TE Vfgh Beschluss 2022/9/23 UA82/2022 ua

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Veröffentlicht am 23.09.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53
B-VG Art138b Abs1 Z4
VO-UA §24, §25, §27, §29
VfGG §7 Abs1, §56f
  1. B-VG Art. 53 heute
  2. B-VG Art. 53 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  3. B-VG Art. 53 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 53 gültig von 01.10.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 409/1975
  5. B-VG Art. 53 gültig von 19.12.1945 bis 30.09.1975 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  6. B-VG Art. 53 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 138b heute
  2. B-VG Art. 138b gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Zurückweisung des – unzulässigen – Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit einem Bundesminister) wegen Nichtbefolgung einer – der Sache nach eine ergänzende Beweisanforderung darstellenden – Aufforderung zur Vorlage von Akten und Unterlagen unmittelbar auf Grundlage des grundsätzlichen Beweisbeschlusses; Einschränkung der Möglichkeit der Mehrheit des Untersuchungsausschusses, den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens nach ergänzenden Beweisanforderungen (eines Viertels der Mitglieder) zu prüfen nicht zulässig; Stellung eines Verlangens nach ergänzender Beweisanforderung vor der Aufforderung des informationspflichtigen Organs zur Vorlage von Akten und Unterlagen zur Wahrung des Rechts der Mehrheit des Untersuchungsausschusses auf Bestreitung des sachlichen Zusammenhangs geboten; keine beherrschende Stellung der Minderheit im Verfahren des Untersuchungsausschusses

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),

"der Verfassungsgerichtshof möge – mit Ausnahme der Studie betreffend 'Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA – Einflussfaktoren für den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Sektor Gesundheits- und Sozialwesen' und der Studie betreffend 'Institut für Wirtschaftsforschung – Kosten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge für die öffentliche Hand' – feststellen,

?    dass die Weigerung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, der Aufforderung vom 14.07.2022 gemäß §27 Abs4 VO-UA in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses, Blg. XCIII (Beilage ./3), nachzukommen rechtswidrig ist,

sowie ferner,

?    dass der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz dem grundsätzlichen Beweisbeschluss unverzüglich zu entsprechen hat und die Akten und Unterlagen, die in der – in der 27. Sitzung des Untersuchungsausschusses gemäß §27 Abs4 VO-UA eingebrachten – Aufforderung vom 14.07.2022, Blg. XCIII (Beilage ./3), bezeichnet sind, unverzüglich dem Untersuchungsausschuss zu übermitteln hat."

II. Rechtslage

1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B-VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungsausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2. §56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3. §24, §25 und §27 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA) zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben."

"Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §24 Abs4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß §26 Abs2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 (mit näherer Begründung) folgendes – auszugsweise wiedergegebenes – Verlangen auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Der 'Ibiza'-Untersuchungsausschuss hat ein Sittenbild türkiser Politik offenbart, das ansonsten hinter einer teuren PR-Fassade versteckt geblieben wäre. Die Realität türkiser Politik ist eine, wo es um 'Kriegst eh alles, was du willst', um die türkisen 'Aufsichtsratssammler', um 'Wer vorbereitet Gernot auf seine Vernehmung', um Millionenaufträge aus türkisen Ministerien an eng mit der ÖVP verbundene Unternehmen und zuallererst um die Frage geht: Gehörst du zur Familie?

Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Vorwürfe und die von ihr vorgelegten Belege für ein System des parteipolitischen Missbrauchs öffentlicher Gelder und Strukturen unter der Führung von Sebastian Kurz und seinen Gefolgsleuten übertreffen sämtliche Befürchtungen. Das bisher Bekannte ist womöglich nur die Spitze des Eisbergs.

Damit klar wird, wer die politische Verantwortung dafür trägt, dass in unserem Land in den letzten Jahren ein mutmaßliches System der Korruption und des Machtmissbrauchs zum zentralen Instrument von Regierungspolitik werden konnte, muss die Aufklärung dort fortgesetzt werden, wo der 'Ibiza'-Untersuchungsausschuss aufhören musste. Der Kontrollauftrag, den die Bundesverfassung dem Nationalrat überträgt, gebietet dies.

