TE Vwgh Beschluss 1996/4/23 94/05/0021

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
58/02 Energierecht;

Norm

AVG §56;
AVG §8;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art139 Abs1;
B-VG Art18 Abs2;
StarkstromwegeG 1968 §4 Abs2;
StarkstromwegeG 1968 §4;
StarkstromwegeG 1968 §5 Abs3;
StarkstromwegeG 1968 §7 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Gemeinde Pilgersdorf, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 7. Dezember 1993, Zl. 556.475/32-VIII/6/93, betreffend Vorprüfungsverfahren gemäß § 4 und 5 Starkstromwegegesetz (mitbeteiligte Parteien:

1. Österreichische Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbundgesellschaft) in W, 2. Burgenländische Elektrizitätswirtschafts-AG (BEWAG) in E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,--, der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- und der zweitmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid traf die belangte Behörde unter Punkt I. gemäß § 4 Abs. 3 des Bundesgesetzes über elektrische Leitungsanlagen, die sich auf zwei oder mehrere Bundesländer erstrecken (Starkstromwegegesetz 1968), folgende Feststellung:

"Das modifizierte Projekt

* Abänderung des genehmigten generellen Projektes des Teilabschnittes "UW Südburgenland - UW Wien Südost" der 380-kV-Leitung "UW Kainachtal - UW Wien Südost" in den Gemeindebereichen Unterkohlstätten, Sieggraben, Mattersburg, Stadtschlaining, Schwendgraben-Unterrabnitz, Draßmarkt, Pilgersdorf, Ebreichsdorf, Trumau und Münchendorf,

* Mitführung eines 110-kV-Systems der BEWAG auf dem neuen

Gestänge der 380-kV-Leitung im Bereich von Stadtschlaining bis Draßmarkt/Schwendgraben unter gleichzeitiger Demontage der bestehenden 110-kV-Doppelhochspannungsleitung "Oberwart - Oberpullendorf" im Bereich Stadtschlaining bis Piringsdorf und der bestehenden 110-kV-Einfachhochspannungsleitung "St.Martin - Oberwart" vom UW St.Martin bis in den Bereich zwischen Oberwart und Unterwart,

* Verlegung des Endpunktes der

380-kV-Vierfachhochspannungsleitung von der Gemeinde Pottendorf "Reisenbach" in die Gemeinde Trumau,

* im Erstausbau Mitführung der

220-kV-Doppelhochspannungsfreileitung "Ternitz - Wien Südost" auf dem neuen Gestänge der 380-kV-Leitung im Bereich von Trumau bis zum Netzknoten Wien Südost unter gleichzeitiger Demontage der bestehenden 220-kV-Leitung in diesem Bereich,

widerspricht

a)

NICHT dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie gemäß § 7, Abs. 1 StWG (grundsätzliche Bewilligung des Projektes) und

b)

NICHT den sonstigen gemäß § 7, Abs. 1 StWG wahrzunehmenden öffentlichen, durch das Projekt berührten Interessen, soferne im Zuge der Detailplanung des Projektes gemäß der hier bewilligten generellen Trasse nachfolgende Bedingungen, Auflagen und Detailplanungsziele eingehalten werden:

1.

Demontage der bestehenden 110-kV-Doppelhochspannungsleitung "Oberwart - Oberpullendorf" im Bereich Stadtschlaining bis Piringsdorf. Demontage der bestehenden 110-kV-Einfachhochspannungsleitung "St.Martin - Oberwart" vom UW St.Martin bis in den Bereich zwischen Oberwart und Unterwart.

2.

Die generelle Trasse des Teilstückes der 380-kV-Freileitung zwischen dem geplanten UW Südburgenland und dem bestehenden UW Wien Südost zum Unterschied vom ursprünglichen Projekt in folgenden Gemeindebereichen wie folgt festgelegt wird:

...

c) Pilgersdorf:

Der Ortsteil Salmannsdorf wird in einem westlichen Bogen bei Kote 540 umfahren. Die Gemeinschaftstrasse führt über den Schirnitzbach und quert zwischen Schirnitzriegel und Reibl eine Senke. Danach erfolgt der Abstieg in den Koglgraben. Nach Querung des Koglgrabens werden der Größere Graben und der Lebengraben überquert.

