TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/11/0365

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
20/03 Sachwalterschaft;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §273 Abs1;
ABGB §273a Abs1;
AVG §37;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §9;
EntmO 1916;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des A in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 20. September 1994, Zl. VerkR-391.377/15-1995-Kof, betreffend Feststellung der Rechtswirksamkeit von Zustellungen in Angelegenheiten des KFG 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, soweit er den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Zl. VerkR-03/93/1985, betrifft. Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, soweit er den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Zl. VerkR-0301/2133/1978, betrifft, wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Für den Beschwerdeführer wurden mit Beschlüssen des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung für den Zeitraum vom November 1982 bis Juli 1984 ein vorläufiger Beistand und für den Zeitraum ab 21. November 1990 ein einstweiliger Sachwalter bestellt. Seit dem 12. März 1991 ist für den Beschwerdeführer u. a. zur Vertretung "für den Umgang mit Behörden und Ämtern" die Sachwalterschaft angeordnet. Vertreten durch seine damalige Sachwalterin begehrte er bei der Erstbehörde, der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, mit Schriftsatz vom 9. März 1995 die bescheidmäßige Feststellung, daß eine Reihe von durch Geschäftszahlen bezeichneten Bescheiden dieser Behörde nicht rechtswirksam zugestellt wurden und ihm gegenüber keine Rechtswirkungen entfalten.

Mit den im Instanzenzug ergangenen in einer gemeinsamen Ausfertigung enthaltenen Bescheiden des Landeshauptmannes von Oberösterreich und der Oberösterreichischen Landesregierung wurde in Ansehung jener Bescheide, die Verwaltungsstrafsachen nach dem KFG 1967 und der StVO 1960 betrafen, sowie von zwei Bescheiden in Administrativverfahren nach dem KFG 1967 (Entziehung der Lenkerberechtigung, Zl. VerkR-0301/2133/1978, und Erlassung eines Verbotes zum Lenken von Motorfahrrädern, Zl. VerkR-03/93/1985) in Abweisung der gegen den Erstbescheid vom 29. März 1995 erhobenen Berufung festgestellt, daß die Zustellung dieser Bescheide in rechtswirksamer Weise erfolgt sei.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und beantragt dessen kostenpflichtige Aufhebung. Die belangten Behörden haben eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat, soweit es sich um die Zustellung von Bescheiden in Administrativverfahren nach dem KFG 1967 handelt (soweit es sich um die anderen vom angefochtenen Bescheid erfaßten Bescheide der Erstbehörde handelt, ergeht die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes durch den nach seiner Geschäftseinteilung hiezu zuständigen Senat), erwogen:

1. Was den Bescheid der Erstbehörde zur Zl. VerkR-0301/2133/1978, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B (verbunden mit dem Ausspruch nach § 73 Abs. 2 KFG 1967, daß "auf dauernd" keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf), welcher dem Beschwerdeführer persönlich am 5. November 1982 zugestellt wurde, anlangt, ist der Beschwerdeführer durch die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der rechtswirksamen Zustellung aus folgenden Gründen nicht in seinen Rechten verletzt, weil dieser Bescheid keine Rechtswirkungen ihm gegenüber entfaltet:

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer (selbst) Berufung. Über diese Berufung erging der Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 24. März 1983, mit dem die Entziehung bestätigt, der Ausspruch nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 aber dahingehend geändert wurde, daß dem Beschwerdeführer bis zur Wiedererlangung seiner geistigen und körperlichen Eignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Dieser Berufungsbescheid wurde dem zur damaligen Zeit (Beschluß des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 18. November 1982) bestellten vorläufigen Beistand zugestellt. Diese Zustellung hat bewirkt, daß der erstinstanzliche Bescheid in den Berufungsbescheid aufgegangen ist und nur mehr letzterer Träger des Bescheidinhaltes ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, zu § 66 Abs. 4 AVG auf S. 559, Zlen. 199 und 200 zitierte Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts).

Dabei spielt es keine Rolle, daß dieser Berufungsbescheid die unrichtige Rechtsmittelbelehrung enthält, es sei gegen ihn eine weitere Berufung zulässig und daß der Beschwerdeführer, unter Mitwirkung seines Beistandes eine solche Berufung erhob, weil dies am Eintritt der Rechtskraft nichts zu ändern vermochte (was im übrigen auch zur Zurückweisung der weiteren Berufung mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 8. November 1983 führte).

Die Beschwerde ist insoweit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, als sie sich gegen die in Ansehung des Bescheides der Erstbehörde mit der Zl. VerkR-0301/2133/1978 getroffene Feststellung seiner Rechtswirksamkeit richtet.

2. Hinsichtlich der mit dem angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung betreffend den Bescheid der Erstbehörde mit der Zl. VerkR-03/93/1985, betreffend Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern, ergibt sich folgendes:

Dieser Bescheid wurde nach der Aktenlage nicht mit Berufung bekämpft. Er ist daher - die Rechtswirksamkeit seiner Zustellung vorausgesetzt - in Rechtskraft erwachsen und gehört dem Rechtsbestand an. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung ist demnach nicht zu verneinen.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, daß die belangte Behörde der Auffassung ist, daß eine Person vor einer erfolgten Sachwalterbestellung jedenfalls als prozeß- und handlungsfähig anzusehen ist, weil die Sachwalterbestellung "konstitutiv" sei. Damit verkennt sie die Rechtslage (sowie den Inhalt der von ihr zitierten Literaturstellen). Die Sachwalterbestellung wirkt insofern konstitutiv, als ab ihrer Wirksamkeit die Prozeß- und Handlungsfähigkeit im dort umschriebenen Ausmaß keinesfalls mehr gegeben ist. Über den Zeitraum vorher ist aber daraus lediglich zu gewinnen, daß sich begründete Bedenken gegen die in Rede stehenden Fähigkeiten der betreffenden Person ergeben haben. Das enthebt die jeweils vor diese Frage gestellte Behörde nicht der Prüfung des Vorliegens der Fähigkeiten in den in Betracht kommenden Zeitpunkten (vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts6, Rz 134; Hauer-Leukauf, a.a.O., die zu § 9 AVG unter den Z. 14 und 30 zitierte Rechtsprechung).

Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht hat es die belangte Behörde unterlassen, in eine Prüfung der Frage einzutreten, wann der das Verbot des Lenkens von Motorfahrrädern verfügende Bescheid der Erstbehörde zugestellt wurde und ob der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt die genannten Fähigkeiten besessen hat. Der belangten Behörde ist einzuräumen, daß darin ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit begründet ist und daß die Behörde vor u.U. schwer zu lösende Probleme gestellt wird. Es wäre jedoch umgekehrt "unerträglich", würden behördliche Akte auch gegenüber Personen wirksam werden können, denen die Fähigkeit fehlt, die Bedeutung und Tragweite dieser Akte zu erkennen, für sie aber - aus welchem Grund immer - ein Sachwalter (noch) nicht bestellt ist.

Dazu kommt, daß - nach Lage der Akten der Erstbehörde - der Bescheid Zl. VErkR-03/93/1985 dem Beschwerdeführer offenbar während eines stationären Aufenthaltes im Wagner-Jauregg-Krankenhaus in Linz zugestellt wurde.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er sich auf den Bescheid der Erstbehörde mit der Zl. VerkR-03/93/1985 bezieht, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere die §§ 50 und 59 Abs. 3 letzter Satz, in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

SachwalterRechtsverletzung sonstige FälleMaßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftBeistandHandlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche PersonRechtsnatur und Rechtswirkung der BerufungsentscheidungVerhältnis zu anderen Materien NormenRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110365.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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