TE OGH 2022/9/14 15Os79/22i

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Veröffentlicht am 14.09.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Mag. Turner als Schriftführer in der Strafsache gegen * R* wegen § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, AZ 17 Hv 95/21v des Landesgerichts St. Pölten, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2021, AZ 18 Bs 327/21a, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner, und der Vertreterin des Antragstellers Mag. Hamelter zu Recht erkannt:

Spruch

Das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2021, AZ 18 Bs 327/21a, verletzt durch die in der Begründung vertretene Rechtsansicht, dass ein Verletzter iSd § 117 Abs 2 StGB, der sich nach § 117 Abs 4 erster Satz StGB der Anklage der Staatsanwaltschaft angeschlossen hat, zu einer Antragstellung auf Einziehung nach § 33 Abs 1 MedienG nicht berechtigt ist, § 33 Abs 1 MedienG iVm § 117 Abs 4 erster Satz StGB.

Text

Gründe:

[1]       Im Verfahren AZ 17 Hv 95/21v des Landesgerichts St. Pölten legte die Staatsanwaltschaft St. Pölten * R* mit Strafantrag vom 12. August 2021 (ON 5) ein als Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 iVm § 117 Abs 2 zweiter Satz StGB beurteiltes Verhalten zur Last.

[2]       Demnach habe sie am 23. Februar 2021 dadurch, dass sie auf ihrem öffentlich zugänglichen Facebook-Profil einen Beitrag – zeigend ein Lichtbild des Polizeibeamten * N* samt Textierung „Lasst dieses Gesicht des Polizisten um die Welt gehen. Dieser Polizist eskalierte bei der Demo in I*. Ein 82-jähriger unschuldiger Mann wurde zu Boden gerissen, verhaftet, und stundenlang verhört. Dieser Polizist ist schuldig“ – teilte und veröffentlichte, den Genannten in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise eines unehrenhaften Verhaltens, nämlich der Vornahme einer nicht gebotenen Amtshandlung unter Anwendung unangemessener Gewalt gegen einen 82-jährigen Teilnehmer einer Demonstration, beschuldigt, wobei sie die strafbare Handlung gegen die Ehre wider einen Beamten in Beziehung auf eine seiner Berufshandlungen und auf eine Weise begangen habe, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich geworden sei (ON 5).

[3]       In der Hauptverhandlung vom 27. September 2021 wiederholte * N* (vertreten durch seinen Rechtsfreund) den (nunmehr der Höhe nach bezifferten) Privatbeteiligtenanschluss und beantragte zusätzlich, ihm „für die erlittene persönliche Beeinträchtigung nach den §§ 6, 7a und 7b iVm § 8 MedienG eine angemessene Entschädigung zuzusprechen“. Zudem erklärte er ausdrücklich, sich gemäß § 117 Abs 4 StGB der Anklage anzuschließen, und beantragte, „dass das Gericht auch auf Einziehung gemäß § 33 Abs 1 MedienG durch Löschung der die strafbare Handlung begründenden Stellen der Website erkennen möge“ (ON 7 S 4).

[4]       Mit – zufolge fristgerechter Berufungsanmeldung des * N* (ON 9) rechtsirrig gekürzt ausgefertigtem – Urteil vom 27. September 2021 (ON 8) wurde die Angeklagte von der Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Unter einem wurde * N* gemäß § 366 Abs 1 StPO mit seinen zivilrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Eine Entscheidung über die medienrechtlichen Entschädigungsanträge des Genannten erfolgte ebensowenig wie über dessen Antrag auf Einziehung nach § 33 Abs 1 MedienG (vgl Hv-Protokoll ON 7 S 8 f).

[5]       Mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Dezember 2021, AZ 18 Bs 327/21a (ON 14 des Hv-Akts), wurde der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Antragstellers Folge gegeben und dem Erstgericht aufgetragen, sich der Verhandlung und Urteilsfällung über den unerledigt gebliebenen Antrag zu unterziehen, „* R* als Medieninhaberin ihres Facebook-Profils für den am 23. Februar 2021 dort veröffentlichten Beitrag über * N* zu einer Entschädigungszahlung nach §§ 6 ff MedienG an ihn zu verpflichten“.

[6]       In den Entscheidungsgründen sprach das Berufungsgericht – soweit hier von Relevanz – aus, dass der Antrag des * N* auf Einziehung als unzulässig zu qualifizieren sei, „da nach § 33 Abs 1 MedienG nur der zur Verfolgung des Medieninhaltsdelikts legitimierte Ankläger oder Antragsteller, im Fall des § 117 Abs 2 StGB somit einzig die Staatsanwaltschaft, wirksam einen Einziehungsantrag stellen kann“ (US 3).