Die unterzeichneten Abgeordneten verlangen daher gemäß Art53 Abs1 2. Satz B-VG sowie §33 Abs1 2. Satz GOG-NR die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses mit folgendem

Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden.

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1.     Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren

Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über

-      Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender
                                                          Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung
     zu tätigen, insbesondere in Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations-
         und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten
         Dienstleistungen;

-      Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten
                                                          politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie  durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist;

-      Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene
                                                          Personen tätig sind, insbesondere das Campaigning Bureau, die Blink
     Werbeagentur, die GPK GmbH, die Media Contacta GmbH, Schütze
         Positionierung, Research Affairs und das tatsächliche Erbringen der
         gewünschten Leistungen; allfällige Mängel in der Dokumentation der
         Leistungserbringung; die mögliche Umgehungskonstruktion, diese
         Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen;

-      Buchungen von Inseraten, insbesondere den sprunghaften Anstieg der
                                                          Inseratenausgaben im Jahr 2017 im Bundesministerium für Europa,
     Integration und Äußeres, des Bundeskanzleramts im Jahr 2020 sowie
         Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen im Ausmaß
         von insgesamt 180 Millionen Euro und der Vergabe dieses Auftrags an die
         Unternehmen mediacom, Wavemaker und Group M sowie eines
         korrespondierenden Werbeetats im Ausmaß von 30 Mio. Euro über die
         Bundes-Beschaffungsgesellschaft an ua Jung von Matt im Jahr 2021;
         Buchung von Inseraten im Zusammenhang mit dem sogenannten
         'B[.] ÖSTERREICH Tool' im Bundesministerium für Finanzen und ab 2018 im
         Bundeskanzleramt sowie parteipolitisch motivierte Tätigkeiten der
         'Stabsstelle Medien' im Bundeskanzleramt, insbesondere die Einflussnahme  auf Inseratevergaben von Organen des Bundes;

-      mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit  ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in
     Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das  Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei
         Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für  Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;

-      mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von  mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von
     Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von
         Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;

-      Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen der Bundes-
                                                          ministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und
     allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit
         den unterlegenen BieterInnen;

-      Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken
                                                          des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche
     und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und
         über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die Förder-
         nehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu
         gleich gelagerten Förderanträgen;

-      Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittel für
                                                          Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien, insbesondere im  Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen;

-      Schaffung und Gestaltung von Finanzierungsprogrammen des Bundes für
                                                          Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form  einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen
         einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen
         wie etwa im Falle des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes.

[…]"

1.2. Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 2. Dezember 2021 (mit näherer Begründung) gefasste grundsätzliche Beweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Gemäß §24 Abs1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.

Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.

Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen sechs Wochen, spätestens jedoch am 26. Jänner 2022 zu erfolgen.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1-4 zu erfolgen.

Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.

Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.

Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO-UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO-UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.

Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.

Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2022) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO-UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.

Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.

Der Wortlaut des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ist der Beilage zu entnehmen.

Bezeichnung der betroffenen Organe

Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß §24 Abs3 VO-UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO-UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO-UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

[…]

3.   Die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten
  Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer
                                                          etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und –einrichtungen.

[…]"

1.3. In der 27. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 14. Juli 2022 wurde der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gemäß §27 Abs4 VO-UA aufgefordert (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen),

"seiner sich aus dem grundsätzlichen Beweisbeschluss ergebenden Verpflichtung zur Vorlage aller Akten und Unterlagen betreffend Vergabe- und Förderverfahren des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz insbesondere betreffend der Vergabe folgender Inserate und Studien

Falter, Medienkooperation Beilage Sozialbericht

EUR 71.021,10

LSE Enterprise Ltd. – Effizienzstudie im Bereich der Sozialversicherung

EUR 378.000

Arbeitsgemeinschaft – Gewalt und sexueller Missbrauch an Menschen mit Behinderung