Das Zöbernbachtal wird unter Ausnutzung einer Waldkulisse im Bereich des Forstgartens gekreuzt. Die Gemeinschaftsleitung verläßt antsteigend zum Eckwald das Gemeindegebiet Pilgersdorf.

...

3.

Eine Übersichtskarte (Maßstab 1:50.000) mit der Eintragung der abgeänderten generellen Trasse ist von der Konsenswerberin Verbundgesellschaft in den oben genannten Gemeinden zur allgemeinen Einsichtnahme aufzulegen. Desgleichen ist interessierten Grundeigentümern auf Verlangen die Einsichtnahme zu ermöglichen. Zu dieser Karte wird jedoch bemerkt, daß die eingetragene Trasse nicht die endgültige Festlegung der Leitungstrasse darstellt, sondern in der Natur einen ca. 100 bis 120 m breiten Arbeitsstreifen definiert, innerhalb dessen dieselbe für das Detailprojekt entsprechend den Planungsauflagen festzulegen sein wird.

..."

Weiters wurden in diesem Bescheid (Punkt II.) alle in den örtlichen mündlichen Verhandlungen gestellten zivilrechtlichen Ansprüche und Anträge, wie Entschädigungsansprüche, Schadenersatzansprüche, Haftungsübernahmen etc. als nicht verhandlungsgegenständlich zurückgewiesen bzw. auf den zivilrechtlichen Weg verwiesen. Im Spruchpunkt III. wurde ausgeführt, daß die Verhandlungsschriften, aufgenommen in bestimmten Gemeinden, u.a. am 12. Oktober 1993 bei der Beschwerdeführerin, zur allfälligen Interpretation als integrierender Bestandteil dieses Bescheides dienten. Schließlich gewährte die belangte Behörde mit Spruchpunkt IV. den beiden mitbeteiligten Parteien auf die Dauer von 18 Monaten das Recht, zur Vornahme von Vorarbeiten (Vermessungsarbeiten, Bodenproben) fremde Grundstücke zur Ausarbeitung eines Detailprojektes im Bereich der im Spruchteil I. beschriebenen generellen Trasse der zu errichtenden 380-kV-Leitungsanlage in Anspruch zu nehmen.

In ihrer dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht verletzt, entgegen den Bestimmungen der §§ 4, 5 und 7 Starkstromwegegesetz bzw. verwandter Bestimmungen eine Stromleitung auf ihrem Gemeindegebiet und entgegen den öffentlichen Interessen Vorarbeiten zur Errichtung einer elektrischen Leitungsanlage in ihrem Gemeindegebiet dulden zu müssen, sowie im Recht auf Einhaltung der in den Verfahrensgesetzen, insbesondere dem AVG gewährleisteten Verfahrensgarantien. Es wird die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.

Zu ihrer Beschwerdelegitimation führte die Beschwerdeführerin aus, daß sich ihre Parteistellung aus dem Starkstromwegegesetz (BGBl. Nr. 70/1968, im folgenden: StarkstromwegeG) ergebe, sowie daraus, daß die Beschwerdeführerin als Verwalterin des öffentlichen Gutes direkt betroffen sei. Die in Ausicht genommene Trasse berühre verschiedentlich öffentliches Gut; es wurde ein Grundbuchsauszug vorgelegt, der die der Beschwerdeführerin gehörenden Straßen, Wege und Ortsräume ausweist.

Aus nachstehenden Erwägungen ist die Beschwerdeführerin zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht berechtigt:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Voraussetzung für die Beschwerdelegitimation ist demnach die Behauptung des Beschwerdeführers, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargelegt, daß sich eine Beschwerde trotz der Behauptung des Beschwerdeführers, in einem Recht verletzt worden zu sein, dennoch als unzulässig erweist, wenn die Möglichkeit einer Rechtsverletzung durch den in Beschwerde gezogenen Bescheid nicht besteht (hg. Beschluß vom 15. Dezember 1987, Zl. 87/05/0192, m.w.N.).

