TE Vwgh Beschluss 2022/6/29 Ra 2020/05/0024

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Veröffentlicht am 29.06.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)

Norm

ABGB §435
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.inSembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des Dipl.Ing. F L in A, vertreten durch Dr. Gunther Huber und Mag. Nikolaus Huber, Rechtsanwälte in 4050 Traun, Heinrich-Gruber-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 7. März 2019, LVwG-150854/43/RK/FE/CJ - 150855/6, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach der Oö. Bauordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Stadtgemeinde A; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Zum bisherigen Verfahrensgang in der gegenständlichen Angelegenheit wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 2018, Ra 2016/05/0109, verwiesen. Zusammengefasst ergibt sich Folgendes:

2        Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich (LVwG) vom 10. August 2016 war u.a. die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde A. vom 11. Dezember 2015, mit welchem u.a. dem Revisionswerber im innergemeindlichen Instanzenzug der baupolizeiliche Auftrag erteilt worden war, eine konsenslos errichtete Lärmschutzwand auf dem Grundstück Nr. 2768/8, KG A., binnen näherer Frist zu beseitigen und den rechtmäßigen Zustand wiederherzustellen, mit einer näher ausgeführten Spruchmaßgabe als unbegründet abgewiesen worden.

3        Dieses Erkenntnis wurde insofern mit dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. März 2018, Ra 2016/05/0109, aufgehoben, weil sich das LVwG nicht mit dem Vorbringen des Revisionswerbers, er sei nicht Eigentümer der zu beseitigenden Lärmschutzwand, auseinandergesetzt und keine mündliche Verhandlung durchgeführt habe.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des LVwG vom 7. März 2019 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers - nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen - wiederum als unbegründet abgewiesen und dem Revisionswerber gemäß § 49 Abs. 1 Oberösterreichische Bauordnung 1994 die Beseitigung der auf dem Grundstück Nr. 2768/8, KG A., errichteten Lärmschutzwand binnen zwei Monaten aufgetragen (I.). Gleichzeitig sprach das LVwG aus, dass dagegen eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (II.).

5        Begründend führte das LVwG dazu, soweit relevant, aus, der Revisionswerber, der Eigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei, sei auch Eigentümer der zu beseitigenden Lärmschutzwand. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Eigentumsverhältnisse an der gegenständlichen Lärmschutzwand setzte sich das LVwG mit näherer Begründung auch ausführlich mit der Frage auseinander, ob die Lärmschutzwand als Superädifikat zu qualifizieren sei und daher - abweichend vom Grundsatz „superficies solo cedit“ - einen anderen Eigentümer als den Grundeigentümer habe. Im Ergebnis gelangte das LVwG zu der Beurteilung, es liege kein Superädifikat vor. Der Revisionswerber sei (auch) Eigentümer der verfahrensgegenständlichen baulichen Anlage und der baupolizeiliche Auftrag somit an ihn zu richten.

6        Der Flächenwidmungsplan sehe für den fraglichen Bereich eine fünfzehn Meter breite Schutzzone, in der Lärmschutzmaßnahmen, wie unter anderem eine Lärmschutzwand oder ein Erdwall errichtet werden dürften, vor. Der Bebauungsplan sehe einen zeichnerisch eingetragenen Lärmschutzwall mit einer Breite von 10 Metern vor. Es liege kein Widerspruch zwischen dem Flächenwidmungs- und dem Bebauungsplan vor, weil Ersterer alternativ die Errichtung eines bepflanzten Erdwalls oder einer Lärmschutzwand vorsehe und der Bebauungsplan konkretisierend die Festlegung der Ausführung eines bepflanzten Erdwalles vorgenommen habe. Motiv des Flächenwidmungs- und des Bebauungsplanes sei die Begrenzung der von den Betriebsflächen ausgehenden Lärmbelastung in einer möglichst landschaftsbildverträglichen Weise. Eine Lärmschutzwand sei als kritisch eingestuft und ein Erdwall als „geringeres Übel“ angesehen worden. Der Bebauungsplan könne vor dem Hintergrund dieser Erwägungen nicht so ausgelegt werden, dass dieser im fraglichen fünf Meter breiten Bereich zwischen dem im Bebauungsplan eingezeichneten Erdwall und der Außengrenze des Grundstückes trotz der Einschränkung auf ausschließlich einen Erdwall eine zusätzliche Lärmschutzmaßnahme toleriert. Die - anzeigepflichtige - Lärmschutzwand widerspreche somit den Bestimmungen des Bebauungsplanes.

