TE Lvwg Erkenntnis 2022/9/12 LVwG-2022/15/1508-5

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2022
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Entscheidungsdatum

12.09.2022

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §74 Abs2
GewO 1994 §77 Abs1
  1. GewO 1994 § 74 heute
  2. GewO 1994 § 74 gültig ab 18.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2017
  3. GewO 1994 § 74 gültig von 01.01.2010 bis 17.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2009
  4. GewO 1994 § 74 gültig von 01.12.2004 bis 31.12.2009 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 131/2004
  5. GewO 1994 § 74 gültig von 01.08.2002 bis 30.11.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  6. GewO 1994 § 74 gültig von 01.07.1997 bis 31.07.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 63/1997
  7. GewO 1994 § 74 gültig von 19.03.1994 bis 30.06.1997
  1. GewO 1994 § 77a heute
  2. GewO 1994 § 77a gültig ab 18.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 32/2018
  3. GewO 1994 § 77a gültig von 18.07.2017 bis 17.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 96/2017
  4. GewO 1994 § 77a gültig von 12.07.2013 bis 17.07.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2013
  5. GewO 1994 § 77a gültig von 01.09.2005 bis 11.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2005
  6. GewO 1994 § 77a gültig von 25.06.2005 bis 31.08.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 85/2005
  7. GewO 1994 § 77a gültig von 01.01.2005 bis 24.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 131/2004
  8. GewO 1994 § 77a gültig von 01.01.2005 bis 30.11.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 109/2003
  9. GewO 1994 § 77a gültig von 01.12.2004 bis 31.12.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 131/2004
  10. GewO 1994 § 77a gültig von 01.08.2002 bis 30.11.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 65/2002
  11. GewO 1994 § 77a gültig von 01.09.2000 bis 31.07.2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/2000

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwalt BB, Adresse 1, **** Z, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Y vom 05.05.2022, Zl ***, betreffend Errichtung und Betrieb eines Fitnessstudios, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,

zu Recht erkannt:

1.       Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß Spruchpunkt II. festgestellt, dass die Betriebsanlage des Beschwerdeführers „Fitnessstudio“ in **** X im 1. OG der Adresse 2 auf der GP **1 der KG X W den Voraussetzungen des § 359b Abs 1 Z 2 GewO 1994 entspricht. Gleichzeitig wurden Aufträge zum Schutz der gemäß §§ 74 und 77 GewO 1994 wahrzunehmenden Interesse erteilt.

In Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wurde das Ansuchen vom 03.09.2021 hinsichtlich der Betriebsweise des Fitnessstudios ohne Anwesenheit einer Aufsichtsperson abgewiesen.

Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel in welchem auf das Wesentliche zusammengefasst ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Einrichtung des Betriebes eines Fitnessstudios umfangreiche Unterlagen, wie Konformitätserklärungen hinsichtlich sämtlicher Geräte, eine Erste-Hilfe-Notfallplan und ebenfalls Unterlagen, die eine umgehende Verständigung von Ersthelfern vorsehen, vorgelegt habe.

Sämtliche Trainingsgeräte seien zertifiziert nach den einschlägigen EU-Normen, sämtliche Fitnessgeräte mit Hilfshinweisen zur korrekten Benutzung versehen und diese auch entsprechend aufgebaut und gewartet. Für den Fall, dass ein Notfall im Fitnesscenter auftrete, sollte sich kein Personal im Studio befinden, würden sämtliche Mitglieder darüber informiert, wie sie bei medizinischen Notfällen den Rettungsdienst informieren können, wo sich Erste-Hilfe-Kästen befänden und stehe darüber hinaus ein Notfallsystem zur Verfügung. Die Soforthilfe erfolge auf Knopfdruck. Ebenfalls beschrieben worden sei, wie das Rufhilfesystem funktioniere. Dieses bestehe aus einem Mobilgerät, einem wasserdichten Funkarmband und einer aktiven Ladestation. Durch einen einfachen Knopfdruck sei man mit der Notrufzentrale des Roten Kreuzes verbunden und sei für rasche Hilfe gesorgt. Darüber hinaus lasse sich das Gerät mittels GPS orten und die erforderlichen Einsatzmittel könnten rasch, unkompliziert und vor allem direkt zum richtigen Aufenthalt geleitet werden.

In ihrer amtsärztlichen Stellungnahme vom 30.12.2021 habe die amtsärztliche Sachverständige CC bekanntgegeben, dass zusammenfassend festgehalten werden könne, dass bei Berücksichtigung der von ihr verfassten Empfehlungen aus amtsärztlicher Sicht keine Einwände gegen den Betrieb des gegenständlichen Fitnessstudios vorliegen würden. Nach Erstattung dieses amtsmedizinischen Gutachtens sei aber offenkundig aufgrund einer Anfrage des Referatsleiters bei der belangten Behörde eine amtsärztliche Stellungnahme des Amtes der Tiroler Landesregierung übermittelt worden. Grundsätzlich sei völlig allgemein hinsichtlich des Betriebes eines Fitnessstudios, ohne Anwesenheit von Personal, eine Anfrage an das Amt der Tiroler Landesregierung gestellt worden. Es werde darin eine abstrakte Fragestellung geschildert, wonach völlig pauschal aus medizinischer Sicht eine Stellungnahme abgegeben werden solle, ob ein Betrieb eines Fitnessstudios ohne anwesende Personen vertretbar sei. Diese Stellungnahme sei völlig losgelöst vom vorliegenden Sachverhalt und ganz allgemein formuliert, eine sachverhaltsbezogene Beurteilung sei damit nicht vorgenommen worden.

