TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/23 95/04/0211

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Veröffentlicht am 23.04.1996
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Index

50/01 Gewerbeordnung;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;
82/04 Apotheken Arzneimittel;
92 Luftverkehr;
93 Eisenbahn;

Norm

BFV §116 Abs1;
GewO 1994 §81 Abs1;
GewO 1994 §82 Abs1;
GewO 1994 §82 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der W GesmbH in B, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. August 1995, Zl. 317.870/1-III/A/2a/95, betreffend Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 2. November 1994 wurde der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 74, 77 und 353 ff GewO 1994 sowie § 27 Arbeitnehmerschutzgesetz die gewerbebehördliche Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Tankstelle samt Wasch- bzw. Pflegeplätzen beim geplanten Baumarkt in L. nach Maßgabe des festgestellten Sachverhaltes sowie der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen, unter Vorschreibung von Auflagen, u.a. jener, daß der Tankautomat, (bei dem mittels Banknoten und Kundenkarten die Freigabe der einzelnen Zapfsäulen erwirkt werden kann), ausschließlich zu näher dargelegten Zeiten, in denen mindestens eine verantwortliche Person im Kassabereich des Baumarktes anwesend ist, betrieben werden darf, erteilt.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 1994 beantragte die Beschwerdeführerin "eine Verlängerung der in obigem Bescheid genehmigten Betriebszeiten des Tankautomaten auf 24 Stunden, unabhängig von den Öffnungszeiten des Baumarktes" und zwar im wesentlichen mit der Begründung, eine Überwachung mittels Videokamera und die Erreichbarkeit einer verantwortlichen, informierten und ausgebildeten Person im Nachbarhaus sei als ausreichend anzusehen, zumal im benachbarten Ausland Tankautomatenbetrieb ohne jede Überwachung möglich sei. Während der Öffnungszeiten des Baumarktes - so führte die Beschwerdeführerin in einem weiteren Schreiben aus - erfolge die Überwachung der Tankstelle durch das entsprechend geschulte Personal des Baumarktes vom Büro- bzw. Kassabreich des Baumarktes aus. Über den Überwachungsbildschirm im Baumarktbüro sei der gesamte Tankstellenbereich und Tankstellenbetrieb gut einzusehen. Alle Abgabestellen seien mit einer

"Not-Aus Steuerung" allpolig vom Büro aus abschaltbar. Außerhalb der Baumarktöffnungszeiten solle der Tankbetrieb vom gegenüberliegenden Wohnaus überwacht werden. Dessen Entfernung zur Tankstelle betrage ca. 30 m. Es bestehe Sichtkontakt zur Tankstelle; zusätzlich würden im Eingangsbereich dieses Hauses und in der Wohnung der Besitzerin jeweils ein Überwachungsbildschirm und eine "Not-Aus Steuerung" installiert. Weiters würden die Überwachungsplätze mit einer Klingel und einer Gegensprechanlage mit dem Tankplatz verbunden. Der Übergang der Überwachungsaufgabe vom Baumarktpersonal zum Wohnhaus würde automatisch zu zwischen den Parteien vereinbarten Zeiten erfolgen.

Die beantragte Genehmigung wurde vom Landeshauptmann von Vorarlberg mit Bescheid vom 24. Jänner 1995 gemäß den §§ 74, 77, 81 und 353 ff GewO 1991 i.V.m. § 116 VbF versagt und die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 29. August 1995 als unbegründet abgewiesen. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten führte begründend im wesentlichen aus, gemäß § 116 Abs. 1 VbF sei das Abfüllen von brennbaren Flüssigkeiten an Tankstellen im Wege der Selbstbedienung durch Kunden nur gestattet, wenn im Tankstellenbereich eine verantwortliche Person anwesend ist.

