TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/7 94/09/0205

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Veröffentlicht am 07.05.1996
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
24/01 Strafgesetzbuch;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
64/03 Landeslehrer;

Norm

BDG 1979 §92 Abs1 Z4;
BDG 1979 §92 Abs1;
BDG 1979 §93 Abs1;
B-VG Art130 Abs2;
LDG 1984 §70 Abs1 Z4;
LDG 1984 §70 Abs1;
LDG 1984 §71;
LDG 1984 §73 Abs1;
LDG 1984 §73 Abs3;
StGB §27;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Disziplinaranwaltes beim Amt der Salzburger Landesregierung gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Landeslehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen und an öffentlichen Berufsschulen beim Amt der Salzburger Landesregierung vom 21. Juni 1994, Zl. 5-DOKL-3/4-1994, betreffend Disziplinarstrafe der Geldstrafe (mitbeteiligte Partei: R in K, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte (in der Folge: Mb), geboren 1958, steht als Hauptschullehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Salzburg. Seine Dienststelle ist die Hauptschule K.

Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Mai 1993, 38 Vr 669/93, 38 Hv 14/93, bestätigt durch das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 23. August 1993, 9 Bs 242/93, wurde der Mb für schuldig erkannt, das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz, teilweise in der Form des § 12, zweite Alternative, StGB begangen zu haben, indem er im September 1992 den Mitangeklagten B. aufforderte, für ihn in Holland ca. zwei Kilogramm Cannabisharz zu besorgen und ihm auch S 86.000,-- für den Kauf desselben übergab, sowie in der Folge am 9. Jänner 1993 ca. 80 Gramm an F. übergab.

Im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung hielt das Landesgericht fest, die beiden Angeklagten (B. und der Mb) seien gerichtlich unbescholten. Sie hätten bereits seit einigen Jahren unregelmäßig Haschisch konsumiert. B. habe im September 1992 beabsichtigt, nach Holland zu fahren. Daraufhin habe ihn der Mb ersucht, für ihn Suchtgift zu besorgen. B. habe eingewilligt, wobei beiden Angeklagten bewußt gewesen sei, daß Suchtgift nach Österreich nicht eingeführt werden dürfe. Demnach sei vereinbart worden, daß B. ca. zwei Kilogramm Cannabis kaufen solle. Der Mb habe dem B. in seiner Wohnung in K einen Betrag von S 86.000,-- für den Kauf von ca. zwei Kilogramm Haschisch übergeben. B. sei in der Folge mit seinem Pkw nach Amsterdam gefahren und habe dort 2200 Gramm Cannabisharz um den Betrag von S 86.000,-- gekauft. Das Suchtgift habe er im Kofferraum verstaut und es so über den Grenzübergang Steinpaß nach Österreich geschmuggelt. Nach seiner Rückkehr nach Österreich habe er dem Mb die gesamte Kaufmenge von 2,2 Kilogramm Cannabisharz, mit Ausnahme eines kleinen Stückes von ca. 20 Gramm, welches B. zum Probieren abgebrochen und sozusagen als Provision für sich behalten und verwendet habe, übergeben. Der Mb habe B. mehrmals aufgefordert, das Suchgift gewinnbringend weiterzuveräußern, weil er angeblich selbst zuwenig Kontakte zu eventuellen Abnehmern gehabt habe. Zu einer derartigen Veräußerung sei es jedoch nicht gekommen. Der Mb habe von dem von B. nach Österreich eingeschmuggelten Haschisch am 9. Jänner 1993 80 Gramm an F. kostenlos übergeben. Am 12. Jänner 1993 seien beim Mb 1388,9 Gramm Haschisch sichergestellt worden. Der Verbleib der restlichen 700 Gramm Cannabisharz habe nicht geklärt werden können.

