TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/6 95/10/0195

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Veröffentlicht am 06.05.1996
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/10 Schülerbeihilfen;

Norm

ABGB §144;
AVG §13 Abs3;
AVG §66 Abs4;
AVG §9;
SchBeihG 1983 §14 Abs2;
SchBeihG 1983 §21 Abs1;
SchBeihG 1983 §21 Abs4;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 95/10/0159 E 6. Mai 1996

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der mj. VD, vertreten durch den Vater JD, beide in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 16. August 1995, Zl. 1018/4-III/9/95, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 18. Juni 1977 geborene Beschwerdeführerin besuchte im Schuljahr 1994/1995 die Fachschule für Altendienste in Graz. Am 25. Oktober 1994 beantragte sie beim Landesschulrat für Steiermark die Gewährung von Schülerbeihilfe; ihr Antrag war vom gesetzlichen Vertreter gefertigt.

Mit Bescheid vom 11. April 1995 wies der Landesschulrat für

Steiermark den Antrag auf Schulbeihilfe für das Schuljahr 1994/1995 ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung "gemäß § 9 AVG als unzulässig zurück". Begründend wurde dargelegt, die Beschwerdeführerin sei zum Zeitpunkt der Erhebung der Berufung noch nicht einmal 18 Jahre alt und deshalb nicht prozessual handlungsfähig gewesen. Daher hätte die Berufung von einem gesetzlichen Vertreter unterfertigt sein müssen. Im Hinblick auf die fehlende prozessuale Handlungs- und Postulationsfähigkeit sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der unter anderem eine Verletzung im Recht, eine Sachentscheidung zu erhalten, geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die persönliche Rechts- und Handlungsfähigkeit von Beteiligten ist von der Behörde, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu beurteilen (§ 9 AVG).

Nach § 21 Abs. 2 ABGB dauert die Minderjährigkeit bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres; nach § 144 ABGB haben die Eltern das minderjährige Kind zu vertreten. Als Verwaltungsvorschrift, die (im Sinne der soeben zitierten Vorschrift) die prozessuale Handlungsfähigkeit Minderjähriger betrifft, ist für den Bereich des Schülerbeihilfenrechts § 14 Abs. 2 SchBG anzusehen; danach sind die Anträge (auf Gewährung von Beihilfen) von den Erziehungsberechtigten einzubringen. Im Hinblick auf diese Verwaltungsvorschrift sind jedenfalls für den Bereich der Antragstellung keine Überlegungen in der Richtung anzustellen, ob sich aus Regelungen des bürgerlichen Rechts die beschränkte prozessuale Handlungsfähigkeit mündiger Minderjähriger für Angelegenheiten der Schülerbeihilfe ergibt (vgl. hiezu etwa für Angelegenheiten der Arbeitslosenversicherung den Beschluß eines verstärkten Senates vom 22. September 1981, Slg. 10547/A). Insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Haftung jener Personen, die gemäß § 14 Abs. 2 SchBG einen Antrag eingebracht haben, im Rückzahlungsfall (vgl. § 21 Abs. 1 und 4 SchBG), ist eine Auslegung geboten, die § 14 Abs. 2 SchBG auf verfahrenseinleitende Schriftsätze im weiten Sinn, also auch den Berufungsschriftsatz, bezieht. Der belangten Behörde ist daher insoweit zu folgen, daß die Fertigung bzw. Genehmigung der Berufung durch den gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin Zulässigkeitsvoraussetzung war. Die von der minderjährigen Beschwerdeführerin erhobene Berufung war nicht vom gesetzlichen Vertreter gefertigt; eine Genehmigung der Berufung durch den gesetzlichen Vertreter ist ebenfalls nicht aktenkundig. Die belangte Behörde durfte diesen Umstand jedoch nicht zum Anlaß nehmen, die Berufung ohne weiteres als unzulässig zurückzuweisen. Es handelte sich nämlich um ein Formgebrechen im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG (vgl. z. B. das Erkenntnis vom 24. November 1987, Slg. 12579/A); die belangte Behörde hätte nach der zitierten Vorschrift mit der Erlassung eines Mängelbehebungsauftrages vorgehen müssen. Nach § 13 Abs. 3 erster Satz AVG berechtigte sie der Formmangel nicht zur Zurückweisung ohne weiteres Verfahren.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Schlagworte

Formgebrechen behebbare Unterschrift Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches Recht Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Minderjährige Verbesserungsauftrag Bejahung Berufungsverfahren Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung Berufung Verwaltungsvorschriften vom bürgerlichen Recht abweichend

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995100195.X00

Im RIS seit

02.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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