TE Vfgh Erkenntnis 2022/8/25 UA46/2022 ua

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Veröffentlicht am 25.08.2022
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53 Abs3
B-VG Art138b Abs1 Z3
VO-UA §24, §25
VfGG §7 Abs1, §56e
  1. B-VG Art. 53 heute
  2. B-VG Art. 53 gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  3. B-VG Art. 53 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 53 gültig von 01.10.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 409/1975
  5. B-VG Art. 53 gültig von 19.12.1945 bis 30.09.1975 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  6. B-VG Art. 53 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. B-VG Art. 138b heute
  2. B-VG Art. 138b gültig ab 01.01.2015 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  1. VfGG § 7 heute
  2. VfGG § 7 gültig ab 22.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020
  3. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 21.03.2020 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  4. VfGG § 7 gültig von 01.01.2015 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/2014
  5. VfGG § 7 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  6. VfGG § 7 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  7. VfGG § 7 gültig von 01.01.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. VfGG § 7 gültig von 01.10.2002 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 123/2002
  9. VfGG § 7 gültig von 01.01.1991 bis 30.09.2002 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 329/1990
  10. VfGG § 7 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 311/1976

Leitsatz

Abweisung eines Antrags eines Viertels der Mitglieder des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit (mit der Mehrheit) betreffend die Frage, ob Akten und Unterlagen "im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung" (Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder) liegen; hinreichende Begründung des Mehrheitsbeschlusses, dass die (potentielle) abstrakte Relevanz der ergänzenden Beweisanforderung durch das einschreitende Viertel nicht im erforderlichen Maß dargelegt wurde; Fehlen des sachlichen Zusammenhangs zwischen den – nicht begründeten – Verlangen, Akten und Unterlagen betreffend Begünstigungen von mit der ÖVP verbundenen Personen in nicht der ÖVP zurechenbaren Ministerien vorzulegen, und dem Untersuchungsgegenstand

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z3 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass die Beschlüsse Blg CIa bis Blg CXXIXa des Untersuchungsausschusses 'betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder' (4/US XXVII.GP) vom 14.07.2022, mit denen der Zusammenhang der Verlangen des antragstellenden Viertels auf ergänzende Beweisanforderungen Blg CI bis Blg CXXIX mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wurde, rechtswidrig sind".

II. Rechtslage

1. Art53 und Art138b Abs1 Z3 B-VG, BGBl 1/1930, idF BGBl I 101/2014 lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungs-ausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volksanwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann.

[…]

Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

3. die Rechtmäßigkeit des Beschlusses eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, auf Antrag des dieses Verlangen unterstützenden Viertels seiner Mitglieder;

[…]"

2. §56e Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85, idF BGBl I 101/2014 lautet:

"c) Bei einem Antrag auf Feststellung der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses,

mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines

Viertels der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses des

Nationalrates betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem

Untersuchungsgegenstand bestritten wird

§56e. (1) Der Antrag im Sinne des Art138b Abs1 Z3 B-VG hat die Feststellung zu begehren, dass der Beschluss eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates, mit dem das Bestehen eines sachlichen Zusammenhanges eines Verlangens eines Viertels seiner Mitglieder betreffend die Erhebung weiterer Beweise mit dem Untersuchungsgegenstand bestritten wird, rechtswidrig ist.

(2) Der Antrag hat zu enthalten:

1. die Bezeichnung des Verlangens;

2. die Bezeichnung des Beschlusses;

3. den Sachverhalt;

4. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt;

5. die erforderlichen Beweise;

6. die Angaben und Unterlagen, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob der Antrag rechtzeitig gestellt wurde.

(3) Dem Antrag ist eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie des Verlangens der Antragsteller, der gegenständlichen Teile des Protokolls der Ausschusssitzung sowie des Beschlusses des Untersuchungsausschusses anzuschließen.

(4) Ein Antrag ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Beschluss des Untersuchungsausschusses zwei Wochen vergangen sind.

(5) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde.

(7) Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit des Beschlusses wird das Verlangen auf Erhebung weiterer Beweise wirksam."

3. §24 und §25 der Anlage 1 (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA) zum Bundesgesetz vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410, idF BGBl I 99/2014 lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

Ergänzende Beweisanforderungen

§25. (1) Der Untersuchungsausschuss kann aufgrund eines schriftlichen Antrags eines Mitglieds ergänzende Beweisanforderungen beschließen.

(2) Ein Viertel seiner Mitglieder kann ergänzende Beweisanforderungen verlangen. Das Verlangen wird wirksam, wenn die Mehrheit der Mitglieder in dieser Sitzung nicht den sachlichen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand mit Beschluss bestreitet.

