TE Vwgh Erkenntnis 1996/4/30 95/18/0345

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Veröffentlicht am 30.04.1996
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Index

L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
SHV Richtsätze Wr 1973;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Rutter, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1994, Zl. 106.279/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 30. November 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 21. April 1994 auf Erteilung (nach der Aktenlage: auf Verlängerung) einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufG abgewiesen.

Die belangte Behörde führte aus, daß das Bruttoeinkommen der Gattin des Beschwerdeführers von S 11.000,-- je Monat nicht geeignet sei, den Unterhalt der vierköpfigen Familie des Beschwerdeführers zu sichern. Dieses Einkommen stehe in keiner Relation zu dem derzeit geltenden Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Wien. Die von einem Freund des beschäftigungslosen Beschwerdeführers abgegebene Verpflichtungserklärung habe nicht berücksichtigt werden können, "da diese in weiterer Folge auch die gesamte Familie betreffen würde und scheint diese nicht tragfähig genug, den Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthaltes zu sichern".

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Soweit der Beschwerdeführer meint, das Aufenthaltsgesetz sei auf ihn nicht anzuwenden (und die belangte Behörde daher nicht zuständig), weil er bereits vor Inkrafttreten dieses Gesetzes über einen ordentlichen Wohnsitz in Österreich verfügt habe, ist ihm zu entgegnen, daß nach dem klaren Wortlaut des § 13 Abs. 1 AufG - abgesehen von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmefällen - auch solche Fremde, die sich bei Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, nach Ablauf der Geltungsdauer dieser Berechtigung einer - unter sinngemäßer Anwendung der für die Verlängerung von Bewilligungen geltenden Vorschriften zu erteilenden - Aufenthaltsbewilligung bedürfen.

2. Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe die Familienbeihilfe und die Verpflichtungserklärung nicht berücksichtigt und den derzeit geltenden Sozialhilferichtsatz für Wien nicht "bekannt gegeben", macht er im Ergebnis zu Recht einen Verfahrensmangel geltend.

Die den abweislichen Spruch des bekämpften Bescheides tragende Begründung ist nämlich mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht nachvollziehbar. Zwar begegnet die Heranziehung des Sozialhilferechtes des betreffenden Bundeslandes (hier: der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe, LGBl. Nr. 13/1973 idF LGBl. Nr. 68/1994) für die Beurteilung der Frage des nicht gesicherten Unterhaltes für die Geltungsdauer der Bewilligung im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG keinen Bedenken. Dabei hat die belangte Behörde darzulegen, welchen monatlichen Betrag sie als dem Beschwerdeführer zur Verfügung stehende Mittel einerseits und welchen monatlichen Betrag sie als richtsatzmäßige Gesamtunterstützung i.S. der vorzitierten Verordnung als maßgeblichen Sachverhalt dem Tatbestand des nicht gesicherten Unterhaltes subsumiert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. September 1995, Zl. 95/18/0668).

Vorliegend hat die belangte Behöre zwar das Bruttoeinkommen der Gattin als verfügbare Unterhaltsmittel der vierköpfigen Familie des Beschwerdeführers festgestellt, doch hat sie nicht begründet, warum sie die Familienbeihilfe von S 3.600,--, welche eine Komponente der zur Sicherung des Unterhaltes der Familie des Beschwerdeführers zur Verfügung stehenden Mittel darstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zlen. 94/18/0878 bis 0885) und auf deren Bezug der Beschwerdeführer in seiner Berufung hingewiesen hat, nicht berücksichtigt hat. Die Höhe des monatlichen Betrages der richtsatzmäßigen Gesamtunterstützung im Sinne der zitierten Verordnung der Wiener Landesregierung hat die belangte Behörde nicht festgestellt.

Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides, die im Akt erliegende Verpflichtungserklärung sei - weil sie "in weiterer Folge die gesamte Familie betreffen würde" - "nicht tragfähig genug, den Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthaltes zu sichern", ergibt sich, daß die belangte Behörde - zu Recht - die Auffassung vertrat, die Ausnahmebestimmung des § 10 Abs. 3 Z. 2 FrG komme auch in jenen Fällen zum Tragen, in denen die Behörde ihre Entscheidung nicht ausdrücklich auf das Vorliegen des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 2 oder 3 FrG, sondern - wie im vorliegenden Beschwerdefall - auf den im § 5 Abs. 1 AufG hervorgehobenen, inhaltsgleichen Ausschließungsgrund des nicht gesicherten Lebensunterhaltes des Fremden gestützt habe (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 9. November 1995, Zl. 95/18/0765). Sie hat jedoch auch diesbezüglich nicht begründet, welcher Unterhalts(fehl)betrag durch die Verpflichtungserklärung gesichert werden solle und aus welchen Gründen die Erklärung dazu nicht ausreiche bzw. die die Erklärung abgebende Person dazu nicht in der Lage sei.

3. Da nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei einem Unterbleiben der aufgezeigten, den Verwaltungsgerichtshof an einer Überprüfung der bekämpften Entscheidung auf ihre inhaltliche Rechtmäßigkeit hindernden Verfahrensmängel zu einem anderen (für den Beschwerdeführer günstigen) Ergebnis hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid - ohne Eingehen auf das auf das Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vom 12. September 1963 und den Beschluß Nr. 1/80 des durch dieses Abkommen geschaffenen Assozionsrates vom 19. September 1980 Bezug nehmende Beschwerdevorbringen - bereits deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 270,-- (Eingabengebühr S 240,--, Beilagengebühr S 30,--) zu entrichten waren.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180345.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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