Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des J in T, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Jänner 1995, Zl. 4.345.651/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Jänner 1995 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Liberia, der am 21. November 1994 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. November 1994 den Asylantrag gestellt hat, gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des Bundesasylamtes vom 30. November 1994 abgewiesen.
Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 23. November 1994 im wesentlichen an: Im Jänner 1994 habe ihm ein Kunde in seinem Lokal im Zentrum Monrovias ein Geschäft vorgeschlagen. Der Beschwerdeführer sollte gegen Bezahlung Informationen beschaffen. So sollte er ihm erzählen, was sich im Bereich des Lokals ereigne, was die Gäste miteinander redeten und dergleichen mehr. Der Beschwerdeführer habe solche Informationen auch geliefert, unter anderem auch Informationen über "ECOMOG". Im September sei dieser Mann ermordet worden und der Beschwerdeführer habe von einem Freund erfahren, daß Informanten des Ermordeten gesucht würden, um diese zu verhaften und unter Umständen auch zu töten.
Auf konkrete Fragen anwortete der Beschwerdeführer, daß er selbst nie beim Militär gewesen sei, sich politisch nie engagiert habe, und auch zur Übergangsregierung und zur "ECOMOG" keine Verbindung gehabt habe. Er habe nur das gewußt, was er aus Gesprächen der Gäste habe entnehmen können. Diese Informationen habe er sodann zu Beginn jeden Tag, später zweibis dreimal pro Woche an die erwähnte Person weitergegeben. Dieser Mann sei dann von der Menge gelyncht worden, nachdem bekannt geworen sei, daß er für Charles Taylor Informationen beschafft habe. Behörden seien darin nicht verwickelt gewesen, die Tat sei von der Menge begangen worden. Die Informanten des Gelynchten seien nicht verhaftet worden, sondern es sei ihnen von der Menge aufgelauert worden und man habe sie zusammengeschlagen. Der Beschwerdeführer fürchte sich vor seinen eigenen Landsleuten, für ihn habe es in Liberia kein Entrinnen vor diesen gegeben.
Weitere Angaben betrafen die Fluchtroute und die Durchquerung Sloweniens samt kurzem Aufenthalt in Ljubljana.
Das Bundesasylamt wies den Asylantrag gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers ab, weil die Angaben zum Fluchtgrund sich so unlogisch darstellten, daß ihnen diesbezüglich kein Glaube geschenkt werden könne. Der Beschwerdeführer berufe sich auf die Weitergabe von Informationen, wobei er jedoch über keinerlei spezielle Informationen verfügt habe. Er habe weder zu Regierungsstellen noch zu militärischen Informationen Zugang gehabt. Die von ihm angeblich beschafften Informationen könnten somit nichts anderes als Wiedergabe von Tagesgesprächen gewesen sein. Derartige Informationen hätte jedermann zu jederzeit beschaffen oder weitergeben können und es ergebe keinen Sinn, daß er persönlich aufgrund allgemein bekannter Umstände in die Gefahr einer Verfolgung geraten könnte. Er habe auch selbst angegeben, keinerlei Verfolgung seitens der Behörden Liberias ausgesetzt gewesen zu sein. Er habe sich letztendlich nur auf die Furcht vor seinen Landsleuten, die den angeblichen Übermittler der Informationen ermordet hätten, berufen. Abgesehen davon habe er in keiner plausiblen Weise darzustellen vermocht, weshalb man gerade ihn mit der ermordeten Person in eine für ihn gefährliche Verbindung habe bringen können.
Ganz abgesehen davon könne Asyl nur gewährt werden, wenn die Verfolgung von staatlicher Stelle ausgehe. Der Beschwerdeführer berufe sich jedoch nur auf "die Menge" und somit auf Privatpersonen. Die Verfolgung müsse entweder von staatlichen Stellen des Heimatlandes des Asylwerbers ausgehen oder der betreffende Staat müsse nicht in der Lage oder nicht gewillt sein, die von anderen Stellen ausgehenden Verfolgungen hintanzuhalten. Weiters müsse die Verfolgung (bzw. die Furcht davor) an sich im gesamten Gebiet des Heimatstaates des Asylwerbers bestanden haben. Dem Beschwerdeführer sei es im Falle einer Bedrohung durch Privatpersonen in Liberia trotz der Bürgerkriegsprobleme möglich gewesen, den Schutz des Militärs bzw. der Truppen der ECOMOG in Anspruch zu nehmen oder sich allenfalls in einen anderen Teil Liberias zu begeben.
