TE Vwgh Beschluss 2022/9/7 Ra 2022/02/0144

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Veröffentlicht am 07.09.2022
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §45 Abs1 Z1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38
  1. VwGG § 34 heute
  2. VwGG § 34 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 2/2021
  3. VwGG § 34 gültig von 01.01.2014 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  4. VwGG § 34 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VwGG § 34 gültig von 01.07.2008 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  6. VwGG § 34 gültig von 01.08.2004 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 89/2004
  7. VwGG § 34 gültig von 01.09.1997 bis 31.07.2004 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 88/1997
  8. VwGG § 34 gültig von 05.01.1985 bis 31.08.1997

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des S in Z, vertreten durch die Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in 5700 Zell/See, Salzachtal Bundesstraße 13, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 17. Mai 2022, 405-4/4061/1/17-2022, betreffend Übertretungen der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Zell am See), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis vom 12. Juni 2021 wurde der Revisionswerber unter näheren Angaben zu Tatzeit und jeweiligem Tatort als Lenker eines bestimmten PKW der Übertretung des § 16 Abs. 1 lit. c StVO (Spruchpunkt 1.), des § 16 Abs. 1 lit. a StVO (Spruchpunkt 2.), des § 16 Abs. 1 lit. c StVO (Spruchpunkt 3.), des § 4 Abs. 1 lit. a StVO (Spruchpunkt 4.) und des § 4 Abs. 5 StVO (Spruchpunkt 5.) schuldig erkannt und über ihn zu den Spruchpunkten 1., 2. und 3. gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 92 Stunden), zu Spruchpunkt 4. gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 250,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 111 Stunden) und zu Spruchpunkt 5. gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 92 Stunden) verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (Verwaltungsgericht) wurde der dagegen erhobenen Beschwerde des Revisionswerbers hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 3. des Straferkenntnisses Folge gegeben, diese Spruchpunkte behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 erster Fall VStG eingestellt (Spruchpunkt I.). Zu den Spruchpunkten 2., 4. und 5. wurde die Beschwerde unter Ergänzung der Fundstellen der Übertretungs- und Strafsanktionsnormen als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Kostenbeitrag zum Verwaltungsstrafverfahren festgelegt (Spruchpunkte III. und IV.) und die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für nicht zulässig erklärt (Spruchpunkt V.).

3        In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht - soweit für die Revision noch erheblich - aus, der Revisionswerber habe, nachdem er den Überholvorgang schon begonnen gehabt habe und sich sodann Gegenverkehr genähert habe, bei schlechten Witterungsverhältnissen (Schneefahrbahn) den Überholvorgang dennoch fortgesetzt und sich dabei immer weiter nach rechts bewegt, auf gleicher Höhe mit dem Fahrzeug des Zeugen K, habe nicht abgebremst oder sich eingereiht, sondern den Zeugen quasi abgedrängt, sodass dieser schließlich ausweichen und rechts in einen Schneehaufen habe fahren müssen. Dabei sei ein Teil des Radkastens (ein Teil der Schürze) vom PKW des Zeugen abgerissen worden und habe am Reifen geschleift. Dieser Schaden, der nicht bloß als Bagatellschaden zu werten sei, sei von der Werkstatt behelfsmäßig mit Kabelbindern fixiert worden. Da das Fahrzeug dann alsbald verkauft worden sei, sei der Schaden nicht repariert worden. Das Überholmanöver sei bei den angenommenen Sicht- und Verkehrsverhältnissen riskant gewesen, weshalb dem Revisionswerber bei Aufwendung der gehörigen Aufmerksamkeit jedenfalls die Möglichkeit der Verursachung des vorliegenden Verkehrsunfalls zu Bewusstsein hätte kommen müssen.

4        Hinsichtlich des Tatorts führte das Verwaltungsgericht aus, dass sich dieser aus dem Vermerk in der Anzeige des zur Unfallstelle gekommenen Polizeibeamten P (StrKm 36,700) ergebe, wobei das Überholmanöver nicht auf einen konkreten Punkt eingegrenzt werden könne. Ausgehend von den Angaben der Zeugen K (ca. StrKm 35,59) und J (ca. StrKm 35,618) zum Tatort im Beschwerdeverfahren sei aber die Konkretisierung des Tatorts derart konkretisiert und eingegrenzt, dass die Möglichkeit, wegen derselben Tat ein zweites Mal zur Verantwortung gezogen zu werden, ausgeschlossen werden könne.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        Das vom Revisionswerber angefochtene Straferkenntnis der belangten Behörde enthielt den Vorwurf, fünf verschiedene Verwaltungsübertretungen begangen zu haben, mithin fünf verschiedene Spruchpunkte. Auch das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der fünf angelasteten Verwaltungsübertretungen getrennte Absprüche getroffen. Liegen - wie hier - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision auch getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 14.3.2022, Ra 2020/02/0249).

10       Soweit sich die Revision formal (auch) gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend die Spruchpunkte 1. und 3. des Straferkenntnisses richtet, ist sie schon deshalb zurückzuweisen, weil sie weder vom angeführten Revisionspunkt („Der Revisionswerber erachtet sich in seinem subjektiv, einfachgesetzlich gewährleisteten Recht, nicht unberechtigt verwaltungsstrafrechtlich belangt zu werden, verletzt.“) umfasst ist, noch eine Beschwer des Revisionswerbers durch die diesbezüglich erfolgte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens erkennbar ist.

