TE Lvwg Erkenntnis 2022/5/13 LVwG-AV-416/001-2021

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Veröffentlicht am 13.05.2022
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Entscheidungsdatum

13.05.2022

Norm

AWG 2002 §6 Abs4 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Warum als Einzelrichter über die Beschwerde der A GmbH, in ***, ***, vertreten durch B Rechtsanwälte GmbH, in ***, ***, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie vom 13.01.2021, Zl. ***, betreffend Abänderung eines Feststellungsbescheides nach § 6 Abs. 4 Z 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Spruch des Bescheides der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 24.11.2020, ***, wiederhergestellt wird.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

1.1. Die Beschwerdeführerin betreibt einen Entsorgungs- und Transportbetrieb und übernimmt im Rahmen dieses Betriebes von der Fa. C GmbH in Österreich Abfälle

zur Sammlung, welche sie anschließend an einen befugten Sammler, D GmbH, übergibt.

1.2. Mit Schriftsatz vom 14.10.2019 brachte die Beschwerdeführerin bei der Landeshauptfrau von Niederösterreich (im Folgenden: LH von NÖ) einen Antrag auf Feststellung der Abfallart dahingehend ein, dass die LH von NÖ gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) feststellen möge, dass der „im Zuge des Stahlherstellungsprozesses anfallende und anschließend der Beschwerdeführerin übergebende Hüttenschutt der [Schlüsselnummer] 31220 zuzuordnen“ sei.

1.3. Mit Bescheid vom 24.11.2020, ***, stellte die LH von NÖ unter Anwendung von § 6 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 fest, dass die übernommenen Abfälle der Schlüsselnummer (SN) 31220 „Konverterschlacke“ zuzuordnen seien. Der Spruch dieses Bescheides lautet auszugsweise wie folgt (Hervorhebungen im Original):

Teil A

Feststellung der Abfallart von Stahlwerksschlacke (Hüttenschutt) aus der Stahlherstellung der C GmbH

Aufgrund des Antrages der A GmbH, vertreten durch die B Rechtsanwälte GmbH, ***, vom 14. Oktober 2020 wird festgestellt, dass die seitens der A GmbH von der C GmbH übernommenen Abfälle mit der Bezeichnung „Hüttenschutt“ (ca. 80 % Kellerschlacke, 11 % Verteilerschlacke und 9 % LD-Schlacke) der Abfallart mit der Schlüsselnummer 31220 (der ÖNORM S 2100 bzw. der Abfallverzeichnisverordnung) der Bezeichnung „Konverterschlacke“ zuzuordnen sind.

Beschreibung des Behandlungsverfahrens

Bedingt durch den Stahlherstellungsprozess (LD-Verfahren) fällt während der Herstellung durch die anschließenden Abstiche und des Ausgießens der Schlacke auch im Bereich des Stahlwerkes mineralisches Material an, welches aus diesem direkt entfernt wird.

Dieser sogenannte Hüttenschutt besteht daher überwiegend aus Stahlwerksschlacke, die nicht kontrolliert aus dem Prozess abgezogen wird, sondern während des Stahlherstellungsprozesses z.B. aus den Konvertern, Rinnen oder Verteilern vor Ort anfällt, abkühlt und prozessbedingt teilweise mit Feuerfestmaterialien und Stahl vermengt ist.

Das gegenständliche Material fällt an drei Stellen an und wird, historisch bedingt, seitens der C GmbH der Schlüsselnummer 31111 zugeordnet und unter dieser Schlüsselnummer im eigenen Wertstoffzentrum aufbereitet und gelagert, wobei der enthaltene Stahl durch einen vorgelagerten Aufbereitungsschritt weitgehend entfernt wird.

Die zusammengefassten Stoffströme Kellerschlacke, Verteilerschlacke und Hüttenschutt aus Produktionsrückständen werden über die Eisenrückgewinnungsanlage (ERGA) durch Magnetscheidung (zur Rückgewinnung von Rohstahl) sowie durch Brechen und Klassieren zu einem eisenarmen Material mit definiertem Größtkorn aufbereitet.

