TE Vwgh Beschluss 2022/9/27 Ro 2020/22/0013

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Veröffentlicht am 27.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie den Hofrat Dr. Mayr und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, in der Revisionssache des T B, vertreten durch Mag. Volkan Kaya, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Senefeldergasse 11/1E, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 28. Juli 2020, VGW-151/059/7434/2020-1, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Dem Revisionswerber, einem türkischen Staatsangehörigen, wurde erstmals mit 26. Februar 2011 eine Aufenthaltsbewilligung „Studierender“ erteilt, die in der Folge mehrmals, zuletzt bis 3. Jänner 2018, verlängert wurde.

2        Im Zuge eines weiteren Verlängerungsverfahrens stellte der Revisionswerber zunächst einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“, der jedoch abgewiesen wurde. Am 7. Februar 2020 stellte der Revisionswerber einen Zweckänderungsantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“.

3        Der Revisionswerber war zunächst ab 1. Juni 2014 und sodann nach einer Unterbrechung ab 25. Juli 2016 als Angestellter desselben Unternehmens zur Sozialversicherung gemeldet. Dem lagen vorerst Beschäftigungsbewilligungen zugrunde. Zuletzt wurde dem Revisionswerber mit Gültigkeit vom 9. Jänner 2020 bis 8. Jänner 2025 ein Befreiungsschein nach § 4c Abs. 2 AuslBG ausgestellt.

4        Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 4. Mai 2020 wurden der Antrag des Revisionswerbers vom 24. Jänner 2017 auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung „Student“ sowie der Zweckänderungsantrag vom 7. Februar 2020 auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“ - letzterer gemäß § 45 Abs. 1 iVm § 26 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) - abgewiesen. Hinsichtlich der Abweisung des Antrags auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“ erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien. Das Verwaltungsgericht wies diese Beschwerde ohne vorherige Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

5        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 NAG und die Ausstellung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt - EU“ sei, dass der Antragsteller im Zeitpunkt der Entscheidung in Österreich niedergelassen wäre. Dies sei nicht der Fall. Einerseits berechtigte eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums nach § 64 NAG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vorübergehend befristeten Aufenthalt, nicht jedoch zur Niederlassung. Andererseits führe auch das Erfüllen der Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 (in jeder Fallvariante) des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation (ARB 1/80) nicht dazu, dass ein türkischer Staatsangehöriger als „niedergelassen“ im Sinne des § 45 Abs. 1 und 2 NAG gelte. Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob türkische Staatsangehörige, die unter Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 fallen, als „niedergelassen“ im Sinn des § 45 Abs. 1 und Abs. 2 NAG gelten.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. In der Zulässigkeitsbegründung wird ein Abweichen von der hg. Rechtsprechung (VwGH 8.7.2020, Ro 2020/22/0004) geltend gemacht. Der Revisionswerber erfülle die Voraussetzungen des Art 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80, weshalb er gemäß der erwähnten Judikatur als niedergelassen anzusehen sei. Weiters wird geltend gemacht, dass der Revisionswerber seit 9. Jänner 2020 über einen Befreiungsschein verfüge und Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob türkische Staatsbürger, denen ein Befreiungsschein erteilt wurde, als niedergelassen gelten.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vor, ist die Revision somit - ungeachtet des Ausspruchs des Verwaltungsgerichts - gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

10       Mit dem erstatteten Zulässigkeitsvorbringen vermag der Revisionswerber die Zulässigkeit seiner Revision nicht aufzuzeigen. Zunächst ist ihm zwar dahingehend zuzustimmen, dass er aufgrund seiner Rechtsstellung gemäß Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 als niedergelassen im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG anzusehen ist (vgl. VwGH 8.7.2020, Ro 2020/22/0004, Rn. 13). Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 NAG sind aber dessen ungeachtet im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

11       Der Revisionswerber erfüllt aufgrund seiner ununterbrochenen Beschäftigung bei demselben Arbeitgeber seit 25. Juli 2016 die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 seit 25. Juli 2020. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses (Zustellung am 4. August 2020) war er sohin 11 Tage als „niedergelassen“ anzusehen.

12       Damit ergibt sich sogar unter Anrechnung der Studienzeiten des Revisionswerbers gemäß § 45 Abs. 2 erster Satz NAG von neun Jahren und fünf Monaten zur Hälfte (seit 26. Februar 2011) eine Gesamtdauer von lediglich etwas mehr als vier Jahren und 8 Monaten, die gemäß § 45 Abs. 1 erster Satz NAG zu berücksichtigen wäre, sodass die Erteilungsvoraussetzung einer fünfjährigen ununterbrochenen Niederlassung keinesfalls erfüllt ist.

13       Daran vermag auch die Berufung auf den bereits im Jänner 2020 ausgestellten Befreiungsschein nichts zu ändern. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner bisherigen Rechtsprechung nämlich bereits klargestellt, dass die Erteilung eines Befreiungsscheins nach § 4c AuslBG kein Beschäftigungs- oder Aufenthaltsrecht verschafft, sondern ihr für die Anerkennung der unmittelbar aus dem ARB 1/80 gewährten Rechte nur deklaratorische Bedeutung und Beweisfunktion zukommt (vgl. dazu etwa VwGH 24.3.2022, Ro 2021/22/0002, Rn. 22 ff mwN). Fallbezogen kann vor diesem Hintergrund daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber bereits mit Ausstellung des Befreiungsscheins am 9. Jänner 2020 als niedergelassen im Sinn des § 2 Abs. 2 NAG anzusehen war und es daher insoweit zu einer geänderten Beurteilung des Erfüllens der Voraussetzung des § 45 Abs. 1 NAG kommen könnte.

14       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020220013.J00

Im RIS seit

24.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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