TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/4 LVwG 30.17-1600/2020

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Veröffentlicht am 04.01.2021
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Entscheidungsdatum

04.01.2021

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §4 Abs5
StVO 1960 §99 Abs3 litb

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin Mag. Jöbstl-Findeis über die Beschwerde des A B, geb. am ***, vertreten durch C D Rechtsanwälte Partnerschaft, Sgasse, B, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 18.06.2020, GZ: VStV/919302279873/2019,

z u R e c h t e r k a n n t:

I.     Gemäß § 50 Abs 1 iVm § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde

stattgegeben,

das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

II.     Gemäß § 25a Abs 4 Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) ist eine Revision wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

III.    Der belangten Behörde steht die Möglichkeit einer ordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof nicht offen.

Entscheidungsgründe

I.   Verfahrensgang

1.       Aufgrund der Anzeige vom 22.12.2019 der LPD Leoben, Verkehrsinspektion, wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe am 08.11.2019 um 9:00 Uhr nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden Fahrerflucht begangen (§ 4 Abs. 5 StVO, nicht erfolgter Identitätsaustausch). Als Beweismittel wurde in der Anzeige angeführt, dass sich der Beschuldigte am selben Tag, gegen 20:00 Uhr, bei der Polizeidienststelle gemeldet habe. Aus der Anzeige geht hervor, dass mit dem PKW Mercedes Benz, E200 CDI, grau/silberfarbig, amtliches Kennzeichen ***, zugelassen auf E F, beim Ausparken ein Sachschaden am KFZ des nunmehrigen Beschwerdeführers (PKW Opel Insignia Sports Tourer SW, schwarz, ***) verursacht wurde. Von der belangten Behörde wurden dazu einvernommen: die Unfalllenkerin E F, der beim Unfall zufällige passierende Zeuge G H sowie der Anzeiger (und nunmehriger Beschwerdeführer) A B.

Zum angefochtenen Bescheid:

2.       Mit dem eingangs näherbezeichneten Straferkenntnis vom 18.06.2020 wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe 08.11.2019 um 9:00 Uhr in G, Tgasse, Parkplatz, mit seinem PKW (behördliches Kennzeichen ***) in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl er und die beteiligte Person, einander ihren Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben. Dadurch habe er § 4 Abs 5 StVO verletzt und wurde eine Strafe gemäß § 99 Abs 3 lit b StVO i.H.v. € 200,00 (im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen und 4 Stunden) verhängt.

3.       Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen dazu aus, dass der Beschwerdeführer durch das Abstellen seines Fahrzeuges auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr ein Handeln setzte, das in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden stand. Da ein Zeuge den Verkehrsunfall beobachtet hatte und dem Beschwerdeführer danach davon berichtete, sei der Beschwerdeführer über den Verkehrsunfall informiert worden, weshalb er ab diesem Moment vom Verkehrsunfall wusste. Die belangte Behörde stützt sich dabei auf eine höchstgerichtliche Entscheidung, wonach die Person, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (VwGH vom 11.09.2019 79,1153/79). Das Abstellen eines Fahrzeuges am späteren Unfallort sei bereits als ein Handeln anzusehen, das mitursächlich für den Unfall war. Da der Unfall bereits um 9:00 Uhr stattfand, war die Verständigung der Polizei um 19:00 Uhr verspätet. Auch die mehrmaligen Anrufversuche des nunmehrigen Beschwerdeführers bei der Polizei gegen 12:00 Uhr wären bereits verspätet gewesen. Der Umstand, dass der Unfallgegner dem Lenker „benachbart war und dass er ihn und sein Fahrzeug kannte“ lasse nicht den verlässlichen Schluss zu, dass dem Unfallgegner auch die genaue Anschrift des Lenkers bekannt war. Die bloße örtliche Bekanntheit, beispielsweise dem Namen nach auch gegenüber dem Unfallgegner, allein genügt für den Identitätsnachweis im Sinne des § 4 Abs 5 nicht (VwGH vom 28.02.2019 85,85/02/00 94), weshalb die bloße Kenntnis über das Kennzeichen und den Namen der Zeugin aufgrund des Nachbarschaftsverhältnis nicht als Identitätsnachweis ausreicht.

4.       Strafmildernd wertete die belangte Behörde die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, erschwerend nichts.

