TE Vfgh Erkenntnis 1994/3/11 G73/93, G120/93, G146/93, G155/93, G229/93, G238/93

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Veröffentlicht am 11.03.1994
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Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/01 Wettbewerbsrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
EMRK Art10
UWG §9a

Leitsatz

Zulässigkeit der Individualanträge von Zeitungsverlagen auf Aufhebung des Zugabenverbots für periodische Druckwerke trotz zum Teil anhängiger Wettbewerbsprozesse und gleichartiger Gesetzesprüfungsanträge des zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenen Gerichts; kein Verstoß dieser Bestimmungen des UWG über das Verbot des Anbietens, der Ankündigung oder Gewährung von unentgeltlichen Zugaben (Prämien) einschließlich der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben neben periodischen Druckwerken gegen das Gleichheitsrecht, das Recht auf Erwerbsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestrebte, im öffentlichen Interesse gelegene Verhinderung eines Verdrängungswettbewerbs zu Lasten kleinerer Medienunternehmen im Sinne der Medienvielfalt

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Das Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. 147/1992, hatte ua. (s. dessen ArtII Abs2 Z3) das Zugabengesetz, BGBl. II 196/1934, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. 75/1971, aufgehoben und in das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. 448/1984 (im folgenden: UWG), einen §9a, überschrieben mit "Zugaben", eingefügt.

1.2. §9a UWG wurde durch die UWG-Novelle 1993, BGBl. 227/1993, ua. bezüglich Zugaben zu periodischen Druckwerken geändert (Neufassung des §9a Abs1; dem Abs2 wurde ein Satz angefügt) und hat nunmehr folgenden Wortlaut:

"Zugaben

§9 a (1) Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

1. in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, daß er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt, oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder

gewährt oder

2. Unternehmern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt, kann auf Unterlassung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Unentgeltlichkeit der Zugabe durch Gesamtpreise für Waren oder Leistungen, durch Scheinpreise für eine Zugabe oder auf andere Art verschleiert wird.

(2) Abs1 ist nicht anzuwenden, wenn die Zugabe besteht

1. in handelsüblichem Zugehör zur Ware oder handelsüblichen Nebenleistungen,

2.

in Warenproben,

3.

in Reklamegegenständen, die als solche durch eine

auffallend sichtbare und dauerhafte Bezeichnung des reklametreibenden Unternehmens gekennzeichnet sind,

              4.              in geringwertigen Zuwendungen (Prämien) oder geringwertigen Kleinigkeiten, sofern letztere nicht für Zusammenstellungen bestimmt sind, die einen die Summe der Werte der gewährten Einzelgegenstände übersteigenden Wert besitzen,

              5.              in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag, der der Ware nicht beigefügt ist,

              6.              in einer bestimmten oder lediglich nach Bruchteilen zu berechnenden Menge derselben Ware,

7.

in der Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen oder

8.

in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel), bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarte (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte 5 S und der Gesamtwert der ausgespielten Preise 300 000 S nicht überschreitet; dies kann nur mittels eigener Teilnahmekarten erfolgen.

Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken."

1.3. Zur UWG-Novelle 1993 wird in den Erläuterungen (RV 965 BlgNR 18. GP) ausgeführt:

"Das am 1. April 1992 in Kraft getretene Wettbewerbs-Deregulierungsgesetz, BGBl. Nr. 147/1992, sah eine weitgehende Deregulierung des Rechtes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, insbesondere auch des Zugabenrechts, vor. So wurde das Zugabengesetz, BGBl. II Nr. 196/1934, aufgehoben und eine liberal gestaltete Ersatzbestimmung als §9 a in das UWG aufgenommen.

In der Praxis hat sich allerdings gezeigt, daß diese Bestimmung die spezifische Zugabenproblematik bei periodischen Druckwerken - wie Zeitungen und Zeitschriften - nicht berücksichtigt. Im Zusammenhang mit periodischen Druckwerken wäre nämlich darauf Bedacht zu nehmen, daß ein intensiver Wettbewerb durch Gewährung von Zugaben, zu denen auch die Einräumung von Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben gehört, angesichts der relativ großen Zahl der täglich, wöchentlich usw. verkauften Zeitungen und Zeitschriften eine enorme wirtschaftliche Belastung für kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer mit sich bringt und zu einem ruinösen Wettbewerb führen könnte. Dies sollte aber im Interesse der Medienvielfalt verhindert werden.

...

Gemäß §9 a Abs1 Z1 UWG in der Fassung des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes kann auf Unterlassung und Schadenersatz geklagt werden, wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, ankündigt, daß er Verbrauchern neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) gewährt. Zulässig ist es hingegen, Verbrauchern Zugaben anzubieten, zu gewähren oder, wenn die nach der erwähnten Bestimmung erforderliche Publizität fehlt, anzukündigen.

Um die Gefahr eines, insbesondere kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer treffenden, ruinösen Wettbewerbs auszuschließen, sieht der Entwurf bei periodischen Druckwerken eine Erweiterung des Zugabenverbotes auf die Fälle des Anbietens, Gewährens sowie auch auf Ankündigungen vor, die nicht in öffentlichen Bekanntmachungen oder in anderen, für einen größeren Personenkreis bestimmten, Mitteilungen enthalten sind.

...