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin soll sich ihre Parteistellung zunächst "aus dem StarkstromwegeG" ergeben. Sie hat möglicherweise die Bestimmung des § 7 Abs. 1 StarkstromwegeG im Auge, die wie folgt lautet:

"(1) Die Behörde hat die Bau- und Betriebsbewilligung zu erteilen, wenn die elektrische Leitungsanlage dem öffentlichen Interesse an der Versorgung der Bevölkerung oder eines Teiles derselben mit elektrischer Energie nicht widerspricht. In dieser Bewilligung hat die Behörde durch Auflagen zu bewirken, daß die elektrischen Leitungsanlagen diesen Voraussetzungen entsprechen. Dabei hat eine Abstimmung mit den bereits vorhandenen oder bewilligten anderen Energieversorgungseinrichtungen und mit den Erfordernissen der Landeskultur, des Forstwesens, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Raumplanung, des Natur- und Denkmalschutzes, der Wasserwirtschaft und des Wasserrechtes, des öffentlichen Verkehrs, der sonstigen öffentlichen Versorgung, der Landesverteidigung, der Sicherheit des Luftraumes und des Dienstnehmerschutzes zu erfolgen. Die zur Wahrung dieser Interessen berufenen Behörden und öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind im Ermittlungsverfahren zu hören."

Im oben genannten Beschluß hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß aus dem im letzten Satz der wiedergegebenen Bestimmung angeführten Anhörungsrecht nicht ein darüber hinausgehender Anspruch darauf resultiert, in dem abgeführten Bewilligungsverfahren als Partei i.S.d. § 8 AVG teilzunehmen. Auch im hier vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin bei der Verhandlung vom 12. Oktober 1993 gehört (offenbar erfolgte über ihren Wunsch eine Trassenverlegung), weshalb sie durch den angefochtenen Bescheid jedenfalls nicht in ihrem aus der letztgenannten Regelung erfließenden Anhörungsrecht verletzt worden ist.

Hier gegenständlich ist allerdings ein Vorprüfungsverfahren gemäß § 4 StarkstromwegeG. Diese Bestimmung lautet:

"(1) Die Behörde kann über Antrag oder von Amts wegen ein Vorprüfungsverfahren anordnen, wenn ein Ansuchen um Bewilligung der Inanspruchnahme fremden Gutes zur Vornahme von Vorarbeiten (§ 5) oder um Bewilligung zur Errichtung und Inbetriebnahme elektrischer Leitungsanlagen (§ 6) vorliegt und zu befürchten ist, daß durch diese elektrischen Leitungsanlagen öffentliche Interessen nach § 7 Abs. 1 wesentlich beeinträchtigt werden. In diesem sind der Behörde durch den Bewilligungswerber über Aufforderung folgende Unterlagen vorzulegen:

a)

ein Bericht über die technische Konzeption der geplanten Leitungsanlage,

b)

ein Übersichtsplan im Maßstab 1:50.000 mit der vorläufig beabsichtigten Trasse und den offenkundig berührten, öffentlichen Interessen dienenden Anlagen.

(2) Im Rahmen eines Vorprüfungsverfahrens sind sämtliche Behörden und öffentlich-rechtliche Körperschaften, welche die durch die geplante elektrische Leitungsanlage berührten öffentlichen Interessen (§ 7 Abs. 1) vertreten, zu hören.

(3) Nach Abschluß des Vorprüfungsverfahrens ist mit Bescheid festzustellen, ob und unter welchen Bedingungen die geplante elektrische Leitungsanlage den berührten öffentlichen Interessen nicht widerspricht."

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch zum Vorprüfungsverfahren (§ 4 des diesbezüglich gleichlautenden Steiermärkischen Starkstromwegegesetzes 1971, LGBl. Nr. 14) wiederholt, daß aus dem Anhörungsrecht kein darüber hinausgehender Anspruch resultiert, in dem abgeführten Verfahren als Partei i.S. des AVG teilzunehmen, und eine Verletzung des Anhörungsrechtes nicht vorliegt, wenn der öffentlich-rechtlichen Körperschaft im Vorprüfungsverfahren die Möglichkeit eingeräumt wurde, die zur Wahrung ihrer Interessen erforderlich erscheinende Stellungnahme abzugeben

(hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1994, Zl. 93/05/0251).