§ 116 Abs. 2 VbF sei nicht anzuwenden, weil es sich im vorliegenden Fall um keine nicht öffentliche Tankstelle handle. Selbst bei großzügigster Auslegung des Begriffes "Tankstellenbereich" könne ein außerhalb der Betriebsanlage situiertes Wohnhaus, das zusätzlich durch eine Straße von der Betriebsanlage getrennt sei, keinesfalls dem Tankstellenbereich zugerechnet werde. Da es sich bei der Bestimmung des § 116 Abs. 1 VbF um eine zwingende Verordnungsbestimmung handle und in dieser Verordnung keine Ausnahmemöglichkeit bzw. Möglichkeit einer Abweichung durch Ersatzmaßnahmen vorgesehen sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich ihrem gesamten Vorbringen zufolge im Recht auf Erteilung der beantragten Genehmigung verletzt. Sie bringt hiezu im wesentlichen vor, die Ansicht der belangten Behörde, wonach ein neben der Tankstelle gelegenes Wohnhaus dem Tankstellenbereich nicht mehr zugerechnet werden könne, sei "nicht haltbar". Bis zum Juli 1994 sei eine Vielzahl "unbemannter Tankstellen" bewilligt worden. Ein Gefahren- oder Unglücksfall sei nicht bekannt geworden und in den meisten Nachbarstaaten sei diese Art der Treibstoffabgabe üblich. In der Vergangenheit hätten die gewerbetechnischen Amtssachverständigen wiederholt die Auffassung vertreten, daß der Betrieb von Tankautomaten - wie von der Beschwerdeführerin beantragt - kein Sicherheitsrisiko darstelle und damit auch die Schutzinteressen der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten nicht verletzt würden. Es dürfte im übrigen keinen Unterschied machen, ob eine geeignete Person direkt im Zapfsäulenbereich sitze, oder ob sich diese Person ca. 30 m entfernt in einem Wohnhaus aufhalte und von dort mittels eines Monitors die Beaufsichtigung des Tankstellenbereiches besorge. Die bei einem Unglücks- oder Gefahrenfall erforderlichen Maßnahmen, nämlich Stromausschaltung, Benachrichtigung der Feuerwehren oder Vornahme einer eigenen ersten Löschhilfe, könnten von einer ca. 30 m entfernten Person ebenso rasch und effizient vorgenommen werden. Auch sei es denkbar, daß eine im direkten Tankstellenbereich plazierte Auffsichtsperson durch irgenwelche Tätigkeiten wie Bedienung eines Kunden, Aufräumen des Tankstellengeländes, Besorgen von Arbeiten in Bereichen, von denen die Zapfsäulen nicht eingesehen werden können, Aufsuchen eines WC"s, ebenso abgelenkt sein könnte, was in gleicher Weise zu geringfügigen Verzögerungen im Unglücksfalle führen könnte. Bei Beurteilung der Sicherheitsfrage dürfe daher der Tankstellenbereich nicht auf das Tankstellengelände eingeschränkt gesehen werden. Der Schutzzweck des § 116 VbF liege darin, vom Tankstellenkunden nach Möglichkeit Gefahren fernzuhalten. Ob dieser Kundenschutz in ausreichendem Maße gegeben sei, müsse allerdings auch an Hand der bisherigen Erfahrungswerte beurteilt werden.

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt:

Gemäß § 116 Abs. 1 der - u.a. aufgrund des § 82 Abs. 1 GewO 1973 erlassenen - Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (VbF) ist das Abfüllen von brennbaren Flüssigkeiten an Tankstellen nur dann gestattet, wenn diese Tätigkeit von einer für die Tankstelle verantwortlichen Person vorgenommen wird oder wenn im Falle der Selbstbedienung durch Kunden entweder eine solche verantwortliche Person im Tankstellenbereich anwesend ist oder die Voraussetzungen des Abs. 2 erfüllt sind - was im vorliegenden Fall allerdings nicht zutrifft.

Zwar kann unter dem "Tankstellenbereich" - im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin - schon begrifflich nur der zur Tankstelle gehörende Bereich verstanden werden. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, ein 30 m von der Tankstelle entferntes Wohnhaus, das von dieser überdies durch eine Straße getrennt ist, sei in diesem Sinne nicht zum Tankstellenbereich zu zählen, ist daher frei von Rechtsirrtum.

Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß solcherart die Erfüllung der Voraussetzungen für die von der Beschwerdeführerin angestrebte Genehmigung der Änderung ihrer Betriebsanlage i.S.d. § 81 Abs. 1 GewO 1994 bereits ausgeschlossen wäre. Gemäß § 82 Abs. 3 erster Satz GewO 1994 dürfen nämlich von den Bestimmungen einer Verordnung gemäß Abs. 1 abweichende Maßnahmen von Amts wegen mit Bescheid aufgetragen oder auf Antrag mit Bescheid zugelassen werden, wenn hiedurch der gleiche Schutz erreicht wird. Es ist daher in einem Fall wie dem vorliegenden im Genehmigungsverfahren zu prüfen, ob durch die vom Antragsteller vorgesehenen Maßnahmen der gleiche Schutz erreicht wird, wie dies aufgrund der in der zitierten Verordnungsbestimmung vorgesehenen Maßnahmen der Fall wäre. (In diesem Zusammenhang sei lediglich erwähnt, daß der Schutzzweck der genannten Bestimmung freilich nicht nur im Schutz der Tankstellenkunden liegt).

Dies allerdings hat die belangte Behörde mit dem Hinweis, es handle sich bei § 116 Abs. 1 VbF um eine zwingende Verordnungsbestimmung und in dieser Verordnung sei keine Ausnahmemöglichkeit bzw. Möglichkeit einer Abweichung durch Ersatzmaßnahmen vorgesehen, somit in Verkennung der Rechtslage, unterlassen.

Sie hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995040211.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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