Als problematisch im Bereich periodischer Druckwerke hat sich auch die im §9 a Abs2 Z8 UWG enthaltene Ausnahmebestimmung herausgestellt. Nach dieser ist das Zugabenverbot dann nicht anzuwenden, wenn die Zugabe in der Einräumung einer Teilnahmemöglichkeit an einem Preisausschreiben (Gewinnspiel) besteht, bei dem der sich aus dem Gesamtwert der ausgespielten Preise im Verhältnis zur Zahl der ausgegebenen Teilnahmekarten (Lose) ergebende Wert der einzelnen Teilnahmekarte 5 S und der Gesamtwert der ausgespielten Preise 300 000 S nicht überschreitet.

Im Hinblick auf den relativ niedrigen Verkaufspreis periodischer Druckwerke, insbesondere von Tageszeitungen, besteht trotz der im §9 a Abs2 Z8 UWG festgelegten Betragsgrenzen die Gefahr, daß der eingeräumten Gewinnchance größere Bedeutung für den Kaufentschluß zukommt als der Qualität des Druckwerkes und somit in den Warenvertrieb ein unsolides Element hineingetragen wird, indem das Bestreben, durch Zufall zu gewinnen, zum Antrieb für die Deckung des Bedarfs gemacht wird.

Der Entwurf nimmt daher Zugaben zu periodischen Druckwerken vom Geltungsbereich des §9 a Abs2 Z8 aus."

2. Mit dem zu G73/93 protokollierten Individualantrag gemäß Art140 B-VG beantragt ein österreichisches Verlagsunternehmen, welches Medieninhaber einer Tageszeitung ist, die kostenpflichtige Aufhebung der Wortfolgen

in §9a Abs1 Z1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984, BGBl. 448/1984, idF der UWG-Novelle 1993, BGBl. 227/1993 (im folgenden: UWG), "oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt", in eventu der Worte "ankündigt oder gewährt", in eventu der Worte "oder gewährt",

und in §9a Abs2 leg.cit. "Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken."

Zur Antragslegitimation wird ausgeführt, daß die antragstellende Gesellschaft durch das rasche Inkrafttreten der UWG-Novelle 1993 gezwungen gewesen sei, zuvor angekündigte Zugabenaktionen abzubrechen, da es ihr nicht zumutbar gewesen sei, sich im tobenden "Zeitungskrieg" Wettbewerbsprozessen, einstweiligen Verfügungen und Beugestrafen auszusetzen. Dieses Vorbringen wird im einzelnen dokumentiert und es werden die gegen die bekämpften Regelungen bestehenden Bedenken im einzelnen dargetan.

3. Dieselben Bestimmungen (ohne Eventualbegehren) werden im Verfahren G229/93 von einer Zeitschriftenverlags GmbH & Co KG und einer Zeitschriftenverlags GmbH, welche Medieninhaber periodischer Zeitschriften sind, bekämpft.

Die antragstellenden Gesellschaften bringen vor, durch das Verbot von Gewinnspielen aktuell betroffen zu sein, da ihre Gestaltungsfreiheit bei jeder einzelnen Ausgabe ihrer Zeitschriften durch dieses Verbot, welches keiner weiteren Konkretisierung bedürfe, beschränkt werde. Ihre Pflicht, keine Gewinnspiele durchzuführen bzw. keine Zugaben anzukündigen, anzubieten oder zu gewähren, hänge weder von gerichtlichen noch verwaltungsbehördlichen Entscheidungen ab, welche angefochten werden könnten. "Ein Verstoß mit der Folge empfindlicher Wettbewerbsklagen ist zur Erlangung einer behördlichen Entscheidung weder wirtschaftlich zumutbar noch wegen des anhängigen Verfahrens G146/93 und der sonst durch Behördenentscheidungen nicht prognostizierbaren Verfahren, daher in Hinblick auf die Frage der Anlaßfallwirkung in zeitlicher Hinsicht möglich.", heißt es zur Antragslegitimation abschließend.

In der Sache werden die verfassungsrechtlichen Bedenken im einzelnen erörtert.

4.1. Das Oberlandesgericht Wien beantragt anläßlich bei ihm anhängiger Rekursverfahren in den zu G120/93 und G155/93 protokollierten Gesetzesprüfungsverfahren, "die UWG-Novelle 1993, BGBl. 1993/227, womit §9 a UWG i.d.F. des Wettbewerbs-Deregulierungsgesetzes 1992 (BGBl. 1992/147) geändert wurde (durch Ergänzung eines weiteren Halbsatzes in §9 a Abs1 Z1 '... Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt oder ...' und durch den letzten Satz im §9 a Abs2 UWG 'Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken'), als verfassungswidrig aufzuheben."

4.2. Weiters beantragt das OLG Wien aufgrund zweier weiterer bei ihm anhängiger Rekursverfahren, "im §9a UWG in der Fassung der UWG Novelle 1993 im Absatz 1 Z1 die Wortfolge 'oder Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anbietet, ankündigt oder gewährt' und im Absatz 2 Z8 den Satz 'Z8 gilt nicht für Zugaben zu periodischen Druckwerken' als verfassungswidrig aufzuheben." Diese Anträge sind hg. zu G146/93 und G238/93 protokolliert.