(3) Eine ergänzende Beweisanforderung hat ein Organ gemäß §24 Abs1 und 2 im Umfang des Untersuchungsgegenstands zur Vorlage bestimmter Akten und Unterlagen zu verpflichten oder um Erhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand zu ersuchen. Die Beweisanforderung ist zu begründen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Untersuchungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Bestreitet die Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den sachlichen Zusammenhang eines Verlangens gemäß Abs2 mit dem Untersuchungsgegenstand, kann das verlangende Viertel der Mitglieder den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z3 B-VG zur Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Beschlusses gemäß Abs2 anrufen. Mit der Feststellung des Verfassungsgerichtshofes über die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses wird das Verlangen gemäß Abs2 wirksam."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 46 Mitglieder des Nationalrates haben am 13. Oktober 2021 ein Verlangen auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder (in der Folge: ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss) mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021 sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage und ab Beginn des 'Projekts Ballhausplatz' auf Betreiben eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses einer größeren Anzahl von in Organen des Bundes tätigen Personen, bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Mitgliedern der Bundesregierung, StaatssekretärInnen sowie MitarbeiterInnen ihrer politischen Büros, zu parteipolitischen Zwecken und die damit gegebenenfalls zusammenhängende Umgehung oder Verletzung gesetzlicher Bestimmungen sowie der dadurch dem Bund gegebenenfalls entstandene Schaden.

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren

Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über

?   Einflussnahme auf Vergabeverfahren zu Gunsten politisch nahestehender Unternehmen mit dem mutmaßlichen Ziel, indirekte Parteienfinanzierung zu tätigen, insbesondere in Hinblick auf die Vergabe von Kommunikations- und Meinungsforschungsaufträgen und sonstigen wahlkampfrelevanten Dienst-leistungen;

?   Beauftragung von Studien und Umfragen zu mutmaßlichen Gunsten politischer Entscheidungsträger der ÖVP durch Bundesministerien sowie durch Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist;

?   Beauftragung von Unternehmen, die auch für die ÖVP oder verbundene Personen tätig sind, insbesondere das Campaigning Bureau, die Blink Werbeagentur, die GPK GmbH, die Media Contacta GmbH, Schütze Positionierung, Research Affairs und das tatsächliche Erbringen der gewünschten Leistungen; allfällige Mängel in der Dokumentation der Leistungserbringung; die mögliche Umgehungskonstruktion, diese Unternehmen als Subunternehmer zu tarnen;

?   Buchungen von Inseraten, insbesondere den sprunghaften Anstieg der Inseratenausgaben im Jahr 2017 im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres, des Bundeskanzleramts im Jahr 2020 sowie Einflussnahme auf die Vergabe von Media-Agenturleistungen im Ausmaß von insgesamt 180 Millionen Euro und der Vergabe dieses Auftrags an die Unternehmen mediacom, Wavemaker und Group M sowie eines korrespondierenden Werbeetats im Ausmaß von 30 Mio. Euro über die Bundes-Beschaffungsgesellschaft an ua Jung von Matt im Jahr 2021; Buchung von Inseraten im Zusammenhang mit dem sogenannten 'B[.] ÖSTERREICH Tool' im Bundesministerium für Finanzen und ab 2018 im Bundeskanzleramt sowie parteipolitisch motivierte Tätigkeiten der 'Stabsstelle Medien' im Bundeskanzleramt, insbesondere die Einflussnahme auf Inseratevergaben von Organen des Bundes;

?   mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;

?   mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;

?   Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen der Bundesministerien auf bestimmte mit der ÖVP verbundene AnbieterInnen und allfällige außergerichtliche Absprachen (zB Verzicht auf Rechtsmittel) mit den unterlegenen BieterInnen;

?   Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die FördernehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen;

?   Ausmaß und Einsatz der im Bundesfinanzgesetz vorgesehenen Mittel für Werbemaßnahmen in ÖVP-geführten Bundesministerien, insbesondere im Vorfeld und in Zusammenhang mit Wahlkämpfen;

?   Schaffung und Gestaltung von Finanzierungsprogrammen des Bundes für Unternehmen spezifisch in Hinblick auf eine spätere Gegenleistung in Form einer Begünstigung von politischen Parteien oder WahlwerberInnen einschließlich von damit zusammenhängenden gesetzlichen Änderungen wie etwa im Falle des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetzes.

2. Einflussnahme auf Beteiligungen des Bundes

Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe, dem Zusammenwirken mit weiteren EigentümerInnen und jeweiligen OrganwalterInnen sowie der Ausübung von Aufsichtsrechten durch Mitglieder des Zusammenschlusses mit dem mutmaßlichen Ziel, die Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen im Sinne der ÖVP zu steuern, und insbesondere über

?   (vorzeitige) Abberufung von Organen ausgegliederter Gesellschaften, insbesondere in Hinblick auf die Bestellung von B[.] G[.]-[.] als ÖVP-Kandidatin in den Vorstand der Casinos Austria AG und das Bestehen eines politischen Hintergrunddeals für diese Bestellung; den durch vorzeitige Abberufungen entstandene Schaden für die Republik;

?   den Informationsfluss in Angelegenheiten des Beteiligungsmanagements zwischen dem Bundesministerium für Finanzen und den Bundesministern Blümel, Löger sowie Bundeskanzler Kurz, insbesondere in Hinblick auf die Auswahl von Organen der ÖBIB und ÖBAG und der Entstehung der Vorschläge für die Besetzung des Aufsichtsrats der ÖBAG sowie den Vorstand der ÖBAG;

?   Motive für Vorbereitungen für einen Verkauf (Privatisierung) von Anteilen an Beteiligungen des Bundes sowie entsprechende Szenarienentwicklung und Analyse, insbesondere von Anteilen der Austrian Real Estate als Tochter der Bundesimmobiliengesellschaft, und das Zusammenwirken mit ParteispenderInnen der ÖVP aus dem Immobiliensektor sowie die Rolle von R[.] B[.] in Hinblick auf die Geschäftstätigkeit der BIG und der ARE, insbesondere die Hintergründe des 99-jährigen Mietvertrags mit der BIG für das Gebäude der Postsparkasse.