In rechtlicher Hinsicht führte das Gericht aus, daß es sich um eine große Menge im Sinne des § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz gehandelt habe. Da den beiden Angeklagten bewußt gewesen sei, daß sie Suchtgift nicht nach Österreich einführen durften, hätten sie das Verbrechen nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht, wobei das gegenständliche Verbrechen durch den Mb teilweise in Form als Bestimmungstäter nach § 12, zweite Alternative, StGB begangen worden sei. Als mildernd wertete das Gericht die bisherige Unbescholtenheit sowie das wesentliche Geständnis und die Sicherstellung eines Teiles des Suchtgiftes. Als erschwerend wurde die beabsichtigte gewinnbringende Weitergabe durch den Mb gewertet. Über den Mb wurde eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verhängt.

Im Urteil des Oberlandesgerichtes Linz wird aufgrund der Strafberufung des Mb festgehalten, daß der Milderungsgrund der Unbesonnenheit nicht vorliege. Der Erschwerungsgrund der Absicht, das Suchtgift gewinnbringend weiterzugeben, sei vom Schöffengericht festgestellt worden. Insgesamt führte die Berufung zu keiner Änderung der Strafe.

Im Disziplinarverfahren sprach daraufhin die Disziplinarkommission für Landeslehrer beim Amt der Salzburger Landesregierung den Mb nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Erkenntnis vom 29. November 1993, Zl. 0/8-M/3983621/19-1993, für schuldig, er habe zwischen September 1992 und Jänner 1993 über einen Mittelsmann Rauschgift gekauft, besessen und versucht, dieses Suchtgift gewinnbringend weiter zu verkaufen. Wegen dieser Taten sei er vom Landesgericht Salzburg wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz, teilweise in der Form des § 12, zweite Alternative, StGB, für schuldig erkannt und rechtskräftig zu einer - bedingten - Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden.

Durch das dem Strafurteil zugrundeliegende Verhalten sowie den vom Mb zugegebenen mehrmaligen Suchtgiftkonsum in den letzten Jahren habe der Mb gegen seine allgemeine Dienstpflichten gemäß § 29 LDG 1984 sowie seine Verpflichtungen nach § 2 des Schulorganisationsgesetzes (SchOG) verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 69 LDG 1984 begangen.

Über den Mb wurde im Disziplinarerkenntnis die Disziplinarstrafe der Geldstrafe im Ausmaß von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Haushaltszulage verhängt.

Der Mb habe - so die Ausführung in der Begründung zum erstinstanzlichen Bescheid - in der mündlichen Verhandlung gestanden, zwischen 1983 und Ende 1992 mehrmals selbst Suchtgift konsumiert und die Taten, hinsichtlich derer er strafrechtlich rechtskräftig verurteilt worden sei, begangen zu haben. Zu der Verteidigung des Mb, er habe das Strafdelikt nur aus Unbesonnenheit begangen und keine Absichten gehabt, das Suchtgift gewinnbringend zu veräußern, verwies die Disziplinarkommission auf die Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrundegelegten Tatsachenfeststellungen eines Strafgerichtes gemäß § 73 Abs. 2 LDG 1984.