Zur Beschwerde:

5.       In seiner durch den ausgewiesenen Vertreter eingebrachten Beschwerde vom 06.07.2020 (einlangend 07.07.2020), bemängelte der Beschwerdeführer, dass sich die belangte Behörde in keiner Weise begründend damit auseinandersetzte, dass der Beschwerdeführer mit dem Lebensgefährten der beobachteten Unfalllenkerin ein Gespräch geführt habe, da dieser - zum Zeitpunkt als der Beschwerdeführer aus seinem Geschäft zum berichteten Unfallort - hingeeilt kam, am Fahrersitz gesessen ist. Diesen habe er auch gebeten, zum Datenaustausch in seinen Friseursalon zu kommen, der sowohl der Unfalllenkerin als auch dem nunmehr am Fahrersitz befindlichen Lebensgefährten bekannt war. Da der Zeuge, der dem Beschwerdeführer vom erfolgten Unfall berichtet hatte, im behördlichen Verfahren aussagte, dass er das Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und dem Lebensgefährten der Unfalllenkerin beobachtet hatte, aber dessen Inhalt nicht hören konnte, sei es unverständlich, dass im Verwaltungsstrafverfahren der am Fahrersitz befindliche Lebensgefährte nicht als Zeuge befragt wurde. Hätte die Behörde alle Beweise ordnungsgemäß aufgenommen, wäre erkennbar gewesen, dass der Beschwerdeführer alles Gesetzmäßige getan hat, um für den Datenaustausch zu sorgen. Daher sei die erstinstanzliche Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass sich Beschwerdeführer und Unfallverursacherin bekannt seien, ebenso dass der Beschwerdeführer in unmittelbarer Nähe seinen Friseursalon betreibt. Auch der Beschwerdeführer kenne den Namen und die Wohnadresse der Unfallverursacherin, weshalb der Identitätsnachweis als erbracht anzusehen sei. Zudem habe sich der Verkehrsunfall auf einem Privatparkplatz zugetragen, weshalb es sich aus Sicht des Beschwerdeführers um keine Straße mit öffentlichem Verkehr handle. Die Benutzung dieses Parkplatzes sei hinsichtlich der Berechtigten eingeschränkt und nicht für jedermann unter den gleichen Bedingungen gestattet. Im Übrigen habe die Unfallverursacherin auch gar keine Berechtigung gehabt, ihr Fahrzeug dort abzustellen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde beantragt sowie das Straferkenntnis ersatzlos zu beheben, in eventu zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, jedenfalls die belangte Behörde zum Ersatz der Kosten zu verpflichten.

II.  Feststellungen

1.       Am vorgeworfenen Unfalltag stellte der Beschwerdeführer sein KFZ mit dem amtlichen Kennzeichen *** gegen 07.45 Uhr auf dem näher bezeichneten Parkplatz ab. Dieser befindet sich genau gegenüber seines Geschäftseingangs und gehört zur I J AG. Der Beschwerdeführer hat diesbezüglich eine Vereinbarung mit der Liegenschaftseigentümerin, wonach er diesen Parkplatz benützen darf. Der Parkplatz ist ein sogenannter Schrägparkplatz ohne eingezeichnete Parkflächen und können parallel daneben noch etwa 4 bis 5 Fahrzeuge Platz finden. Das KFZ der ihm bekannten E F (geb. ***, wh. Tgasse, L) stand zu diesem Zeitpunkt bereits dort. Nach Abstellen seines Fahrzeuges ging er in seinen Friseursalon.

2.       Der Beschwerdeführer hatte in seinem Friseursalon bereits ab 08.00 Uhr Terminvereinbarungen und war jedenfalls bis 09:00 Uhr durchgehend in seinem Geschäft als Friseur arbeitend tätig.

3.       Gegen 09:00 Uhr wurde der PKW des Beschwerdeführers durch das Fahrzeug Mercedes Benz, E200 CDI, grau/silberfarbig, amtliches Kennzeichen ***, zugelassen auf die geladene Zeugin E F, infolge eines Ausparkmanövers beschädigt.

4.       Der Zeuge G H, der einen Termin um 09:00 Uhr im Friseursalon des Beschwerdeführers hatte, beobachtete auf dem Weg zum Friseursalon das Ausparkmanöver der Unfalllenkerin und berichtete danach dem Beschwerdeführer davon.

5.       Der Beschwerdeführer eilte zu seinem PKW, wo er den Lebensgefährten der Unfalllenkerin (K L, geb. ***, wh. Tgasse, L) auf dem Fahrersitz des gegnerischen Fahrzeuges vorfand.

