TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/9 95/20/0230

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Veröffentlicht am 09.05.1996
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hemetsberger, über die Beschwerde des M in S, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1994, Zl. 4.345.406/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, ist am 14. September 1994 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 2. November 1994 den Asylantrag gestellt. Bei der am 3. November 1994 durch das Bundesasylamt durchgeführten niederschriftlichen Befragung gab der Beschwerdeführer - zusammengefaßt - an: Er werde wegen seiner verbotenen Tätigkeit für die Organisation "Maschal" von den iranischen Behörden gesucht. Seit Mitte 1992 habe er an den Sitzungen dieser Organisation, die einmal im Monat verpflichtend stattgefunden hätten, teilgenommen. Er sei telefonisch von den Sitzungen verständigt worden. An den Sitzungen hätten jeweils vier Personen teilgenommen; die Namen der drei anderen Sitzungsteilnehmer wolle er nicht nennen, weil er einen diesbezüglichen Eid geleistet habe. Er wisse auch nicht, welche Funktion die anderen Sitzungsteilnehmer gehabt hätten, ob diese überhaupt Mitglieder oder nur Sympathisanten der Organisation gewesen seien. Er könne auch nicht sagen, wieviele Mitglieder die "Maschal" überhaupt habe. All dies sei geheimgehalten worden. Damit habe man vermeiden wollen, daß jemand unter Folter die anderen verraten könnte. Mit Beginn des Jahres 1993 habe man ihm als Sympathisant dieser Gruppierung die Aufgabe übertragen, von einem der Sitzungsteilnehmer Flugzettel in Empfang zu nehmen und diese den anderen beiden zu überbringen, die dann die Vervielfältigung und Verteilung zu übernehmen gehabt hätten. So hätten die Empfänger nicht gewußt, von wem jeweils der Flugzettel gestammt habe. Auf die Frage der Sinnhaftigkeit dieser Vorgangsweise angesichts des Umstandes, daß dem Beschwerdeführer die Aufgabe der Verteilung in Anwesenheit sämtlicher Sitzungsteilnehmer zugewiesen worden sei, gab der Beschwerdeführer an: "Alles lief über solche Ecken". Nach dem Inhalt der Flugzettel befragt, erklärte der Beschwerdeführer, daß damit beabsichtigt gewesen sei, die Rückkehr des jungen Schahs vorzubereiten. Der Text habe Nachrichten über die Rolle des jungen Schahs im In- und Ausland beinhaltet. Nachdem er bei einem der üblichen Telefongespräche zur Kontaktaufnahme von den Eltern der beiden Empfänger, denen er zuletzt Flugzettel überbracht habe, davon erfahren habe müssen, daß diese nicht nach Hause gekommen seien, sei er geflüchtet. Über Freunde, die über die Organisation nicht Bescheid gewußt hätten, habe er dann mitgeteilt bekommen, daß die Empfänger der Flugzettel inhaftiert worden seien. Daraufhin sei er aus dem Iran geflüchtet.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 20. Dezember 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 18. November 1994 abgewiesen und damit dem Beschwerdeführer das Asyl versagt.

Die belangte Behörde begründete dies im wesentlichen damit, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Zugehörigkeit zu einer verbotenen Partei nicht glaubhaft sei. Das aktive Eintreten für eine Organisation sei nur dann glaubhaft, wenn der Asylsuchende hinreichende Kenntnisse über ihre Zielsetzung, örtliche Struktur und Arbeitsweise nachweise sowie seinen Beitritt, seine Motive und Tätigkeiten für diese Organisation im einzelnen in einem zeitlich und örtlich nachvollziehbaren Zusammenhang darlege und diese Angaben durch seine persönliche Glaubwürdigkeit untermauere. Diesen Grundsätzen habe die Schilderung des Beschwerdeführers nicht Genüge getan. Überdies sei die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung allein noch kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling. Der Beschwerdeführer habe nicht darlegen können, woher und was die staatlichen Behörden über seine behauptete politische Tätigkeit überhaupt wüßten. Es müßten konkret gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden. Auf das weitere Berufungsvorbringen sei gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 nicht weiter einzugehen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der ständigen hg. Judikatur ist die zentrale Entscheidungsgrundlage des Asylverfahrens das Vorbringen des Asylwerbers und obliegt es diesem, alles Zweckdienliche für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen.