Die gegenständliche Abfallart fällt an drei separaten Stellen an: Kellerschlacke, bestehend im Wesentlichen aus dem Überlauf von flüssiger LD-Schlacke über den LD-Konverter während des LD-Prozesses (Tiegelauswurf), Verteilerschlacke, die im Zwischengefäß zwischen Stahlgießpfanne und Gusskokille (Verteiler) bei der Stranggussanlage anfällt, und Hüttenschutt aus Produktionsrückständen, die bei den Produktionsbetrieben Brammenlager, Hochofen und Gießerei anfallen.

Beschreibung der Zusammensetzung der Abfälle

Die Zusammensetzung der gegenständlichen Abfallart ergibt sich aus Konverterschlacke, die nach der Aufbereitung aus ca. 80% Kellerschlacke/Tiegelschlacke/nicht kontrolliert anfallender LD-Schlacke, die separat gesammelt und aufbereitet wurde. Dazu kommen noch etwa 9% LD-Schlacke aus dem Brammenlager. Der Anteil an Konverterschlacke in der gegenständlichen Abfallart liegt somit bei bis zu 89%. Zusätzlich sind zu ca. 11% Verteilerschlacke enthalten.

Sonstige verunreinigte Böden, Bodenaushubmaterial sowie ausgehobenes Schüttmaterial, Industriekehricht und Bauschutt konnten nicht als Beimengung festgestellt werden. Ofenausbruch aus dem metallurgischen Prozess war lediglich in geringen Anteilen vorhanden.

Bei der gegenständlichen Abfallart handelt es sich nicht um ein undefiniertes Materialgemisch (Hüttenschutt), sondern um LD-Schlacken mit nur geringen Anteilen an anhaftendem Feuerfestmaterial. Dies wird durch die Tatsache untermauert, dass die chemischen Analysen nur geringe Schwankungen, innerhalb der üblichen Schwankungsbreite, aufweisen, was auf eine kontinuierliche Qualität der gegenständlichen Abfallart hinweist.

Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass der gegenständliche, aus der Aufbereitung stammende, Abfall der Abfallart Konverterschlacke, mit der Schlüsselnummer 31220 gemäß ÖNORM S 2100 i.V.m. Abfallverzeichnisverordnung i.d.g.F. zuzuordnen ist.

[…]“

1.4. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 13.1.2021 änderte die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (im Folgenden: Belangte Behörde) von Amts wegen den Bescheid der LH von NÖ unter Anwendung von § 6 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 wie folgt ab (Hervorhebung im Original):

Teil A

Feststellung der Abfallart von Stahlwerksschlacke (Hüttenschutt) aus der Stahlherstellung der C GmbH

Aufgrund des Antrages der A GmbH, vertreten durch die B Rechtsanwälte GmbH, ***, vom 14. Oktober 2020 wird festgestellt, dass die von der C GmbH übernommenen Abfälle mit der Bezeichnung „Hüttenschutt“ (ca. 80 % Kellerschlacke, 11 % Verteilerschlacke und 9 % LD-Schlacke) gemäß Abfallverzeichnisverordnung 2020, BGBl. II 2020/409, der Schlüsselnummer 31111 „Hütten- und Gießereischutt“ der ÖNORM S 2100 zuzuordnen sind.

…“

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass Gegenstand des Verfahrens das in der Eisenrückgewinnungsanlage (ERGA) der C GmbH am Hüttenstandort *** nach Magnetscheidung, Brechen und Klassieren anfallende Material sei, das von der C GmbH mit der SN 31111 „Hütten- und Gießereischutt“ an die Beschwerdeführerin übergeben und von dieser auf die SN 31220 „Konverterschlacke“ umgeschlüsselt worden sei. Unbestritten handle es sich bei dem gegenständlichen Material um Schlacken aus der Eisen- und Stahlerzeugung. Das gegenständliche Material würde sich aus ca. 80 % Kellerschlacke, ca. 11 % Verteilerschlacke und ca. 9 % Hüttenschutt aus Produktionsrückständen, der überwiegend aus LD-Schlacke vom Brammenlager und von den Materialbetten bei der Stranggussanlage bestehe, zusammensetzen. Somit bilde Kellerasche den Hauptbestandteil des Materials. Der Prozess des Frischens sei zum Zeitpunkt des Entstehens vom Kellerasche (Auswurf aus dem Tiegel) noch nicht abgeschlossen, wodurch sich diese Schlackenart in entscheidender Weise von Konverterschlacke unterscheide. Sie weise nämlich zum einen auf Grund des unterschiedlichen Eisengehalts eine bedeutend geringere Dichte als diese auf und enthalte zum anderen noch deutliche Mengen an Zink (2.000 bis 4.000 ppm), während Konverterschlacke nahezu zinkfrei sei, weil Zink im Zuge des Frischens ausgetragen werde.

