TE Vwgh Beschluss 2022/9/8 Ra 2022/02/0132

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Veröffentlicht am 08.09.2022
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger als Richter sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des F in P, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 6. Mai 2022, KLVwG-562/8/2022, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirchen), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 23. Februar 2022 wurde über den Revisionswerber wegen der näher konkretisierten Übertretung des § 52 lit. a Z 10a StVO (Überschreiten der kundgemachten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 49 km/h) gemäß § 99 Abs. 2d StVO eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben.

2        2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und präzisierte die verletzte Verwaltungsvorschrift. Weiters verpflichtete es den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

3        2.2. Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber ein näher bestimmtes Motorrad zur Tatzeit am Tatort gelenkt habe und dabei die außerhalb eines Ortsgebietes kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 49 km/h überschritten habe. Diese Geschwindigkeitsbeschränkung sei mit näher bezeichneter Verordnung der belangten Behörde im Bereich bestimmter Straßenkilometer im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs festgelegt worden; im Bereich der verordneten Geschwindigkeitsbeschränkung habe der Revisionswerber die Verwaltungsübertretung begangen. Das Messgerät sei zum Tatzeitpunkt geeicht gewesen.

4        2.3. Beweiswürdigend hielt das Verwaltungsgericht fest, es habe den Meldungsleger in der Verhandlung vernommen, der Revisionswerber habe zu einer Motorradgruppe gehört und sei als „Nachzügler“ mit größerem Abstand hinter der Gruppe gefahren; in der Folge habe er aufholen wollen und zu diesem Zweck in einer Rechtskurve beschleunigt und auf einem geraden Straßenstück stark beschleunigt. Die Lasermessung habe kurz nach der Rechtskurve begonnen; das Verkehrszeichen befinde sich einen Kilometer vor dem Tatort. Der Revisionswerber habe angegeben, die Beschränkungstafel nicht gesehen zu haben.

5        2.4. Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, die Verordnung sei durch Straßenverkehrszeichen ordnungsgemäß kundgemacht worden; der objektive Tatbestand sei erfüllt, die Übertretung sei dem Revisionswerber subjektiv aus näheren Gründen auch vorwerfbar. Weiters begründete das Verwaltungsgericht die Strafbemessung: Der Revisionswerber habe keine Angaben zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gemacht. Die Strafe (€ 250) bewege sich im unteren Bereich des Strafrahmens (€ 150 bis € 5.000), sei schuldangemessen und auch im Hinblick auf spezial- und generalpräventive Erwägungen angemessen.

6        3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Diese erweist sich als unzulässig.

7        3.2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision - gesondert -vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       3.3.1. Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe die verletzte Verwaltungsvorschrift nicht in jener Fassung angegeben, durch die sie ihre zum Tatzeitpunkt gültige Fassung erhalten habe, was näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes widerspreche. Darüber hinaus sei jene Verordnung der belangten Behörde, durch die die sonst auf Freilandstraßen zulässige Geschwindigkeit auf 70 km/h reduziert worden sei, nicht im Spruch zitiert worden, weshalb der Spruch ergänzungsbedürftig sei.

11       Hiezu ist zunächst auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 27. Juni 2022, Ra 2021/03/0328 (VS) ausgeführt hat, dass es bei der Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift und der Sanktionsnorm gemäß § 44a Z 2 und 3 VStG darauf ankommt, dass die Norm (lediglich) unverwechselbar konkretisiert wird, damit die beschuldigte Person in die Lage versetzt wird, dem Vorwurf entsprechend zu reagieren und ihr Rechtsschutzinteresse zu wahren (vgl. zu § 44a Z 1 VStG etwa VwGH 25.11.2021, Ra 2020/11/0134, mwN). Maßgeblich ist daher, dass die Angabe der verletzten Verwaltungsvorschrift (§ 44a Z 2 VStG) und der bei der Verhängung der Strafe angewendeten Gesetzesbestimmung (§ 44a Z 3 VStG) in einer Weise erfolgt, die den Beschuldigten in die Lage versetzt, sich gegen den Tatvorwurf verteidigen zu können und nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt zu sein (im Hinblick auf § 44a Z 2 VStG) bzw. nachvollziehen zu können, welche konkrete Sanktionsnorm herangezogen wurde, um die Zulässigkeit und die Höhe der über ihn verhängten Strafe überprüfen zu können (im Hinblick auf § 44a Z 3 VStG).