Unabhängig davon, dass bereits aus diesen Gründen die vorliegende Stellungnahme völlig wertlos sei, wurde darauf hingewiesen, dass unter der Rubrik Recherche und Basisinformation Vorfälle, die angeblich in diversen Studios stattgefunden hätten, aus Zeitungen bzw dem Internet zitiert würden. Auszugehen sei davon, dass Herzattacken naturgemäß an jeder Örtlichkeit stattfinden könnten, auch in Betriebsanlagen. Dies habe jedoch überhaupt nichts mit den Gefahren, die von einer Betriebsanlage ausgehen, zu tun. In der zusammenfassenden amtsärztlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass Verletzungen durch den Gebrauch von Geräten nicht ausgeschlossen werden könnten.

Weiters wird ausgeführt, dass das Trainieren mit Gewichten mit einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit assoziiert erscheine. Dies obwohl die betreffenden Geräte bereits mit Sicherheitssystemen ausgestattet seien. Begründet werden diese völlig unsubstantiiert mit diversen Gutachten. Es möge schon sein, dass ganz allgemein beim Sport eine höhere Wahrscheinlichkeit einer Verletzung bestehe. Ob diese im konkreten Fall durch die vom Beschwerdeführer verwendeten Geräte und bei den von diesen Geräten gewählten Erste-Hilfe-Maßnahmen etc auch zutreffe oder eben auch durch diese ausgeschlossen würden, könne die Sachverständige nicht beurteilen, da sie die vorliegende Anlage nie besichtigte habe, darüber kein Urteil abgebe und auch nicht könne und demzufolge das Bezug habende „Sachverständigengutachten“ für den vorliegenden Sachverhalt völlig wertlos sei. Die Zugrundelegung einer Stellungnahme einer nicht am Verfahren beteiligten Person, die noch dazu den konkreten Sachverhalt nicht kenne, sei jedenfalls rechtswidrig. Außerdem sei der Beschwerdeführer auch mit dem Ergebnis dieser Stellungnahme nie konfrontiert worden und habe auch keine Möglichkeit gehabt, dazu Stellung zu nehmen.

Die pauschalierte Ablehnung eines Betriebs ohne Personal sei jedenfalls verfehlt und hätte zur Folge, dass weder in Hotels noch in irgendeinem Fitnessstudio ohne ständige Anwesenheit von Aufsichtspersonen, trainiert werden könnte. Die Behörde und vor allem die Sachverständige hätte sich vor allem damit auseinanderzusetzen gehabt, so der Beschwerdeführer, ob die vorliegende Betriebsanlage und die getroffenen Vorkehrungen samt Risikobeurteilung, Gefährdungen gemäß § 74 GewO hintanhalte. Eine sachverhaltsbezogene Auseinandersetzung sei nicht erfolgt. Letztlich sei es so, dass die Gefährlichkeit einer Anlage maßgeblich mit deren Geräten zusammenhänge. Von diesen gehe allenfalls eine Gefährdung der Kunden aus. Wenn nunmehr ausgeführt werde, dass jederzeit bei medizinischen Notfällen, völlig losgelöst von der Betriebsanlage, Erstretter vor Ort sein müssten, sei dies rechtlich nicht haltbar. Der Betreiber sei nicht zuständig dafür, jederzeit binnen Minuten jeden erdenklichen medizinischen Notfall - ohne Zusammenhang mit seiner Betriebsanlage - versorgen zu können. Die tatsächlich getroffenen Vorkehrungen würden bei weitem reichen.

Der Sachverhalt sei demzufolge jedenfalls ergänzungsbedürftig, ob von der konkreten Betriebsanlage unter Zugrundelegung der konkreten Auflagen und freiwilligen Maßnahmen eine Gefährdung ausgehe. Die Abweisung des Antrages gemäß Spruch I. sei rechtsunrichtig erfolgt und der im Betriebsanlagenbewilligungsverfahren beantragte Betrieb der Betriebsanlage ohne Beaufsichtigung jedenfalls zu bewilligen. Dies allenfalls unter Bestimmung diverser Auflagen. Derartige Auflagen seien auch bereits von der Amtssachverständigen der Bezirkshauptmannschaft Y vorgeschlagen worden. Diesbezüglich sei auch in Spruch Punkt II. die Auflage mit Einschränkungen der Betriebsart gemäß Spruch I. zu entfernen.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat in der vorliegenden Beschwerdesache am 26.07.2022 unter Beiziehung einer medizinischen Amtssachverständigen die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer klargestellt, dass sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet.

Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. abgewiesen. Sowohl die belangte Behörde, als auch der Beschwerdeführer haben eine Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gestellt.

II.      Sachverhalt:

Der Antrag des Beschwerdeführers richtet sich auf den Betrieb eines Fitnessstudios. Der Antrag beinhaltet sowohl den Betrieb des Fitnessstudios unter Anwesenheit von Aufsichtspersonen als auch den Betrieb der Anlage ohne solche. Zumal sich das Rechtsmittel ausschließlich gegen die Versagung des Betriebes ohne Aufsichtspersonen wendet, war im vom Landesverwaltungsgericht Tirol ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren zu klären, in wie fern der Betrieb eines Fitnessstudios ohne Aufsichtspersonen den gesetzlichen Bestimmungen entspricht.