6.       Vereinbart wurde, dass der Datenaustausch zur versicherungstechnischen Abwicklung im Friseurgeschäft im Laufe des Vormittags erfolgen sollte. Danach ging der Beschwerdeführerin wieder in seinen Friseursalon, wo die Kundschaft noch wartete.

7.       Entgegen der getroffenen Vereinbarung kam der Lebensgefährte der Unfalllenkerin am Vormittag nicht in den Friseursalon des Beschwerdeführers, weshalb der Beschwerdeführer gegen Mittag versuchte, telefonisch den Unfall bei der Polizei zu melden. Dies gelang dem Beschwerdeführer jedoch nicht, da er lediglich mehrmals weiterverbunden wurde und ihm jeweils mitgeteilt wurde, dass eine andere Stelle dafür zuständig sei.

8.       Nachdem der Lebensgefährte auch am Nachmittag noch nicht im Friseursalon erschienen war, fuhr der Beschwerdeführer nach Beendigung seines letzten Kundentermins zur Polizeidienststelle, um den Unfall zu melden.

9.       Der Beschwerdeführer betreibt seinen Friseursalon alleine. Am Unfalltag waren durchgehend Kundentermine von 08:00 bis 18:30 Uhr eingetragen. In diesem Zeitraum war der Beschwerdeführer am selben Ort - wie im Zeitpunkt des Verkehrsunfalls - anwesend. Auch die Position seines Fahrzeuges blieb unverändert bis zu dem Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer (jedenfalls nach 18:30 Uhr) vom näher bezeichneten Parkplatz zur Polizeidienststelle fuhr.

III. Beweiswürdigung

1.       Es ist keiner Aussage zu entnehmen (weder im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren noch im landesgerichtlichen Beschwerdeverfahren), dass sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Unfalles in der Nähe seines ordnungsgemäß und rechtmäßig abgestellten KFZ aufgehalten habe oder den Unfallhergang beobachten hätte können oder ihn tatsächlich beobachtet hatte. Vielmehr wurde dezidiert protokolliert, dass der Beschwerdeführer selbst – erst nach dem erfolgten Verkehrsunfall – von einem Zeugen darüber informiert wurde, dass sein PKW zuvor im Zuge eines Ausparkmanövers beschädigt worden sei. Dieser Zeuge kam dazu in den Friseursalon des Beschwerdeführers, in dem Letzterer gerade einen Kunden bediente. Dies konnte auch aufgrund der glaubwürdigen und schlüssigen Aussage des Zeugen festgestellt werden und entspricht auch der – diesbezüglich von Beginn des behördlichen Ermittlungsverfahrens gleichbleibenden – Darstellung des Sachverhaltes durch den Beschwerdeführer selbst. Im Übrigen finden sich im gesamten Behördenakt keinerlei Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer selbst zum Unfallzeitpunkt an der Unfallörtlichkeit aufgehalten hat und wurde ihm dies auch nicht von der belangten Behörde vorgehalten.

2.       Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit dem Lebensgefährten der Unfalllenkerin – nach dem erfolgten Parkschaden – vereinbart hatte, den Datenaustausch im gegenüberliegenden Friseursalon durchzuführen, beruht zum einen auf der durchgehend schlüssigen, lebensnahen, glaubwürdigen und überzeugenden Verantwortung des Beschwerdeführers. Zum anderen fügt sich diese Darstellung in die ausführlich beschreibende, sachlich geprägte und glaubwürdige Zeugenaussage des unbeteiligten Unfallbeobachters, der auch das Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und dem Lebensgefährten beobachtete, das zumindest einige Minuten gedauert hat. Insbesondere aufgrund der konkreten Umstände ist dieser Version schon aus lebensnaher Betrachtung Glauben zu schenken: Es herrschte winterliche Kälte und der Beschwerdeführer eilte umgehend nach Kenntnisnahme des bereits erfolgten Verkehrsunfalls aus seinem Geschäft zu seinem Auto, um Nachschau zu halten - ohne zuvor eine Jacke anzuziehen respektive einen Ausweis mitzunehmen. Da ihm zudem sowohl die Unfalllenkerin als auch ihr (mittlerweile) am Fahrersitz befindliche Lebensgefährte bekannt waren, und beiden wiederum sein in unmittelbarer Nähe situiertes Friseurgeschäft bekannt war, erscheint eine Datenaustauschabwicklung im lediglich wenige Meter entfernten Innenraum nicht nur nachvollziehbar, sondern geradezu naheliegend, zumal der Beschwerdeführer auch keinen Ausweis bei sich hatte.