Im vorgelegten Gutachten von E werde dieser Umstand nicht ausreichend berücksichtigt, erfolge dort überwiegend eine prozessbezogene, aber keine produktbezogene, die Unterschiede in den Eigenschaften berücksichtigende, Zuordnung zu einer Abfallart. F wiederum lege in seinem Gutachten nachvollziehbar dar, dass Konverterschlacke aus einem einzigen, gesteuerte und wohldefinierten Prozess (Frischen des Roheisens im Konverter) stamme und sowohl der Herkunft nach, als auch der Zusammensetzung nach als einheitlicher Abfallstrom anzusehen sei, während es sich bei dem gegenständlichen Material im Gegensatz zu kontrolliert anfallender LD-Schlacke nach dem Frischeprozess um einen gemischten Abfallstrom von drei verschiedenen Anfallsorten handeln würde.

Das österreichische Abfallverzeichnis verfolge im Gegensatz zum Europäischen Abfallverzeichnis keinen herkunfts-, sondern einen stofforientierten Ansatz, weshalb in den Zuordnungskriterien sämtliche stoffliche Eigenschaften des Abfalls bei der Zuordnung zu jener Schlüsselnummer, die den Abfall bestmöglich beschreibe, zu berücksichtigen seien. Insbesondere der hohe Zinkgehalt der Kellerasche rechtfertige stoffbezogen keine Zuordnung zu der in einem gezielt gesteuerten Prozess erzeugten und nahezu zinkfreien Konverterschlacke. Auf Grund des Zinkgehalts der den Hauptbestandteil bildenden Kellerschlacke sei nur eine Deponierung auf einer Reststoffdeponie zulässig. Bei Gleichsetzung des Materials mit Konverterschlacke sei hingegen eine Verwendung zur Herstellung von Recyclingbaustoff möglich.

Zusammenfassend ergebe sich, dass das gegenständliche Material, welches von allen Gutachtern im Verfahren als nicht kontrolliert anfallend beurteilt und vom Erzeuger als Hüttenschutt bezeichnet würde, gemäß den schlüssigen Ausführungen im Gutachten von F sowie in der technischen Stellungnahme des Amtssachverständigen der belangten Behörde stoffbezogen im Sinne der Zuordnungsgrundsätze der Abfallverzeichnisverordnung am besten durch die SN 31111 „Hütten- und Gießereischutt“ beschrieben werde. Diesen Schlussfolgerungen sei die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Dadurch, dass die LH von NÖ das Material der SN 31220 „Konverterschlacke“ zugeordnet habe und nicht der SN 31111 „Hütten- und Gießereischutt“ sei der Bescheid rechtswidrig, weshalb er spruchgemäß habe abgeändert werden müssen.

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

Die Beschwerdeführerin erhob mit Schriftsatz vom 9.2.2021 dagegen Beschwerde und verwies darin zunächst auf die vorliegenden Gutachten von G vom 18.1.2018, H vom 5.11.2018, I vom 29.8.2019, J vom 9.10.2019, E vom 23.3.2020, G vom 28.3.2020 sowie K vom 16.11.2020, welche sich zusammengefasst für die Zuordnung des Materials zur SN 31220 Konverterschlacke aussprächen.

