TE Vwgh Erkenntnis 1996/3/28 95/20/0139

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Veröffentlicht am 28.03.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des J in T, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. Jänner 1995, Zl. 4.345.101/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, reiste am 13. September 1994 in das Bundesgebiet ein und stellte am 14. September 1994 einen Asylantrag. Bei seiner Vernehmung durch das Bundesasylamt am 15. September 1994 brachte er dazu vor, daß er als Geschäftsinhaber eines Restaurants sowie eines Ersatzteilgeschäftes in Bagdad gelebt habe. Er sei nie Mitglied einer politischen Partei gewesen und habe sich auch nie politisch betätigt. Allerdings hätten zu seinen Kunden auch Kurden und Angehörige der irakischen Opposition gehört. Am 10. Juni 1994 sei sein Restaurant von den Behörden gesperrt worden. Einige Tage später seien auch alle übrigen Lokale in Bagdad geschlossen worden, in denen alkoholische Getränke ausgeschenkt worden seien. Am 20. August desselben Jahres sei dann sein Ersatzteilgeschäft beschlagnahmt worden, wobei er sich den Grund dafür nicht habe erklären können. In der Folge sei es ihm finanziell schlecht gegangen. Auf den Vorhalt, daß seine Ehefrau ausgesagt habe, er hätte das Ersatzteillager verkauft, gab der Beschwerdeführer an, daß dies nicht richtig sei. Das Lager selbst sei von den Behörden beschlagnahmt worden, hingegen habe er noch an verschiedenen anderen, den Behörden nicht bekannten Orten Ersatzteile aufbewahrt gehabt, die er dann weiter habe verkaufen können. Im August 1994 sei er dreimal von Polizeibeamten zu einem (jeweils ca. halbstündigen) Verhör auf die Polizeistation gebracht worden, wo er darauf hingewiesen worden sei, daß zu seinen Kunden auch Oppositionelle gehörten. Er habe erklärt, daß für ihn alle Kunden gleich seien. Nach seiner jeweiligen Entlassung sei er von den ihn begleitenden Polizisten "indirekt" aufgefordert worden, ihnen "etwas Geld zu geben". Er habe ihnen dann jeweils Dinar 1.000, zuletzt 50.000 bezahlt. Anläßlich des letzten Verhörs habe ein Polizist zu ihm die Bemerkung gemacht, er "solle schauen, daß er sich retten könne". Als er sich schließlich zum Paßamt mit der Absicht begeben habe, seinen Reisepaß verlängern zu lassen, sei ihm dies verweigert und ihm erklärt worden, daß er im Land zu bleiben habe. Daraufhin habe er Angst bekommen und sei geflüchtet.

Das Bundesasylamt hat den Asylantrag abgewiesen und dies damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme, und des weiteren (Seite 6 dieses Bescheides), daß die Asylgewährung auch deshalb ausgeschlossen sei, weil der Beschwerdeführer im Irak nördlich des 36. Breitengrades (somit in der UNO-Schutzzone) eine innerstaatliche Fluchtalternative gefunden habe.

Der Beschwerdeführer hat in seiner (am 10. Oktober 1994) dagegen erhobenen Berufung ausschließlich Gründe vorgebracht, warum die Erstbehörde seine Flüchtlingseigenschaft hätte bejahen müssen. Die Berufungsausführungen gingen dahin, daß entgegen der Auffassung der Erstbehörde bei Gesamtbetrachtung seines Vorbringens angesichts der gesellschaftlichen Mißstände im Irak seine Flüchtlingseigenschaft zu bejahen gewesen wäre. Die Erstbehörde habe es unterlassen, ihm ihre Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit seiner Aussagen vorzuhalten, worauf er diese hätte zerstreuen können.