Festgestellt wird, dass nach dem durchgeführten Ermittlungsverfahren beim Betrieb eines Fitnessstudios eine Aufsichtsperson anwesend zu sein hat, damit diese in einem medizinischen Notfall sofort entsprechende Hilfestellung geben kann. Die Möglichkeit der Alarmierung mittels Notfalleinrichtungen, wie einem Rufknopf für den Rettungsdienst, stellt keinen gleichwertigen Ersatz dar, zumal Hilfestellungen sofort erforderlich sein können und ein Zuwarten bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes zu einer Gefahr für die Gesundheit und das Leben der Kunden der Betriebsanlage führen kann. Außerdem ist je nach Art des medizinischen Notfalls nicht sichergestellt, dass die hilfebedürftige Person selbst zur Betätigung dieser Notfalleinrichtung überhaupt noch in der Lage ist. Auch stellt eine partielle Videoüberwachung der Betriebsanlage keinen gleichwertigen Ersatz zur Anwesenheit einer Aufsichtsperson dar: Dies einerseits, weil über eine Videoüberwachung ein unmittelbares Eingreifen iSd Setzens von Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht möglich ist. Andererseits wurde im Antrag auch gar nicht ausgeführt, dass eine Videoüberwachung tatsächlich durchgehend durchgeführt wird, wird doch lediglich ausgeführt, dass eine entsprechende Anlage installiert werden soll.

Die im Bedarfsfall unmittelbar zu erfolgenden Hilfeleistungen sind durch den Betreiber der Anlage sicher zu stellen, ein Abwälzen dieser Maßnahmen auf andere Kunden der Betriebsanlage entspricht nicht den Vorgaben der Gewerbeordnung, wozu auf die rechtlichen Erwägungen verwiesen wird. Angemerkt sei an dieser Stelle daher lediglich, dass auch nicht sichergestellt ist, dass tatsächlich immer eine weitere Person im Fitnessstudio anwesend ist.

III.     Beweiswürdigung:

Festgehalten wird zunächst, dass von der belangten Behörde zwei medizinische Sachverständigengutachten eingeholt wurden.

Das Sachverständigengutachten der Amtsärztin der belangten Behörde bezieht sich dabei ausschließlich auf Fragen des Betriebes der Anlage allgemeiner Natur, nicht jedoch auf Fragen in Bezug auf den Betrieb der Anlage ohne Aufsichtsperson. Diese Fragestellung wurde ausschließlich an die medizinische Amtssachverständige DD gestellt.

Soweit daher im Rechtsmittel vorgebracht wird, dass die medizinische Amtssachverständige der belangten Behörde keine Einwände gegen den Betrieb der Anlage, dies unter Einhaltung näher bezeichneter Aufträge, erhoben habe, so stellen diese Feststellungen keinen Widerspruch zu den Feststellungen der weiteren medizinischen Sachverständigen dar: Die Fragestellung, wie der Betrieb einer Anlage ohne Aufsichtsperson medizinisch zu beurteilen ist, wurde ausschließlich an DD gerichtet. Ein Widerspruch der Gutachten von DD und CC liegt somit entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde nicht vor.

Die Amtssachverständige hat in ihrem Gutachten vom 14.03.2022, das im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, Folgendes ausgeführt:

„Es soll aus medizinischer Sicht eine Stellungnahme abgegeben werden, ob ein Betrieb eines Fitnessstudios ohne anwesenden Personal vertretbar ist, ob insbesondere eine Gefährdung der Gesundheit mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen bzw. eine Gesundheitsgefährdung durch allfällige Sicherheitsvorkehrungen jedenfalls hintangehalten werden kann. Wesentliche Themen sind insbesondere der medizinische Notfall sowie die Hygieneanforderungen.

In diesem Zusammenhang sei zu beachten, dass eine bloß abstrakte Eignung einer gewerblichen Betriebsanlage, Gefährdungen hervorzurufen, eine Vorschreibung von Auflagen noch nicht rechtfertigen würde, da hierfür eine konkrete Eignung Voraussetzung ist. Ein derartiger Gefahrenbegriff setzt aber seinem gesamten Sinngehalt nach nicht etwa die Feststellung eines in Ansehung der Gewissheit seines Eintrittes als auch seiner zeitlichen Komponenten fixierten Schadenseintrittes voraus, sondern es genügt, dass die Gefahrsachverhaltsbezogen nicht ausgeschlossen werden kann (VwGH 15.09.1999, ZI 97/04/0074).

Zur Vermeidung der Gefahr wurde ausgeführt, dass die Voraussetzung der Vermeidung von Gefährdungen jedenfalls erfüllt ist, wenn der Ausschluss einer Gefährdung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Die Vermeidung der hier relevanten Gefährdung muss in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise erwartet werden können, wobei vom Stand der Technik und der medizinischen und sonst in Betracht kommenden Wissenschaften im Zeitpunkt der Entscheidung auszugehen ist (Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO, 4. Auflage, Rz 23 zu § 77).