3.       Dass der Beschwerdeführer am Unfalltag ab 8:00 Uhr durchgehend Kundentermine in seinem Friseursalon wahrzunehmen hatte, wurde durch Vorlage des Terminkalenders in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21.09.2020 belegt (in Kopie unter ./A zum Akt genommen).

4.       Aufgrund der ärztlichen Bestätigung durch Dr. M N, wonach BEIDE Unfallbeteiligten (sowohl die Unfalllenkerin als auch ihr Lebensgefährte) als Zeugen „infolge ihrer Grunderkrankungen“ nicht verhandlungsfähig seien, musste auf deren Einvernahme verzichtet werden.

IV.  Rechtsgrundlagen

Die maßgeblichen Bestimmungen nach Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159/1960 idF BGBl. I Nr. 37/2019 (StVO) lauten:

§ 4 Verkehrsunfälle

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a)   wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b)  wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c)  an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

[…]

(5) Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.

§ 99 Strafbestimmungen

[…]

(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 726 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen,

[…]

b) wer in anderer als der in Abs. 2 lit. a bezeichneten Weise gegen die Bestimmungen des § 4 verstößt, insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet,

V.   Rechtliche Beurteilung

1.       Das Beweisverfahren hat zweifelsfrei ergeben, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Verkehrsunfalles nicht an der Unfallörtlichkeit anwesend war und auch keine eigene Wahrnehmung über den Unfallhergang hatte.

2.       Er hat auch nicht in anderer Weise zum Unfall beigetragen. Das ordnungsgemäß erfolgte Abstellen auf einem Privatparkplatz (über eine Stunde vor dem zugefügten Parkschaden) vermag noch kein Handeln zu begründen, dass eo ipso als für einen später folgenden Verkehrsunfall als ursächlich betrachtet werden kann.

3.       Aus rechtlicher Sicht war der Beschwerdeführer somit nicht Unfallbeteiligter und daher nicht verpflichtet, den Schaden, der an seinem abgestellten Fahrzeug durch ein Ausparkmanöver von einem anderen KFZ verursacht wurde, gemäß § 4 Abs 5 StVO zu melden. Der Rechtsansicht der belangten Behörde kann nicht gefolgt werden, wonach das ordnungsgemäße Abstellen eines Fahrzeuges bereits für sich genommen ein Verhalten darstelle, das für ein allfälliges Zustandekommen eines in der Zukunft stattfindenden Verkehrsunfalls ursächlich sei. Ein allfälliges Handeln des Beschwerdeführers war jedenfalls um 07:45 Uhr abgeschlossen, wohingegen sich der Unfall gegen 09:00 Uhr ereignete. Für die Begründung einer allfälligen rechtlichen „Nachwirkung“ des um 07.45 Uhr abgeschlossenen Handels mangelt es am Vorliegen eines Dauerdeliktes.

4.       So die Rechtsansicht vertreten würde, dass der Beschwerdeführer überhaupt zum meldepflichtigen Personenkreis des § 4 Abs 5 StVO zu zählen sei, wäre zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt die Tatbestandsmäßigkeit weder objektiv (da er an Ort und Stelle mangels eingestecktem Ausweis keinen Identitätsnachweis erbringen hätte können und jedenfalls diesen erst holen hätte müssen) noch subjektiv gegeben gewesen, da für den Beschwerdeführer kein Grund daran zu zweifeln bestand, dass die in der Nachbarschaft lebenden und ihm bekannten Zeugen (Unfalllenkerin und deren Lebensgefährte) vereinbarungsgemäß zum Datenaustausch ins nahegelegene Geschäft des Beschwerdeführers nachkommen würden. Selbst wenn man zur rechtlichen Auffassung gelangt, dass der Beschwerdeführer als Unfallbeteiligter zu betrachten sei und die objektive Tatbestandsmäßigkeit erfüllt wäre, kann ihm jedenfalls auf der subjektiven Tatseite nicht der Vorwurf gemacht werden, dass er sich am Unfallort nicht ausweisen konnte und in der winterlichen Kälte – aufgrund seines umgehenden Hineilens zum erfolgten Parkschaden unzureichend bekleidet und ohne Ausweis – nicht im Freien darauf wartete, bis ihm die Unfallverursacher in das Geschäft folgten.