7        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 28. November 2019, E 1417/2019-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Begründend führte der Verfassungsgerichtshof dazu unter anderem aus, der präjudizielle Teil des Bebauungsplanes widerspreche dem Flächenwidmungsplan nicht. Die Festlegung der Ausführung eines bepflanzten Erdwalles sei nach einer eingehenden Interessenabwägung zwischen der Nutzung der Betriebsflächen einerseits und dem angrenzenden Wohngebiet andererseits vorgenommen worden. Die Beurteilung des LVwG, dass eine Lärmschutzwand in der im Flächenwidmungsplan festgelegten Schutzzone nicht in Frage komme, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Bebauungsplan sei insofern auch hinreichend determiniert.

8        Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst die Auslegung des Bebauungsplanes durch das LVwG als „grob überschießend und unvertretbar“ erachtete, sowie eine unzutreffende rechtliche Beurteilung betreffend das Vorliegen eines Superädifikates geltend macht.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Er ist weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 10.8.2021, Ra 2021/02/0104, mwN).

13       Die Revision rügt zu ihrer Zulässigkeit, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach „alle maßgeblichen die Superädifikatseigenschaft betreffenden zivilrechtlichen Fragen selbstständig und richtig zu beurteilen“ seien, abgewichen.

14       Die Frage, wer Eigentümer einer bestimmten Anlage (hier: der Lärmschutzwand) ist, ist eine zivilrechtliche Vorfrage. Bei der Auslegung von nicht in die Kompetenz der Verwaltung fallenden Rechtsmaterien kommt dem Verwaltungsgerichtshof keine Leitfunktion zu; er ist zur Fällung grundlegender Entscheidungen auf dem Gebiet des Zivilrechts nicht berufen, sodass die Auslegung zivilrechtlicher Normen auch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG begründen kann, solange dem Verwaltungsgericht dabei keine krasse Fehlentscheidung unterlaufen ist. Eine Unvertretbarkeit ist in der Regel dann auszuschließen, wenn das Verwaltungsgericht eine zivilrechtliche Vorfrage im Einklang mit der Rechtsprechung der Obersten Gerichtshofes gelöst hat (vgl. etwa VwGH 24.3.2022, Ra 2022/05/0059; 29.1.2021, Ra 2020/05/0252, oder auch 21.11.2017, Ro 2015/05/0009, jeweils mwN).

15       Fallbezogen hat sich das LVwG nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen ausführlich mit der Frage der Eigentumsverhältnisse an der gegenständlichen Lärmschutzwand und insbesondere mit deren (mangelnder) Superädifikatseigenschaft auseinandergesetzt. Entgegen der Darstellung der Revision hat sich das LVwG dabei nicht bloß auf eine mangelnde Entfernungsabsicht gestützt, sondern sich - unter anderem - auch eingehend mit der der Frage der Belassungsabsicht an der Lärmschutzwand auseinandergesetzt (vgl. zum Erfordernis einer fehlenden Belassungsabsicht zum Vorliegen eines Superädifikates und den diesbezüglichen Kriterien aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes etwa OGH 3.8.2004, 5Ob28/04k). Dass ihm hierbei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, zeigt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nicht auf und ist auch nicht erkennbar.

16       Dazu kommt, dass die Frage, ob eine bestimmte bauliche Anlage ein Superädifikat ist, den jeweiligen Einzelfall betrifft. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa nochmals VwGH 24.3.2022,
Ra 2022/05/0059, oder 29.1.2021, Ra 2020/05/0252, jeweils mwN). Angesichts der konkreten eingehenden Begründung des LVwG ist dies nicht ersichtlich und wird in den Revisionszulässigkeitsgründen wie gesagt auch nicht dargelegt.

17       Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision weiters Vorbringen betreffend die Auslegung des anzuwendenden Flächenwidmungsplanes und Bebauungsplanes erstattet wird, wird damit eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung schon deshalb nicht aufgezeigt, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. etwa VwGH 22.11.2017, Ra 2014/06/0038; 28.2.2019, Ra 2018/14/0280, oder auch 26.5.2021, Ro 2020/12/0011, jeweils mwN).

18       Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles gegebenenfalls auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt außerdem in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. etwa VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, oder auch 19.4.2021, Ra 2021/05/0053, jeweils mwN).

19       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. Juni 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020050024.L00

Im RIS seit

19.09.2022

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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