4.3. Diesen Anträgen liegen Unterlassungsklagen und Anträge auf Erlassung einstweiliger Verfügungen zugrunde, die Verleger, Medieninhaber bzw. Drucker von Printmedien gegeneinander angestrengt haben, um die Ankündigung bzw. Veranstaltung von Gewinnspielen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei der Herausgabe periodischer Druckschriften zu unterbinden. In diesen zivilgerichtlichen Verfahren ist die Antragstellerin zu G73/93 mehrfach beklagte Partei, die Zweitantragstellerin des zu G229/93 protokollierten Verfahrens sowie deren Rechtsnachfolgerin jeweils einmal klagende Partei.

5.1. Die Bundesregierung hat im Verfahren zu G73/93 aufgrund ihres Beschlusses vom 13. Juli 1993 eine Äußerung erstattet, in welcher sie unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die Antragslegitimation verneint und beantragt, den Antrag aus diesem Grunde zurückzuweisen, in eventu die bekämpften Wortfolgen nicht als verfassungswidrig aufzuheben, für den Fall der Aufhebung aber gemäß Art140 Abs5 B-VG eine Frist von einem Jahr zu bestimmen.

In der Sache verteidigt die Bundesregierung die angegriffene Regelung im einzelnen. Ferner wurde erklärt, daß diese Äußerung auch für alle künftigen, sachverhaltsähnlichen, mit diesem Verfahren verbundenen Verfahren zur Prüfung derselben Gesetzesbestimmung gelte.

5.2. Im Verfahren zu G120/93 bezweifelte die Bundesregierung in der aufgrund ihres Beschlusses vom 7. September 1993 erstatteten Äußerung, daß der Antrag die von §62 Abs1, erster Satz, VerfGG 1953 geforderte Bestimmtheit aufweise.

Im übrigen trat sie den vorgetragenen Bedenken entgegen und beantragte und erklärte gleich wie zu G73/93 (s. oben I.5.1.).

6. Im Verfahren zu G73/93 erstattete die Antragstellerin drei weitere Äußerungen, in denen sie dem Vorbringen der Bundesregierung sowohl zur Antragslegitimation als auch in der Sache entgegentrat und umfangreiches Material zur Stützung ihrer Auffassung, zuletzt insbesondere auch ein zeitungswissenschaftliches Gutachten vorlegte.

In ihrer Replik vom 4. August 1993 trägt sie zur Antragslegitimation vor:

"Es ist also auf die Frage einzugehen, ob ein durch die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes mehrfach, und zwar hinsichtlich unterschiedlicher Lebenssachverhalte, Betroffener auch mehrfach zur Geltendmachung dieser Verfassungswidrigkeit legitimiert ist.

...

Damit ist auch die Frage der Antragslegitimation beim Individualantrag neuerlich zu überdenken.

Bisher stand in der Betrachtung der Lehre und der Rechtsprechung des Gerichtshofes - personenbezogen - der Antragsteller und die Eingriffsnorm im Vordergrund. Es wurde undifferenziert ausgeführt, der Individualantrag sei ein subsidiärer Rechtsbehelf, dessen Zulässigkeit davon abhänge, daß der Betroffene die Eingriffsnorm nicht auf einem anderen zumutbaren Weg, also durch Erwirkung eines verwaltungsbehördlichen Bescheides oder durch eine entsprechende Anregung in einem gerichtlichen Verfahren zur Prüfung an den Verfassungsgerichtshof herantragen könne.

Diese Betrachtungsweise ist aber zu eng, gewissermaßen nur zweidimensional. Es gibt noch eine dritte Dimension.

Es kommt nämlich immer auch auf den Sachverhalt an, hinsichtlich dessen der Betroffene durch die Eingriffsnorm beschwert ist.

Es kann ja doch nicht richtig sein, daß ein durch die Eingriffsnorm in mehreren Lebenssachverhalten Betroffener hinsichtlich aller anderen Lebenssachverhalte ohne Rechtsschutz wäre, wenn er nur einen einzigen dieser Lebenssachverhalte in irgendeiner Weise an den Verfassungsgerichtshof herantragen kann.

Im vorliegenden Fall würde der - zu enge - Rechtsstandpunkt der Bundesregierung bedeuten, daß die Eingriffsnorm (wenn überhaupt) aus Anlaß des einen oder anderen Wettbewerbsprozesses geprüft und gegebenenfalls als verfassungswidrig aufgehoben würde, diese Aufhebung aber die Beschwer des Betroffenen hinsichtlich der 'Entfernungsfrage' und des 'Buchgeschenkes' nicht beseitigen, sondern verfestigen und verewigen würde, wirkt doch bekanntlich die Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof (außerhalb des Anlaßfalles) im Zweifel nicht zurück, sodaß eine Aufhebung der Eingriffsnorm zwar für den Sachverhalt des Anlaßprozesses und für zukünftige Sachverhalte, nicht jedoch für die durch die Eingriffsnorm unmittelbar erfaßten und verbotenen Aktionen wirksam wäre.

...