Die Beschwerdeführerin stützt ihre behauptete Parteistellung allerdings auch darauf, daß sie "Verwalterin öffentlichen Gutes" sei. Im Zusammenhang mit dem vorgelegten Grundbuchauszug macht sie erkennbar geltend, daß ihre Privatrechte als Eigentümerin bestimmter Grundstücke berührt würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Bewilligungsverfahren nach § 7 StarkstromwegeG (bzw. zu entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen) in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, daß der durch eine derartige Leitung betroffene Grundeigentümer schon im Bewilligungsverfahren zur Wahrung seiner Rechte Parteistellung habe. Dabei könne er geltend machen, daß kein öffentliches Interesse daran bestehe, die geplante Leitung in einer seine Grundstücke berührenden Art oder wenigstens in der vorgesehenen Weise auszuführen (hg. Erkenntnis vom 5. März 1985, Zlen. 84/05/0193, 0194, m. w.N.).

Im Erkenntnis vom 26. Juni 1990, Zl. 89/05/0210, wurde die Parteistellung auch für andere dinglich Berechtigte (dort: Fruchtgenußberechtigte) bejaht. Wiederholt wurde unter Hinweis auf die bisherhige Rechtsprechung, daß den Grundeigentümern trotz des Fehlens einer ausdrücklichen diesbezüglichen Regelung im Gesetz bereits im starkstromwegerechtlichen Baubewilligungsverfahren und nicht erst im Enteignungsverfahren Parteistellung zukomme.

Daß dem dinglich Berechtigten nicht erst im Enteignungsverfahren, sondern schon im Bewilligungsverfahren Parteistellung zukommen soll, wurde im zuletzt genannten Erkenntnis damit begründet, daß im elektrizitätsrechtlichen Baubewilligungsverfahren bereits die Leitungsanlage räumlich festgelegt werde, wogegen es in der Frage der Einräumung von Zwangsrechten nur mehr um die Durchsetzung der festgelegten Leitungsanlage gehe.

Damit ist aber klargestellt, daß im Vorprüfungsverfahren gemäß § 4 StarkstromwegeG eine die Parteistellung begründende Berührung der Interessen der dinglich Berechtigten noch nicht in Betracht kommt. Nach Abs. 1 lit. b dieser Bestimmung muß ein Übersichtsplan im Maßstab 1:50.000 mit der VORLÄUFIG BEABSICHTIGTEN Trasse vorgelegt werden, sodaß schon deshalb eine räumliche Festlegung gar nicht erfolgen kann. In dem hier angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, daß das Projekt nicht den öffentlichen Interessen an der Versorgung der Bevölkerung mit elektrischer Energie und nicht den sonstigen gemäß § 7 Abs. 1 StarkstromwegeG wahrzunehmenden öffentlichen, durch das Projekt berührten Interessen widerspricht, soferne im Zuge der Detailplanung des Projektes gemäß der hier bewilligten generellen Trasse gewisse Bedingungen, Auflagen und Detailplanungsziele eingehalten werden. Diese Detailplanung liegt aber noch nicht vor; die den Gegenstand des Vorprüfungsverfahrens bildende Übersichtskarte enthält nicht die endgültige Festlegung der Leitungstrasse, sondern definiert in der Natur einen ca. 100 bis 120 m breiten Arbeitsstreifen, innerhalb dessen die Trasse für das Detailprojekt entsprechend den Planungsauflagen festzulegen sein wird (Spruchpunkt I.3. des angefochtenen Bescheides).

Voraussetzung der Parteistellung ist nach der geschilderten Rechtsprechung allein die dingliche Berechtigung, weil diesem Personenkreis die Durchsetzung von Zwangsrechten, allenfalls die Enteignung droht. Nur wenn die Trasse nicht bloß vorläufig, sondern endgültig festgesetzt ist, kann die Frage beantwortet werden, wer dinglich Berechtigter und damit in seinen geschützten Interessen berührt ist; eine vorläufige Trassenfestlegung mit einer Bandbreite von 100 bis 120 m vermag hingegen eine derartige Interessenberührung nicht herbeizuführen.

Zusammenfassend ergibt sich somit, daß den dinglich Berechtigten nicht erst im Enteignungsverfahren, sondern schon im Baubewilligungsverfahren, aber noch nicht im Vorprüfungsverfahren gemäß § 4 StarkstromwegeG Parteistellung zukommt, zumal im folgenden elektrizitätsrechtlichen Baubewilligungsverfahren die Wahrung der Rechte der Grundeigentümer gewährleistet ist.