Hinsichtlich der Gefährdung der Gesundheit ist auszuführen, dass es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt. Ein entscheidender Ansatzpunkt für seine Auslegung ergibt sich aus der Unterscheidung zwischen der Gefährdung der Gesundheit und der Belästigung der Nachbarn. Dementsprechend ist die Gefährdung der Gesundheit eine Einwirkung auf den menschlichen Organismus, die in Art und Nachhaltigkeit über eine bloße Belästigung hinausgeht Die Abgrenzung ist mittels der medizinischen Wissenschaft entsprechenden diesbezüglichen Sachverständigenaussagen vorzunehmen. Die Behörde hat zu beurteilen, ob eine Gefährdung der Gesundheit ausgeschlossen ist (Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO, 4. Auflage, Rz 23ff zu § 74).

Anhang A der Ö-Norm EN 17229 stellt ein Verfahren für die Reaktionskette vor. Demnach muss das Fitness-Studio für absehbare Notfälle das Erkennen, die Alarmierung und ein Eingreifen sicherstellen. Es muss sicherstellen, dass nach der Identifizierung eines Notfalls eine Alarmierung ausgelöst werden kann und dass unmittelbar nach der Alarmierung eines Notfalls eingegriffen werden kann.

Demgemäß führt der Betriebs-Werber aus:

Mit einem einfachen Knopfdruck sei man mit der Notrufzentrale des Roten Kreuzes verbunden und es melde sich dort jemand oder schicke Hilfe. Teile der Betriebsanlage werden auch durch Kameras überwacht, wobei Sanitäts-und Umkleidebereiche hiervon ausgenommen sind.

Recherche und Basisinformationen

Wie den Medien nach kurzer Recherche, trotz aller Limitationen und Vorbehalte den Medien gegenüber hinsichtlich des Wahrheitsgehaltes der tatsächlichen Begebenheit, sehr schnell zu entnehmen ist, sind schicksalsschwere gesundheitliche Bedrohungsscenarios in Fitnessstudios möglich. Z.B.:

Zu spät gefunden: Teenager wird in Fitnessstudio von einer Hantel erdrückt – EE

Demnach fiel einem 16-Jährigen Jungen in Australien, die Hantel, die fast 100 Kilo wog, beim Bankdrücken auf den Hals. Der Teenager sei davon erdrückt worden. Der Junge soll in dem Studio erst eine halbe Stunde nach dem Unfall gefunden worden sein.

Zu wenig Hilfe? - Mann (59) stirbt nach Herzattacke in Fitnessstudio FF.at

Um kurz nach 7 Uhr erlitt ein 59-jähriger Stammkunde einen Herzstillstand. Ein Mitarbeiter des Studios rief die Rettung, leistete, so wie ein Kollege und zwei andere Trainierende, aber keine Herzmassage. Der Kunde starb vor Ort.

Tod im Fitnessstudio - GG Tageszeitung

Am Mittwochabend kam es zu einem tragischen Todesfall in einem Bozner Fitnessstudio. In Bozen erlag am Mittwochabend eine junge Frau einer Hirnblutung. Vermutlich durch ein Aneurysma ausgelöst, riss die plötzliche Blutung die 25-Jährige mitten aus dem Leben.

Sie befand sich im Fitnessstudio, als das Unglück passiert, plötzlich soll sie Übelkeit verspürt haben. Medienberichten zufolge wurde sofort die Rettung gerufen, das Personal des Fitnessstudios übernahm derweil die Erstversorgung.

In der wissenschaftlichen Literatur werden als Ursache für plötzliche Todesfälle bei Sportler:innen grundsätzlich zwischen herzbedingten und nicht herzbedingten Ursachen unterschieden. So können als herzbedingte plötzlich auftretenden lebensbedrohlichen Zustandsbilder als ursächlich z.B. Herzmuskelerkrankungen mit veränderter Struktur und Funktionalität des Herzmuskels incl. Herzrhythmusstörungen, eine unerkannte Herzmuskelentzündung, Abnormitäten in der Herzkranzgefäßen,ein Herzinfarkt, eine Aortenstenose (Verengung der Hauptschlagader) oder eine Ruptur (Riss der Hauptschlagader) angesehen werden. Für nicht herzbedingte lebensbedrohliche Zustandsbilder können neben eine Hyperthermie, wie z.B. Hitzschlag, der Gebrauch von Drogen, das Auftreten einer akuten Lungenerkrankung wie einer Lungenembolie oder ein massiver Untergang von Muskelgewebe als ursächlich angesehen werden. (Sudden Cardiac and Noncardiac Death in Sports: Epidemiology, Gauses, Pathogenesis, and Prevention - JJ (TT.gov) abgerufen am 06.03.2022)


Incidence, Gause, and Comparative Freguencv of Sudden Cardiac Death in KK Athletes: A Decade in Review - JJ (TT.gov) abgerufen am 13.03.2022:
In der Statistik des KK wurden Todesfälle (2003-2013) analysiert: Die 3 Hauptursache der Todesfälle sind in 25% unbekannt, in 11% Anomalien des Koronararterien, die das Herz versorgen, in 9% der Fälle eine Myocarditis (Herzmuskelentzündung).


36 (57%) von 63 sportassoziierten Todesfällen fanden währen des Sports statt.