Eine nähere Überprüfung der Legitimationsfrage beim Individualantrag führt also dazu, daß die Legitimation für die Antragstellung nicht losgelöst von dem Lebenssachverhalt geprüft werden darf, für den sich die Eingriffsnorm beschwerend auf den Betroffenen auswirkt. Nur wenn für diesen Lebenssachverhalt und mit Wirkung für diesen Sachverhalt ein anderes Mittel (Bescheidanfechtung oder Anregung im Prozeß) zur Verfügung steht, mit dem eine sich auf diesen Lebenssachverhalt auswirkende und die Beschwer für diesen Lebenssachverhalt beseitigende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes herbeigeführt werden könnte, wird die Subsidiarität des Individualantrages schlagend und die direkte Anfechtung des Gesetzes unzulässig.

Hingegen wird die Legitimation des Betroffenen, eine Eingriffsnorm mit Individualantrag anzufechten, nicht dadurch beseitigt, daß sich dieselbe Norm in einer anderen zeitlichen, örtlichen oder sachlichen Konstellation ebenfalls für den Betroffenen belastend auswirkt und für diese Konstellation eine andere (mittelbare oder unmittelbare) Möglichkeit besteht, den Verfassungsgerichtshof anzurufen."

7.1. In den Verfahren zu G120/93 und G155/93 haben die erstbeteiligten Parteien (das sind die Klägerinnen in den zugrundeliegenden Zivilprozessen) Äußerungen erstattet, in welchen sie die Antragslegitimation verneinen, dem Antragsvorbringen des OLG Wien entgegentreten und "Anträge" stellen.

7.2. Im Verfahren zu G146/93 haben beide beteiligten Parteien Äußerungen abgegeben, in denen sie dem Antrag des OLG Wien zustimmen bzw. entgegentreten und Kostenzuspruch begehren.

7.3. Im Verfahren zu G238/93 haben sich die zweit- und drittbeteiligte Partei in ihrer Äußerung der Auffassung des antragstellenden OLG Wien angeschlossen und Kostenzuspruch begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Anträge, die er in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen Verhandlung, Beratung und Beschlußfassung verbunden hat, erwogen:

A. Zur Zulässigkeit der Anträge:

1. Zu den Individualanträgen:

1.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG setze - ebenso wie jene nach Art139 Abs1 B-VG - voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß die durch Art140 Abs1 bzw. Art139 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumten Rechtsbehelfe dazu bestimmt sind, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

Es ist nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes weiters grundsätzlich zumutbar, den Klagsweg zu beschreiten, im folgenden gerichtlichen Rechtsstreit Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften vorzubringen und vor dem in zweiter Instanz zur Entscheidung berufenen Gericht die Stellung eines Gesetzesprüfungsantrages beim Verfassungsgerichtshof anzuregen (vgl. zB VfSlg. 8979/1980, 8890/1980, 9394/1982, 9695/1983, 9926/1984, 10445/1985, 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 11890/1988, 12046/1989, 12775/1991). Wollte man wegen des Prozeßrisikos und der damit verbundenen Kostenfolgen oder wegen der damit verbundenen Zeitdauer grundsätzlich davon ausgehen, daß die Beschreitung des Gerichtsweges unzumutbar sei, so verlöre die in Art140 Abs1, letzter Satz, B-VG - wie auch in der ihr korrespondierenden Bestimmung des Art139 Abs1, letzter Satz, B-VG - enthaltene Einschränkung "sofern das Gesetz (die Verordnung) ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung ... für diese Person wirksam geworden ist" ihren hauptsächlichen Anwendungsbereich (vgl. VfSlg. 10785/1986, 11551/1987, 11759/1988, 11889/1988, 12046/1989 ua.).

Angesichts der Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers, die Initiative zur Prüfung genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet, kommt es dabei auch nicht auf die Erfolgschancen des Antragstellers im Gerichtsverfahren, sondern bloß darauf an, daß sich im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit bietet, verfassungsrechtliche Bedenken gegen präjudizielle Vorschriften über die ordentlichen Gerichte an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen (vgl. VfSlg. 9170/1981, 9285/1981, 10592/1985, 11889/1988). Andernfalls gelangte man zu einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes, die mit dem Charakter eines Individualantrages als eines subsidiären Rechtsbehelfes nicht in Einklang stünde (vgl. zB VfSlg. 9939/1984, 11454/1987). Ob und inwieweit allerdings das Gericht auf die Kritik der Partei des Gerichtsverfahrens an der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen eingeht, ist hiebei nicht ausschlaggebend (vgl. VfSlg. 11890/1988, 12046/1989).

1.2. Die bekämpften Bestimmungen normieren ein Verbot, Verbrauchern neben periodischen Druckwerken unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren (§9a Abs1 UWG), und zwar auch im Falle des §9a Abs2 Z8 UWG (s. den letzten Satz dieser Bestimmung). Dieses Verbot trifft die Antragstellerinnen unmittelbar und aktuell in ihrer Rechtssphäre.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes steht hier auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung, die Frage der Verfassungsmäßigkeit der bekämpften Vorschriften an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Denn es ist einem Normunterworfenen nicht zumutbar, eine verbotene Handlung zu setzen, um sich in einem gegen ihn eingeleiteten Verfahren mit der Behauptung zur Wehr zu setzen, daß die Verbotsnorm verfassungswidrig sei; insbesondere kann der Normunterworfene nicht auf einen Wettbewerbsprozeß verwiesen werden, den er nur provozieren kann, indem er sich in einer gesetzlich verpönten Weise verhält (s. VfSlg. 11853/1988, 12379/1990).