3. Beeinflussung von Ermittlungen und Aufklärungsarbeit

Aufklärung über (versuchte) Einflussnahme auf die Führung von straf- und disziplinarrechtlichen Verfahren und die Verfolgung pflichtwidrigen Verhaltens von mit der ÖVP verbundenen Amtsträgern sowie über den Umgang mit parlamentarischen Kontrollinstrumenten zum mutmaßlichen Zweck der Behinderung der Aufklärungsarbeit im parteipolitischen Interesse der ÖVP, und insbesondere über

?   Einflussnahme durch Justiz- bzw InnenministerInnen, deren jeweilige Kabinette sowie durch C[.] P[.] einerseits und M[.] K[.], F[.] L[.] sowie A[.] H[.] andererseits auf Ermittlungsverfahren mit politischer Relevanz, insbesondere in Folge des Bekanntwerdens des 'Ibiza'-Videos sowie gegen (ehemals) hochrangige politische FunktionsträgerInnen der ÖVP wie Josef Pröll und Hartwig Löger; Vorwürfe der politisch motivierten Einflussnahme auf Strafverfahren gegen mit der ÖVP verbundenen Personen wie (potentielle) SpenderInnen, insbesondere Ermittlungen gegen R[.] B[.] in der Causa Chalet N;

?   Informationsflüsse über Ermittlungen in politisch für die ÖVP relevanten Verfahren an politische EntscheidungsträgerInnen und deren MitarbeiterInnen, insbesondere den Informationsstand des/der jeweiligen BundesministerIn für Justiz und des/der jeweiligen BundesministerIn für Inneres über laufende Ermittlungen im 'Ibiza'-Verfahrenskomplex; Weitergabe von vertraulichen Informationen an nicht-berechtigte Personen, insbesondere über Hausdurchsuchungen bei Hartwig Löger, Gernot Blümel, T[.] S[.] und S[.] B[.], sowie bei der ÖVP Bundespartei;

?   Pläne von mit der ÖVP verbundenen Personen für die Erlangung von Daten der WKStA, den Informationsfluss zwischen dem damaligen Bundesminister, seinem Kabinett und dem ehemaligen Bundeskanzler Kurz;

?   Einflussnahme auf aus der Veranlagung von Parteispenden an die ÖVP oder ihr nahestehende Organisationen resultierende Finanzstrafverfahren bzw die mögliche Verhinderung der Einleitung solcher Verfahren; Einflussnahme auf gegen (potentielle) SpenderInnen der ÖVP geführte Finanzstrafverfahren;

?   die Ausübung der Fach- und Dienstaufsicht gegenüber der WKStA, insbesondere durch die Oberstaatsanwaltschaft Wien und deren Leiter J[.] F[.], und die mutmaßlich schikanöse Behandlung der WKStA in für die ÖVP politisch relevanten Fällen;

?   Vorwürfe der Behinderung der Beweiserhebungen des Ibiza-Untersuchungsausschusses, insbesondere die interne Vorbereitung und Kommunikation zur Frage der Erfüllung der Beweisanforderungen und Erhebungsersuchen des Ausschusses im Bundesministerium für Finanzen einschließlich der Einbindung des Bundesministers für Finanzen und der Finanzprokuratur in diese Angelegenheiten zum mutmaßlichen Zwecke des Schutzes von mit der ÖVP verbundenen Personen einschließlich des Bundesministers Blümel selbst.

4. Begünstigung bei der Personalauswahl

Aufklärung über Bestellung von Personen in Organfunktionen des Bundes oder Ausübung von Nominierungsrechten des Bundes abseits jener in Beteiligungen des Bundes sowie Aufnahme von Personen in Beratungsgremien (insbesondere Think Austria) oder Delegationen mit dem mutmaßlichen Ziel, einen kontrollierenden Einfluss für mit der ÖVP verbundene Personen auf die Tätigkeiten dieser Organe zu erreichen, oder Bestellungen als mutmaßliche Folge oder in Erwartung einer Begünstigung der ÖVP, und insbesondere über

?   Einhaltung der Bestimmungen des Ausschreibungsgesetzes bei der Vergabe von Leitungsfunktionen in ÖVP-geführten Bundesministerien;

?   Interventionen für (ehemalige) PolitikerInnen der ÖVP und deren Versorgung mit Beschäftigungsverhältnissen; möglichen Schaden für den Bund durch Ermöglichung solcher Begünstigung insbesondere durch frühzeitige Abberufung anderer OrganwalterInnen oder die Schaffung neuer Funktionen;

?   Vorwürfe des 'Maßschneiderns' von Ausschreibungen von Leitungsfunktionen auf parteipolitisch loyale KandidatInnen durch Mitglieder des ÖVP-Zusammenschlusses;

?   Einhaltung der Qualifikationserfordernisse bei der Besetzung von Planstellen durch mit der ÖVP verbundene Personen, insbesondere durch MitarbeiterInnen politischer Büros von ÖVP-Regierungsmitgliedern."

