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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Februar 1995, Zl. 4.321.511/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Juni oder Juli 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 15. Juli 1991 den Asylantrag. Er begründete seinen Antrag zusammengefaßt damit, daß er in der Türkei aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit einer ständigen Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Wenn er Flugzettel in kurdischer Sprache verteilt und kurdisch gesprochen habe, sei er von der Polizei festgenommen und ohne gerichtliche Entscheidung eingesperrt (und dabei auch geschlagen) worden. Er gelte laut Mitteilung der Polizei als Staatsfeind, weshalb er im Falle seiner Rückkehr weitere Verfolgungshandlungen zu befürchten habe.
Bei seiner am 31. Juli 1991 erfolgten niederschriftlichen Befragung durch die Bundespolizeidirektion Graz gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt - im wesentlichen - an, er sei bereits im Alter von 18 Jahren von "der Regierung" beschuldigt worden, politisch tätig zu sein; dies habe jedoch nicht den Tatsachen entsprochen. Im Jahre 1980 sei er gemeinsam mit ca. 40 anderen Personen festgenommen und vor Gericht gestellt worden. Man habe ihn zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt und er habe diese Freiheitsstrafe in einem Gefängnis in Mus verbüßt. Während der Haft sei er ständig verhört und gefoltert worden. Nach seiner Haftentlassung sei er ständig von zivilen Spezialeinheiten der Polizei abgeholt und verhört worden, zuletzt sei er 15 Tage lang in Polizeihaft (bis drei Tage vor seiner Ausreise) gewesen. Er habe sich politisch nie betätigt und sei auch nie Mitglied einer politischen Partei gewesen. Als Grund für seine Verhaftungen habe man ihm von Seiten der Polizei lediglich mitgeteilt, daß diese aus reiner Willkür erfolgten. Er sei deshalb aus Angst um sein Leben geflüchtet, weil es vorgekommen sei, daß er bei diesen Verhören auch bewußtlos geschlagen worden sei. Zur Bescheinigung seiner eineinhalbjährigen Haftstrafe könnte er Unterlagen beibringen, die sich derzeit in der Türkei befänden.
Mit Bescheid vom 14. Jänner 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß der Beschwerdeführer kein Flüchtling sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, daß er seinen Asylantrag damit begründet habe, daß er als Mitglied der kurdischen Arbeiterpartei PKK "verschiedensten Verfolgungen und Repressalien durch die türkische Polizei" ausgesetzt gewesen sei. Er sei aufgrund seiner Aktivitäten für sein Volk und aufgrund seiner Mitgliedschaft bei der PKK eineinhalb Jahre im Gefängnis gewesen. Der Umstand, daß seine Partei - und Gesinnungsfreunde gerade jetzt einer starken Verfolgung unterlägen, könne den täglichen Nachrichten entnommen werden. Bestätigungen über seine Haft habe er aufgrund seiner Flucht von den Behörden nicht erlangen können.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der behaupteten Inhaftierung im Jahr 1980 fehle der zeitliche Konnex zur Ausreise des Beschwerdeführers aus seinem Heimatland. Die behaupteten Festnahmen und Folterungen sowie Mißhandlungen während der angeblichen Verhöre erschienen unglaubwürdig, weil der Beschwerdeführer entgegen seiner Ankündigung, schriftliche Unterlagen zu seiner behaupteten Haft vorzulegen, keine diesbezüglichen Dokumente vorgewiesen habe, andererseits im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme selbst ausgeführt habe, nie einer politischen Partei angehört und sich auch nie politisch betätigt zu haben. Es sei also kein Grund erkennbar, warum der Beschwerdeführer von den türkischen Behörden hätte verfolgt werden sollen. Der Berufungsbehauptung, daß der Beschwerdeführer als Mitglied der PKK sowie wegen seiner prokurdischen politischen Betätigung verhaftet und verfolgt worden sei, fehle die Glaubwürdigkeit, weil dieses Vorbringen mit der eigenen Aussage des Beschwerdeführers anläßlich seiner Vernehmung in Widerspruch stehe. Danach sei dieser parteipolitisch nie aktiv gewesen und habe als Grund für seine Festnahmen angegeben, daß er laut Angaben der Polizeibeamten aus "Willkür" verhaftet worden sei. Daraus lasse sich aber nicht auf eine Verfolgung aus Konventionsgründen schließen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde rügt zunächst die Verletzung der der belangten Behörde gemäß § 16 Asylgesetz obliegenden Ermittlungspflicht mit der Behauptung, der Beschwerdeführer hätte befragt werden müssen, welchen Inhalt die von ihm in kurdischer Sprache verteilten Flugzettel aufgewiesen und welche Funktion der Beschwerdeführer innerhalb der kurdischen Arbeiterpartei "PKK" bekleidet habe.
