RS Vfgh 2021/6/11 E3737/2020

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Veröffentlicht am 11.06.2021
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art83 Abs2
EpidemieG 1950 §15 Abs1
COVID-19-LockerungsV BGBl II 197/2020 §10
Tir VeranstaltungsG 2003 §19, §32
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch Verweigerung einer Sachentscheidung betreffend die Bewilligung für eine Sportveranstaltung nach Ablauf des für die Veranstaltung vorgesehenen Zeitraums; Gewährleistung von Rechtsschutz auch nach Ablauf des Bewilligungszeitraums geboten

Rechtssatz

Die mit Eingabe vom 11.07.2020 bei der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel angezeigte und vom 11. bis 13.09.2020 geplante Veranstaltung "Spartan Race Oberndorf" wurde mit Bescheid vom 30.07.2020 untersagt; die dagegen gerichtete Beschwerde vom 26.08.2020 wurde mit Erkenntnis vom 14.09.2020 - sohin einen Tag nach Ende des Bewilligungszeitraumes - als gegenstandslos erklärt und eingestellt.

Wenn das Landesverwaltungsgericht Tirol (LVwG) einen Tag nach dem Ende des Bewilligungszeitraumes die Beschwerde dadurch erledigte, dass es die Einstellung verfügte, weil durch Zeitablauf kein Rechtsschutzinteresse seitens der Beschwerdeführerin mehr vorliege, verkennt es, dass in Konstellationen wie der vorliegenden bei diesem Verständnis dem Rechtsschutzwerber generell der Rechtsschutz entzogen wäre. So würde angesichts des im Regelfall gegebenen zeitlichen Rahmens solcher Verfahren eine Rechtsmittelentscheidung kaum jemals vor Ablauf des beantragten Bewilligungszeitraumes ergehen.

Im Hinblick auf die Rechtsverletzungsmöglichkeit der Beschwerdeführerin ist ferner zu bedenken, dass sie als "professionelle Organisatorin und Veranstalterin von Extremsportveranstaltungen" zudem vermutlich in Zukunft Veranstaltungen abhalten wird wollen, womit die Bedeutung der Entscheidung für gleich- oder ähnlich gelagerte Sachverhalte für sie weiterhin gegeben ist.

Schließlich kann und soll der Beschwerdeführerin nicht zugemutet werden, trotz der bescheidmäßigen Untersagung durch die Behörde die Veranstaltung abzuhalten und so eine Verwaltungsübertretung zu begehen, um schließlich in einem Strafverfahren - etwa nach den Bestimmungen des EpidemieG 1950, des COVID-19-MaßnahmenG oder des TVG - Rechtsschutz zu erlangen.

Da die bescheidmäßige Untersagung der Veranstaltung sohin auch nach dem Ablauf des Bewilligungszeitraumes rechtliche Wirkung zu entfalten geeignet ist, hätte das LVwG im vorliegenden Fall durch eine Sachentscheidung - und zwar selbst nach Ablauf des für die Veranstaltung vorgesehenen Zeitraumes - Rechtsschutz gewähren müssen.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Veranstaltungswesen, Rechtsschutz, Geltungsbereich, Rückwirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:E3737.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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