1.2. Der vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 2. Dezember 2021 (mit näherer Begründung) gefasste grundsätzliche Beweisbeschluss lautet auszugsweise wie folgt (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Gemäß §24 Abs1 VO-UA hat der Geschäftsordnungsausschuss in einem grundsätzlichen Beweisbeschluss Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zu bezeichnen, die vom Untersuchungsgegenstand betroffen und daher zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes verpflichtet sind.

Unter dem Begriff 'Akten und Unterlagen' versteht der Geschäftsordnungsausschuss nicht nur Akten im formellen Sinn, sondern sämtliche schriftliche oder automationsunterstützt gespeicherte Dokumente, 'Handakten', Berichte, Korrespondenzen aller Art inkl. E-Mails, Entwürfe und sonstige Aufzeichnungen einschließlich Deckblätter, Einsichtsbemerkungen, Tagebücher, Terminkalender, Antrags- und Verfügungsbögen, Weisungen, Erlässe, Aktenvermerke, Sprechzettel, Entscheidungen, schriftliche Bitten, Berichte, Protokolle von Besprechungen und Sitzungen aller Art, Gedächtnisprotokolle, Notizen, Inhalte elektronischer Aktenführung und dergleichen, unabhängig von Art und Ort der Aufbewahrung oder Speicherung. Gleichzeitig sind die für die Auslesbarkeit erforderlichen Programme, Passwörter, Verfahren und dergleichen mitvorzulegen, sofern diese nicht in der Parlamentsdirektion verfügbar sind.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genügt es, dass solche Akten und Unterlagen abstrakt für die Untersuchung von Relevanz sein könnten.

Die Übermittlung hat (auf Grund der dazwischenliegenden Feiertage) binnen sechs Wochen, spätestens jedoch am 26. Jänner 2022 zu erfolgen.

Die Übermittlung der Akten und Unterlagen hat soweit möglich geordnet nach den Beweisthemen 1-4 zu erfolgen.

Darüber hinaus sind alle öffentlichen und nicht öffentlichen Dokumente sowie alle Dokumente der Klassifizierungsstufe 1 'EINGESCHRÄNKT' gemäß Informationsordnungsgesetz in elektronischer Form (im Originaldateiformat oder ansonsten mit 300dpi texterfasst gescannt) auf Datenträgern (nicht per E-Mail – mit Ausnahme von Leermeldungen) zu übermitteln.

Akten und Unterlagen der Klassifizierungsstufe 2 'VERTRAULICH', der Klassifizierungsstufe 3 'GEHEIM' und der Klassifizierungsstufe 4 'STRENG GEHEIM' gemäß InfOG sind ausschließlich in Papierform (sofern dies nicht auf Grund ihrer Beschaffenheit ausscheidet wie insb. bei Video- und Audiodateien bzw Augenscheingegenständen) und jeweils in zweifacher (Stufe 2) bzw sechsfacher (Stufe 3 und 4) Ausfertigung anzuliefern.

Klassifizierungen gemäß InfOG sind nur in dem Ausmaß und Umfang vorzunehmen, als dies unbedingt notwendig ist. Zu schützende Aktenteile sind exakt zu kennzeichnen, gegebenenfalls zu trennen und jedenfalls nicht pauschal zu klassifizieren. Klassifizierungen sind im Einzelnen nachvollziehbar zu begründen, insbesondere in Hinblick auf die drohende Schädigung gemäß §4 Abs1 InfOG (§27 Abs6 VO-UA, §5 Abs2 InfOG). Es wird außerdem auf §27 Abs3 VO-UA und §5 Abs2 InfOG hingewiesen.

Jeder Vorlage ist ein Inhaltsverzeichnis beizufügen. Für die Abwicklung der Vorlage trifft die Parlamentsdirektion entsprechende Vorkehrungen und übermittelt nähere technische Anforderungen. Diese werden der Beschlussausfertigung beigeschlossen.

Akten und Unterlagen sind fortlaufend für die Dauer der Untersuchung zu übermitteln, selbst wenn diese erst nach Wirksamwerden dieses Beschlusses entstehen oder hervorkommen. Die Übermittlung hat alle zwei Monate jeweils zum Monatsletzten gesammelt zu erfolgen (somit erstmals mit 31. März 2022) bzw auf Grund ergänzender Beweisanforderungen (§25 VO-UA) in der in diesen enthaltenen Fristen.

Wird die Vorlage von Akten- und Unterlagen (teilweise) abgelehnt, ist im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs der Akten- und Unterlagenbestand zu umschreiben und die Gründe für die Ablehnung im Einzelnen und substantiiert zu begründen.