Was die weiters aufgetragene Duldung von Vorarbeiten gemäß § 5 StarkstromwegeG betrifft, kann aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben, ob auch dieser Eigentumseingriff schon zu einer Parteistellung im Vorprüfungsverfahren führt.

§ 5 StarkstromwegeG lautet:

"Vorarbeiten

§ 5.

(1) Auf Ansuchen ist für eine von der Behörde festzusetzende Frist die Inanspruchnahme fremden Gutes zur Vornahme von Vorarbeiten für die Errichtung einer elektrischen Leitungsanlage durch Bescheid der Behörde unter Berücksichtigung etwaiger Belange der Landesverteidigung zu bewilligen. Diese Frist kann verlängert werden, wenn die Vorbereitung des Bauentwurfes dies erfordert und vor Ablauf der Frist darum angesucht wird.

(2) Diese Bewilligung gibt das Recht, fremde Grundstücke zu betreten und auf ihnen die zur Vorbereitung des Bauentwurfes erforderlichen Bodenuntersuchungen und sonstigen technischen Arbeiten mit tunlichster Schonung und Ermöglichung des bestimmungsgemäßen Gebrauches der betroffenen Grundstücke vorzunehmen.

(3) Die Bewilligung ist von der Behörde in der Gemeinde, in deren Bereich Vorarbeiten durchgeführt werden sollen, spätestens eine Woche vor Aufnahme der Vorarbeiten durch Anschlag kundzumachen. Eine Übersichtskarte mit der vorläufig beabsichtigten Trassenführung ist zur allgemeinen Einsichtnahme im Gemeindeamt aufzulegen.

(4) Der zur Vornahme von Vorarbeiten Berechtigte hat den Grundstückseigentümer die an den Grundstücken dinglich Berechtigten für alle mit den Vorarbeiten unmittelbar verbundenen Beschränkungen ihrer zum Zeitpunkt der Bewilligung ausgeübten Rechte angemessen zu entschädigen. Für das Verfahren gilt § 20 lit. a bis d sinngemäß."

Adressat des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides sind die Antragsteller, denen auf die Dauer von 18 Monaten die Berechtigung eingeräumt wurde, zur Vornahme von Vorarbeiten (Vermessungsarbeiten, Bodenproben) fremde Grundstücke in Anspruch zu nehmen. Eine derartige Bewilligung zur Inanspruchnahme fremder Grundstücke ist gemäß § 5 Abs. 3 StarkstromwegeG durch Anschlag in der Gemeinde kundzumachen.

Damit stellt sich aber die Frage, ob nicht nur die Berechtigung der Bewilligungswerber, sondern auch die Verpflichtung der Grundstückseigentümer in Bescheidform erfolgte oder insofern von einer Verordnung auszugehen ist. Lehre und Rechtsprechung nehmen die Abgrenzung zwischen Bescheid und Verordnung grundsätzlich danach vor, ob sich der Verwaltungsakt an "individuell bestimmte Personen" richtet und sich darin auch seine Wirkung erschöpft, oder ob sich die Wirkung des Rechtaktes darüber hinaus auf einen nach generellen Merkmalen bestimmten Adressatenkreis erstreckt (siehe die Quellenangaben im hg. Erkenntnis vom 19. März 1991, Zl. 90/08/0139 sowie Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes6, Rz 380).

Tatsächlich liegt hier EIN Verwaltungsakt vor, der als Bescheid bezeichnet ist. Ob ein Verwaltungsakt gleichzeitig Bescheid oder Verordnung, also "janusköpfig" sein kann, ist umstritten (Walter-Mayer aaO); der Verfassungsgerichtshof hat dies zuletzt ausdrücklich offengelassen (Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. K I-9/94). Nach den Ausführungen von Laurer (Wirtschafts- und Steueraufsicht über Kredit und Versicherungsunternehmungen, Wien 1972, 219) liegt bei korrespondierenden Rechten und Pflichten dann ein janusköpfiger Verwaltungsakt vor, wenn entweder ein individuell beschriebener Personenkreis berechtigt und ein generell beschriebener Kreis verpflichtet wird oder ein individuell beschriebener Personenkreis verpflichtet und ein generell beschriebener Personenkreis berechtigt wird. Aichlreiter (Österreichisches Verordnungsrecht, Band 1, 195) lehnt es zwar ab, eine neue, doppelgesichtige Rechtsatzform anzuerkennen, schließt es allerdings nicht aus, daß eine tatbestandlich gleiche Regelung gegenüber bestimmten Adressaten als Bescheid zu erlassen, gegenüber anderen als Verordnung kundzumachen ist.