(Anm.: von der Wiedergabe einer im Gutachten abgebildeten Grafik wird abgesehen)

In einer dänischen Studie wurden 2016 sportassoziierte Todesfällen u.a. während des Laufens und währen des Radfahrens gelistet (1 (UU.dk) abgerufen am 13.03.2022)

In einer anderen Studie wurde 2011 eine substantiell höhere Inzidenz an sport-assoziierten plötzlichen Todesfällen in der allgemeinen Bevölkerung dokumentiert, als wenn man alleine auf Studien fokusiert, die sich auf Wettkämpfteilnehmerinnen spezialisierten. Es wurde eine Inzidenz von 5-17 Fällen von sport assoziierten plötzlichen Todesfällen pro 1 Mill Einwohnerinnen geschätzt. Die meisten Ereignisse finden bei augenscheinlich zuvor gesunden Männern zw. 35- und 65 Jahren in öffentlichen Bereichen statt. Eine prompte Intervention wie CPR (Herz-Lungen-Massage) oder die Anwendung eines Defibrillators durch umstehende Personen ist signifikant mit einer erhöhten Überlebensrate assoziiert. (Sports-Reiated Sudden Death in the General Population I Circulation (LL.org) abgerufen am 06.03.2022)

Basierend auf multiple logistische regressionsanalytische Methoden wurden folgende voneinander unabhängige Faktoren, die mit einem Überleben von plötzlichen sport-assoziierten lebensbedrohlichen Ereignissen verbunden waren, identifiziert: Cardiopulmonale Reanimation, die Zeit zwischen Kollaps und Reanimation und der Einsatz von Defibrillationsgeräten. (Sports-Reiated Sudden Death in the General Population i Circulation (LL.org)) abgerufen am 06.03.2022)

Nachdem die Populariät von Gewichtstrainings steigt, haben auch die dadurch bedingten
Verletzungshäufigkeiten zugenommen. Im Studienzeitrum 1990-2007 wurden 970.000 Verletzungen, die mit Gewichtheben assoziiert waren, in US- Notfall-Aufnahmen behandelt. Diese Studie zeigt auf, dass primär Männer (82%) und Jugendliche zwischen 13 und 24 Jahren (47%) betroffen sind. In 90% der Verletzungen wurden freie Gewichte verwendet und der Verletzungsmechanismus beruhte in 65% der Fälle auf das Fallen der Gewichte auf die Person. Die häufigsten Verletzungen waren Verstauchungen und Zerrungen (46%) gefolgt von Weichteilverletzungen (18%). Personen, die freie Gewichte benutzten erlitten eher Knochenbrüche (23,6%) als Personen, die Maschinen benutzen (9,7%). (Epidemiology of Weight Training- Related Iniuries Presenting to United States Emergencv Departments, 1990 to 2007 - MM, NN, OO, 2010 (PP.com) abgerufen am 06.03.2022)

Von .3820 Verletzungen in Zusammenhang mit Gewichtstemmen, meist infolge Kontrollverlust durch plötzliche Ermüdung der Muskulatur, waren in 2002 53% Verletzungen des Gesichtes oder des Nackens und 42% Brustverletzungen. Zw. 1999 und 2002 berichtet The Consumer Produkt Safety Commission (CPSC) in den USA von 20 Todesfällen, die mit Gewichtstraining assoziiert waren, davon zumindest 14 durch Ersticken. Um die Sicherheit beim Gewichtheben zu erhöhen wird die Anwesenheit eines Helfers empfohlen, bzw. sollten sicherheitsadaptierte Geräte verwendet werden. Die Warnungen auf den Fitnessprodukten sind in der Regel vage und daher nicht geeignet, Unfälle zu verhindern. (Forensic Sciences i Free Fuii-Text i a Gase of Fatal Asphyxia bv a Barbell during a Bench Press (QQ.com) abgerufen am 06.03.2022)

Jederzeit muss entsprechend der DIN-Norm 33961 aus 2019 ein medizinischer Ersthelfer und ein Brandschutzhelfer im Studio anwesend sein.

Bei medizinischen Notfällen müssen Ersthelfer spätestens nach einer Minute Hilfe leisten können. Fitnessstudio-Trainer müssen mindestens 18 Jahre alt sein und dürfen maximal 20 Trainierende gleichzeitig beaufsichtigen. Müssen die Trainer nebenbei noch putzen, den Empfangsbereich betreuen oder ist das Studio schlecht überschaubar, steigt der Personalschlüssel.

Personalanforderungen lt. DIN 33961 für das gerätegestütztes Kraft- und Herz-Kreislauf-Training:

Mindestanforderung Trainereinsatz: Mindestens 80 % der Wochen-Öffnungszeiten des Trainingsbereiches müssen durch die Anwesenheit eines Trainers der mindestens 18 Jahre alt ist und über mindestens eine Qualifikation als Flächentrainer K-15Z rev.01.001.000 S. 7 / 8 gemäß Qualifikationsstufe 2 (z.B. Fitnesstrainer B-Lizenz) oder einer vergleichbaren Qualifikation verfügt (eigene Trainingserfahrung und/oder Berufserfahrung können angerechnet werden). Die Anwesenheitszeiten (Betreuungszeiten) müssen festgelegt und dem Kunden schriftlich mitgeteilt werden.

Die weiteren 20 % der Wochen-Öffnungszeiten müssen durch eine Person abgedeckt werden, die ebenfalls mindestens 18 Jahre alt ist und die Forderung der Anwesenheit eines Erst- und Brandschutzhelfers erfüllt (Personalunion möglich).