Der Wortlaut des Untersuchungsgegenstands und der Beweisthemen ist der Beilage zu entnehmen.

Bezeichnung der betroffenen Organe

Folgende Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper sind gemäß §24 Abs3 VO-UA vom Untersuchungsgegenstand betroffen und haben daher gemäß §24 Abs1 VO-UA unter Bedachtnahme auf §24 Abs3 letzter Satz und §27 VO-UA ihre Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstandes im Sinne der Anforderungen an die Vorlage von Akten und Unterlagen vollständig vorzulegen:

[…]

3.   Die Mitglieder der Bundesregierung jeweils samt aller nachgeordneten Organe und sonstige ihnen unterstehenden Einrichtungen sowie ihrer etwaigen Vorgänger- und Nachfolgeorgane und -einrichtungen.

[…]"

1.3. In der 27. Sitzung des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses am 14. Juli 2022 richtete das (im verfassungsgerichtlichen Verfahren) antragstellende Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gemäß §25 Abs2 VO-UA 29 Verlangen an den Untersuchungsausschuss, die jeweils näher bezeichneten Mitglieder der Bundesregierung zu verpflichten, alle für das bzw durch das

?    Kabinett im Bundeskanzleramt im Zeitraum 17. Mai 2016 bis 18. Dezember 2017 (Kabinett Kern)

?    Kabinett im Bundeskanzleramt im Zeitraum ab Beginn des Untersuchungszeitraums bis 9. Mai 2016 (Kabinett Faymann)

?    Kabinett im Bundeskanzleramt im Zeitraum ab Beginn des Untersuchungszeitraums bis 6. Dezember 2016 (Kabinett der Kanzleramtsministerin Heinisch-Hosek)

?    Kabinett im Bundeskanzleramt im Zeitraum 18. Mai 2016 bis 18. Dezember 2017 (Kabinett des Kanzleramtsministers Drozda)

?    Kabinett im Bundeskanzleramt im Zeitraum 16. Dezember 2013 bis 18. Mai 2016 (Kabinett des Kanzleramtsministers Ostermayer)

?    Kabinett im Unterrichtsministerium im Zeitraum ab Beginn des Untersuchungszeitraums bis 16. Dezember 2013 (Kabinett Schmied)

?    Kabinett im Unterrichtsministerium im Zeitraum ab 1. März 2014 bis 18. Mai 2016 (Kabinett Heinisch-Hosek)

?    Kabinett im Bildungsministerium im Zeitraum 18. Mai 2016 bis 18. Dezember 2017 (Kabinett Hammerschmid)

?    Kabinett im Innenministerium im Zeitraum 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 (Kabinett Kickl)

?    Kabinett im Bundesministerium für Justiz im Zeitraum 6. Dezember 2021 bis 11. Oktober 2021 (Kabinett Zadic)

?    Kabinett im Bundesministerium für Verkehr im Zeitraum ab Beginn des Untersuchungszeitraums bis 1. September 2014 (Kabinett Bures)

?    Kabinett im Bundesministerium für Verkehr im Zeitraum 1. September 2014 bis 26. Jänner 2016 (Kabinett Stöger)

?    Kabinett im Bundesministerium für Verkehr im Zeitraum 26. Jänner 2016 bis 18. Mai 2016 (Kabinett Klug)

?    Kabinett im Bundesministerium für Verkehr im Zeitraum 18. Mai 2016 bis 18. Dezember 2017 (Kabinett Leichtfried)

?    Kabinett im Bundesministerium für Verkehr im Zeitraum 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 (Kabinett Hofer)

?    Kabinett im Bundesministerium für Verkehr im Zeitraum 3. Juni 2019 bis 7. Jänner 2020 (Kabinett Reichhardt)

?    Kabinett im Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Zeitraum 29. Jänner 2020 bis 11. Oktober 2021 (Kabinett Gewessler)

?    Kabinett im Bundesministerium für den öffentlichen Dienst im Zeitraum 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 (Kabinett Strache)

?    Kabinett im Bundesministerium für den öffentlichen Dienst im Zeitraum 6. Dezember 2021 bis 11. Oktober 2021 (Kabinett Kogler)

?    Kabinett im Bundesministerium für Landesverteidigung im Zeitraum ab Beginn des Untersuchungszeitraums bis 11. März 2013 (Kabinett Darabos)

?    Kabinett im Bundesministerium für Landesverteidigung im Zeitraum 11. März 2013 bis 26. Jänner 2016 (Kabinett Klug)

?    Kabinett im Bundesministerium für Landesverteidigung im Zeitraum 26. Jänner 2016 bis 18. Dezember 2017 (Kabinett Doskozil)

?    Kabinett im Bundesministerium für Landesverteidigung im Zeitraum 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 (Kabinett Kunasek)

?    Kabinett im Bundesministerium für Landesverteidigung im Zeitraum 3. Juni 2019 bis 7. Jänner 2020 (Kabinett Starlinger)

?    Kabinett im Gesundheitsministerium im Zeitraum 18. Dezember 2017 bis 22. Mai 2019 (Kabinett Hartinger-Klein)