Auch dem Mb sei bewußt, daß im Hinblick auf seine Stellung als Landeslehrer ein disziplinärer Überhang gegeben sei und "zusätzlich zur gerichtlichen Strafe eine Disziplinarstrafe treten müsse". In seiner Verteidigung habe der Mb allerdings eine Reihe von Punkten dargelegt, die seiner Ansicht nach bei der Bemessung der Höhe der Disziplinarstrafe mildernd zu werten wären. Er habe ausgeführt, daß er geständig sei, die Tat sehr bereue, sich seit der Aufdeckung der Tat von Suchtgift und Personen, die mit Suchtgift zu tun haben, ferngehalten habe und sich seither nichts mehr zuschulden habe kommen lassen. Außerdem sei sein Lebenswandel vorher absolut unbescholten gewesen. Er habe seine Aufgaben als Lehrer immer engagiert erfüllt (was auch durch den entsprechenden Leistungsfeststellungsbescheid bestätigt werde), sei gerne Lehrer, habe sich auch außerschulisch in der Gemeinde engagiert und müsse auch den Haushalt betreuen, weil seine Gattin gesundheitsbedingt in Frühpension sei. Außerdem hätten sich viele Eltern für seine Tätigkeit als Lehrer ausgesprochen.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung verwies die Disziplinarkommission auf die Vorschrift zur Strafbemessung des § 71 LDG 1994 und auf den vom Verwaltungsgerichtshof entwickelten Untragbarkeitsgrundsatz. Im Vordergrund stehe dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes (Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1991, 90/09/0181, und vom 18. Oktober 1990, 90/09/0088). Der Beschuldigte habe in der mündlichen Verhandlung versucht, darzulegen, daß das notwendige Vertrauen hinsichtlich seiner Person weiterhin gegeben sei und auf die Achtung verwiesen, die er als Vortragender an der Volkshochschule genieße und auf die Unterschriftenaktion der Eltern. Dazu hielt die Disziplinarkommission fest, daß das notwendige Vertrauen nicht nur subjektiv bei den derzeit allenfalls betroffenen Eltern gegeben sein müsse, sondern auch objektiv, sowohl bei durchschnittlich in Betracht kommenden Eltern, sowie gegenüber der Öffentlichkeit insgesamt, also auch beim Dienstgeber. Nach § 29 LDG 1984 sei der Landeslehrer verpflichtet, die ihm obliegenden Unterrichts-, Erziehungs- und Verwaltungsaufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Er habe in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Nach § 2 des Schulorganisationsgesetzes habe die österreichische Schule (und damit die Lehrer) die Aufgabe, an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten und nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen, durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihren Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Die jungen Menschen sollten zu gesunden, arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden. Der Mb habe gegen diese Verpflichtungen eindeutig und schwer verstoßen. Er habe damit alle Bemühungen anderer Lehrer, der Schulen, der Erziehungsberechtigten und sonstiger öffentlicher Stellen, insbesondere bei Schülern und Jugendlichen präventiv gegen den Suchtgiftkonsum zu arbeiten, unterlaufen. Die Vorbildwirkung von Lehrern sei dadurch schwer gestört. Es sei schwer vorstellbar, daß ein Lehrer, der selbst Suchtgift konsumiert habe und wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz verurteilt worden sei, jemals wieder die erforderliche positive Vorbildwirkung erlangen könne. Hiezu verwies die Disziplinarkommission auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1985, 83/09/0059, und vom 5. Juni 1985, 83/09/0062, bei denen die Entlassung von Lehrern wegen Suchtgiftdelikten für gerechtfertigt erachtet worden sei.

Gemäß § 91 LDG 1984 dürfe die Disziplinarstrafe der Entlassung jedoch nur einstimmig verhängt werden. Es habe sich zwar eine Mehrheit der Mitglieder der Disziplinarkommission für eine Entlassung ausgesprochen, eine "Stimmeneinigkeit" sei jedoch nicht zu erzielen gewesen. Danach erläutert die Disziplinarkommission das Ausmaß der Geldstrafe.

