TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/24 92/13/0137

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Veröffentlicht am 24.04.1996
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

ABGB §1413;
UStG 1972 §16 Abs1;
UStG 1972 §16 Abs3;
UStG 1972 §4 Abs6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde der T GmbH in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 10. April 1992, Zl. 6/2-2259/88-07, betreffend Umsatzsteuer 1980, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Aus dem Gesellschaftsvertrag ergibt sich als Unternehmensgegenstand der Einfuhr-, Durchfuhr- und Ausfuhrhandel mit Waren aller Art mit Ausnahme solcher, deren Vertrieb an eine Bewilligung gebunden ist, und die Übernahme von Vertretungen.

Im Zuge einer die Jahre 1978 bis 1981 umfassenden abgabenbehördlichen Prüfung traf die Prüferin die Feststellung, daß die Beschwerdeführerin das Entgelt für empfangene umsatzsteuerpflichtige Lieferungen nicht geleistet habe und aus diesem Grund für das Jahr 1980 eine Berichtigung der Vorsteuer gemäß § 16 UStG im Ausmaß von S 1,349.760,51 erfolgen müsse.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Umsatzsteuerbescheid 1980, mit welchem sich das Finanzamt den Prüfungsfeststellungen anschloß, als unbegründet abgewiesen. Die Fa F habe an die Beschwerdeführerin Waren geliefert und hierüber folgende Rechnungen erteilt:

Rechnungsdatum         Bruttobetrag         Vorsteuer

12. 6.1975             S  3,792.518,54      S    523,106,--

16.12.1975             S    598.481,62      S     82.549,19

20. 7.1976             S  2,318.660,35      S    353.693,95

10. 6.1977             S      2.750,58      S        419,59

29. 7.1976             S  4,025.593,83      S    614.073,63

Die Beschwerdeführerin habe den in der Rechnung vom 12. Juni 1975 ausgewiesenen Betrag teilweise getilgt. Der zu berichtigende Vorsteuerbetrag errechne sich wie folgt:

aus Rechnung vom 12. 6.1975                  S    299.024,14

aus Rechnung vom 16.12.1975                  S     82.549,19

aus Rechnung vom 20. 7.1976                  S    353.693,95

aus Rechnung vom 10. 6.1977                  S        419,59

aus Rechnung vom 29. 7.1976                  S    614.073,63

Summe                                        S  1,349.760,50.

Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung vorgebracht, daß sie die Forderungen der Fa F zur Gänze getilgt habe, sodaß eine Berichtigung der geltend gemachten Vorsteuer nicht erfolgen dürfe. Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Osthandels Kompensationsgeschäfte getätigt. Da ab dem Jahr 1975 Kompensationsgeschäfte weltweit in einen Risikobereich geraten seien, sei es für die Beschwerdeführerin klar gewesen, daß in Fällen von notleidenden Kompensationsgeschäften die österreichischen Zulieferer, welche aus dem Erlös der für die weitergelieferte Ware hereingenommenen Gegenware zu befriedigen gewesen wären, bei Unverkäuflichkeit dieser Kompensationsware grundsätzlich auch mit der Kompensationsware selbst zu befriedigen gewesen wären; dies sei im gegenständlichen Fall dadurch erfolgt, daß die Beschwerdeführerin die mindere Kompensationsware an die Fa F veräußert habe. Die Beschwerdeführerin habe sich sodann entschlossen, die mindere Kompensationsware für die Fa F zu verwerten. Tatsächlich sei in der Folge diese Gegenware verwertet worden; der daraus resultierende geringe Erlös sei im wesentlichen zur Abdeckung der Speditionskosten verwendet worden. Im gegenständlichen Fall habe die Beschwerdeführerin im Jahre 1980 die Kompensationsware der Fa F an Zahlungs Statt übertragen und damit per Ende 1980 die Verbindlichkeit gegenüber der Firma F voll abgedeckt.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde habe die Fa F im Jahre 1980 beim Finanzamt die Rückerstattung von Umsatzsteuer in Höhe von S 1,349.760,51 wegen Uneinbringlichkeit der Lieferforderung gestellt; diesem Antrag sei entsprochen worden.