?    Kabinett im Gesundheitsministerium im Zeitraum ab Beginn des Untersuchungszeitraums bis 1. September 2014 (Kabinett Stöger)

?    Kabinett im Gesundheitsministerium im Zeitraum 8. März 2017 bis 18. Dezember 2017 (Kabinett Rendi-Wagner)

?    Kabinett im Gesundheitsministerium im Zeitraum 7. Jänner 2020 bis 19. April 2021 (Kabinett Anschober)

?    Kabinett im Gesundheitsministerium im Zeitraum 19. April 2021 bis 11. Oktober 2021 (Kabinett Mückstein)

"erstellte[n] Planungsdokumente sowie Akten und Unterlagen betreffend Vorbereitung auf Klausurtage, Strategieklausuren etc., insbesondere

?    alle Akten und Unterlagen, die die Inhalte erfolgter Planungen festhalten wie Protokolle, Powerpoint Präsentationen etc.;

?    Akten und Unterlagen zu abgehaltenen Workshops;

?    Belege der Verwendung erarbeiteter Unterlagen;

?    Akten und Unterlagen betreffend externer Beauftragungen für die Prozessbegleitung;

?    Leistungsaufstellungen und Abrechnungen;

?    Sämtliche Korrespondenzen bezüglich der Prozesse sowohl ministeriumsintern als auch mit extern beauftragten Personen und Unternehmen (Emails udg.)

vorzulegen, sofern diese nicht bereits übermittelt wurden.

Die Definition von Akten und Unterlagen sowie die sonstigen Anforderungen des grundsätzlichen Beweisbeschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrats vom 2.12.2021 (vgl Anlage 1 zu 1215 BIgNR XXVII.GP) sind anzuwenden. Bei bereits dem Untersuchungsausschuss vorgelegten Akten und Unterlagen ist die ggst. Beweisanforderung durch einen Hinweis auf die bereits erfolgte Lieferung und Fundstelle erfüllt. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass von dieser Aufforderung auch Akten und Unterlagen, die bereits dem Staatsarchiv übergeben wurden, mitumfasst sind.

Die Vorlagefrist beträgt sechs Wochen".

Diese Verlangen wurden – jeweils gleichlautend – wie folgt begründet (ohne die in den Originalen enthaltenen Hervorhebungen):

"Begründung

1. Der UA 4/US XXVII. GP kann sein Ziel, Aufklärung zu politischen Zwecken, nur erreichen, wenn er über eine umfassende Informationsgrundlage verfügt. Das B-VG räumt dem Untersuchungsausschuss daher ein die Legislative einseitig begünstigendes Recht zur Selbstinformation ein.

Der Untersuchungsausschuss hat auf Grund des Einsetzungsverlangens ua zu prüfen:

'1. Beeinflussung von Vergabe- und Förderverfahren

Aufklärung über Vorwürfe der parteipolitischen Beeinflussung der Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Beratung, Forschung, Kommunikation und Werbung einschließlich Eventmanagement sowie von Aufträgen und Förderungen mit einem Volumen von 40.000 Euro oder mehr zu mutmaßlichen Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen und den dem Bund daraus entstandenen Kosten, und insbesondere über

(…)

?   mögliche Kick-Back-Zahlungen zu wirtschaftlichen Gunsten der ÖVP oder mit ihr verbundenen natürlichen oder juristischen Personen, insbesondere in Hinblick auf die indirekte Finanzierung von Wahlkampfaktivitäten durch das Verlangen eines Überpreises gegenüber Organen des Bundes bei Auftragsvergaben, insbesondere bei Aufträgen des Bundesministeriums für Inneres an Werbeagenturen in der Amtszeit von Wolfgang Sobotka;

?   mögliche Umgehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu Gunsten von mit der ÖVP verbundenen Personen, insbesondere im Wege von Rahmenverträgen der Bundes-Beschaffungsgesellschaft sowie von Aufträgen an das Bundesrechenzentrum;

(…)

?   Vergabe von Förderungen der Bundesministerien und mit Förderzwecken des Bundes betrauten Einrichtungen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische, insbesondere über die Rechtfertigung des Förderzwecks und über die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch die FördernehmerInnen sowie die Angemessenheit der Förderhöhe im Vergleich zu gleich gelagerten Förderanträgen; (…)'

2. Dem Untersuchungsausschuss liegen bereits Akten und Unterlagen vor, die nicht nur interne strategische Planungen von Kabinetten dokumentieren, sondern auch eine externe Betreuung dieser internen Prozessausrichtung und Strategieplanung belegen. Aus den vorliegenden Unterlagen ist jedoch nicht ersichtlich welche Dokumente im Zuge der Planungen erstellt worden und welche Leistungen bei einer externen Prozessbegleitung abgerechnet worden sind.

3. Von im UA 4/US XXVII. GP vertretenen Fraktionen wird folgendes in den Raum gestellt: 'Bei der Durchsicht von dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung stehenden Akten und Unterlagen wurde festgestellt, dass es bei einigen Beauftragungen zu Leistungen seitens der Unternehmen gekommen ist, die nicht dem entsprechenden Ministerium selbst zugutegekommen sind, sondern viel mehr als Grundlage für die Arbeit der ÖVP dienen sollten oder durch ein offensichtliches Missverhältnis zwischen bezahlter und tatsächlich erhaltener Leistung zu Vorteilen für mit der ÖVP verbundenen Personen geführt haben könnten.