12       Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt hat, liegt - sofern nicht aus besonderen Gründen (etwa aufgrund gestaffeltem, verzögertem oder später geändertem Inkrafttreten) für den Rechtsanwender Unsicherheit über die angewendete Fassung bestehen kann -, eine Verletzung der Anforderungen des § 44a Z 2 und 3 VStG daher jedenfalls nicht vor, wenn die angewendete Rechtsvorschrift in ihrer Gesamtheit mit der zuletzt (vor dem Tatzeitpunkt) erfolgten Novellierung zitiert wird, oder wenn die zuletzt vor dem Tatzeitpunkt erfolgte Novellierung bezogen auf einzelne Paragraphen oder Artikel der Rechtsvorschrift zitiert wird, ohne dass mit den zitierten Änderungen zwingend auch die jeweils konkret anzuwendende Untergliederung der Rechtsvorschrift geändert wurde. Selbst ein Unterbleiben der Angabe der Fundstelle kann aber dann keine Verletzung in einem subjektiven Recht der beschuldigten Person bewirken, wenn die herangezogene Rechtsvorschrift für diese aus dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein konnte.

13       Derartiges legt der Revisionswerber in seinem Zulässigkeitsvorbringen nicht dar, sodass ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes durch das Verwaltungsgericht nicht ersichtlich ist.

14       Darüber hinaus ist es ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass es bei einer Übertretung des § 52 Z 10a StVO nicht der zusätzlichen Anführung der zugrundliegenden Verordnung im Spruch bedarf (vgl. z.B. VwGH 23.10.1986, 86/02/0096; 11.5.1990, 89/18/0171; 21.10.1992, 92/02/0244). Auch mit diesem Vorbringen wird daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dargetan.

15       3.3.2. Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht begründe weder in der mündlichen Verhandlung noch im schriftlichen Erkenntnis, warum die mündliche Verkündung nach Schluss der Verhandlung unterblieben sei. In der Verhandlung sei nur der Meldungsleger einvernommen worden, sodass sofort zu verkünden gewesen wäre.

16       Der Spruch des Erkenntnisses und seine wesentliche Begründung sind gemäß § 47 Abs. 4 letzter Satz VwGVG nach Möglichkeit sofort (nach Schluss der Verhandlung) zu beschließen und zu verkünden.

17       Kann das Erkenntnis nicht sogleich im Anschluss an die Verhandlung verkündet werden, insbesondere wenn komplexe Rechtsfragen zu klären sind oder erst in der Verhandlung neue Beweismittel vorgelegt wurden, die das Verwaltungsgericht noch prüfen/werten muss, entfällt die Verkündung (arg. „nach Möglichkeit“). In diesem Fall ergeht die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nur schriftlich (vgl. VwGH 12.11.2020, Ra 2020/15/0068; 17.4.2020, Ra 2020/04/0029). Es kommt nach hg. Rechtsprechung somit stets darauf an, ob im Einzelfall - etwa wegen der Komplexität der Sach- oder Rechtslage - eine sofortige Verkündung möglich gewesen wäre (vgl. VwGH 29.10.2020, Ra 2020/11/0039, mwN). Nichts anderes ergibt sich auch aus den im Zulässigkeitsvorbringen der Revision ins Treffen geführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. September 2019, Ra 2019/02/0110, sowie vom 4. März 2022, Ra 2020/02/0229, wonach es dort eben nicht offensichtlich gewesen sei, dass die Verkündung des Spruches des Erkenntnisses und seiner wesentlichen Begründung nach dem Schluss der Verhandlung nicht möglich gewesen wäre. Solches ist jedoch im Revisionsfall im Hinblick auf das Vorbringen des Revisionswerbers und das Erfordernis der Anpassung des Spruches offensichtlich, sodass ein Abweichen von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht vorliegt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich daher aus diesem Grund nicht.

