TE Vwgh Erkenntnis 2022/9/5 Ra 2022/03/0023

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Veröffentlicht am 05.09.2022
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Marktgemeinde O, vertreten durch die Loimer Scharzenberger Rechtsanwälte Partnerschaft in 5020 Salzburg, Imbergstraße 6, 10G, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 27. Dezember 2021, Zl. 405-8/462/1/2-2021, betreffend einen Vergütungsanspruch nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Gemeinde stellte am 21. Dezember 2020 gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) einen Antrag auf Vergütung für den Verdienstentgang durch die behördliche Absonderung einer bestimmten Bediensteten und gab dabei als „Zeitraum der behördlichen Maßnahme (Absonderung)“ den Zeitraum von 2. bis 12. November 2020 an.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 2021 wurde der Revisionswerberin ein Vergütungsbetrag in näher bezeichneter Höhe für den Zeitraum von 4. bis 12. November 2020 zuerkannt und das Mehrbegehren abgewiesen. Dem legte die Behörde im Wesentlichen zugrunde, dass die mit Bescheid vom 4. November 2020 ausgesprochene behördliche Absonderung der Bediensteten von 4. bis 12. November 2020, sohin neun Tage, gedauert habe. Für den „zu viel beantragten Zeitraum“ (gemeint: 2. und 3. November 2020) sei eine Absonderung nach § 7 EpiG durch die Behörde nicht verfügt worden. Für diesen Zeitraum bestehe daher kein Vergütungsanspruch.

3        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg die gegen den Bescheid erhobene Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 4. November 2020 sei „eine Absonderung der Dienstnehmerin als positiv auf SARS-CoV-2 getestete Person“ erfolgt. Im Bescheidspruch sei wie folgt verfügt worden: „Zur Verhinderung der Weiterverbreitung von SARS-CoV-2 wird verfügt, dass [...] die Wohnung mit der Anschrift [...] für 10 Tage ab Symptombeginn / bei asymptomatischen Personen ab Probennahme 02.11.2020 bis einschließlich 12.11.2020 nicht verlassen darf.“ Diese Maßnahme sei am 4. November 2020 unmittelbar telefonisch angeordnet worden.

5        In seinen Erwägungen wies das Verwaltungsgericht unter anderem auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 2021, Ra 2021/09/0189, hin. Demnach stelle die Rechtsfrage, ob und in welchem zeitlichen Umfang eine anspruchsbegründende Absonderung vorgelegen sei, eine für die Berechnung von Vergütungen notwendige Vorfrage dar. Dazu liege fallbezogen der in Rechtskraft erwachsene Bescheid vor, der auch über den Zeitraum, in welchem die bei der Revisionswerberin beschäftigte Bedienstete abgesondert gewesen sei, abgesprochen habe. Dieser Absonderungsbescheid binde (ungeachtet der Frage seiner Rechtmäßigkeit) auch das Verwaltungsgericht. Die behördliche Verfügung sei durch den Absonderungsbescheid vom 4. November 2020 bzw. die Verkündung der häuslichen Quarantäne am selben Tag erfolgt. An der Formulierung des Bescheidspruches zeige sich unzweifelhaft, dass die Behörde eine Absonderung der Bediensteten ausschließlich für die Zukunft verfügt habe. Das Datum des Symptombeginns bzw. der Probennahme sei lediglich als „begründendes Element für die rechnerische Ermittlung bzw bessere Nachvollziehbarkeit des letzten Tages der Absonderung“ anzusehen. Zudem habe die Behörde im Bescheidspruch unter Verwendung des Präsens ausgesprochen, dass „die Maßnahme zur Vermeidung der Ausbreitung von SARS-CoV-2 verfügt wird“. Die häusliche Quarantäne zur Vermeidung der Ausbreitung sei naturgemäß nur als eine in die Zukunft gerichtete Maßnahme, und nicht rückwirkend, möglich.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst und unter Verweis auf die - auch vom Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung angeführte -Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend macht, das Verwaltungsgericht sei bei seiner Berechnung des Vergütungsanspruches zu Unrecht vom Zeitraum des Absonderungsbescheides und damit von der hg. Rechtsprechung abgewichen. Im Spruch des Absonderungsbescheides sei eine Absonderung für den Zeitraum von 2. bis 12. November 2020 angeordnet worden. Das Verwaltungsgericht habe die Bindungswirkung dieses Bescheides nicht beachtet.

7        Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9        Die Revision ist im Sinne des angeführten Zulassungsvorbringens zulässig und auch begründet.

10       Das Verwaltungsgericht stützte die Abweisung der Beschwerde im Wesentlichen darauf, dass mit Bescheid vom 4. November 2020 eine Absonderung ausschließlich für die Zukunft verfügt worden sei und eine solche rückwirkend nicht möglich sei. Dem ist zwar insoweit zuzustimmen, als der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass eine Absonderung durch Bescheid nach § 7 EpiG in die Zukunft gerichtet zu sein hat und keine rechtliche Grundlage dafür besteht, im Nachhinein - und damit rückwirkend - eine Absonderung durch Bescheid auszusprechen (vgl. VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173).

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat aber erkannt, dass die Rechtsfrage, ob und in welchem zeitlichen Umfang eine anspruchsbegründende Absonderung vorliegt, eine für die Berechnung von Vergütungen notwendige Vorfrage darstellt. Liegen zu dieser Frage rechtskräftige Bescheide vor, die auch über die Zeiträume der Absonderung absprechen, binden diese Bescheide (ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit) auch das Verwaltungsgericht (vgl. VwGH 22.9.2021, Ra 2021/09/0189, und die daran anknüpfende Folgejudikatur, etwa VwGH 10.2.2022, Ro 2022/03/0002; 10.2.2022, Ra 2022/03/0019; 8.4.2022, Ro 2022/03/0030).

12       Im vorliegenden Fall hat die Behörde die Absonderung (spätestens) ab Probennahme am 2. November 2020 angeordnet. Dabei handelte es sich zwar - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des Absonderungsbescheides - um eine rückwirkende Anordnung, die jedoch in Rechtskraft erwachsen ist und die für das Verwaltungsgericht nach der angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung deshalb bindend war.

13       Das Verwaltungsgericht hat dies im vorliegenden Fall verkannt und seiner Berechnung einen anderen Absonderungszeitraum zu Grunde gelegt.

14       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich aus diesem Grund als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

15       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Gebietskörperschaften sind gemäß § 24a Z 2 VwGG von der Entrichtung der Eingabengebühr befreit.

Wien, am 5. September 2022

Schlagworte

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European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030023.L00

Im RIS seit

06.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

06.10.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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