Hinweis: Während mindestens 30% der Studio spezifisch berechneten Trainerwochenstunden muss eine qualifizierte Beaufsichtigung durch Trainer mit einer Qualifikation mindestens gemäß Qualifikationsstufe 3 oder einer vergleichbaren Qualifikation sichergestellt sein. Je nach Anzahl der Trainingsgeräte und deren Einsehbarkeit, Wochenöffnungszeiten und Doppelfunktionen der Trainer (Empfangs- u. Thekenarbeiten) wird für das Studio eine spezifische Trainerwochenstundenzahl berechnet. Dies geschieht durch den Begutachter bei der Inspektion vor Ort.

(Qualitätssicherung: DIN-Norm für Fitnessstudios (RR.de) aus 2019 abgerufen am 06.03.2022 und BSA-Zert -ZertFit - Downloads abgerufen am 13.03.2022)

Zusammenfassende amtsärztliche Beurteilung

Sportassoziierte Todesfälle wie weiter oben beschrieben sind seltene Ereignisse in Fitnessstudios, können aber nicht an sicherheitsgrenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Gefürchtet sind Rhythmusstörungen aus unbekannter Ursache oder auf Basis einer Herzmuskelentzündung. Eine Erkrankung der Herzkranzgefäße oder des Herzmuskels kann ebenso bei körperlicher Belastung zu gesundheitlichen schweren Störungen führen. Ebenso können Verletzungen durch den Gebrauch von Geräten wie Knochenbrüche, Kollapse, schwere Prellungen udgl. ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere erscheint das Trainieren mit Gewichten (Powerlifting) mit einer erhöhten Unfallwahrscheinlichkeit assoziiert, wiewohl betreffende Geräte bereits mit Sicherheitssystemen ausgestattet sind.

Die weiteroben beschriebenen Todesursachen können auch bei trainierten Personen auftreten.

Jedenfalls hängt die Unfallwahrscheinlichkeit oder die plötzliche Erkrankungswahrscheinlichkeit immer mit von der körperlichen Konstitution, den (latenten) Komorbiditäten, dem Trainingszustand, des (inneren) Trainingsplans, der (übersteigerten) Leistungsbereitschaft und der sicheren Anwendung der sicherheitstechnisch überprüften Trainingsgeräte ab. Untrainierte Personen mit inadäquater Leistungsbereitschaft ohne vorangegangene medizinische Leistungschecks und Einschulungen scheinen besonders unfallgefährdet bzw. krankheitsgefährdet, indem eine versteckte Komorbidität zum Ausbruch kommt.

Unbestritten bleibt die Tatsache, dass in den allermeisten Fällen die bereitgestellten Geräte eines Fitnessstudios zur Gesunderhaltung, Leistungssteigerung und Optimierung der Fitness beitragen.

Hier wird allerdings auf den seltenen Fall einer durch die Benutzung der Gerätschaften assoziierten schweren gesundheitlichen bis lebensbedrohlichen Beeinträchtigung abzustimmen sein.

Durch eine entsprechende Einschulung an den Geräten und einem leistungsangepassten Trainingsplan durch entsprechend geschultes Personal können Risikofaktoren reduziert, aber nicht völlig ausgeschlossen werden. In den meisten Fällen werden nicht die Gerätschaften per se als problemursächlich/unsicher angesehen werden müssen, sondern die Anwendungsmodalitäten, die Leistungsfähigkeiten und die Morbiditäten des Trainierenden selbst. Dies steht allerdings in wechselwirkendem gekoppelten Zusammenhang mit der Anwendung der bereit gestellten Gerätschaften - ohne die kostenpflichtige Bereitstellung von Gerätschaften auch keine Provokation von Unfällen oder plötzlichen gesundheitlichen Notlagen durch mehr oder weniger adäquate Verwendung eben dieser. Der zahlende Kunde eines Fitnessstudios sollte neben der Bereitstellung von sicheren Geräten und eines adäquat umgesetzten Hygienekonzepts auch auf eine adäquate Rettungskette bei Auftreten von unerwarteten bedrohlichen Gesundheitszuständen, welche als Folgeerscheinungen durch das Verwenden der Geräte nicht an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können, vertrauen können.

Betont wird, dass die auftretenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen als mögliche direkte Folgeerscheinung der körperlichen Anstrengung beim Verwenden der kostenpflichtig bereitgestellten Geräte mit in das Sicherheitskonzept jedes Fitnessstudios aufgenommen werden muss und diese gesundheitlichen Beeinträchtigungen dem Besuch des Fitnessstudios zugerechnet werden.