18       3.3.3. Weiters bringt der Revisionswerber zur Zulässigkeit seiner Revision vor, es läge ein Verstoß gegen die Begründungspflicht bzw. sekundäre Feststellungsmängel vor, weil es keine Feststellungen zum zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung gebe, zumal es keinen Aktenvermerk über den Zeitpunkt der Anbringung der Verkehrszeichen gebe. Es könne nicht geprüft werden, ob der 5-Meter-Judikatur zur ordnungsgemäßen Kundmachung entsprochen worden sei.

19       Dazu ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht - wenn auch disloziert in seiner Beweiswürdigung aufgrund der Aussage des Meldungslegers - festgestellt hat, dass sich das Verkehrszeichen „mit der 70-er Beschränkung“ in jedem Fall einen Kilometer vor dem Tatort befinde. Die Ausführungen in der Revision zur 5-Meter-Judikatur sind vage und laufen auf einen unzulässigen, weil auf Mutmaßungen basierenden, Erkundungsbeweis hinaus, zu dessen Aufnahme das Verwaltungsgericht im konkreten Fall nicht verpflichtet war (vgl. VwGH 9.9.2016, Ra 2014/02/0059, mwN; 11.1.1018, Ra 2017/02/0266). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird damit nicht dargetan.

20       3.3.4. Zuletzt macht der Revisionswerber zur Zulässigkeit der Revision geltend, das Verwaltungsgericht habe eine unvertretbare, weil nicht nachvollziehbare Strafbemessung durchgeführt. Das Verwaltungsgericht habe seine Unbescholtenheit nicht berücksichtigt bzw. gar nicht festgestellt, was jedoch zu einer günstigeren Strafbemessung geführt hätte. Welche spezialpräventiven Erwägungen das Verwaltungsgericht herangezogen habe, lege das Verwaltungsgericht nicht offen.

21       Bei der Strafbemessung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die nach den vom Gesetzgeber in § 19 VStG festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Vom Verwaltungsgerichtshof ist daher (bloß) zu prüfen, ob das Verwaltungsgericht von dem ihm eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, das heißt, ob die verhängte Strafe unter Bedachtnahme auf die Strafbemessungsgründe vertretbar erscheint (VwGH 30.7.2018, Ra 2017/02/0140, mwN). Dies vorzubringen ist Aufgabe des jeweiligen Revisionswerbers.

22       Im Allgemeinen stellen einzelfallbezogene Abwägungen bei der Strafbemessung keine grundsätzliche Rechtsfrage dar (vgl. beispielsweise VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0018, mwN). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann eine falsche oder fehlende Feststellung über die Unbescholtenheit nicht mit Erfolg ins Treffen geführt werden, wenn die Strafe im Hinblick auf die Schwere der Übertretung angemessen ist und Gründe der Spezialprävention gegen eine Herabsetzung sprechen (vgl. VwGH 13.2.1991, 91/03/0014, mwN). Inwiefern die über den Revisionswerber verhängte Strafe, die sich ohnehin im untersten Bereich des bis € 5.000 reichenden Strafrahmens bewegt, weiter zu reduzieren wäre, stellt die Revision nicht dar, sodass die Revision nicht von der aufgezeigten Rechtsfrage abhängt (vgl. VwGH 30.9.2021, Ra 2021/02/0195; zur Berücksichtigung der Spezialprävention bei Geschwindigkeitsübertretungen, die einer Herabsetzung der Geldstrafe entgegensteht vgl. z.B. VwGH 18.9.1991, 91/03/0043).

23       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 8. September 2022

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020132.L00

Im RIS seit

07.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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