Weiters wird im Wesentlichen vorgebracht, dass der Zinkanteil des gegenständlichen Abfallmaterials gering sei und es nicht ausreiche, wenn dem Material ein „zumindest rechnerisch“ hoher Zinkanteil attestiert werde, wie dies der ASV der belangten Behörde ausführe. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich außerdem, dass der Eluatgrenzwert für Zink „unkritisch“ bzw. nicht „grenzwert-relevant“ sei. Zink sei außerdem nicht als Parameter für die Charakterisierung von Konverter- bzw. LD-Schlacke aufgenommen worden. Das wesentliche Unterscheidungskriterium zwischen den SN 31220 und 31111 sei die unterschiedliche stoffliche Zusammensetzung der durch sie repräsentierten Abfälle. Würden sich die beiden Schlüsselnummern nicht voneinander unterscheiden, wäre eine Differenzierung obsolet. Ein unterschiedlicher Zinkgehalt könne deshalb nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass das gegenständliche Material nicht der SN 31220 zuzuordnen sei. Der Zinkgehalt sei daher nicht relevant.

Durch die Aussage des ASV der belangten Behörde, der Zinkgehalt sei „zumindest rechnerisch einstufungsrelevant“ ergebe sich weiters lediglich eine herkunftsbezogene und keine stoffbezogene Zuordnung.

Das gegenständliche Material weise außerdem eine bautechnische Eignung auf und könne, wie es für Konverterschlacke der Fall sei, im Straßenbau eingesetzt werden, was bei konventionellem Hüttenschutt im eigentlichen Sinn nicht möglich sei. Diesem Umstand werde im angefochtenen Bescheid nicht Rechnung getragen. Ein Verweis auf den Anwendungsbereich der Recycling-Baustoffverordnung alleine sei keine Begründung, warum sich das Material nicht unter die SN 31220 subsummieren lassen sollte. Das Material weise jene Eignung auf, die für den Einsatz von Konverterschlacke im Straßenbau vorausgesetzt werde. Das gegenständliche Abfallmaterial sei deshalb der SN 31220 „Konverterschlacke“ zuzuordnen.

Fernen wird von der Beschwerdeführerin vorgebracht, der angefochtene Bescheid weise formale Mängel dahingehend auf, dass ihm keine Feststellungen entnommen werden könnten, wiedergegeben werde lediglich die technische Stellungnahme des ASV der belangten Behörde. Außerdem begnüge sich die belangte Behörde damit, die Schlüssigkeit der Gutachten von H und I bloß deswegen in Abrede zu stellen, weil diese dem Gutachten von G Schlüssigkeit attestieren würden, dem die belangte Behörde die Schlüssigkeit jedoch abspreche. Auf das Gutachten von J werde nicht eingegangen. Dem angefochtenen Bescheid könnten somit keine Erwägungsgründe entnommen werden, weshalb die von der Beschwerdeführerin angebotenen Gutachten unschlüssig seien sollten. Dadurch, dass sie es verabsäumt hätte, die Beweismittel entsprechend zu würdigen, sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig.

Schließlich würden jene Gutachten überwiegen, welche sich für eine Zuordnung zur SN 31220 Konverterschlacke aussprächen, und zwar im Verhältnis sechs zu zwei. Im Ergebnis wäre das Material der SN 31220 und nicht der SN 31111 zuzuordnen, weshalb der Bescheid rechtswidrig sei.

3.   Feststellungen:

3.1. Die Beschwerdeführerin Fa. A GmbH betreibt einen Entsorgungs- und Transportbetrieb. Sie übernimmt von der Fa. C GmbH in Österreich Abfälle zur Sammlung und übergibt diese an einen befugten Sammler, die Fa. D GmbH. Wiewohl die Beschwerdeführerin über die Abfälle verfügungsberechtigt ist, handelt es sich dabei um ein Streckengeschäft, die Abfälle werden von der Beschwerdeführerin nicht physisch übernommen, sondern direkt durch die D GmbH von der C GmbH abtransportiert. Die D GmbH übergibt der Beschwerdeführerin die Wiegescheine zur Verbuchung in der Abfallbilanz und Fakturierung.

