TE Vfgh Erkenntnis 2022/6/13 E2530/2021 ua

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Veröffentlicht am 13.06.2022
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §34, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie von Staatsangehörigen von Bangladesch; mangelhafte Auseinandersetzung mit dem Gesundheitszustand eines Kindes (Autismus)

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Bangladesch, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch und gegen die Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl Nr 390/1973, verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.008,40 bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführer stammen aus Bangladesch, gehören der Volksgruppe der Bengalen an und bekennen sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern des minderjährigen Drittbeschwerdeführers. Der minderjährige Drittbeschwerdeführer leidet an einer schweren globalen Entwicklungsverzögerung (Autismus-Spektrum-Störung).

2. Der Erstbeschwerdeführer stellte am 6. April 2002 und am 18. März 2014 Anträge auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. Mai 2018 wurde der (Folge-)Antrag des Erstbeschwerdeführers auf internationalen Schutz im zweiten Rechtsgang bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung des Erstbeschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.) und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI.).

3. Die Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährige Drittbeschwerdeführer stellten am 18. Juli 2018 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Dezember 2018 wurden die Anträge der Zweitbeschwerdeführerin und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung der Zweitbeschwerdeführerin und des minderjährigen Drittbeschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.) und eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI.).

4. Die Beschwerdeführer erhoben jeweils gegen die oben angeführten Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 6. Mai 2018 (Erstbeschwerdeführer) und vom 21. Dezember 2018 (Zweitbeschwerdeführerin und minderjähriger Drittbeschwerdeführer) Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Mit Erkenntnis vom 14. Mai 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab (Spruchpunkt I.) und bezüglich des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 AsylG 2005 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurück (Spruchpunkt II.).

6. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973) und auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesverwaltungsgericht die gesundheitliche Situation und die Integration des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, der einen prägenden Teil seines bisherigen Lebens in Österreich verbracht habe, hier die Schule besuche und sich in seiner Klasse gut integriert habe, nicht ausreichend berücksichtigt habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe es beispielsweise unterlassen, auf ein vorgelegtes Schreiben der Klassenlehrerin einzugehen. Auch habe es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen, weitere Erhebungen bezüglich des Schulbesuches des minderjährigen Drittbeschwerdeführers anzustellen. Angesichts des Alters, der laufenden Ausbildung und der medizinischen Probleme des minderjährigen Drittbeschwerdeführers sei, insbesondere unter Berücksichtigung der Länderberichte, bei einer sofortigen Ausreise des minderjährigen Drittbeschwerdeführers mit einer Kindeswohlgefährdung zu rechnen.

7. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber abgesehen.

II. Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig.

A. Die Beschwerde ist, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Bangladesch, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat und gegen die Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, auch begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg cit gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein derartiger, in die Verfassungssphäre reichender Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bezüglich des minderjährigen Drittbeschwerdeführers unterlaufen:

2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht unterlässt im angefochtenen Erkenntnis eine hinreichende Auseinandersetzung betreffend die gesundheitliche Situation des minderjährigen Drittbeschwerdeführers im Hinblick auf eine, nach seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat erfolgende, mögliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSd Art3 EMRK.

Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Feststellungen zum Gesundheitszustand des minderjährigen Drittbeschwerdeführers auf nicht näher bezeichnete medizinische Befunde, sowie die Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in den Einvernahmen vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Darauf aufbauend führt das Bundesverwaltungsgericht sodann im Rahmen der rechtlichen Beurteilung Folgendes aus:

"Die BF2 ist gesund. Der Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführer leiden nicht an einer schweren oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung. Der BF1 ist abgesehen von Beschwerden an der Wirbelsäule, regelmäßigen Beeinträchtigungen des Magen-Darmtrakts, einer koronaren Zweigefäßerkrankung mit Verschluss des marginalen Astes der linken Arteria circumflexa mit ipsilateraler Kollateralisierung und mit Verschluss der mittleren rechten Koronaarterie, einer diastolischen Dysfunktion und einer Hyperlipidämie gesund. Beim Drittbeschwerdeführer wurde eine globale Entwicklungsverzögerung (Autismus) diagnostiziert. Die medizinische Grundversorgung ist, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau, gewährleistet.

Der Erst- und der Drittbeschwerdeführer erhalten diesbezüglich aktuell eine medikamentöse Behandlung. […]

Wie bereits unter Punkt 2.1.1. und 2.2.3. des gegenständlichen Erkenntnisses ausgeführt, ist die Verfügbarkeit der vom Erst- und vom Drittbeschwerdeführer angewandten Medikamente bzw Wirkstoffe in Bangladesch gewährleistet sowie die Feststellung, dass eine medizinische Versorgung in Bangladesch, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau, besteht, als notorisch anzusehen.