Im vorliegenden Fall hat die einzig konkrete Antwort des Beschwerdeführers auf die ausdrücklich gestellten Fragen nach der Struktur und Zielsetzung der Organisation "Maschal", der er seit Mitte 1992 als Sympathisant angehöre, darin bestanden, daß er über diese Organisation nichts wisse. Die Mitglieder, die er aufgrund regelmäßig stattgefundener Sitzungen kennengelernt habe, wolle er wiederum namentlich nicht preisgeben. Im übrigen sei alles so geheim gewesen, daß er eben nichts sagen könne. Selbst nach dem Inhalt der vom Beschwerdeführer (nach seinen Angaben) weitergegebenen Flugzetteln befragt, gab dieser lediglich an, daß diese von "der Rolle des jungen Schahs im In- und Ausland" gehandelt hätten.

Wenn die belangte Behörde aus diesen Angaben die Schlußfolgerung gezogen hat, daß der Beschwerdeführer nicht habe glaubhaft machen können, daß er im Iran einer asylrechtlich relevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen sei, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenn in diesem Zusammenhang die Beschwerde moniert, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht nochmals einvernommen und darauf aufbauend Feststellungen über die Organisation "Maschal" getroffen habe, so bleibt offen, welche Feststellungen aufgrund derartiger Angaben nach Auffassung der Beschwerde zu treffen gewesen wären. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die belangte Behörde habe sich zu Unrecht nicht mit seinem Berufungsvorbringen konkret auseinandergesetzt, läßt dieser Vorwurf konkrete Ausführungen dazu vermissen, in welchen Punkten die belangte Behörde zu Unrecht auf § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 hingewiesen und worin die Relevanz eines derartigen Verfahrensfehlers bestanden hätte. Selbst die Berufungsausführungen konnten im übrigen nicht die Sinnhaftigkeit der behaupteten Geheimhaltung der Weitergabe von Flugzetteln unter den Sitzungsteilnehmern darlegen, wenn sich diese ohnehin alle namentlich kannten.

Unabhängig davon ist zentraler Aspekt des vom § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention übernommenen Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt somit wesentlich darauf an, ob sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation des Asylwerbers aus Konventionsgründen fürchten würde. Verfolgungsgefahr ist somit dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858 u.a.). Der Beschwerdeführer sah sich nach seinen Behauptungen allein deshalb zu seiner Flucht veranlaßt, weil ebenfalls für die "Maschal" tätige Parteifreunde verhaftet worden seien und er die Preisgabe seines Namens durch diese befürchtet habe. Richtig ist, daß eine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung nicht erst dann angenommen werden kann, wenn bereits erhebliche Verfolgungsmaßnahmen gegen einen Asylwerber gesetzt worden sind, sondern daß auch unmittelbar drohende Verfolgungshandlungen die Flüchtlingseigenschaft begründen können. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Wenn aber die belangte Behörde eine wohlbegründete Furcht im vorerwähnten Sinn allein aus dem vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstand, daß er die Preisgabe seines Namens und seiner Tätigkeit für die "Maschal" durch festgenommene Freunde befürchtet habe, nicht abzuleiten vermochte, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden, weil erst durch die tatsächlich erfolgte Preisgabe des Namens des Beschwerdeführers eine ihm unmittelbar drohende Verfolgung vorläge.

Soweit der Beschwerdeführer in einem "ergänzenden Schriftsatz" vom 17. Mai 1995 noch vorbringt, daß ein "Bekannter" des Beschwerdeführers im Frühjahr 1995 bei einem Besuch im Iran erfahren habe, daß der Beschwerdeführer von den dortigen Behörden gesucht werde, und die BH Schärding mit Bescheid vom 10. Februar 1995 gemäß § 54 FrG festgestellt habe, daß stichhaltige Gründe dafür bestünden, daß der Beschwerdeführer im Iran im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder 2 FrG bedroht sei, ist darauf schon auf Grund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bestehenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995200230.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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