11       Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend die Spruchpunkte 2. und 5. des Straferkenntnisses richtet, erweist sie sich als gemäß § 25a Abs. 4 VwGG unzulässig:

12       Gemäß § 25a Abs. 4 VwGG ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten (Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG) nicht zulässig, wenn in einer Verwaltungsstrafsache eine Geldstrafe von bis zu € 750,-- und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu € 400,-- verhängt wurde.

13       Diese Voraussetzungen treffen für die Absprüche des Verwaltungsgerichtes zu den Spruchpunkten 2. und 5. des Straferkenntnisses zu. Über den Revisionswerber wurde zu Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses wegen Übertretung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO eine Geldstrafe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 92 Stunden) verhängt, wobei der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726,-- beträgt; zu Spruchpunkt 5. wurde über ihn wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 92 Stunden) verhängt, wobei auch hier der Strafrahmen der anzuwendenden Strafnorm € 726,-- beträgt.

14       Bei der im Sinne des § 25a Abs. 4 Z 1 VwGG in der Strafdrohung vorgesehenen „Freiheitsstrafe“ muss es sich um eine primäre Freiheitsstrafe handeln (vgl. etwa VwGH 9.9.2020, Ra 2020/02/0177). Eine solche ist hinsichtlich der vorgenannten Übertretungen der StVO jedoch nicht vorgesehen.

15       Die Revision erweist sich daher, soweit das Verwaltungsgericht über die Spruchpunkte 2. und 5. des Straferkenntnisses entschieden hat, gemäß § 25a Abs. 4 VwGG als absolut unzulässig.

16       Soweit sich die Revision gegen das angefochtene Erkenntnis betreffend Spruchpunkt 4. des Straferkenntnisses sowie der damit untrennbar verbundenen Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren richtet, ist auszuführen:

17       Zur Zulässigkeit der Revision bringt der Revisionswerber Verfahrensmängel durch Unterlassung der Einholung des beantragten Sachverständigen-Gutachtens „insbesondere zur Feststellung der jeweiligen Sichtweiten zu Beginn des Überholmanövers bzw. der benötigten Fahrstrecken zur Absolvierung eines Überholmanövers bzw. zu den Fahrgeschwindigkeiten“, durch Unterlassung der Einvernahme des Revisionswerbers in der Verhandlung, der er entschuldigt ferngeblieben sei, sowie jener der Zeugin S., und durch Unterlassung der Durchführung eines Ortsaugenscheins im Hinblick auf die divergierenden Aussagen der Zeugen zur Tatörtlichkeit vor. Im Hinblick auf die fehlende Einvernahme des Revisionswerbers und auf die fehlerhafte Tatortkonkretisierung sei das Verwaltungsgericht zudem von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (Hinweis auf VwGH 29.3.2012, 2011/23/0270 und VwGH 3.2.2020, Ra 2019/02/0212).

18       Die Zulässigkeit der Revision setzt im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 20.4.2020, Ra 2020/02/0053, mwN).

19       Dazu enthält die vorliegende Zulässigkeitsbegründung jedoch keine Ausführungen, sodass eine Relevanz dieser behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt wird. Insbesondere wird nicht ausgeführt, inwiefern die vorgebrachten Beweisthemen eines Sachverständigengutachtens und der Einvernahme der angesprochenen Personen für die Beurteilung des Vorliegens der gegenständlichen Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO relevant sein könnten und die maßgebliche Frage der Verletzung der Verpflichtung zum Anhalten nach einem Verkehrsunfall, an welchem der Revisionswerber unbestritten durch sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang stand, beträfen. Auch die Tatortkonkretisierung erweist sich für die vorliegende Frage der Verpflichtung zum Anhalten fallbezogen als ausreichend, um die Gefahr einer Doppelbestrafung hintanzuhalten; den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts ist der Revisionswerber nicht substantiiert entgegengetreten.

20       Ferner ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Einer Rechtsfrage des Verfahrensrechts kann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet, und setzt einen schwerwiegenden Verstoß gegen tragende Verfahrensgrundsätze voraus (vgl. VwGH 12.2.2021, Ra 2021/02/0028, mwN).

21       Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme, etwa ein Sachverständigengutachten bzw. zusätzliche Einvernahmen, im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 2.6.2021, Ra 2019/02/0239, mwN). Dies ist vorliegend weder erkennbar noch wurde dies in der Revision aufgezeigt.

22       Ebensowenig wurde im Hinblick auf die fallbezogene Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach dem Revisionswerber eine Übertretung des § 4 Abs. 1 lit. a StVO anzulasten sei, konkret eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegt.

23       Legt der Revisionswerber nicht konkret dar, dass der der angefochtenen Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt einem der von ihm ins Treffen geführten hg. Erkenntnisse gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hätte und damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre, zeigt er keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Diesen Anforderungen wird das allgemein gehaltene Zulässigkeitsvorbringen nicht gerecht.

24       In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 7. September 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020144.L00

Im RIS seit

29.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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