TE Vfgh Erkenntnis 1994/6/14 B1446/93

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Veröffentlicht am 14.06.1994
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1983 §1 Abs1 Z1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbs infolge Unterlassung entsprechender Ermittlungen hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks im Sinne des Tir GVG 1983

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 16.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beiden Beschwerdeführer erwarben mit Kaufvertrag vom 4. August 1992 je zur Hälfte ein Grundstück im Ausmaß von

1.399 m2 in Igls.

Diesem Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde Innsbruck gemäß §6 Abs1 litc, dritter Tatbestand, des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), ihre Zustimmung.

2. Die dagegen fristgerecht erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 17. Juni 1993 abgewiesen. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, "daß es sich hinsichtlich des Großteiles der als Freiland gewidmeten Grundfläche ... um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des §1 Abs1 Z1 GVG 1983 handelt, wird dieses doch durch den Erstberufungswerber auf eine für einen Land- oder Forstwirt signifikante Art wirtschaftlich (Mähnutzung) genutzt". Das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die "leicht geneigte Wiesenfläche" nordseitig an ein "Green" des Golfplatzes in Igls anschließe und bereits im Jahre 1992 vom Erstbeschwerdeführer gemeinsam mit dem angrenzenden Golfplatz gemäht worden sei. Sie liege außerdem oberhalb der Talstation der Patscherkofelbahn, unmittelbar vor dem Fremdenverkehrsbetrieb der Beschwerdeführer und werde zu einem Teil als Schitrasse, zu einem anderen Teil als Schotterparkplatz verwendet. Nach den eigenen Angaben der Beschwerdeführer solle das Grundstück der Errichtung einer Einfahrt und der Erweiterung des Parkplatzes des angrenzenden Fremdenverkehrsbetriebes dienen, sodaß "unbestreitbar ein größtenteils landwirtschaftlich gewidmetes Grundstück seiner landwirtschaftlichen Zweckbestimmung" iSd. §6 Abs1 litc GVG 1983 entzogen werde.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

Dazu wird im wesentlichen ausgeführt, daß die belangte Behörde die Qualifikation des teilweise als "Freiland" gewidmeten Grundstückes "nur auf den Umstand des 'Mähens' durch den Erstbeschwerdeführer" stütze. Dieses Mähen sei jedoch "keinesfalls in Form einer landwirtschaftlichen Nutzung durch Sensen oder Zwei- oder Dreijahresschnitt" erfolgt; eine solche Nutzung sei schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben und unmöglich, diene doch ein Teil des Grundstückes als Schiabfahrt und Parkplatz.

4. Die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).

2. Dies ist hier der Fall:

Die belangte Behörde stützt ihre Aussage, es handle sich hier um ein land- und forstwirtschaftliches Grundstück iSd. §1 Abs1 GVG 1983, allein darauf, daß es der Erstbeschwerdeführer "bereits im Jahre 1992" gemeinsam mit dem angrenzenden Golfplatz gemäht und damit in einer für einen Land- und Forstwirt signifikanten Art wirtschaftlich genutzt habe.

Die bloße Feststellung, daß der Erstbeschwerdeführer die Liegenschaft im Jahre 1992 zusammen mit einem angrenzenden Golfplatz gemäht habe, vermag jedoch nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes die Annahme der belangten Behörde nicht zu tragen, diese Liegenschaft sei in einer für Land- oder Forstwirte signifikanten Art wirtschaftlich genutzt worden. Die belangte Behörde unterließ vielmehr entsprechende Ermittlungen im entscheidenden Punkt, warum allein darin eine landwirtschaftliche Nutzung zu erblicken ist, obwohl das Grundstück vorher lange Zeit unbestritten nicht solcherart genutzt worden war.

3. Die Beschwerdeführer wurden deshalb im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

III. 1. Die Kostenentscheidung

stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag sind S 2.750,-- an Umsatzsteuer enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:B1446.1993

Dokumentnummer

JFT_10059386_93B01446_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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