Die belangte Behörde hat in ihrem Berufungsbescheid das Vorliegen eines der im § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 angeführten Gründe für eine Wiederholung oder Ergänzung des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens verneint und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers könne nicht entnommen werden, daß er einer asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Die geschilderten Verhöre seien nicht von einer derartigen Intensität, daß sie eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Konventionsgründen rechtfertigen könnten. Das Verlassen eines Landes aus wirtschaftlichen Gründen könne wiederum nicht zur Anerkennung als Flüchtling führen. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer Schmiergelder an die irakischen Polizeibeamten habe bezahlen müssen, sei ein Ausdruck der derzeit allgemeinen gesellschaftlichen Mißstände in diesem Land, denen die Bewohner ausgesetzt seien. Der Schließung der Geschäfte des Beschwerdeführers komme keine asylrechtlich relevante Bedeutung zu, zumal er selbst angegeben habe, sich politisch nicht betätigt zu haben. Letztlich sei darauf zu verweisen, daß der Beschwerdeführer im Nordirak (nördlich des 36. Breitengrades) vor dem Zugriff des Regimes von Saddam Hussein Verfolgungssicherheit gefunden habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hat der Bundesminister seiner Entscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Ausgehend von dieser Grundlage - der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren weder eine unrichtige noch unvollständige Übersetzung seiner Angaben behauptet - kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie im erstinstanzlichen Vorbringen des Beschwerdeführers keine hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen von Fluchtgründen iSd § 1 Abs. 1 Z. 1 AsylG 1991 gegeben sah.

Denn nach ständiger hg. Judikatur kann aus Verhören oder Befragungen durch die Behörden allein Verfolgung oder begründete Furcht vor einer solchen nicht abgeleitet werden. Zur Schließung seines Restaurants hat der Beschwerdeführer selbst ausgeführt, daß aufgrund einer Änderung der Rechtslage im Irak generell die Lokale, die alkoholische Getränke ausgeben, hätten geschlossen werden müssen. Warum letztlich auch sein Ersatzteillager gesperrt worden war, habe sich der Beschwerdeführer nicht erklären können. Selbst wenn dies aber auf die Zusammensetzung seines Kundenkreises zurückzuführen wäre, so ließe sich daraus eine asylrechtlich relevante Verfolgung nicht ableiten, zumal der Beschwerdeführer ausdrücklich angab, sich nie politisch betätigt zu haben und auch nie politisch auffällig geworden zu sein. Soweit in der Beschwerde eine Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes hinsichtlich der Situation der chaldäisch-christlichen Minderheit im Irak die dort verfolgt werde, ins Treffen geführt wird, macht der Beschwerdeführer damit - abgesehen davon, daß dieses Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt - keine konkret gegen ihn selbst gerichtete Verfolgung geltend. Der Beschwerdeführer hatte bei seiner Vernehmung keine Erwähnung dahingehend gemacht, daß er einer Verfolgung deshalb ausgesetzt gewesen wäre, weil er einer christlichen Minderheit im Irak angehöre.

Daher war die belangte Behörde auch nicht verhalten, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen. § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 verpflichtet die Behörde nämlich nur im Falle hinreichend konkreter Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 in Frage kommt, in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung dieser Angaben zu dringen. Es besteht keine Verpflichtung der Behörde, Asylgründe, die der Asylwerber im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet hat, zu ermitteln oder einen Asylwerber anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten soll, damit sein Antrag erfolgreich sein werde.

Auf das die Annahme, der Beschwerdeführer sei bereits im Nordirak (nördlich des 36. Breitengrades) sicher gewesen, weil es sich dabei um eine innerstaatliche Fluchtalternative handle, ERSTMALS im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in Frage stellende Beschwerdevorbringen war zufolge des Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht einzugehen. Dem Beschwerdeführer ist durch die Berufungsmöglichkeit gegen die ihm zugestellte erstinstanzliche Entscheidung Parteiengehör und damit ausreichend Gelegenheit geboten worden, gegen die Behauptung dieser innerstaatlichen Fluchtalternative sachgerechte Einwendungen (wenigstens aber deren Bestreitung) vorzubringen. Der Beschwerdeführer ist insoweit seiner Mitwirkung auf Verwaltungsebene nicht nachgekommen und hat sich dadurch der Möglichkeit begeben, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren (erstmals) die Richtigkeit dieser erstbehördlichen Annahme zu bestreiten bzw. auf allfällige der belangten Behörde insoweit unterlaufene Verfahrensmängel mit Erfolg hinzuweisen. Das Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof dient weder dazu, im Verwaltungsverfahren unterlaufene Versäumnisse der Parteien nachzuholen, noch befreit der (im Asylverfahren anzuwendende) Verfahrensgrundsatz, daß die Verwaltungsbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, die Partei von der Pflicht, zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes beizutragen.

Damit durfte die belangte Behörde im Beschwerdefall zufolge unterbliebener Bestreitung der Feststellung, daß der Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative vorgefunden habe und deshalb dort vor Verfolgung sicher gewesen sei, diese Annahme auch ihrer Entscheidung zugrundelegen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200139.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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