Die verfahrensgegenständlichen Abfälle fallen am Produktionsstandort der C GmbH in *** an und wurden in der Vergangenheit auf der betriebseigenen Deponie der C GmbH zur Ablagerung gebracht, wobei die SN 31111 zugeordnet wurde. Die von der Beschwerdeführerin in Folge übernommenen Abfälle wurden von dieser auf die SN 31220 umgeschlüsselt. Es handelt sich nicht um Abfälle, die bereits von der C GmbH mit der SN 31220 versehen werden. Von 2018 bis 2019 (zu diesem Zeitpunkt wurden die Abholungen des Abfalls von der Beschwerdeführerin bis auf weiteres eingestellt), hat diese etwa 30.000t an verfahrensgegenständlichem Abfall von der C GmbH abgeholt.

3.2.1. Beschreibung des Herstellungsverfahrens, im Zuge dessen der verfahrensgegenständliche Abfall anfällt:

Als Ausgangspunkt für die Betrachtung der Herkunft der gegenständlichen Materialien wird der Beginn des Linz-Donawitz-Verfahrens (LD-Verfahrens) festgelegt. Um den Kohlenstoffgehalt sowie den Gehalt anderer Begleitelemente im Roheisen zu verringern bzw. zu entfernen, wird dieses in einem Tiegel (Konverter) vorgelegt und während der Blasphase (Frischen) wird durch eine wassergekühlte Lanze Sauerstoff auf die Schmelze geblasen. Zur Verringerung der unerwünschten Begleitstoffe (z.B. Schwefel, Phosphor, Stickstoff, Zink, Blei) wird ein Schlackenbildner (gebrannter Kalk, Kalkstein oder Dolomit) u.a. durch die Lanze zugesetzt. Für die Prozesseffizienz ist jedenfalls eine gute Durchmischung erforderlich. Während des Frischens wird der Kohlenstoffgehalt durch die Reaktion mit Sauerstoff zu Kohlenmonoxid (bzw. Mindermengen an Kohlendioxid) verringert und entweicht als Konvertergas. Die Begleitelemente bzw. Begleitstoffe, welche mit Kalk reagieren können, bilden die Schlackenphase und werden in der Schlacke gebunden bzw. werden durch den Sauerstoff oxidiert und verlassen als Staubpartikel den Konverter mit dem Abgas. Die Verschlackung ist ein anhand von Modellen kontrollierter Prozess, sodass produktspezifische Gehalte eingestellt werden können. Die Temperatur der Schmelze(n) steigt von rund 1350 °C auf bis zu 1750 °C. Zur Regulierung der Temperatur wird Eisenschrott (Kühlschrott) zugesetzt.

Die Dauer des Frischens ist abhängig vom einzustellenden Kohlenstoffgehalt sowie der Verringerung des Gehaltes der unerwünschten Begleitstoffe und beträgt bis zu rund 20 Minuten. Zum Abstich des nunmehr vorliegenden flüssigen Rohstahls kann der Konverter gekippt werden oder der Abstich erfolgt über ein Abstichloch. Die nach dem Frischen vorliegende Schlacke wird separat gesammelt (Schlackebeete) und bildet die eigentliche LD- oder Konverterschlacke, welche in der Zusammensetzung durch den jeweiligen Produktionsprozess definiert ist und je nach Dauer der Erkaltung unterschiedliche Morphologie aufweisen kann. Bei der C GmbH werden Teilmengen der Konverterschlacke auch als Unterlegematerial am Brammenabkühlplatz verwendet.

Zusätzlich zur Schlacke nach dem Prozessschritt des Frischens fällt aufgrund der turbulenten Durchmischung der flüssigen Phasen auch während des Frischens sog. Kellerschlacke an, die im Wesentlichen aus der austretenden Schlacke (Tiegelauswurf) und Zuschlagstoffen (z.B. Teilen von Schrott, Kalk) bestehen kann. Diese Kellerschlacke wird separat gesammelt und im werksinternen Wertstoffzentrum durch Brechen, Magnetscheidung (Abtrennung der Stahlanteile) und Klassieren zur weiteren Verwertung aufbereitet.

Im Zuge der, an dem LD-Verfahren anschließenden, sekundären Stahlverarbeitung (z.B. Strangguss) fallen ebenfalls an unterschiedlichen Stellen Schlacken an, die gleichermaßen separat gesammelt und zur vorgesehenen Verwertung behandelt werden.