Dies gilt trotz des Umstandes, daß einzelne Antragstellerinnen gegen andere Antragstellerinnen bereits Klagen wegen behaupteten verbotswidrigen Verhaltens eingebracht haben, anläßlich deren das zur Entscheidung in zweiter Instanz berufene Gericht gleichartige Gesetzesprüfungsanträge beim Verfassungsgerichtshof gestellt hat. Denn die im Zivilprozeß Beklagten haben den Fortgang desselben nicht bis zum entscheidenden Stadium - das ist die mögliche Stellung eines Antrages auf Gesetzesprüfung durch ein zur Entscheidung in zweiter Instanz berufenes Gericht - in der Hand (vgl. VfGH 17.12.1993, G48/93, V13/93, S 17). Daran ändert der Umstand nichts, daß hier das Gericht tatsächlich solche Anträge gestellt hat: Denn nach der dargestellten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt es für die Beurteilung der Frage, ob ein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung besteht, nicht darauf an, ob ein Gericht tatsächlich einen Normprüfungsantrag stellt oder nicht. Auch fällt die Zulässigkeit eines Individualantrages nicht weg, wenn aus dem Blickwinkel einer anderen Betroffenheit weitere Normprüfungsanträge gestellt werden. Denn insoweit kann von einer Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes im Sinne der Rechtsprechung nicht die Rede sein, da hinsichtlich der Individualanträge angestrebtes zukünftiges Verhalten, hinsichtlich der Gerichtsanträge jedoch in der Vergangenheit gesetztes Verhalten das Substrat bildet.

Aber auch den Klägerinnen in den Zivilprozessen steht kein anderer zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung offen. Sie können, wie dargetan, nicht darauf verwiesen werden, daß sie selbst, noch viel weniger aber darauf, daß andere Mitbewerber ein verbotenes Verhalten setzen. Wenn sie aber andere Mitbewerber auf Unterlassung aufgrund der geltenden Rechtslage geklagt haben, wäre es offenkundig nicht zumutbar, daß sie bei dieser Gelegenheit die Verfassungsmäßigkeit jener Rechtsgrundlagen bestreiten, auf die sie ihren Anspruch stützen. Unabhängig davon kann ihre unmittelbare Betroffenheit durch die angefochtenen Regelungen und ihr Interesse an deren Beseitigung nicht verneint werden, sodaß auch insoweit wegen der jeweils völlig unterschiedlichen Rechtsposition eine Doppelgleisigkeit des Rechtsschutzes nicht gegeben ist.

2. Zu den Anträgen des OLG Wien:

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die - angefochtene - generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 7999/1977, 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987).

2.2. Daß dies der Fall wäre, ist im Gesetzesprüfungsverfahren nicht hervorgekommen. Vielmehr kann dem antragstellenden OLG nicht entgegengetreten werden, wenn es davon ausgeht, daß es in den bei ihm anhängigen Verfahren die bekämpften Regelungen anzuwenden hätte.

Auch die zu G120/93 und G155/93 protokollierten Anträge des OLG Wien richten sich nicht gegen den gesamten §9a UWG idF der UWG-Novelle 1993, sondern nur gegen die hervorgehobenen Wortfolgen.

3. Die Anträge erweisen sich sohin als zulässig.

B. In der Sache:

Die Anträge sind aber nicht begründet:

1.1.1. Das OLG Wien ist in seinen zu G120/93 und G155/93 protokollierten Anträgen der Ansicht, daß die angefochtenen Bestimmungen sowohl gegen Art2 StGG iVm. Art7 Abs1 B-VG als auch gegen Art6 StGG verstoßen, weil nicht erkennbar sei, "warum ein Gewinnspiel nur im Bereich der Printmedien als 'unsolides Element' einen Kaufanreiz darstellen sollte, und warum nur in diesem Bereich ein ruinöser Wettbewerb infolge der Zulässigkeit von Zugaben, insbesondere durch die Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben, zu befürchten wäre". Das allein an Printmedien gerichtete Verbot des im übrigen erlaubten Werbemittels sei für diese diskriminierend bzw. für die Unternehmer in anderen Branchen privilegierend.

In den Anträgen zu G146/93 und G238/93 führt das antragstellende OLG aus, der Gesetzgeber habe diese Differenzierung nur auf Basis der - dem antragstellenden Gericht nicht einsichtigen - Hypothese getroffen, daß der Ausschluß sämtlicher Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer vom Gewähren von Zugaben und kleinen Gewinnspielen die Medienvielfalt sichere, sodaß von einem Exzeß rechtspolitischer Gestaltung gesprochen werden könne.

Nach Darstellung der Entwicklung des Zugabenrechtes begründet das OLG Wien in seinen zu G120/93 und G155/93 protokollierten Anträgen seine Auffassung, die angefochtenen Regelungen verstießen gegen das Gleichheitsgebot und gegen Art6 StGG im einzelnen wie folgt:

"Trotz der zitierten Gesetzesmaterialien ist für das Rekursgericht nicht erkennbar, warum ein Gewinnspiel nur im Bereich der Printmedien als 'unsolides Element' einen Kaufanreiz darstellen sollte, und warum nur in diesem Bereich ein ruinöser Wettbewerb infolge der Zulässigkeit von Zugaben, insbesondere durch die Einräumung von Teilnahmemöglichkeiten an Preisausschreiben, zu befürchten wäre. Der Hinweis auf den relativ niedrigen Verkaufspreis periodischer Druckwerke erscheint dem Rekursgericht nicht sonderlich gewichtig, zumal auch in anderen Branchen der Preis der Hauptware (der Leistung) im Verhältnis zum Gesamtwert der zulässigerweise ausgespielten Preise von S 300.000,-- im Sinne des §9 a Abs2 Z8 UWG in vielen Fällen durchaus ebenfalls als relativ niedrig angesehen werden kann (beispielsweise für Produkte im Lebensmittelhandel).

