TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 94/16/0254

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §938;
BAO §295 Abs1;
BAO §295;
BAO §303;
ErbStG §1 Abs1 Z2;
ErbStG §18;
ErbStG §19 Abs2;
ErbStG §19 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. DDr. Jahn, über die Beschwerde des Dr. A in K, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 13. September 1994, Zl. 50.401-5/94, betreffend Abweisung eines Wiederaufnahmsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schenkungsvertrag vom 11. August/26. August 1993 schenkte der in B, Deutschland, wohnhafte Franz G. seinem Sohn Dr. Andreas G., dem Beschwerdeführer, die Liegenschaft EZ 724, Grundbuch K. Punkt V. der Vertragsurkunde lautet auszugsweise:

"V.

Die Besitzübergabe an den schenkungsgegenständlichen Liegenschaften erfolgte an Dr. Andreas G. (Einlagezahl 724) am 1.7.1990 ..., somit vor Unterfertigung dieses Vertrages durch Besichtigung der Liegenschaften bzw. des darauf errichteten Wohnobjektes, sowie durch Übergabe der Schlüssel samt Aushändigung der Verwaltungsunterlagen ...".

Mit Bescheid vom 16. September 1993 schrieb das zuständige Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern nach einem Einheitswert in Höhe von S 1,318.000,-- Schenkungssteuer vor. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der steuerliche Vertreter des Beschwerdeführers beantragte in der Folge mit einer Eingabe vom 2. Dezember 1993, gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO das Schenkungssteuerverfahren wieder aufzunehmen. Zur Begründung wurde auf einen vom Finanzamt Kitzbühel erlassenen Wertfortschreibungsbescheid vom 3. November 1993 verwiesen, mit dem der Einheitswert der in Rede stehenden Liegenschaft zum 1. Jänner 1993 auf S 812.000,-- herabgesetzt worden war. In der Begründung des dem Antrag angeschlossenen Fortschreibungsbescheides wurde ausgeführt:

"Die Fortschreibung erfolgte aufgrund des Antrages vom 27.7.1993 gemäß den Bodenwertrichtlinien und den Feststellungen beim Ortsaugenschein."

Mit Bescheid vom 15. Dezember 1993 wurde der Wiederaufnahmsantrag mit der Begründung abgewiesen, der Einheitswertbescheid zum 1. Jänner 1993 stelle "keine anders entschiedene Vorfrage" dar. Außerdem sei die Liegenschaft bereits zum 1. Juli 1990 geschenkt worden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde vom steuerlichen Vertreter des Beschwerdeführers ausgeführt, der Beschwerdeführer wohne seit seiner Geburt im Elternhaus (der gegenständlichen Liegenschaft). Weil sich sein Vater viel im Ausland aufhalte, fungiere der Beschwerdeführer seit Jahren als Verwalter der Liegenschaft. Franz G. habe die Liegenschaft erst übergeben, als er 1993 von seiner unheilbaren Krankheit erfahren habe. Die Ausführungen im Punkt V. des Schenkungsvertrages müßten auf einem Irrtum beruhen. Die Übergabe zu diesem Zeitpunkt sei nicht möglich gewesen, weil sich Franz G. damals nicht in Kitzbühel aufgehalten habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde von der belangten Behörde die Auffassung vertreten, bei dem für die Bewertung des Grundbesitzes berufenen Lagefinanzamt handle es sich nicht um "eine andere Behörde" im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. c BAO. Auch Tatsachen oder Beweismittel, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, seien nicht neu hervorgekommen. Der Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung könne daher auf sich beruhen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Bundesminister für Finanzen legte die von der belangten Behörde verfaßte Gegenschrift sowie die Akten des Verfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichshof hat erwogen:

Im erstinstanzlichen Bescheid, der diesbezüglich durch die angefochtene Berufungsentscheidung keine Änderung erfahren hat, ist die Abgabenbehörde davon ausgegangen, daß die Schenkung bereits am 1. Juli 1990 erfolgt ist. Damit hat die Abgabenbehörde aber übersehen, daß ein Schenkungsvertrag im Sinne des § 938 ABGB durch die übereinstimmende Willenserklärung von Geschenkgeber und Beschenktem zustande kommt, die Sache unentgeltlich dem Beschenkten zu überlassen. Nach dem Inhalt der gegenständlichen Vertragsurkunde ist die Schenkung am 26. August 1993 zustande gekommen. Der Urkunde kann nach ihrem Wortlaut keineswegs ein früherer Abschluß einer Schenkung entnommen werden. Der in Punkt V. der Urkunde enthaltene Hinweis auf die Übertragung des Besitzes an der Liegenschaft mit 1. Juli 1990 trifft über den Abschluß des Vertrages bereits zu diesem Zeitpunkt keine Aussage. Dieser Vertragspunkt enthält nämlich keinerlei Hinweis auf das Titelgeschäft, auf Grund dessen der Beschwerdeführer die Liegenschaft allenfalls bereits vor der Schenkung des Jahres 1993 innegehabt hatte. Damit, daß die belangte Behörde implizit von einer Ausführung der Schenkung bereits am 1. Juli 1990 ausgegangen ist, hat sie den angefochtenen Bescheid bereits mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Überdies hat sie sich mit dem Berufungsvorbringen, in dem nähere Ausführungen über den Grund der Innehabung der Liegenschaft durch den Beschwerdeführer und damit über den Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrages enthalten waren, nicht auseinandergesetzt. Hiezu wäre die belangte Behörde umso mehr verpflichtet gewesen, als bei der Beurteilung eines der Schenkungssteuer unterliegenden Erwerbsvorganges keineswegs allein vom Urkundeninhalt auszugehen ist; vielmehr ist von der Abgabenbehörde der tatsächliche Inhalt des Erwerbsvorganges zu erforschen.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist darauf zu verweisen, daß es sich - was offenkundig von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens übersehen worden ist - bei dem Bescheid über den Einheitswert zum 1. Jänner 1993 um einen Feststellungsbescheid im Sinne des § 295 Abs. 1 BAO handelt. Mit der Erlassung dieses Einheitswertbescheides waren die Voraussetzungen für eine Folgeänderung nach dieser Bestimmung erfüllt. Unabhängig von der Rechtskraft des erlassenen Schenkungsbescheides war die Abgabenbehörde somit verpflichtet, diesen Bescheid von Amts wegen durch einen neuen Abgabenbescheid zu ersetzen. Wie schon aus dem zwingenden Charakter der Bestimmungen des § 295 BAO erkennbar ist, wird dabei der Berichtigung nach § 295 BAO gegenüber einer gleichzeitig erfüllten Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens ein Anwendungsvorrang einzuräumen sein (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2855, zur Abgrenzung zwischen § 295 Abs. 3 BAO und Wiederaufnahme des Verfahrens).

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG. Der Schriftsatzaufwand war im beantragten Ausmaß zuzusprechen; da zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung die Vorlage des angefochtenen Bescheides nur im einfachen Ausmaß erforderlich ist, war die Beilagengebühr nur im Ausmaß von S 90,-- zu ersetzen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994160254.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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