EUR 294.479

Universität Wien, Institut für Pflegewissenschaft – Situation pflegender Angehöriger

EUR 294.479

Universität Wien, Institut für Pflegewissenschaft – Situation pflegender Angehöriger

EUR 182.050

Technische Universität Wien, Institut für Verkehrswissenschaften Forschungsbereich für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik – Evaluierung der Parkausweise

EUR 54.660

Bundesanstalt Statistik Österreich – EU-SILC 2018

EUR 1.127.700

Bundesanstalt Statistik Österreich – Europäisches System der Integrierten Sozialschutzstatistik (ESSOSS)

EUR 112.317

Institut für Höhere Studien (IHS) – ESS-ERIC Einstellungen zum Wohlfahrtsstaat in Österreich, Analyse der Welle 8 des Europäischen Sozialsurveys

EUR 81.830

Europäische Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung – Die Bedeutung von Kennzahlen im Rahmen des Nationalen Qualitätszertifikats für Alten- und Pflegeheime in Österreich (NQZ) unter besonderer Berücksichtigung der Messung von Lebensqualität

EUR 42.600

SORA – Institute for Social Research and Consulting – Lebens- und Erwerbssituation älterer Arbeitnehmerinnen am Übergang in den Ruhestand

EUR 106.580

Forschungs- und Beratungsstelle Arbeitswelt FORBA – Einflussfaktoren für den Anstieg der Arbeitslosigkeit im Sektor Gesundheits- und Sozialwesen

EUR 50.000

Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) – Kosten der betrieblichen und privaten Altersvorsorge für die öffentliche Hand

EUR 65.375

WU-Wien, Research Institute 'Economics of Inequality' – Anbot zru Durchführung einer Studie zur Eruierung einer Definition von Energiearmut in Österreich aus Sicht der sozialwirtschaftlichen und energiewirtschaftlichen Praxis, Studienziel: Erarbeitung eines Indikators zur Definition von Energiearmut in Österreich

EUR 49.820

nachzukommen. Alle angeführten Vorgänge liegen im Untersuchungszeitraum.

Die Frist, dieser Aufforderung zu entsprechen, beträgt zwei Wochen.

Begründung

1. Das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat im Untersuchungszeitraum die Vergabe von zahlreichen Inseraten und Studien durchgeführt. Der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz hat es unterlassen, aufgrund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses (AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 2, wirksam geworden am 09.12.2021) Akten und Unterlagen zum ersten Beweisthema, insbesondere zu den oben angeführten Inseraten und Studien, vollständig zu übermitteln oder zu begründen, warum aus seinem Verantwortungsbereich keine Akten und Unterlagen zum ersten Beweisthema vorgelegt wurden.

2. Das erste Beweisthema des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses 4 US/27. GP (AB 1215 BlgNR 27. GP, Anlage 1) lautet:

[…]

3. Der Untersuchungsgegenstand des Untersuchungsausschusses 4 US/27. GP ist außerordentlich weit gefasst und betrifft eine große Anzahl von unterschiedlichen Vorgängen im Bereich der Vollziehung des Bundes. Damit der Untersuchungsausschuss sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, erreichen kann, muss er über eine umfassende Informationsgrundlage zu all den im Untersuchungsgegenstand angeführten Vorgängen verfügen. Das B-VG räumt dem Untersuchungsausschuss ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein, um in der Lage zu sein, die zu untersuchenden – aufgrund des Untersuchungsgegenstandes sehr zahlreichen – Sachverhalte umfassend zu beleuchten und aufzuklären.

So hält auch Univ.-Prof. Dr. A[.] J[.] in seinem im Auftrag des Bundeskanzleramtes erstellten und dem Untersuchungsausschuss vorliegenden Gutachten vom 17.11.2021 zusammengefasst fest, dass es dem Untersuchungsausschuss möglich sein muss, das Vorliegen der im Einsetzungsverlangen genannten Kriterien, die die Vorlagepflicht umschreiben, selbst zu ermitteln. Dazu ist aber die vollständige Vorlage der Akten und Unterlagen betreffend das erste Beweisthema notwendig.