Der gegen diesen Bescheid vom Disziplinaranwalt wegen zu geringer Strafe erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Juni 1994 nach durchgeführter mündlicher Verhandlung keine Folge. In der Begründung verwies die belangte Behörde lediglich auf das Erfordernis des einstimmigen Beschlusses im Falle der Entlassung gemäß § 7 Abs. 7 sowie § 8 Abs. 4 des Salzburger Landeslehrer-Diensthoheitsgesetzes 1987. Ein solcher Beschluß sei im vorliegenden Verfahren nicht zustande gekommen, weil ein Mitglied des Senates den Standpunkt vertreten habe, daß das strafgerichtliche Urteil von einer zum Amtsverlust gemäß § 27 Abs. 1 StGB führenden Strafbemessung abgesehen habe und er sich den Erwägungen der Justiz anschließen müsse. Die beantragte Entlassung habe daher nicht ausgesprochen werden können, wenn auch die "Mehrheit der Disziplinaroberkommission" die Ausführungen im erstinstanzlichen Erkenntnis über die im vorliegenden Fall gegebenen offensichtlichen Entlassungsgründe als überzeugend erachtet habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Disziplinaranwalt gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG im Zusammenhalt mit § 75 Abs. 2 LDG 1984 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes hinsichtlich der Strafbemessung (es werde die "einzig mögliche Disziplinarstrafe der Entlassung" beantragt).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Auch der Mb hat eine Gegenschrift erstattet, in der er beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das Dienstrecht der Lehrer an öffentlichen Pflichtschulen ist gemäß Art. 14 Abs. 2 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Landessache in Vollziehung. Landessache ist jedoch die Gesetzgebung in den Angelegenheiten der Behördenzuständigkeit zur Ausübung der Diensthoheit (Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG). Das Dienstrecht der Landeslehrer regelt das Bundesgesetz vom 27. Juni 1984, BGBl. Nr. 302/1984 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Novelle BGBl. Nr. 519/1993 (Landeslehrer-Dienstrechtsgesetz - LDG 1984). Die Zuständigkeit zur Ausübung der Diensthoheit über die Landeslehrer im Sinne des Art. 14 Abs. 4 lit. a B-VG normiert das im Beschwerdefall in seiner Stammfassung anzuwendende Salzburger Landesgesetz vom 8. Juli 1987, LGBl. Nr. 83/1987 (Salzburger Landeslehrer-Diensthoheitsgesetz 1987 - LDHG 1987).

Nach § 91 Abs. 1 LDG 1984 finden, sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, für das Verfahren vor diesen die §§ 92 bis 101 leg. cit. Anwendung; soweit in den genannten Bestimmungen Regelungen im Hinblick auf den Disziplinaranwalt enthalten sind, gelten diese nur, sofern die Landesgesetzgebung zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren einen Disziplinaranwalt vorsieht. Entscheidungen in Disziplinarkommissionen haben mit Stimmenmehrheit zu erfolgen; die Disziplinarstrafe der Entlassung darf jedoch nur einstimmig verhängt werden. Der Vorsitzende hat seine Stimme zuletzt abzugeben. Nach der Verfassungsbestimmung des § 91 Abs. 2 LDG 1984 sind, sofern die Landesgesetzgebung Disziplinarkommissionen vorsieht, deren Mitglieder in Ausübung dieses Amtes selbständig und unabhängig.

Die Durchführung von Disziplinarverfahren (§ 69 bis 105 LDG 1984) obliegt nach § 6 LDHG 1987, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, hinsichtlich der, der Diensthoheit des Landes unterstehenden Landeslehrer einer hiefür eingerichteten Disziplinarkommission bzw. Disziplinaroberkommission. Gemäß § 6 Abs. 2 LDHG 1987 ist zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren (§§ 75 und 91 LDG 1984) vor der Disziplinarkommission und der Disziplinaroberkommission von der Landesregierung aus dem Kreis der rechtskundigen Landesbeamten je ein Disziplinaranwalt und die erforderliche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen. Nach § 75 Abs. 1 LDG 1984 sind Parteien im Disziplinarverfahren der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt, sofern ein solcher zur Vertretung der dienstlichen Interessen im Disziplinarverfahren landesgesetzlich vorgesehen ist. § 75 Abs. 2 LDG 1984 räumt gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG dem Disziplinaranwalt das Recht ein, gegen Entscheidungen der Behörde, die landesgesetzlich im Disziplinarverfahren als letzte Instanz vorgesehen ist, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