In der Eisenrückgewinnungsanlage (ERGA) der C GmbH werden die verfahrensgegenständlichen Materialien sowie aus anderen Prozessen stammende Materialien behandelt, wobei die jeweiligen Stoffströme separat vor der Aufbereitung zwischengelagert werden. Durch Magnetscheidung (Abtrennung der eisen-/stahlhaltigen und wieder den Gewinnungsprozess rückführbaren Anteile), Brechen und Klassieren wird ein im Wesentlichen eisenfreies Restmaterial mit definiertem Größtkorn hergestellt und jeweils am Sammelplatz als Haufwerke zwischengelagert.

3.2.2. Zusammensetzung des verfahrensgegenständlichen Abfalls (nach Aufbereitung in der werksinternen ERGA):

?    Kellerschlacke zu ca. 80 M%: Bestehend aus dem Überlauf von flüssiger Schlacke aus dem laufenden LD-Prozess (Tiegelauswurf), Zuschlagstoffen, Schrott und dem Stahlkranz von geputzten Pfannen.

?    Verteilerschlacke zu ca. 11 M%: Fällt im Zwischengefäß bei der Stranggussanlage an. Die Verteilerwanne wird mit Verschleißfutter und MgO-Spritzmasse ausgekleidet, es entsteht eine SiO2-reiche Schlacke, die mit Reststahl und Feuerfestmaterial (FF-Material) vermengt ist und im Bereich der Verteilerkippe ausgebrochen wird.

?    Hüttenschutt aus Produktionsrückständen zu ca. 9 M%: Fällt bei den Produktionsbetrieben Brammenlager (Konverterschlacke als Untergrund des Brammenlagers), Hochofen (Roheisen/Schlacke/FF-Material das bei Servicearbeiten an Pfannen und Rinnen anfällt) und Gießerei (Konverterschlacke die bei der Erneuerung der Materialbetten für Gussstücke anfällt) an.

Die chemischen Untersuchungen zeigen in ausgewählten Leitparametern folgende Metallgesamtgehalte:

Parameter/Gesamtgehalt

„Hüttenschutt“

„Hütten- und Gießereischutt“ Q4/2018

„Hütten- und Gießereischutt“ Q1/2019

UBA Proben

Einheit

[mg/kg]

[mg/kg]

[mg/kg]

[mg/kg]

Chrom gesamt

1200

1201

1121

763

Vanadium

500

522

240

233

Barium

70

73

86

Nicht angeführt

Zink

-

4563

3487

2310

Nickel

-

36

40

205

Kupfer

-

39

16

78

Molybdän

-

25

15

25

3.2.4. Stofflichen Eigenschaften des Abfalls:

Die Gesamtgehalte von „Hüttenschutt ERGA“ (gegenständliche Abfallart nach der Aufbereitung) und LD-Schlacke sind, sowohl für die analysierten Kationen- und Anionenkonzentrationen als auch für die organischen Verbindungen, innerhalb der üblichen Schwankungsbreiten weitgehend vergleichbar. Ausnahmen stellen die Konzentrationen an Chrom, Vanadium und Molybdän dar, die unter jenen von LD-Schlacke liegen bzw. die Konzentrationen für Kupfer, Nickel und Zink, welche jene von LD-Schlacke übersteigen. Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung sind einerseits auf den unterschiedlichen Entstehungszeitpunkt der LD-Schlacke im Konverterprozess und andererseits auf die teilweise unterschiedliche chemische Zusammensetzung von LD-Schlacke und Verteilerschlacke zurückzuführen. Ein Fremdeintrag von z.B. LD-Staub kann durch die separate Sammlung aller Reststoffe, sowohl im Stahlwerk als auch im Wertstoffzentrum, ausgeschlossen werden.

Kellerschlacke, die den Hauptanteil der gegenständlichen Abfallart ausmacht, fällt während des Frischens im LD-Konverter als Tiegelauswurf an. Im Gegensatz zu kontrolliert anfallender LD-Schlacke nach dem Frischeprozess, ist der Frischeprozess bei Kellerschlacke noch nicht vollständig abgeschlossen und die chemische Zusammensetzung der Stahl- und Schlackenschmelze noch nicht endgültig eingestellt. Die Abkühlungsgeschwindigkeit ist für das Vorliegen einer glasartigen oder kristallinen Schlacke verantwortlich, damit variieren physikalische Eigenschaften.