4. Hinsichtlich der Akten und Unterlagen, auf die sich diese Aufforderung bezieht, ist anzuführen, dass eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen selbstverständlich auch in Bundesministerien stattgefunden haben kann, die nicht vom einem Bundesminister oder von einer Bundesministerin geleitet werden, der oder die mit der ÖVP verbunden ist. Dementsprechend hat auch der Geschäftsordnungsausschuss einstimmig beschlossen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss an alle Bundesministerien zu richten, unabhängig davon, ob deren Leitung mit Organwalterinnen oder -waltern besetzt sind, die der ÖVP zurechenbar sind.

5. Darüber hinaus muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein zu prüfen, ob bei der Vergabe von Aufträgen mit der ÖVP verbundene Personen an der Entscheidungsfindung beteiligt gewesen sind und Handlungen gesetzt wurden, wie sie im Untersuchungsgegenstand umschrieben sind.

Das diese Aufforderung unterstützende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses geht davon aus, dass die in dieser Aufforderung näher umschriebenen Akten und Unterlagen Informationen enthalten bzw es zumindest nicht ausgeschlossen ist, dass die in dieser Aufforderung näher umschriebenen Akten und Unterlagen

-   Informationen enthalten, die zur Aufklärung über Vorwürfe der partei-
    politischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen
                                                          Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Event-
     management sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von
         40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbun-
         denen Personen und dem Bund daraus entstandene Kosten beitragen können;

-   Informationen betreffend mögliche Einflussnahmen auf Vergabeverfahren zu
    Gunsten politisch nahestehender Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel,
                                                          indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen, insbesondere im Hinblick auf die
     Vergabe von Kommunikations- und Meinungsforschungsaufträgen und
         sonstigen wahlkampfrelevanten Dienstleistungen,

-   Informationen betreffend die Beauftragung von Studien und Umfragen zu
    mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch
                                                          Bundesministerien sowie durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder
     indirekt beteiligt ist,

-   Informationen betreffend der Beauftragung von Unternehmen, die auch für die
    ÖVP oder verbundene Personen tätig sind und das tatsächliche Erbringen der
                                                          gewünschten Leistungen, allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungs-
     erbringung und eine mögliche Umgehungskonstruktion, diese Unternehmen
         als Subunternehmer zu tarnen,

-   Informationen betreffend Buchungen von Inseraten, Einflussnahme auf die
    Vergabe von Media-Agenturleistungen und Inseratenvergaben von Organen
                                                          des Bundes,

-   Informationen betreffend mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen
    Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen
                                                          Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahl-
     kampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen
         des Bundes bei Auftragsvergaben,

-   Informationen betreffend mögliche Umgehungen der vergaberechtlichen
    Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundene Personen,
                                                          insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungs-
     gesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum,

-   Informationen betreffend Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Aus-
    schreibungen der Bundesministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene
                                                          AnbieterInnen und allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf
     Rechtsmittel) mit den unterlegenen BieterInnen,

-   Informationen betreffend der Vergabe von Förderungen der Bundes-
    ministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit
                                                          der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen, insbesondere über
     die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforder-
         lichen Nachweise durch die FördernehmerInnen sowie die Angemessenheit der
         Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen,

-   Informationen betreffend Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vor-
    gesehenen Mittel für Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien,
                                                          insbesondere im Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen oder

-   Informationen betreffend Schaffung und Gestaltung von Finanzierungs-
    programmen des Bundes für Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine
                                                          spätere Gegenleistung in Form einer Begünstigung von politischen Parteien
     oder WahlwerberInnen einschließlich von damit zusammenhängenden
         gesetzlichen Änderungen enthalten.