§ 7 Abs. 1 LDHG 1987 bestimmt, daß die Durchführung des Disziplinarverfahrens bei Landeslehrern in erster Instanz einer beim Amt der Landesregierung eingesetzten Disziplinarkommission obliegt. Gemäß § 8 Abs. 1 LDHG 1987 obliegt die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide der Disziplinarkommission der beim Amt der Landesregierung eingerichteten Disziplinaroberkommission. § 7 Abs. 7 leg. cit. ordnet betreffend die Disziplinarkommission beim Amt der Landesregierung an, daß die Senate ihre Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit fassen. Die Disziplinarstrafe der Entlassung bzw. des Verlustes aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche (§ 91 Abs. 1 und § 104 Z. 3 LDG 1984) darf jedoch nur einstimmig verhängt werden. § 8 Abs. 4 LDHG 1987 betreffend die Disziplinaroberkommission normiert, daß unter anderen der § 7 Abs. 7 LDHG 1987 über die Disziplinarkommission sinngemäß bei der Disziplinaroberkommission anzuwenden ist.

Auch § 102 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) sah in der Stammfassung, BGBl. Nr. 333, zur Abstimmung in den Disziplinarsenaten der Disziplinarkommissionen und Disziplinaroberkommission (§ 101 Abs. 1 leg. cit.) vor, daß die Disziplinarstrafe der Entlassung nur einstimmig verhängt werden darf. Infolge der BDG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 447/1990, wurde das Einstimmigkeitsprinzip bei der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung (durch einen entsprechenden Einschub in § 102 Abs. 1) auf das Verfahren vor der Disziplinarkommission eingeschränkt (vgl. Zach, Beamten-Dienstrecht, Anm. 1 zu § 102 BDG 1979). Im § 91 LDG 1984 erfolgte keine diesbezügliche Änderung im Einstimmigkeitserfordernis bei der Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung. Die in dieser Bestimmung genannten Disziplinarkommissionen umfassen sowohl landesgesetzlich eingerichtete Disziplinarkommissionen als auch Disziplinaroberkommissionen, was sich insbesondere aus der die Disziplinarkommissionen allgemein weisungsfrei stellenden Verfassungsbestimmung des § 91 Abs. 2 leg. cit. ergibt. Wegen insoweit unveränderter Rechtslage im LDG 1984 kann der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, "analog" zu § 102 Abs. 1 BDG 1979 wäre bei der Disziplinaroberkommission keine Einstimmigkeit zum Ausspruch der Entlassung mehr erforderlich, nicht gefolgt werden. Wenn in der Gegenschrift der belangten Behörde in diesem Zusammenhang verfassungsrechtliche Bedenken gegen die - kompetenzrechtlich Art. 14 Abs. 2 B-VG zu subsumieren - Einstimmigkeitserfordernisse der §§ 7 Abs. 7 und 8 Abs. 4 LDHG 1987 bzw. § 91 Abs. 1 LDG 1984 aufgeworfen werden, ist zu sagen, daß dort lediglich das im LDG 1984 für Entlassungen (nach wie vor) vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip wiederholt wird und damit kein verfassungsrechtlich beachtlicher Widerspruch gegeben ist.

Nach § 69 LDG 1984 sind Landeslehrer, die schuldhaft ihre Dienstpflichten verletzen, nach den Bestimmungen dieses Abschnittes (das ist der 7. Abschnitt des LDG 1984) zur Verantwortung zu ziehen.

Wurde der Landeslehrer wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, so ist gemäß § 73 Abs. 1 LDG 1984 von der Verfolgung abzusehen, wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die zur Durchführung des Disziplinarverfahrens berufene Behörde ist nach § 73 Abs. 2 leg. cit. an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteiles zugrundegelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht als nicht erweisbar angenommen hat. Wird von der Verfolgung nicht abgesehen, dann ist, wenn sich eine strafgerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, nach § 73 Abs. 3 LDG 1984 eine Strafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Landeslehrer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

Im Beschwerdefall ist die im Disziplinarverfahren dem Mb zur Last gelegte Verletzung von Dienstpflichten (insbesondere der allgemeinen Dienstpflicht des § 29 LDG 1984) unbestritten. Außer Streit steht grundsätzlich auch der für das Handeln im Bereich der Suchtgiftkriminalität bestehende disziplinarrechtliche Überhang gemäß § 73 Abs. 1 und 3 LDG 1984 (in diesem Sinne siehe beispielsweise die bereits von der Disziplinarbehörde erster Instanz herangezogenen hg. Erkenntnisse vom 22. Mai 1985, 83/09/0059, und vom 5. Juni 1985, 83/09/0062, sowie auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, 93/09/0391). Der beschwerdeführende Disziplinaranwalt bekämpft die verhängte Geldstrafe, weil seiner Ansicht die Disziplinarstrafe der Entlassung auszusprechen gewesen wäre.