Des weiteren stützte sich das Bundesasylamt auch darauf, daß der Beschwerdeführer anläßlich seiner Durchreise durch Slowenien im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe.
Die dagegen erhobene Berufung lautet:
"Gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 30.11.1994
Zahl: 94 04.571-BAG, erhebe ich innerhalb offener Frist
BERUFUNG
und begründe dies wie folgt:
Entgegen der Ansicht der bescheiderlassenden Behörde erfülle ich die Voraussetzungen für die Asylgewährung, da mir in meinem Heimatland Verfolgung gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Ich habe aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung mein Heimatland verlassen und halte meine anläßlich der Ersteinvernahme gemachten Aussagen vollinhaltlich aufrecht. Da somit die Voraussetzungen für die Rechtsstellung als Flüchtling vorliegen, ..."
Die belangte Behörde übernahm im darauf erlassenen angefochtenen Bescheid die vom Bundesasylamt dessen Entscheidung zugrundegelegte Wiedergabe der Angaben des Beschwerdeführers, die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte "Beurteilung der Rechtskraft" (richtig: rechtliche Beurteilung).
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde erwogen:
Wie auch der Beschwerdeführer richtig erkennt, ist die Übernahme des Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde dann zulässig, wenn in der Berufung keine Verfahrensmängel releviert wurden. Aus der Berufung sind keine diesbezüglichen Rügen erkennbar, die diesbezügliche Behauptung des Beschwerdeführers ist aktenwidrig.
Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung des Beschwerdeführers, daß die belangte Behörde es verabsäumt habe, die im Akt befindlichen Widersprüche dem Beschwerdeführer zur Kenntnis zu bringen, hat doch das Bundesasylamt begründet, warum es die Ausführungen des Beschwerdeführers als unlogisch ansieht, jedoch keine Widersprüche aufgezeigt. Zudem hat der Beschwerdeführer in der Berufung hiegegen nichts eingewendet, sondern bloß darauf verwiesen, daß er seine Angaben vollinhaltlich aufrecht halte.
Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 dann eine Ermittlungspflicht der Behörde begründet, wenn im Vorbringen eines Asylwerbers hinreichend deutliche Hinweise auf einen Sachverhalt enthalten sind, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112). Im Beschwerdefall ist aus den Angaben des Beschwerdeführers selbst bei deren vollen Glaubwürdigkeit eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht ableitbar. Denn eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht im engsten Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht. Zurechnungssubjekt der Verfolgungsgefahr ist der Heimatstaat. Im gegenständlichen Fall fürchtete sich der Beschwerdeführer vor einer nicht näher definierten Volksmenge, welche Informanten zusammenschlage. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, aus welchen Gründen die "Menge" überhaupt von seiner Informationstätigkeit gewußt haben könnte, mangelt es jedenfalls an der Zurechnung der Verfolgungsgefahr zum Heimatstaat des Beschwerdeführers. Denn die Verfolgung geht weder von staatlichen Stellen aus, noch hat der Beschwerdeführer behauptet, daß die befürchteten Übergriffe von staatlichen Stellen seines Heimatlandes geduldet worden wären (vgl. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1057). Ebensowenig hat er vorgebracht, daß er bei den staatlichen Behörden vergeblich Schutz gesucht hätte. Damit enthielt aber sein erstinstanzliches Vorbringen keinen hinreichend deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt. Ebensowenig ist aus § 13a AVG eine Verpflichtung der Behörden abzuleiten, einen Asylwerber, der keine Angaben macht, denen ein Hinweis auf eine asylrechtlich relevante Verfolgung zu entnehmen ist, anzuleiten, wie er seine Angaben konkret gestalten sollte (vgl. zB das hg. Erkenntnis vom 25. April 1995, Zl. 95/20/0112).
Damit ist aber die Entscheidung des Bundesasylamtes im Ergebnis zu Recht ergangen, die belangte Behörde durfte mangels Vorliegens eines dagegenstehenden Verfahrensmangels auch zu Recht den Inhalt des erstinstanzlichen Bescheides übernehmen. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995190051.X00Im RIS seit
20.11.2000