Unter Zugabe wurde nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem Wettbewerbs-DeregulierungsG ein zusätzlicher Vorteil verstanden, der neben der Hauptware ohne besondere Berechnung angekündigt, angeboten oder gewährt wurde, um den Absatz der Hauptware oder die Verwertung der Hauptleistung zu fördern. Dieser Vorteil mußte mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet war, den Kunden in seinem Entschluß zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen, die Zugabe mußte also Werbe- oder Lockmittel sein. Bei der Beurteilung eines Gewinnspiels als derartiges Werbe- oder Lockmittel hat der OGH wiederholt ausgesprochen, daß solche Gewinnspiele dann keine Zugabe darstellen, wenn das Zeitungsunternehmen weder auf dem Titelblatt der Zeitschrift noch sonst in der Werbung darauf hingewiesen hat und die Personen, welche die Zeitung erwerben und damit beim Durchlesen auf das Gewinnspiel stoßen, keinen Anlaß haben, im Hinblick auf die Teilnahmebedingungen weitere Exemplare derselben Zeitschrift zu kaufen. In aller Regel lese der Erwerber einer Zeitschrift vor dem Kauf nur die Titelseite, nicht aber die Ankündigungen im Blattinneren (ÖBl. 1992, 226 mwN). Ausgehend von diesem auch nach dem Wettbewerbs-DeregulierungsG gültigen Zugabenbegriff (4 Ob 87/92) stellt sich die Frage, ob (über den geringen Preis des Produktes hinausgehende) wesentliche Unterschiede zwischen dem Produkt eines periodischen Druckwerkes und anderen Waren bzw. Dienstleistungen bestehen, die eine Differenzierung der wettbewerbsrechtlichen Normen sachlich rechtfertigen könnten. Der allgemeine Hinweis auf den Anlockeffekt muß für alle Produkte gelten. Gewinnspiele werden beispielsweise im Lebensmittelhandel, Elektrohandel und praktisch in allen anderen Branchen die Rolle spielen können, wie dies im Bereich der Printmedien der Fall ist. Wenn der Gesetzgeber 'kleine' Gewinnspiele mit Preisen bis S 300.000,-- grundsätzlich für erlaubt erachtet (dagegen generell aus Gründen des lauteren Wettbewerbs Schuhmacher in WBl. 1992, 116), so kann im Verbot derartiger Gewinnspiele für periodische Printmedien allein eine sachlich nicht begründete Diskriminierung erblickt werden.

Das öffentliche Interesse an einem vielfältigen Medienmarkt kann durchaus bejaht werden. Es besteht aber auch für andere Branchen ein öffentliches Interesse gegen Tendenzen zur Konzentration. Zweifellos ist das Pressewesen für den Konsumenten besonders bedeutsam, wie sich dies schon aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Gutes der Pressefreiheit ergibt. In diesem Bereich können Gewinnspiele als unsachliche Differenzierungsmittel im Wettbewerb angesehen werden, die geeignet sind, von der Qualität der Produkte abzulenken und eine Konzentration (Monopolisierung) zu fördern. Das allein an Printmedien gerichtete Verbot des im übrigen erlaubten Werbemittels ist jedoch für diese diskriminierend bzw. für die Unternehmer in anderen Branchen privilegierend. Besonders deutlich zeigt sich dies daran, daß der Gesetzgeber die Einschränkung im Zugabenrecht nicht einmal für den Medienbereich einheitlich verfügte und den unmittelbaren Konkurrenten der Printmedien, den österreichischen Rundfunk, in das Glückspielverbot nicht einbezog. Im Gegensatz zur Meinung der Klägerin kann dies nicht mit dem bestehenden Rundfunkmonopol ausreichend begründet werden. Es trifft vor allem nicht zu, daß für den ORF keine Möglichkeit bestünde, seine Leistung mit einem Glückspiel zu verbinden. Der ORF könnte beispielsweise ein Gewinnspiel in der Form ankündigen und veranstalten, daß unter den zu werbenden nächsten 100 sich anmeldenden Rundfunkteilnehmern oder den nächsten 100 Interessenten an Werbeeinschaltungen Gewinne ausgelost werden. Dabei bestünde nicht nur ein direktes Konkurrenzverhältnis zu den Printmedien, sondern auch ein solches zu ausländischen Anstalten mit in Österreich empfangbaren Rundfunkprogrammen.