Nach § 70 Abs. 1 LDG 1984 sind Disziplinarstrafen

1.

der Verweis,

2.

die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges unter Ausschluß der Haushaltszulage,

              3.              die Geldstrafe bis zur Höhe von fünf Monatsbezügen unter Ausschluß der Haushaltszulage,

              4.              die Entlassung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargetan, daß die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung im Sinne der Bestimmung des Art. 130 Abs. 2 B-VG ist (vgl. dazu etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1980, Slg. 10077/A, und vom 24. Juni 1985, Slg. 11804/A).

Innerhalb solcher gesetzlicher Strafrahmen darf der Verwaltungsgerichtshof in die Ermessensübung der belangten Behörde nicht etwa dadurch eingreifen, daß er aus Anlaß einer dagegen erhobenen Beschwerde sein Ermessen an die Stelle jenes der Behörde setzt (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Mai 1949, Slg. 840/A, vom 19. April 1962, 53/58, und vom 6. November 1963, Slg. 6139/A).

Anders verhält es sich jedoch bei der Entscheidung der Frage, ob von den mehreren im Katalog des § 70 Abs. 1 LDG 1984 aufgezählten Strafmitteln über den Beschuldigten deren schwerstes, nämlich die Entlassung, zu verhängen ist, weil hier eben kein gesetzlicher Strafrahmen, sondern verschiedene Strafmittel normiert sind (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. März 1994, 93/09/0391, zum gleichlautenden § 92 Abs. 1 BDG).

Die alleinige inhaltliche Begründung des angefochtenen Bescheides besteht in der Aussage, daß ein Mitglied des Senates den Standpunkt vertreten habe, daß das strafgerichtliche Urteil von einer zum Amtsverlust gemäß § 27 Abs. 1 StGB führenden Strafbemessung abgesehen habe und "er" sich den Erwägungen der Justiz anschließen müsse. Diese wegen des Einstimmigkeitsprinzips von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid auch zugrundegelegte Rechtsansicht beruht aber auf einer Verkennung der Rechtslage. Hätte der Gesetzgeber nämlich beabsichtigt, der strafgerichtlichen Strafbemessung die Bedeutung beizumessen, daß eine Strafe unter der Grenze des § 27 StGB (die Verurteilung wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe zieht nach dieser Bestimmung bei einem Beamten ex lege den Verlust des Amtes nach sich) eine Entlassung des Beschuldigten als gesetzwidrig oder auch nur als unerwünscht erkennen lassen sollte, dann hätte er die einschlägigen Bestimmungen des StGB und des LDG 1984 anders gestaltet; insoweit kommt dem Strafurteil indes keineswegs Bindungswirkung zu, aber auch sonst kein maßgeblicher Einfluß auf die Bemessung der Disziplinarstrafe (vgl. dazu aus der hg. ständigen Rechtsprechung beispielsweise die Erkenntnisse vom 23. März 1994, 93/09/0391, vom 15. September 1994, 94/09/0174, und vom 6. März 1996, 94/09/0295). Im übrigen enthält die Begründung des angefochtenen Bescheides keine Auseinandersetzung mit der damit - im Ergebnis - herbeigeführten Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides in der Frage der Strafbemessung unter dem Gesichtspunkt des § 71 LDG 1984.

Der angefochtene Bescheid erweist sich somit bereits deshalb als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Ermessensentscheidungen Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1994090205.X00

Im RIS seit

01.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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