Im vorliegenden Fall läßt sowohl der inhaltliche Aspekt (generelle Wirkung) als auch die Publikation (siehe die Darstellung der unterschiedlichen Lehrmeinungen bei Aichlreiter a. a.O, 189) die Qualifikation als Verordnung zu:

Aus der Berechtigung der beiden Bescheidadressaten resultiert eine Verpflichtung eines Personenkreises ohne individuelle Bestimmung. Die betroffenen Grundstücke sind weder im Bewilligungsansuchen, noch im Bescheid einzeln anzuführen, da sich in der Regel erst im Zuge der Vorarbeiten ergibt, auf welchen Grundstücken solche durchgeführt werden (Sladecek - Orglmeister, Österreichisches Starkstromwegerecht, 63). Der Adressatenkreis dieser Verpflichtung ist nur nach generellen Merkmalen (100 m bis 120 m breiter Streifen) bestimmt, ohne daß feststeht, wer tatsächlich derartige Vorarbeiten zu dulden haben wird.

Andererseits sieht § 5 Abs. 3 StarkstromwegeG die Kundmachung an der Gemeindetafel vor. Aichlreiter (a.a.O, 55) hat sich anhand der Bestimmung des § 6 Abs. 1 des Salzburger Naturschutzgesetzes, wonach die Erklärung zum Naturdenkmal zur allgemeinen Kenntnis durch sechs Wochen an der Amtstafel der Naturschutzbehörde kundzumachen und von der betreffenden Gemeinde auf die für deren allgemeine verbindliche Anordnungen vorgesehenen Art und Weise zu verlautbaren ist, mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich dabei um eine Bescheiderlassung durch öffentliche Bekanntmachung im Sinne des § 25 Zustellgesetz oder um eine Verlautbarung als Verordnungserlassung handelt. § 25 Zustellgesetz erfasse aber nur die Erlassung normativer Anordnungen gegenüber individuell bestimmten Personen, die deswegen nicht im Wege einer Zustellung erfolgen könne, weil ihr Aufenthalt unbekannt sei. Auch im hier zu behandelnden Fall geht es nicht um Personen unbestimmten Aufenthaltes. Der Autor kommt vielmehr zum Ergebnis, daß der im Gesetz vorgesehene Erfolg, nämlich die Bedrohung von Eingriffen in ein Naturdenkmal mit Strafe, durch zwei normative Akte herbeigeführt werde, welche verschiedenen Rechtsquellentypen angehörten, nämlich die Unterschutzstellung durch Bescheid gegenüber den im Gesetz genannten Einzelnen und durch Verordnung gegenüber der Allgemeinheit. Die auch hier an einen nach generellen Merkmalen bestimmten Adressatenkreis gerichtete Anordnung, bestimmte Eingriffe zu dulden, wird erst durch die Einhaltung der in § 5 Abs. 3 vorgeschriebenen Publikationsform gültig.

Der somit nach Inhalt und Kundmachung klargelegte Verordnungscharakter der aus Punkt IV. des angefochtenen Verwaltungsaktes abgeleiteten Duldungspflicht schließt eine Bekämpfbarkeit durch einzelne Grundeigentümer vor dem Verwaltungsgerichtshof aus.

Da somit weder das Gesetz der Beschwerdeführerin Parteistellung einräumt, noch der angefochtene Bescheid in sonstige Rechte der Beschwerdeführerin eingegriffen hat, ist von einem Mangel der Beschwerdeberechtigung auszugehen, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluß in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Besondere Rechtsgebiete Diverses Bescheidcharakter Bescheidbegriff Abgrenzung zur Verordnung Beteiligter Energiewirtschaft Verstaatlichung Enteignung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994050021.X00

Im RIS seit

28.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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