Der Hinweis der Klägerin, daß Printmedien die einzige Gruppe von Unternehmen darstelle, für die der glückspielartige Warenvertrieb Sinn mache, weil sie selbst die Ankündigung und Abwicklung der Gewinnspiele durchführten, andere Unternehmen außerhalb der Kommunikationsbranche sich aber für die Ankündigung weiterer Unternehmen (z.B. der Tageszeitungen) bedienen müßten, vermag eine Differenzierung nicht als sachlich gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Ein (offenbar im öffentlichen Interesse als nicht wünschenswert anzusehender) Verdrängungswettbewerb mit Hilfe von Glückspielen ist für den werbenden Unternehmer primär eine Kostenfrage, die sich in allen Branchen gleich stellt. Daß Printmedien für die Ankündigung des Gewinnspiels nicht Leistungen eines Dritten benötigen, sondern diese Leistungen selbst erbringen können (und sich solcherart einen Teil der Kosten der Kampagne ersparen) erscheint als sachliches Differenzierungsmittel zu geringfügig und damit nicht ausreichend für eine unterschiedliche gesetzliche Behandlung.

...

Der Hinweis, daß das Gewinnspiel der Beklagten auch auf dem Boden der Rechtslage nach dem WettbDerG wegen der Einheitlichkeit des Gewinnspieles und der daraus resultierenden Zusammenrechnung aller täglich ausgespielten Gewinnsummen wettbewerbswidrig wäre, ist zumindest in dem Umfang nicht relevant, wo (auch) ein von der Gewinnsumme unabhängiges Verbot angestrebt wird.

...

Der Ansicht, daß aus dem Grund der wünschenswerten Medienvielfalt Gewinnspiele verboten sein sollten, kann durchaus gefolgt werden. Daß dieses Verbot aber ausschließlich für Printmedien gelten soll, erachtet das Rekursgericht jedoch nach wie vor als sachlich nicht ausreichend begründet."

In seinen Anträgen zu G146/93 und G238/93 führt das OLG Wien aus:

"Die UWG-Novelle 1993 trifft also erstmals eine Unterscheidung zwischen Zugaben zu periodischen Druckwerken und zu allen anderen Waren und Leistungen, insbesonders hinsichtlich der Zulässigkeit der sogenannten kleinen Gewinnspiele, weil dies zu einem ruinösen Wettbewerb zulasten kleiner Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmen führen könnte. Aus dem Gebrauch des Konjunktives ergibt sich, daß der Gesetzgeber gar nicht der Ansicht ist, daß die Gewährung von Zugaben zu periodischen Druckwerken oder die Durchführungen von kleinen Gewinnspielen tatsächlich einen ruinösen Wettbewerb zwischen Zeitungsunternehmen herbeiführen oder verstärken wird.

Nach Ansicht des Oberlandesgerichtes Wien erscheint es bedenklich, das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot bei Zugaben, wie es von 1929 bis 1993 bestanden hat, aufzuheben und nun eine Differenzierung zwischen Zeitungsunternehmern und anderen Unternehmern einzuführen, wenn dabei nur auf eine hypothetische Möglichkeit abgestellt wird. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Slg 10.918/1986) mußten gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sein. Die UWG-Novelle 1993 bemühte sich aber nicht, Differenzierungen nach tatsächlichen Lebenssachverhalten durchzuführen, sondern begnügte sich mit hypothetischen Möglichkeiten. Die Hypothese, daß der Ausschluß sämtlicher Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer vom Gewähren von Zugaben und von kleinen Gewinnspielen die Medienvielfalt sichere, ist aber nicht einsichtig. So ist es nämlich durchaus denkbar, daß kleinere Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer ihren periodischen Druckschriften Zugaben beilegen oder Gewinnspiele durchführen, die gerade auf die Bedürfnisse und Interessen ihrer Leserschaft abstellen und damit der Sicherung ihres Absatzes dienen können oder einen belebenden Effekt auf ihren Absatz bewirken. Daß Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmern das Gewähren von Zugaben und die Durchführung von kleinen Gewinnspielen verboten wird, diese Maßnahmen aber allen übrigen Unternehmern erlaubt sind, ist als eine sachlich nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer anzusehen und läßt sich mit dem Argument der Bewahrung der Medienvielfalt sachlich nicht rechtfertigen. Nach Ansicht des Rekursgerichtes handelt es sich bei dieser Differenzierung im §9a UWG durch die UWG-Novelle 1993 um einen Exzeß rechtspolitischer Gestaltung durch den Bundesgesetzgeber, mit dem auch das Grundrecht der Freiheit der Erwerbsausübung der Zeitungs- und Zeitschriftenunternehmer wesentlich geschmälert wird (Erkenntnis Slg 6.533/1971). In diesem Zusammenhang muß auch darauf Bedacht genommen werden, daß es gerade die Absicht des Gesetzgebers des Deregulierungsgesetzes im Jahr 1992 war, den Warenabsatz durch die Zulässigkeit kleiner Gewinnspiele zu beleben."

1.1.2.1. Zur Begründung ihres zu G73/93 protokollierten Antrages bringt die Gesellschaft vor, die angefochtenen Bestimmungen seien deshalb verfassungswidrig, weil sie von Konkurrenten veranlaßt worden seien, um einen einzigen Mitbewerber im Wettbewerb zu behindern, und verstießen daher als Maßnahmegesetz bzw. Individualgesetz gegen das Gleichheitsgebot. Im Wettbewerbsrecht werde dadurch hinsichtlich Zugaben (Prämien) und insbesondere Preisausschreiben (Gewinnspielen) der Verlag und Vertrieb periodischer Druckwerke gegenüber allen anderen Wirtschaftszweigen (Branchen) diskriminiert und auch dadurch das Gleichheitsprinzip verletzt. Die Verleger und Vertreiber periodischer Druckschriften im allgemeinen und die Antragstellerin im besonderen würden im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung unsachlich beschränkt, ohne daß diese Einschränkung durch ein öffentliches Interesse geboten, geeignet, zur Zielerreichung adäquat und auch sonst sachlich gerechtfertigt wäre.