Eine abstrakte Relevanz der von dieser Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen wären zB dann nicht auszuschließen, wenn mit der ÖVP verbundene Personen an der Vorbereitung und Vergabe von Aufträgen mitgewirkt haben, wenn mit der ÖVP verbundene Personen Mitglieder von Vergabekommissionen waren, wenn mit der ÖVP verbundene Personen bzw Unternehmen beauftragt wurden bzw Angebote gelegt haben oder wenn seitens politischer Entscheidungsträgerinnen bzw -träger zu Gunsten mit der ÖVP verbundenen Personen bei Personen, die nicht mit der ÖVP verbunden sind, interveniert wurde.

Vor diesem Hintergrund erscheint es – nicht zuletzt angesichts des in Bezug auf die 'Verbundenheit' mit der ÖVP ebenfalls überaus weiten Untersuchungsgegenstandes – nahezu ausgeschlossen, dass bei keinem der aufgezählten Vorgänge mit der ÖVP verbundene Personen involviert waren.

6. In der Begründung des Einsetzungsverlangens (4/US 27. GP) wird zum Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass eine Person mit der ÖVP verbunden ist, Folgendes ausgeführt:

'Der Begriff der 'Verbundenheit' beschreibt das erforderliche Naheverhältnis zur ÖVP, wobei dessen Grundlage vielfältig sein kann. Der Begriff der Verbundenheit erfasst in der Rechtsordnung unterschiedliche Formen der gegenseitigen Abhängigkeit, insbesondere wirtschaftlicher, aber auch rechtlicher Art. Gemeinsam ist den damit erfassten Sachverhalten ein Abhängigkeitsverhältnis, das gerade dadurch entsteht, dass jeweils eine Seite einen Vorteil anstrebt, der von der anderen Seite zur Verfügung gestellt werden kann, da er sich in dessen Ingerenz befindet. Die Verbundenheit mit der ÖVP indiziert bereits das Vorliegen des parteipolitischen Interesses. Verbunden sind insofern jedenfalls alle Unternehmen, an denen die ÖVP direkt oder indirekt beteiligt ist, ihr nahestehende Organisationen sowie Teilorganisationen, Unternehmen mit dauernder Geschäftsbeziehung zur ÖVP oder ihren Teilorganisationen sowie solche, die unter kontrollierendem Einfluss von ÖVP-FunktionärInnen stehen oder treuhänderisch für die ÖVP verwaltet werden. Verbunden sind ebenso Personen, die auf parteipolitisches Wohlwollen angewiesen sind, um ihr berufliches Fortkommen zu fördern. Dies wird insbesondere dort der Fall sein, wo Personalentscheidungen (wenn nicht formell, dann faktisch) von ÖVP-PolitikerInnen getroffen werden.'

Schon aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass der Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass ein Unternehmen oder eine Person mit der ÖVP verbunden ist, in unterschiedlichsten Konstellationen gegeben und die Verbundenheit unterschiedlichster Natur sein kann. Keinesfalls genügt daher, die Prüfung der Verbundenheit mit der ÖVP rein auf die Mitgliedschaft bei der ÖVP zu beschränken (ganz abgesehen davon, dass es öffentlichen Stellen schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen untersagt wäre, derartige Informationen zu erheben und zu verarbeiten).

Daher ist es den vorlagepflichtigen Stellen anhand der im Einsetzungsverlangen enthaltenen Determinanten nicht möglich, Akten und Unterlagen mit Bezug zum ersten Beweisthema mit der Begründung auszusondern und dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten, dass diese keine Auskünfte über eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Unternehmen oder Personen enthalten oder lediglich eine Gewährung derartiger Vorteile betreffen, die nicht durch den im Einsetzungsverlangen angesprochenen Zusammenschluss aus ÖVP-Regierungsmitgliedern und Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeiter deren politischer Büros unter der Leitung von Sebastian Kurz veranlasst wurde.

Es muss vielmehr dem Untersuchungsausschuss selb

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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