Beispielhaft kann an dieser Stelle das im BMF 2017 stattgefundene Projekt unter dem Titel 'Organisationsentwicklung' genannt werden, dessen durch ICG ausgearbeiteter Inhalt nicht als Grundlage für die Arbeit des BMF herangezogen wurde, sondern offensichtlich die ÖVP auf die kommenden Koalitionsverhandlungen vorbereiten sollte. Somit liegt eine sachfremde Verwendung von öffentlichen Mitteln zu Zwecken der ÖVP vor, da diese sich somit einen Aufwand zur Vorbereitung von Koalitionsverhandlungen erspart hat.

Ein weiteres Beispiel ist die Vergabe des Auftrages der Leitbilderstellung für das BMDW im Jahr 2019 an die Karmasin Researchand Identity GmbH, bei dem nicht nur die Auftragserteilung selbst einige Fragen aufwirft, sondern auch die letztendlich entstandenen Kosten iHv 125.000 nicht mit der tatsächlich gelieferten Leistung in Einklang zu bringen sind.

Mit der nun vorliegenden Beweisanforderung soll Beweis darüber geführt werden, welche Vorteile mit der ÖVP verbundenen Personen durch Organe des Bundes gewährt wurden. Aus den bereits vorliegenden Akten und Unterlagen ist ersichtlich, dass es in den Kabinetten im Rahmen der Strategieplanung zu einer für die ÖVP prioritären Themensetzung gekommen ist, bzw, dass Leistungen externer Dienstleister nicht für das Ministerium selbst, sondern für die ÖVP erstellt worden sind. Mit der vorliegenden Beweisanforderung soll somit Beweis darüber geführt werden, welche Fälle sachfremder Mittelverwendung im BMLRT, durch die Abrechnung von der ÖVP zugutegekommenen Leistungen durch das Ministerium vorliegen.'

4. Die gegenständliche ergänzende Beweisanforderung wurde von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses bereits an einzelne, unter der Leitung von der ÖVP zuzurechnenden Ministern stehende, Ressorts gerichtet. Damit sich der Untersuchungsausschuss ein möglichst umfassendes Bild machen kann, ist es notwendig, die in diesem Verlangen angeführten Akten und Unterlagen aus allen Kabinetten aus allen Ressorts des Untersuchungszeitraums anzufordern.

5. Hinsichtlich der Akten und Unterlagen, auf die sich diese Aufforderung bezieht, ist aufzuführen, dass eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene natürliche oder juristische Personen selbstverständlich auch in Bundesministerien stattgefunden haben kann, die nicht vom einem Bundesminister oder von einer Bundesministerin geleitet werden, der oder die mit der ÖVP verbunden ist. Dementsprechend hat auch der Geschäftsordnungsausschuss einstimmig beschlossen, den grundsätzlichen Beweisbeschluss an alle Bundesministerien zu richten, unabhängig davon, ob deren Leitung mit Organwalterinnen oder -waltern besetzt sind, die der ÖVP zurechenbar sind.

Schon aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass der Umstand, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass eine Person mit der ÖVP verbunden ist, in unterschiedlichsten Konstellationen gegeben und die Verbundenheit unterschiedlichster Natur sein kann. Keinesfalls genügt daher, die Prüfung der Verbundenheit mit der ÖVP rein auf die Mitgliedschaft bei der ÖVP zu beschränken (ganz abgesehen davon, dass es öffentlichen Stellen schon aus datenschutzrechtlichen Erwägungen untersagt wäre, derartige Informationen zu erheben und zu verarbeiten).

Daher ist es den vorlagepflichtigen Stellen anhand der im Einsetzungsverlangen enthaltenen Determinanten nicht möglich, Akten und Unterlagen mit der Begründung auszusondern und dem Untersuchungsausschuss vorzuenthalten, dass diese keine Auskünfte über eine Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen enthalten oder lediglich eine Gewährung derartiger Vorteile betreffen, die nicht durch den im Einsetzungsverlangen angesprochenen Zusammenschluss aus ÖVP-Regierungsmitgliedern und Mitarbeiterinnen bzw Mitarbeiter deren politischer Büros unter der Leitung von Sebastian Kurz veranlasst wurde.

Es muss vielmehr dem Untersuchungsausschuss selbst möglich sein, bei allen Vergabe- und Förderverfahren zu prüfen, ob die im Untersuchungsgegenstand umschriebenen Umstände vorliegen, weil ausschließlich der Untersuchungsausschuss aufgrund seiner vielfältigen ihm zur Verfügung stehenden Informationen (Akten und Unterlagen, Erhebungsersuchen, Befragung von Auskunftspersonen) in der Lage ist, auf Grundlage von ihm selbst anhand politischer Wertungen entwickelter Maßstäbe zu beurteilen, ob eine Person mit der ÖVP verbunden ist bzw ob die anderen im Einsetzungsverlangen angeführten Kriterien vorliegen.