Dabei wird aber übersehen, daß nach Inhalt des Einvernahmeprotokolls vom 31. Juli 1991, dessen Vollständigkeit oder Richtigkeit weder im Verwaltungsverfahren noch in der vorliegenden Beschwerde bestritten wird, der Beschwerdeführer selbst angegeben hat, nie Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein und sich politisch nie betätigt zu haben. Die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer habe während des gesamten Asylverfahrens angegeben, daß er als Mitglied der "kurdischen Arbeiterpartei PKK verschiedensten Verfolgungen und Repressalien durch die türkische Polizei ausgesetzt" gewesen sei, ist aktenwidrig. Der Beschwerdeführer hat bei seiner Einvernahme ausdrücklich erklärt, nie Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein und er hat auch keinerlei Erwähnung dahingehend gemacht, daß er Flugzettel kurdischen Inhalts verteilt oder sich besonders für die kurdische Sprache eingesetzt hätte. Eine derartige Behauptung findet sich lediglich in dem schriftlich eingebrachten Asylantrag, von dem der Beschwerdeführer über Vorhalt angab, daß dieser lediglich von der Sekretärin seines Rechtsvertreters verfaßt worden sei und dessen Inhalt er selbst nicht kenne. Demgemäß ging auch die im Verwaltungsverfahren erhobene Berufung am Kern dieser Asylsache vorbei, wenn dort unter Bezugnahme auf den schriftlichen Asylantrag ausgeführt wurde, der Beschwerdeführer wäre aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit und seiner damit im Zusammenhang stehenden Mitgliedschaft bei der PKK Verfolgungen durch die türkischen Behörden ausgesetzt gewesen, weil diese Darstellung keine Bestätigung in den vom Beschwerdeführer gemachten Angaben findet.
Der Beschwerde ist entgegenzuhalten, daß zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens das Vorbringen des Asylwerbers ist und es diesem obliegt, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen, seine erstinstanzlichen Angaben jedoch in einem Widerspruch zu denjenigen im schriftlichen Asylantrag und zum Vorbringen in der vorliegenden Beschwerde stehen. Die belangte Behörde hat in ihrem Bescheid darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme angegeben hatte, er könne schriftliche Unterlagen zum Nachweis seiner Inhaftierung im Jahr 1980 beibringen, daß er dies jedoch entgegen seiner Ankündigung bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht getan habe, was nicht zur Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen beitrage. Dazu wird in der vorliegenden Beschwerde nichts vorgebracht. Soweit die Beschwerde darauf verweist, daß der Beschwerdeführer bei seiner Einvernahme von Folterungen und ständigen Festnahmen gesprochen habe, ist anzumerken, daß die belangte Behörde weder die Inhaftierung im Jahr 1980 noch die behaupteten ständigen Mißhandlungen als glaubwürdig angesehen hat. Angesichts der aufgezeigten Ungereimtheiten und des Inhaltes der niederschriftlichen Aussage des Beschwerdeführers kann von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Schlüssigkeitsprüfung aus die Würdigung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe nicht glaubhaft gemacht, daß er aus wohlbegründeter Furcht vor asylrechtlich relevanter Verfolgung geflüchtet sei, nicht als unschlüssig qualifiziert werden. Im übrigen entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof, daß Umstände, die sich - wie hier - zehn Jahre vor der erfolgten Flucht ereignet haben, schon wegen des fehlenden zeitlichen Konnexes zur Ausreise grundsätzlich nicht zur Glaubhaftmachung eines Fluchtgrundes geeignet sind (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0407, und vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0086).
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995200203.X00Im RIS seit
20.11.2000