Gemäß § 1413 ABGB könne gegen seinen Willen weder der Gläubiger gezwungen werden, etwas anderes anzunehmen, als er zu fordern habe, noch der Schuldner etwas anderes zu leisten, als er zu leisten verbunden sei. Die Beschwerdeführerin behaupte, daß sie der Fa F mit einem Schreiben vom 31. Dezember 1980 die Überlassung der Kompensationsware AN ZAHLUNGS STATT angeboten habe. Ein entsprechendes Antwortschreiben der Fa F liege der belangten Behörde aber nicht vor. Ein Angestellter der Fa F habe vielmehr ausgesagt, daß ein derartiges Schreiben bei seinem Arbeitgeber nie eingegangen sei. Trotz Aufforderung sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, einen Nachweis dafür zu erbringen, daß das genannte Schreiben der Fa F zugekommen sei und diese mit der Überlassung der Kompensationsware an Zahlung statt einverstanden gewesen wäre. Insbesondere aus den Rechnungen der Firma F ergebe sich, daß deren Forderungen ausschließlich auf Geld und nicht auf die Überlassung der Gegenware lauten würden. Es erweise sich somit, daß Forderungen der Fa F gegen die Beschwerdeführerin als nicht getilgt aushaften würden. Angesichts der Zahlungsunfähigkeit der Beschwerdeführerin seien diese Forderungen als uneinbringlich anzusehen. Entscheidungswesentlich sei somit, daß große Teile der Lieferforderungen der Fa F unbeglichen geblieben seien, die Vorsteuer aufgrund der korrespondierenden Eingangsrechnungen jedoch zur Gänze geltend gemacht worden sei. Aus diesem Grund sei die Berichtigung des Vorsteuerabzuges gemäß § 16 Abs. 3 UStG zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Auffassung der belangten Behörde, durch die Überlassung der Kompensationsware an die Fa F sei eine Tilgung der Forderungen nicht eingetreten, sodaß eine Berichtigung gemäß § 16 Abs. 3 UStG erfolgen müsse, sei unrichtig. Diese Auffassung beruhe auf einer unrichtigen Beweiswürdigung der belangten Behörde. Kompensationsgeschäfte seien ab dem Jahr 1975 in einen Risikobereich geraten. Dies habe zur Folge gehabt, daß die Beschwerdeführerin in Fällen von notleidenden Kompensationsgeschäften ihre österreichischen Lieferanten, welche aus dem Erlös der Gegenware zu befriedigen gewesen wären, bei Unverkäuflichkeit der Kompensationsware auch mit der Kompensationsware selbst habe befriedigen müssen. Im gegenständlichen Fall sei dies dadurch geschehen, daß die mindere Gegenware an die Fa F veräußert worden sei. Die Beschwerdeführerin habe sich sodann entschlossen, die mindere Gegenware für die Fa F zu verwerten, was auch tatsächlich geschehen sei. Der geringe Erlös sei im wesentlichen zur Abdeckung der Speditionskosten verwendet worden. Die Fa F habe jedoch ihre "in Millionenhöhe gehenden" ungedeckten Forderungen in der Folge nicht gegen die Beschwerdeführerin geltend gemacht. Im Wesen von Kompensationsgeschäften liege es, daß jeweils nur Ware gegen Ware geliefert werde und eine Befriedigung von an solchen Geschäften beteiligten Unternehmen in Geld nur nach Maßgabe des Erlöses der Kompensationswaren erfolgen könne bzw. der österreichische Lieferant sich bei Unverkäuflichkeit der Kompensationsware mit dieser "befrieden" müsse. Dies sei im gegenständlichen Fall der Grund dafür gewesen, warum die Beschwerdeführerin die Gegenware in Höhe der offenen Forderung der Fa F an Zahlungs Statt zur Verfügung gestellt habe und die angefallenen Lagerspesen (Speditionskosten) weiter belastet habe. Die Kompensationsware habe qualitative Mängel aufgewiesen. Erst als eine Verwertung der Kompensationsware (Restware) nicht mehr möglich gewesen sei, habe die Beschwerdeführerin der Fa F mit Schreiben vom 31. Dezember 1980 diese Restposten an Zahlungs Statt zur Verfügung gestellt und die aufgelaufenen Lagerkosten verrechnet. Zwar habe die Fa F im Verwaltungsverfahren behauptet, dieses Schreiben niemals erhalten zu haben; diese Behauptung sei jedoch eine reine Schutzbehauptung. Zum Beweis der Aufgabe dieses Schreibens werde eine Fotokopie des Postbuches vorgelegt. Durch diese Übergabe der Waren an die Fa F an Zahlungs Statt seien die Forderungen getilgt gewesen. Ob an Zahlungs Statt oder zahlungshalber geleistet werde, sei eine Auslegungsfrage; im Zweifel gelte körperliche Hingabe von Sachen als Leistung an Zahlungs Statt. Sämtliche Indizien würden dafür sprechen, daß die Ware im gegenständlichen Fall an Zahlungs Statt an die Fa F übergeben worden sei. Die belangte Behörde habe somit "eine Würdigung der vorgelegten Beweismittel hinsichtlich ihrer subjektiven Glaubwürdigkeit nicht vorgenommen". Das Ergebnis des Beweisverfahrens der belangten Behörde werde durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt, die Beweiswürdigung würde den Denkgesetzen nicht entsprechen.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß sich die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten verletzt erachtet, daß die Übertragung der (minderwertigen) Kompensationsware an die Fa F als Leistung zahlungshalber - dies führte nur zur Tilgung eines geringen Teils der Forderung der Fa F gegen den Beschwerdeführerin - angesehen worden ist und nicht als schuldbefreiende Leistung an Zahlungs Statt.