5.       Dem Einwand des Beschwerdeführers hingegen, wonach ihn keine Meldepflicht treffen konnte, da es sich beim Privatparkplatz um keine Straße mit öffentlichem Verkehr handle, da die Benutzung dieses Parkplatzes sei hinsichtlich der Berechtigten eingeschränkt und nicht für jedermann unter den gleichen Bedingungen gestattet sei, kann im Sinne der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in zweierlei Hinsicht nicht gefolgt werden: Zum einen ist dieser Privatparkplatz – wenn auch widerrechtlich – für jedermann in dem Sinne zugänglich, dass auf diesen uneingeschränkt zugefahren werden kann, da dieser nicht etwa durch einen Schranken vom übrigen Verkehr abgeschlossen ist. Zum anderen ist es nicht Tatbestandsvoraussetzung des § 4 Abs 5 StVO, dass der Schaden auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr eintritt (VwGH vom 17.12.2004, 2002/02/0133).

6.       Der Rechtsmeinung der belangten Behörde kann selbst in Hinblick auf die von ihr zitierten höchstgerichtlichen Entscheidung, wonach die Person, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können (VwGH vom 11.09.2019 79,1153/79), nicht gefolgt werden, da der Beschwerdeführer im verfahrensgegenständlichen Sachverhalt am Unfallort zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalles mangels physischer Anwesenheit kein Verhalten setzen konnte. Sein einziges Verhalten bestand darin, dass er sein Fahrzeug (bereits über eine Stunde zuvor) dort ordnungsgemäß abgestellt hatte. Dabei wäre selbst bei gehöriger Aufmerksamkeit für ihn nicht erkennbar gewesen, dass dieses Verhalten in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem später folgenden Verkehrsunfall stehen könnte.

7.       Für die Beurteilung der Frage, ob eine Person allenfalls eine Meldepflicht im Sinne des § 4 Abs 5 StVO trifft, darf im beschwerdegegenständlichen Fall nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer während des Unfalls weder am Tatort anwesend war, noch eigene Wahrnehmungen über den Unfall hatte und insbesondere selbst der Geschädigte war. Die belangte Behörde erweitert hier nach Ansicht des Verwaltungsgerichts den gesetzlich bestimmten Kreis der Meldepflichtigen, da sich die „Beteiligung“ des Beschwerdeführers beim Verkehrsunfall in seiner Rolle als Zulassungsbesitzer (und Geschädigter des parkenden Fahrzeuges) erschöpft. Der ratio legis dieser Bestimmung folgend stünden im konkreten Fall vorrangig die Interessen des Beschwerdeführers in Gefahr, verletzt zu werden, wenn durch den Unfallgegner keine Meldung oder Fahrerflucht erfolgt. Dadurch, dass der Beschwerdeführer nach dem Unfall zu den Unfallbeteiligten geeilt ist und angeboten hat, den erforderlichen Datenaustausch in seinem Geschäft abwickeln zu können, hat er alles ihm in dieser Situation Mögliche unternommen, um einen ordnungsgemäßen Identitätsaustausch umgehend zu bewerkstelligen, zumal er auch kein Ausweis bei sich hatte. Es darf weiterhin nicht übersehen werden, dass der Beschwerdeführer erst zu einem Zeitpunkt vom erfolgten Unfall Kenntnis erlangte, als bereits die Lenkereigenschaft von der Zulassungsbesitzerin auf ihren Lebensgefährten übergegangen – das Unfallgeschehen also jedenfalls abgeschlossen - war. Für den Beschwerdeführer stand zu diesem Zeitpunkt nicht einmal fest, mit wem er einen Identitätsaustausch durchzuführen hatte, zumal es sich für ihn zunächst so darstellte, als habe der Lebensgefährte den Parkschaden verursacht, da sich dieser am Lenkersitz befand. Etwaige Nachteile aus einer Nichtmeldung bei der nächstgelegenen Polizeidienststelle im Sinne des § 4 Abs 5 StVO hätten sohin ausschließlich den Beschwerdeführer selbst treffen können.

Zusammenfassend ist das Gericht zur Erkenntnis gekommen, dass der festgestellte Sachverhalt nicht den Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt, weswegen das Straferkenntnis zu beheben und das Strafverfahren einzustellen war.

VI.  Unzulässigkeit der ordentlichen Revision

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 4 Abs 5 StVO in Hinblick auf den Kreis der meldepflichtigen Personen und den Umständen, die ursächlich mit einem Verkehrsunfall in Zusammenhang stehen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verkehrsunfall, Sachschaden, Fahrerflucht, Verständigung nächste Polizeidienststelle, Abstellen des Fahrzeuges auf Privatparkplatz durch Geschädigten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGST:2021:LVwG.30.17.1600.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Steiermark LVwg Steiermark, http://www.lvwg-stmk.gv.at
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