Einem medizinischen Notfall ist es immanent, dass die betroffene Person nicht immer zwangsläufig selbst Hilfe suchen oder Ersthelfer alarmieren kann, sondern auf deren Wachsamkeit und Einsatzbereitschaft angewiesen ist. Jedenfalls darauf zu vertrauen, dass unbeteiligte Dritte nächtens immer anwesend sind, die die Rettungskette in Gang setzen und selbst hochwertige Erste Hilfe zu leisten vermögen, ist kein geeignetes Konzept für eine qualitative einwandfreie Rettungskette. Ebenso erscheint das Anbringen von Videoüberwachungsgeräten, Notrufknöpfen oder das Tragen von High-Tech-Armbändern, die eine plötzliche Lageänderungen registrieren und die Rettung alarmieren können, ebenfalls nicht geeignet, die in der Kürze der Zeit erforderlichen Erstrettungsmaßnahmen sicher zu stellen. Plötzliche Kollapsanfälle können v.a. durch ein Herzkammerflimmern z.B. im Rahmen einer Herzrhythmusstörung auf Basis einer unerkannten Herzmuskelentzündung, ausgelöst werden, sodass der unmittelbare lebensrettende Beginn einer cardio-pulmonalen Reanimation (Herz-Lungen-Massage) oder der Einsatz eines halbautomatischen/automatischen Defibrillators durch geschulte permanent anwesende Ersthelfer angezeigt ist. Ein Spieltraum von nur wenigen (idR 3 Minuten) Minuten, lässt das Warten auf die Ankunft der Rettung nicht zu.

Hinsichtlich den Hygieneanforderungen in Fitnessstudios und den sicherheitstechnischen Überprüfungen der Gerätschaften wie z.B. der wöchentlichen Kontrolle auf Rost und Verschleiß wird auf die einschlägige ÖNORM EN 17229 20191015 und der DIN-Norm 33961 verwiesen.

Unabhängig davon, dass Personalkosten für qualifiziertes Personal aus Blickwinkel eines Studiobetreibers als Kostenfaktor wahrgenommen werden, muss aus Blickwinkel des Konsumentenschutzes und der medizinischen Sicherheit die erforderliche schnelle qualifizierte Reaktivität im Falle eines plötzlichen gesundheitlichen Notfalls, der schwere körperliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen kann, immer gewährleistet werden, indem entsprechend qualifiziertes Personal vor Ort während der gesamten Öffnungszeiten anwesend ist (siehe auch DIN-Norm 33961). Es kann nicht mit der erforderlichen an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass eine solcher Notfall nicht eintritt.“

Diese Ausführungen der vom Landesverwaltungsgericht Tirol beigezogenen Amtssachverständigen der SS Tirol sind für das LVwG schlüssig und nachvollziehbar. So ist für das Landesverwaltungsgericht insbesondere nachvollziehbar, dass der Besuch eines Fitnessstudios deren Kunden zu Höchstleistungen motiviert, bei welchen der Eintritt der von der Amtssachverständigen geschilderten Risiken zu befürchten steht. Daran ändert auch das Vorbringen in der Beschwerde nichts: So hat sich die Amtssachverständige im Zuge der Gutachtenserörterung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol sehr wohl auf die konkret zu beurteilende Anlage bezogen und nicht nur Ausführungen genereller Natur vorgenommen. Dass sie dabei auch auf allgemeine Informationen aus anderen Informationsquellen wie dem Internet zurückgegriffen hat ist nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts unbeachtlich, zumal der tatsächliche Befund als Grundlage für das Gutachten dadurch nicht als unrichtig beurteilt werden kann – und im Übrigen vom Beschwerdeführer auch nicht dargetan wurde, dass diese Elemente des Befundes unrichtig seien.

Im Übrigen wurde den Ausführungen der Amtssachverständigen auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

IV.      Rechtslage:

GewO 1994:

㤠74

(2) Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

         1.       das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen oder des nicht den Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994, in der jeweils geltenden Fassung, unterliegenden mittätigen eingetragenen Partners, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

         2.       die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

         3.       die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

         4.       die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

         5.       eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

§ 77

(1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen.“

V.       Erwägungen:

§ 77 Abs 1 GewO 1994 normiert als Genehmigungsvoraussetzung unter anderem, dass die nach den Umständen des Einzelfalls voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 GewO 1994 vermieden werden. Voraussetzung ist somit, dass durch den Betrieb der beantragten Anlage eine Gefährdung des Lebens und der Gesundheit von Kunden nicht zu befürchten steht. Ein etwaiger Verzicht der Kunden auf diesen Schutz wäre rechtlich unerheblich (vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4, Rz 19 zu § 74 GewO 1994). Der Schutz der Kunden ist vielmehr von Amts wegen Wahrzunehmen (vgl vgl Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher, GewO4, Rz 23 zu § 74 GewO 1994).

Soweit daher vom Beschwerdeführer darauf hingewiesen wurde, dass eine Einschulung der Kunden erfolge und diese auf die entsprechenden Risiken bei der Verwendung der angebotenen Fitnessgeräte hingewiesen würden, so ist dies für die Frage des Prüfumfangs der Betriebsanlage irrelevant. Selbst wenn sich daher die Kunden der Betriebsanlage dazu verpflichten, die Sportgeräte nur auf eine bestimmte Art zu verwenden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die Kunden ohne entsprechende Beaufsichtigung durch den Betreiber des Fitnesscenters nicht diesen Anweisungen entsprechend verhalten und dadurch ein grundsätzlich vermeidbares Verletzungsrisiko entsteht. Darüber hinaus ist aber in diesem Zusammenhang auch auf die Ausführungen der Amtssachverständigen zu verweisen, dass alleine schon durch ein überschätzen der eigenen Leistungsfähigkeit oder durch bestehende, unter Umständen unerkannte, Vorerkrankungen schwerwiegende Herz-Kreislaufprobleme auftreten können, die eine Gesundheits- oder gar Lebensgefährdung der Kunden der Anlage nach sich ziehen können.