Beim Tausch, bei tauschähnlichen Umsätzen und bei Hingabe an Zahlungs Statt gilt gemäß § 4 Abs. 6 UStG 1972 der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz.

Wäre die - unbestritten mindere - Kompensationsware an Zahlungs Statt an die Fa F übertragen worden, wie dies die Beschwerdeführerin behauptet, so wäre zivilrechtlich das Schuldverhältnis durch Erfüllung zum Erlöschen gebracht worden, sodaß die Fa F gegenüber der Beschwerdeführerin keine unberichtigte Forderung gehabt hätte. Die Beschwerdeführerin geht offensichtlich von der Rechtsansicht aus, daß bei Annahme dieser Sachlage (Vereinbarung der Übergabe an Zahlungs Statt) die von der belangten Behörde im Instanzenzug vorgenommene Berichtigung der Vorsteuern unterbleiben müßte. Damit verkennt die Beschwerdeführerin aber die Rechtslage. Wird anstelle des ursprünglich geschuldeten Entgeltes vom Leistungsempfänger im Einvernehmen mit dem liefernden Unternehmer eine andere Leistung an Zahlungs Statt erbracht, so ist Bemessungsgrundlage für die ursprüngliche Lieferung der Wert der an Zahlungs Statt erbrachten Leistung. Stimmt dieser Wert mit dem ursprünglich vereinbarten Betrag nicht überein, so kommt es zu einer Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 16 Abs. 1 (vgl. Ruppe, UStG 1994, § 4 Tz 142).

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, daß die belangte Behörde bei Ermittlung der Höhe der im Jahr 1980 noch unberichtigt aushaftenden Forderungen bzw. Forderungsteile der Fa F die Kompensationsware der Beschwerdeführerin mit unrichtigen Werten in Abzug gebracht hätte. Ob allerdings die Forderungen der Fa F gegenüber der Beschwerdeführerin, soweit sie den Wert der Kompensationsware übersteigen, als uneinbringlich geworden angesehen werden, sodaß eine Vorsteuerberichtigung nach § 16 Abs. 3 UStG vorzunehmen ist, oder ob aufgrund der Annahme einer - im Jahr 1980 erfolgten - Vereinbarung über die Hingabe der Kompensationsware an Zahlungs Statt die Bemessungsgrundlage für die Lieferungen der Fa F an die Beschwerdeführerin als entsprechend reduziert gewertet wird, sodaß eine Vorsteuerberichtigung nach § 16 Abs. 1 UStG vorzunehmen ist, ist für die (gebotene) Vorsteuerberichtigung gemäß § 16 UStG nicht von entscheidender Bedeutung, weil bei keiner dieser Annahmen die Rechtsposition des Beschwerdeführers eine schlechtere ist. Abs. 3 des § 16 UStG verweist hinsichtlich der Rechtsfolge auf Abs. 1.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Beschwerdeführerin die Relevanz der behaupteten Verletzungen von Verfahrensvorschriften, aufgrund derer die belangte Behörde zu Unrecht das Zustandekommen einer Vereinbarung über die Hingabe an Zahlungs Statt nicht angenommen habe, nicht darzutun vermag.

Die Beschwerdeführerin wird sohin im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1992130137.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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