Rechtliche Beurteilung

[7]       Dieses Urteil des Oberlandesgerichts Wien verletzt – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – durch die vorstehend referierte Rechtsansicht das Gesetz.

[8]       Die Einziehung nach § 33 MedienG (das ist entweder die Einziehung von Medienstücken oder die Löschung von Inhalten von Websites) darf (1./) im Strafurteil wegen eines Medieninhaltsdelikts nur „auf Antrag des Anklägers“ (§ 33 Abs 1 MedienG; sog „unselbstständiger“ Antrag) und (2./) im selbstständigen Verfahren nur „auf Antrag des Anklägers oder des zur Anklage Berechtigten“ (§ 33 Abs 2 MedienG; sog „selbstständiger“ Antrag) angeordnet werden, somit nicht von Amts wegen und nicht auf Antrag anderer Personen (Rami in WK² MedienG § 33 Rz 9/2; Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 33 Rz 16).

[9]       Daher ist im „unselbstständigen“ Einziehungsverfahren nach § 33 Abs 1 MedienG im Fall eines Privatanklagedelikts der Verletzte selbst und im Fall eines Offizialdelikts, so zB auch im hier aktuellen Fall des § 117 Abs 2 StGB, – jedenfalls – die Staatsanwaltschaft antragsberechtigt (Heindl aaO § 33 Rz 16).

[10]     Nach § 117 Abs 4 erster Satz StGB ist in den Fällen des § 117 Abs 2 StGB der Verletzte jederzeit berechtigt, sich der Anklage anzuschließen. Durch einen solchen Anschluss erhält er nach herrschender Ansicht eine prozessuale – in der StPO nicht geregelte – Sonderstellung als Nebenankläger im Strafverfahren, dem die vollen Rechte eines Privatanklägers zukommen (Rami in WK² StGB § 117 Rz 21 und 25 mwN; Lambauer/Unger, SbgK § 117 Rz 24; Leukauf/Steininger/Tipold, StGB4 § 117 Rz 24; Kienapfel/Schroll, BT ?5 § 117 Rz 15; ausführlich Probst, StPdG 14 [1986] 271 ff).

[11]     Daraus folgt aber, dass * N* im Strafverfahren gegen * R* – der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zuwider – als Nebenankläger zur Antragstellung nach § 33 Abs 1 MedienG berechtigt war. Denn ohne die Einräumung entsprechender Privatankläger-Befugnisse wäre die in § 117 Abs 4 erster Satz StGB festgeschriebene Berechtigung, sich der Anklage der Staatsanwaltschaft anzuschließen, inhaltsleer und funktionslos, was dem Gesetz nicht zu unterstellen ist.

[12]     Die gegenteilige Rechtsansicht hätte auch zur Folge, dass ein Beamter im Fall des Einschreitens des Staatsanwalts (was ja auch eine entsprechende Ermächtigung des Beamten voraussetzt) im Vergleich zu den ihm als Privatankläger zukommenden Rechten im Nachteil wäre. Um seine vollen Rechte als Privatankläger, so ua die Legitimation zum Antrag auf Einziehung iSd MedienG, zu wahren, wäre ein Beamter in so einem Fall geradezu dazu gezwungen, die erteilte Ermächtigung vor Schluss der Hauptverhandlung zurückzuziehen. In dem Fall, dass es zu einer rechtskräftigen Verurteilung des Angeklagten wegen eines Medieninhaltsdelikts kommt, die Staatsanwaltschaft aber keinen Einziehungsantrag stellt, hätte der von der Veröffentlichung Betroffene keine verfahrensrechtliche Möglichkeit, auf Einziehung der inkriminierten Veröffentlichung zu dringen, obwohl diesfalls die für den Ausspruch der Einziehung in inhaltlicher Hinsicht einzige Voraussetzung, nämlich dass der objektive Tatbestand einer strafbaren Handlung hergestellt wurde, verwirklicht ist (vgl zum Ganzen jeweils mit eingehender rechtshistorischer Ableitung Probst, StPdG 14 [1986] 271 ff sowie 282 f, 285 f und 288). Für eine solche – sachlich nicht gerechtfertigte – Schlechterstellung bietet das Gesetz (§ 117 Abs 2 iVm Abs 4 erster Satz StGB) keinen Anhaltspunkt.

[13]     Da sich die Gesetzesverletzung nicht zum Nachteil der Angeklagten und Antragsgegnerin ausgewirkt hat, hat es mit deren Feststellung sein Bewenden.

Textnummer

E136081

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00079.22I.0914.000

Im RIS seit

03.10.2022

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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