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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des Y in G, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. Jänner 1995, Zl. 4.328.848/6-111/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Ghanas, hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 29. Juni 1992 im wesentlichen angegeben: Er sei seit dem Jahr 1988 aktives, eingetragenes Mitglied der illegalen Organisationen CDR und GDM gewesen und hätte regierungsfeindliche Demonstrationen organisiert. Offiziell sei er jedoch als Tischler in einem Regierungsbetrieb tätig gewesen. Am 10. Juli 1991 sei er im Zuge einer Demonstration von Spezialbeamten des Militärs festgenommen worden, weil im Rahmen dieser Demonstration sechs Menschen ums Leben gekommen seien. Er selbst hätte bei den Zusammenstößen Verletzungen erlitten UND SEI IM KRANKENHAUS FESTGENOMMEN WORDEN. Zwei Wochen nach seiner Inhaftierung sei er von einem Militärgericht in Accra WEGEN
MITGLIEDSCHAFT BEI DEN REVOLUTIONÄREN VEREINIGUNGEN CDR UND GDM UND
WEGEN REGIERUNGSFEINDLICHER AKTIVITÄTEN zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Nach zweimonatiger Haft sei er an Malaria erkrankt und in ein staatliches Krankenhaus gebracht worden, von wo dem Beschwerdeführer nach einem zehntägigen Aufenthalt die Flucht gelungen sei. Er sei daraufhin Ende Oktober 1991 über Togo, Nigeria, Bulgarien und das ehemalige Jugoslawien am 10. November 1991 illegal nach Österreich gelangt.
Aufgrund einer gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 22. September 1992, mit welchem festgestellt worden war, der Beschwerdeführer sei nicht Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention, erhobenen Berufung erließ der Bundesminister für Inneres den abweisenden Bescheid vom 19. Jänner 1993, welcher in der Folge durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 10. März 1994, Zl. 94/19/0275, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde. Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde erwogene
Die belangte Behörde hat den Inhalt der erstinstanzlichen Aussage des Beschwerdeführers IN EINER SELEKTIVEN WEISE wiedergegeben, indem sie die EINGANGS HERVORGEHOBENEN PASSAGEN DER
AUSSAGE DES BESCHWERDEFÜHRERS WEGLIEB.
Insoweit die belangte Behörde neuerlich die Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 bejahte, ist sie - zwecks Vermeidung von Wiederholungen - auf den Inhalt des zitierten aufhebenden Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. März 1994 zu verweisen, worin der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, daß das konkrete Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes (1968) hätte zu Ende geführt werden müssen. Dadurch erwuchs dem Beschwerdeführer jedoch kein Nachteil, weil sich die belangte Behörde auch in der Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich mit dem Flüchtlingsbegriff des Artikels 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention auseinandersetzte.
Anders als im aufgehobenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Jänner 1993 spricht der nunmehr angefochtene Bescheid dem Beschwerdeführer hinsichtlich der Zugehörigkeit zu der Partei GDM die Glaubwürdigkeit nicht ab. Die belangte Behörde hält jedoch fest, daß die Mitgliedschaft bei einer politischen Gruppierung oder auch bei mehreren Gruppen allein noch kein Grund für eine Anerkennung als Flüchtling sei. Zu Recht wendet der Beschwerdeführer hiegegen ein, daß ALLEIN die Zugehörigkeit zu einer solchen Gruppierung keinen Grund für die Gewährung von Asyl darstellen kann, als im konkreten Fall die Zugehörigkeit lediglich zur Untermauerung der im wesentlichen auf die Verurteilung durch das Militärgericht gestützten Verfolgung diene.
Zu den Ereignissen im Zuge der Demonstration führt die belangte Behörde aus, daß Polizei oder Militär dann eingriffen, wenn es im Rahmen von Demonstrationen gegen Maßnahmen der Regierung oder aus anderen Anläßen zu handgreiflichen Auseinandersetzungen oder zu sonstigen Ausschreitungen komme. Daraus folge, daß die Maßnahmen des Militärs nicht unbedingt gegen die politische Überzeugung der demonstrierenden Bürger gerichtet seien. Vielmehr schreite die Polizei ohne Ansehung der Person und ihrer politischen Einstellung ein, um Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Zu der diesbezüglich ähnlichen Begründung des aufgehobenen Bescheides der belangten Behörde vom 19. Jänner 1993 hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10. März 1994 wörtlich ausgeführt:
"Mit dem Akteninhalt in Widerspruch steht auch die Erwägung der belangten Behörde, die Verhaftung des Beschwerdeführers sei weniger wegen der regierungsfeindlichen Aktivitäten, sondern eher im Zusammenhang mit dem "Ableben" von sechs Menschen erfolgt, gibt doch der Beschwerdeführer bereits bei seiner Erstbefragung an, daß die gewaltsame Tötung dieser sechs Menschen im Zusammenhang mit einer regierungskritischen Demonstration erfolgt war, als deren Organisator der Beschwerdeführer zumindest im Verdacht stand."
Daß die belangte Behörde entgegen diesen Ausführungen und ohne Durchführung weiterer Ermittlungen und entgegen dem VOLLSTÄNDIGEN Vorbringen des Beschwerdeführers vom 29. Juni 1992, daß er im Gefolge der Demonstration von einem Militärgericht wegen Mitgliedschaft bei revolutionären Vereinigungen und wegen regimefeindlicher Aktivitäten zu lebenslanger Haft verurteilt worden sei, den Vorkommnissen die asylrechtliche Relevanz abspricht, bleibt nach wie vor unschlüssig. Daran ändert auch nichts, daß die belangte Behörde ausführt, "die ... behauptete Verurteilung zu lebenslanger Haft kann zu keiner Anerkennung als Flüchtling führen, da Sie (Anm.: der Beschwerdeführer) für die Untermauerung Ihrer diesbezüglichen Behauptungen keinerlei Beweise beigebracht haben", denn - wie der Beschwerdeführer richtig entgegnet - sind im Asylverfahren anspruchsbegründende Tatsachen nicht zu beweisen, sondern nur glaubhaft zu machen. Sollte die belangte Behörde aber damit gemeint haben, daß die Behauptung des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig sei, hätte sie den angefochtenen Bescheid mit einem Begründungsmangel belastet, weil sie es unterlassen hätte, in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise darzutun, aus welchen Erwägungen sie das Vorliegen der Verurteilung als unglaubwürdig erachtete. Die hiezu von der belangten Behörde gewählte Eventualbegründung, "selbst wenn man vom Vorliegen eines Urteils" ausgehe, könne nicht davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer aus einem der in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 ausgeführten Gründe verurteilt worden sei, bzw. die Strafe deshalb in höherem Ausmaß ausgesprochen worden sei, ist überhaupt unverständlich, hat der Beschwerdeführer doch gerade eine Verurteilung aus politischen Gründen behauptet. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie diesbezüglich den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Da eine Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der von dem Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. W i e n , am 14. Mai 1996
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190049.X00Im RIS seit
20.11.2000