 2 SchBG als Regelung zu verstehen, die klarstellt, daß der Begriff "letztvergangenes Kalenderjahr" aus der Sicht der Antragstellung zu verstehen ist und Einkommensnachweise für ein späteres Kalenderjahr unberücksichtigt zu bleiben haben. Die Vorschrift bedeutet jedoch nicht, daß auf die standardisierten Einkommensnachweise (Jahresausgleichsbescheid oder Lohnbestätigung) die sich auf das der Beurteilung zugrundezulegende, nämlich das - aus der Sicht des Zeitpunktes der Antragstellung - "letztvergangene" Kalenderjahr beziehen, deshalb nicht Bedacht zu nehmen wäre, weil sie erst nach dem Zeitpunkt der Antragstellung (während des Ermittlungsverfahrens) ausgestellt oder erlassen bzw. vorgelegt wurden.

Diese Auffassung bedeutet kein Abgehen von den im Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 90/10/0083, enthaltenen und im Erkenntnis vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0152 (dort ohne tragende Bedeutung für die Entscheidung) referierten Darlegungen, wonach mit Rücksicht auf die Stichtagsregelung des § 3 Abs. 1 SchBG für die Ermittlung der Bedürftigkeit allein die im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegenden Nachweise maßgebend seien, weshalb der erst nach der Antragstellung erlassene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1986 außer Betracht zu bleiben habe. Bei diesen auf einen Fall des § 3 Abs. 2 Z. 1 SchBG bezogenen Darlegungen lag das Gewicht auf dem Umstand, daß es sich beim Jahr 1986 - bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung - nicht um das nach der soeben zitierten Vorschrift maßgebende "zuletzt veranlagte Kalenderjahr" handelte; auf die Einkommensverhältnisse des Jahres 1986 war im dort entschiedenen Fall somit nicht abzustellen. Dieser Gesichtspunkt war für die Entscheidung tragend; auf den Zeitpunkt der Erlassung des Einkommensteuerbescheides oder seiner Vorlage im Schülerbeihilfenverfahren kam es dabei nicht an.

Es bedeutet somit eine Verletzung von Verfahrensvorschriften, daß die belangte Behörde ein vor der Erlassung ihres Bescheides vorgelegtes Beweismittel (den Jahresausgleichsbescheid 1993) nicht berücksichtigte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde bei Bedachtnahme auf die im Jahresausgleichsbescheid für das Jahr 1993 ausgewiesenen steuerlichen Abzugsposten bei der Beurteilung der Bedürftigkeit zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der Ersatz der Stempelgebühren nur in jenem Umfang zusteht, in dem die Partei zur Entrichtung der Gebühren verpflichtet war. Die Stempelgebühren für die überzählige dritte Ausfertigung der Beschwerde sind daher nicht zu ersetzen.

Schlagworte

Grundsatz der Unbeschränktheit Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995100073.X00

Im RIS seit

02.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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