Anders gewendet: Im Rahmen des ersten Beweisthemas hat der Untersuchungsausschuss zu prüfen, ob eine Person mit der ÖVP verbunden ist, ob diese Person begünstigt wurde und ob schließlich diese Begünstigung in einem Zusammenhang mit der Verbundenheit zur ÖVP steht. Eine solche Prüfung kann aber nur durch Vorlage der Unterlagen im beschriebenen Umfang erfolgen.

So kommt auch Univ. Prof. Dr. J[.] in seinem vorhin zitierten Gutachten zum Ergebnis, dass es gemäß Art53 Abs3 B-VG geboten ist, dass die im grundsätzlichen Beweisbeschluss genannten vorlagepflichtigen Organe – somit auch die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie – prinzipiell 'alle Akten und Unterlagen vorlegen, Vergabe und Förderverfahren [...] betreffen, und zwar – wegen der Einbeziehung zeitlich vorgelagerter 'Vorbereitungshandlungen' – selbst dann, wenn diese Dokumente schon vor dem Untersuchungszeitraum entstanden sind, aber in einem Zusammenhang mit dem – wie auch immer abzugrenzenden – 'Projekt Ballhausplatz' stehen bzw zumindest stehen könnten.'

6. Darüber hinaus muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein, bei der Untersuchung die Vorgehensweisen unterschiedlicher Zentralstellen und nachgelagerter Dienststellen zu vergleichen, um anhand festgestellter Unterschiede zu untersuchen, ob diese Unterschiede auf das Vorliegen von Vorgängen im Sinn des Untersuchungsgegenstandes schließen lassen.

So hat auch die Vorsitzende in der 24. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 29.06.2022, Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures, eine Frage, die auf einen derartigen Vergleich gerichtet war, für zulässig erklärt und damit festgestellt, dass eine derartige Frage durch das in der Ladung festgelegte Beweisthema gedeckt ist (vgl vorläufiges stenographisches Protokoll, Mag. J[.] P[.], ÖVP-Korruptions-UsA-XXVII.GP, 24. Sitzung, 29.06.2022, Seite 16).

7. Genauso muss es dem Untersuchungsausschuss möglich sein, aufgrund der eigenen Untersuchungen anhand der in dieser Aufforderung umschriebenen Akten und Unterlagen festzustellen, dass darin keine Hinweise auf die im ersten Beweisthema behaupteten und umschriebenen Handlungen enthalten sind, weil damit der Schluss nahe liegen könnte, dass die im ersten Beweisthema behaupteten und umschrieben Vorgänge nicht stattgefunden haben, was das Ergebnis des Untersuchungsausschusses sein kann. Dazu benötigt er aber zwingend die von dieser Aufforderung umfassten Akten und Unterlagen.

Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass im Rahmen der untersuchungsgegenständlichen Vorgänge Personen begünstigt werden, weil sie mit einer anderen Partei als der ÖVP verbunden sind. Unter dieser Voraussetzung könnte die Vorteilsgewährung an mit der ÖVP verbundene Personen ausgeschlossen werden. Es muss dem Untersuchungsausschuss daher möglich sein, auch derart gelagerte Sachverhalte zu prüfen, um sich ein Bild darüber machen zu können, ob die im ersten Beweisthema behaupteten und umschrieben Vorgänge stattgefunden haben.

8. Die Vorlagefrist beträgt sechs Wochen.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Nichtvorlage von Akten und Unterlagen, die vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind, einer besonderen Begründung bedarf."

1.4. Der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss fasste am 14. Juli 2022 mehrheitlich die Beschlüsse, den sachlichen Zusammenhang dieser Verlangen mit dem Untersuchungsgegenstand zu bestreiten. Die beschlussfassende Mehrheit des Untersuchungsausschusses begründete ihre Beschlüsse – jeweils gleichlautend – wie folgt (ohne die in den Originalen enthaltenen Hervorhebungen):

"Der Untersuchungsgegenstand des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses enthält […] mehrere kumulative Kriterien, deren (potentielles) Vorliegen für jedes einzelne Kriterium bejaht werden muss, um den fraglichen Sachverhalt in den Untersuchungsgegenstand einzubeziehen. Im Einsetzungsverlangen wird dazu ausgeführt:

'Die relevanten Akteure (die Mitglieder eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses bestehend aus der ÖVP zuzurechnenden Personen) und Handlungen (unsachliche Vorteilsgewährung sowie diesbezügliche Vorbereitungshandlungen auf Grundlage des 'Projekt Ballhausplatz'), der Zeitraum, der sachliche Umfang (Eignung zur parteipolitischen Begünstigung im Bereich der Vollziehung des Bundes) sowie die Zielrichtung der Untersuchung (Verdacht der Umgehung bzw Verletzung gesetzlicher Vorschriften) werden als konstitutive Merkmale des zu untersuchenden Vorgangs benannt. Gerade auf Grund des komplexen, der Untersuchung zu Grunde liegenden Sachver

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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