Wie sich aus dem Gutachten der Amtssachverständigen ergibt, geht die geschilderte Gefährdung der Gesundheit und des Lebens der Kunden der Betriebsanlage von der Verwendung der in der Einrichtung angebotenen Geräte aus.

Die Genehmigungspflicht ist auch dann gegeben, wenn es sich um Auswirkungen handelt, die für die Betriebsanlage nicht spezifisch sind, sondern auch ohne Zusammenhang mit solchen Anlagen auftreten können (VwGh 19.09.1989, 89/04/0004). Soweit daher vom Beschwerdeführer darauf hingewiesen wurde, dass ein Gesundheitsrisiko bei der Ausübung von Sport generell besteht so ändert dies nichts an der Feststellung, dass die geschilderten Risiken bei der Verwendung der angebotenen Fitnessgeräte jedenfalls gegeben sind, nach den Ausführungen der medizinischen Amtssachverständigen sogar erhöht werden, zumal ein Fitnessstudio dazu anregt, Höchstleistungen zu erbringen. Selbst wenn es daher schon nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bei der Sportausübung außerhalb eines Fitnessstudios zu Verletzungen oder bedingt durch eine Überlastung zu Herz-Kreislaufproblemen kommen kann, ändert dies nichts daran, dass durch das zur Verfügung stellen von Sportgeräten in einem Fitnessstudio die von der Amtssachverständigen festgestellten Risken ausgelöst werden.

Bei der Frage der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage ist nicht lediglich auf deren abstrakte, sondern auf die konkrete Eignung, die im § 74 Abs 2 GewO näher umschriebenen Interessen zu beeinträchtigen, abzustellen (VwGH 25.02.1993, 91/04/0248). Die Gesundheitsgefährdung muss somit in einem kausalen Zusammenhang mit dem Betrieb der Anlage stehen (VwGH 19.10.1993, 91/04/0163). Wie sich aus dem Gutachten der medizinischen Amtssachverständigen ergibt, besteht im vorliegenden Zusammenhang ein derartiger kausaler Zusammenhang zwischen der Verwendung der angebotenen Sportgeräte und den geschilderten gesundheitlichen Risken. So hat die Amtssachverständige bei der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ausgeführt, dass nicht nur eine abstrakte Möglichkeit der Gesundheitsgefährdung besteht, sondern dass diese Gefährdung in der Praxis bereits zu schwerwiegenden Gefahren für die Gesundheit und das Leben geführt haben.

Weiters zu berücksichtigen gilt, dass eine Genehmigung der Anlage auch dann zu erteilen ist, wenn dieser Schutz zwar noch nicht durch das beantragte Vorhaben an sich, aber durch die Vorschreibung von geeigneten Auflagen erreicht werden kann. Die demnach vorzuschreibenden Auflagen dürfen aber jedenfalls nur gegenüber dem Inhaber der Betriebsanlage vorgeschrieben werden (VwGH 12.11.1996, 94/04/0266).

Wie das durchgeführte Verfahren gezeigt hat, kann der Schutz der Gesundheit und des Lebens der Kunden der Betriebsanlage nicht durch Auflagen gleichwertig wie durch die verpflichtende Anwesenheit einer geschulten Aufsichtsperson gewährleistet werden. So bieten etwa Möglichkeiten zur selbständigen Alarmierung von Rettungsorganisationen durch die Kunden der Betriebsanlage einerseits deshalb keinen geeigneten Schutz, weil diese etwa bedingt durch die Art der Verletzung oder Erkrankung die Notfalltasten nicht mehr selbständig betätigt können. Auch ist es bei Herz- Kreislaufproblemen mitunter nicht ausreichend, dass Hilfe erst herbeigerufen wird, sondern sind entsprechende Maßnahmen, wie etwa eine Herzmassage, sofort zu setzen.

Die Bedenken der Behörde richten sich im vorliegenden Fall nicht grundsätzlich gegen den Betrieb des beantragten Fitnessstudios, sondern beziehen sich ausschließlich auf die Frage, ob der Betrieb der Anlage ohne Aufsichtsperson den angeführten Genehmigungsvoraussetzungen gerecht wird. Dies ist nach den Ergebnissen des durchgeführten Ermittlungsverfahrens auszuschließen. So hat das Verfahren ergeben, dass ein Schutz der Kunde der Einrichtung vor den Auswirkungen von Verletzungen und Herz- Kreislaufproblemen nur dann entsprechend dem Stand der medizinischen Wissenschaft verhindert bzw die Gefahr von schwerwiegenden Auswirkungen reduziert werden kann, wenn geschultes Aufsichtspersonal anwesend ist. Ein gleichwertiger Schutz kann durch Nebenbestimmungen nicht erreicht werden. Aus diesem Grund hat die belangte Behörde den Antrag auf Betrieb der Anlage ohne Aufsichtspersonal zu Recht abgewiesen.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So handelt es sich im vorliegenden Fall ausschließlich um eine Sachverhaltsfrage, die vom Landesverwaltungsgericht Tirol unter Zuziehung einer medizinischen Amtssachverständigen geklärt werden konnte. Im Übrigen wird auf die in der Begründung zitierte Judikatur verwiesen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen. Soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dünser

(Richter)

Schlagworte

Betrieb Fitnessstudio ohne Aufsicht unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.15.1508.5
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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