Das dem Drittbeschwerdeführer widerfahrene Schicksal in Form einer Behinderung mag zweifellos tragisch sein. Dass der Gesundheitszustand des BF3 im Falle einer Abschiebung nach Bangladesch in signifikanter Weise eine Verschlechterung erfahren würde, kann jedoch ebenso wenig festgestellt werden, wie dass ein Aufenthalt in Österreich zu einer signifikanten Verbesserung führen würde. Entsprechendes gilt im Übrigen auch für den Gesundheitszustand des BF1. Derartiges wurde auch weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung substantiiert behauptet und wurde ebenso wenig substantiiert dargetan, dass der Erstbeschwerdeführer oder der Drittbeschwerdeführer im Falle einer Abschiebung nach Bangladesch einer unmenschlichen Behandlung unterliegen würde bzw damit eine Artikel 3 EMRK Verletzung einhergehen würde und die Abschiebung daher unzulässig sei. Derartiges wurde im Verfahren nicht nachvollziehbar aufgezeigt.

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Erst- und/oder der Drittbeschwerdeführer an einer solchen Erkrankung leiden, welche ein Abschiebehindernis im Sinne von Artikel 3 EMRK darstellen würde. Ein allfälliger hypothetischer Krankheitsverlauf zu einem nicht greifbaren Zeitpunkt in der Zukunft begründet zudem kein reales Risiko bzw keine reale Gefahr im Sinn der zitierten Rechtsprechung.

Aus dem Gesamtvorbringen ist nicht ableitbar, dass der Erst- und/oder der Drittbeschwerdeführer im Bundesgebiet eine Behandlung in Anspruch nehmen würden, die ausschließlich und exklusiv in Österreich verfügbar wäre. Einen konkreten Hinweis, dass die in Österreich verabreichten Medikamente bzw ein vergleichbares Medikament in Bangladesch nicht verfügbar wäre, bzw dass es sonstige Gründe geben würde, die gegen eine Fortsetzung der hier in Österreich erfolgten Heilbehandlung im Herkunftsstaat sprechen, kann vom erkennenden Gericht nicht erkannt werden.

[…]

Im vorliegenden Fall konnten vom Erst- und Drittbeschwerdeführer keine akut existenzbedrohenden Krankheitszustände oder Hinweise auf unzumutbare Verschlechterungen der Krankheitszustände im Falle einer Abschiebung nach Bangladesch, belegt werden.

[…]

In Bangladesch ist jedenfalls eine medizinische Grundversorgung, wenn auch auf sehr niedrigem Niveau, gewährleistet und sind auch allfällige gesundheitliche Beeinträchtigungen des Erst- und Drittbeschwerdeführers behandelbar. Dass die diesbezüglichen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland allenfalls schlechter sind als im Aufenthaltsland, und allfälligerweise 'erhebliche Kosten' verursachen, ist gemäß der EGMR-Judikatur nicht ausschlaggebend."

2.3. Aus den im verfassungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Akten ergibt sich, dass die einliegenden medizinischen Unterlagen betreffend den Gesundheitszustand des minderjährigen Drittbeschwerdeführers, die das Bundesverwaltungsgericht seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat, aus den Jahren 2018 bis 2019 stammen. Weiters folgt aus einem aktuellen Ambulanzbefund des Landesklinikums Baden-Mödling vom 15. März 2021, der ebenfalls in den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten einliegt, dass eine Diagnose bezüglich des Gesundheitszustandes des minderjährigen Drittbeschwerdeführers noch nicht abgeschlossen und eine genetische Untersuchung geplant sei. Ein aktueller medizinischer Befund, der über den Gesundheitszustand des minderjährigen Drittbeschwerdeführers Aufschluss gibt, liegt den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten daher nicht ein.

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass das Bundesverwaltungsgericht zur Einholung eines fachärztlichen Gutachtens verpflichtet ist, wenn der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers im Hinblick auf eine mögliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Herkunftsstaat nicht eindeutig geklärt ist (vgl zB VfGH 30.6.2016, E381/2016 ua; 25.2.2019, E4141/2018 ua; 11.6.2019, E137/2019). Indem es das Bundesverwaltungsgericht unterlassen hat, die laut dem Ambulanzbefund des Landesklinikums Baden-Mödling vom 15. März 2021 geplante genetische Untersuchung abzuwarten, hat es das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde des minderjährigen Drittbeschwerdeführers gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch und gegen die Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen wird, insgesamt mit Willkür belastet und ist in diesem Umfang aufzuheben. Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidungen betreffend die übrigen beschwerdeführenden Parteien durch (vgl zB VfSlg 19.671/2012, 19.855/2014, 20.215/2017; VfGH 24.11.2016, E1085/2016 ua; 24.11.2020, E3039/2020 ua).

B. Im Übrigen – also hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie der Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §55 AsylG 2005 – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in den oben näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen, insbesondere der Frage, ob die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, insoweit nicht anzustellen.

III. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführer sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerden gegen die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Bangladesch, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die erlassene Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch und gegen die Setzung einer 14-tägigen Frist für die freiwillige Ausreise abgewiesen werden, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander gemäß ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 327,– und Umsatzsteuer in der Höhe von € 501,40 enthalten. Da die beschwerdeführenden Parteien gemeinsam durch einen Rechtsanwalt vertreten sind, ist der einfache Pauschalsatz, erhöht um einen entsprechenden Streitgenossenzuschlag, zuzusprechen. Ein Ersatz der Eingabengebühr ist nicht zuzusprechen, weil die Beschwerdeführer Verfahrenshilfe (auch) im Umfang des §64 Abs1 Z1 lita ZPO genießen.

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, Kinder

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:E2530.2021

Zuletzt aktualisiert am

16.09.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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