1.1.2.2. Der zu G229/93 protokollierte Individualantrag enthält ähnliche Bedenken wie die Anträge des OLG Wien. Er verweist auf jüngste, erfolgreiche Zeitungsneugründungen, die bewiesen, daß die Voraussetzungen, von denen der Gesetzgeber bei Erlassung der UWG-Novelle 1993 ausgegangen sei, gar nicht vorlägen und die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkten gravierenden Eingriffe in die durch Art7 Abs1 B-VG und Art6 StGG gewährleisteten Rechte nicht rechtfertigen könnten.

Die antragstellenden Gesellschaften unterstellen §9a Abs1 UWG den Inhalt, er verbiete auch das Inserieren von Gewinnspielen anderer Unternehmen im Heftinneren von periodischen Druckwerken. Daraus ziehen sie den Schluß, daß die Printmedien einen Teil des Anzeigengeschäftes, worauf gerade kleinere Zeitungen und Zeitschriften aus wirtschaftlichen Gründen angewiesen seien, verlören und die vom Gesetzgeber gewünschte Erhaltung der Medienvielfalt nicht erreicht werde.

Vor allem aber äußern die antragstellenden Gesellschaften Bedenken, die angefochtenen Bestimmungen seien mit Art10 EMRK unvereinbar:

"Nach Art10 Abs1 MRK hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriff öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfaßt. Durch den angefochtenen Gesetzestext werden sowohl die Dispositionsmöglichkeiten einer objektiven Berichterstattung als auch insbesondere die Werbemaßnahmen eingeschränkt. Betreffend der Einschränkung der Werbemaßnahmen reicht es auf das obengesagte zu verweisen bzw. ist ja das gerade der Zweck der Bestimmung.

Zu den Einschränkungen der Dispositionsmöglichkeiten einer objektiven Berichterstattung ist auszuführen, daß durch die sehr eng gefaßte Bestimmung nunmehr jede Zugabe zu periodischen Druckwerken verboten ist. Da als Zugabe iSd bisherigen Judikatur auch sehr geringwertige Gegenstände betrachtet werden, ist es einem Journalisten im Rahmen des freien Journalismus jetzt nicht mehr möglich, z.B. Erhebungen oder Umfragen durchzuführen, wobei er, um sein Erhebungsergebnis leichter gestalten zu können, als Anreiz der Rücksendung der Befragung eventuell eine Teilnahme an einem Gewinnspiel oder eine Zusendung eines kleinen Geschenkes anbietet. Ebenfalls ist es z.B. nicht möglich, einer Zeitung oder Zeitschrift zur Erhebung der durchschnittlichen Eiweiß- oder Cholesterinwerte der Österreicher einen Harnteststreifen beizulegen und den Konsumenten bzw. Leser zu bitten, nach Durchführung des Testes das Ergebnis mitzuteilen. Auch hier würde es sich bereits um eine Zugabe handeln, die nicht angekündigt werden darf.

Selbstverständlich hat auch Art10 MRK einen Gesetzesvorbehalt, jedoch ist auch diese Einschränkung nur anhand des angeblich öffentlichen Interesses der Medienvielfalt zu messen. Dazu ist eindeutig auszuführen, daß durch die nunmehrigen Einschränkungen die Gefahr der Bevorzugung anderer Medien gegeben ist. Da nur periodische Druckwerke - also Zeitungen und Zeitschriften - durch die Wettbewerbseinschränkung erfaßt sind, wird auch hier eher das Gegenteilige vom Gesetzgeber angestrebte Ziel erreicht werden, nämlich daß der Anreiz der periodischen Druckmedien im allgemeinen sinkt und die Medienvielfalt auf diesem Sektor daher durch diese Regelung nicht unterstützt wird. Die Beschränkung (ist) iSd Art10 Abs2 MRK weder zur Aufrechterhaltung nationaler Sicherheit, der Ordnung oder Verbrechensbekämpfung, des Gesundheitsschutzes, der Moral oder subjektiver Rechte Dritter oder zur Aufrechterhaltung der Unparteilichkeit der Rechtsprechung nötig. Die Begründung für die Norm fällt nicht unter den einschränkend zu interpretierenden Ausnahmekatalog des Art10 Abs2 MRK.

Die Auswirkungen zeigen sich bereits jetzt, wenn man sich Radio- bzw. Fernsehwerbungen ansieht. Man kann eindeutig erkennen, daß dieses Verbot am Printmediensektor Gewinnspiele durchzuführen von anderen Anbietern am Markt ausgenützt wird, indem nunmehr erst recht bei anderen Gelegenheiten Gewinnspiele oder Zugaben gegeben, angekündigt oder angeboten werden.

Den wahren Zweck, den der Gesetzgeber vermutlich erreichen wollte, ist

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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