Verteilerschlacke fällt im Verteiler vor der Stranggussanlage an, die Konzentration an Spurenelementen hängt u.a. von der erzeugten Stahlqualität ab. Ähnliches gilt auch für die analysierten Eluatkonzentrationen, auch hier liegen Großteils vergleichbare Konzentrationen zwischen dem analysierten „Hüttenschutt ERGA“ und LD-Schlacke vor, wobei auch hier auf Grund der bereits beschriebenen Unterschiede Abweichungen auftreten. Die beiden Stoffströme unterliegen in sich nur geringen Schwankungen. Die Stoffströme fallen bei definierten Prozessschritten separat an und werden in weiterer Folge separat gesammelt und auch aufbereitet.

Eine entsprechende Verwertbarkeit des verfahrensgegenständlichen Materials im Straßenbau kann – im Rahmen der Verwertungsvorgaben im Zusammenhang mit der Recycling-Baustoffverordnung – abgeleitet werden.

3.2.5. Zu gefahrenrelevanten Eigenschaften des Abfalls ist festzustellen, dass anhand der vorliegenden Untersuchungsergebnisse der Gesamtgehalt an Zink auffällig ist, welcher in Verbindung mit der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP 14 (ökotoxisch) als Zinkoxid (H410) zu prüfen ist. Unter Berücksichtigung der Berechnungsregeln für HP14 wäre diese erfüllt, im Rahmen der Untersuchungen unterschiedlicher Schlacken wurde dieses Kriterium praktisch jedoch nicht erfüllt. Ergebnisse aus einem Test zur Beurteilung der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP14 liegen nicht vor.

3.3.1. Charakterisierung der SN 31111 „Hütten- und Gießereischutt“ aus chemisch-technischer Sicht:

Die Abfallart kann aus chemisch-technischer Sicht praktisch nicht eindeutig charakterisiert werden, da einerseits in den bisher vorhandenen Regelwerken keine spezifische Angabe von physikalischen und/oder chemischen Merkmalen vorhanden ist und die Abfallart im Wesentlichen aus einer Vermengung unterschiedlicher hüttenspezifischer Materialien bestehen kann, sodass die jeweiligen physikalischen und/oder chemischen Merkmale stark variieren können. Im Rahmen der Vorgaben für Annahmekriterien von Abfällen auf Deponien gemäß Anhang 1 Deponieverordnung 2008 idgF. sind Grenzwerte jedoch für die jeweiligen Deponieunterklassen festgesetzt.

3.3.2. Charakterisierung der SN 31220 „Konverterschlacke“ aus chemisch-technischer Sicht:

Mit „Konverterschlacke“ der SN 31220 werden zusammengefasst anhand des stofflichen Bezuges des Abfallverzeichnisses primär solche Materialien in einer engen Systemgrenze angesprochen, die am Ende des LD-Verfahrens bei der C GmbH kontrolliert in Schlackebeeten gesammelt und konditioniert werden. Aufgrund der angewandten Prozesssteuerung und der nachfolgenden Konditionierung besitzen diese Materialien eine chemische und physikalische Charakteristik, welche einer bestimmten Schwankungsbreite unterliegt.

3.4. Mit der Charakterisierung der Abfallart mit der SN 31111 (Hütten- und Gießereischutt) liegt im Wesentlichen ein Abfall vor, der zusammengefasst in seinen grundlegenden Eigenschaften nicht spezifisch definiert werden kann bzw. in Rahmenregelwerken definiert ist und im Wesentlichen sehr variabel auftritt.

Im Unterschied dazu entstammt der gegenständliche Abfall aus konkreten Prozessschritten aus der Herstellung von Stahl, dem sog. LD-Verfahren sowie untergeordnet aus den nachfolgenden sekundären Produktionsschritten und kann über seine physikalischen und chemischen Eigenschaften in bestimmten Schwankungsbreiten charakterisiert werden, wiewohl diese Eigenschaften in den Leitparametern der Konverterschlacke am Ende des Frischens abweichen.

3.5. Aus fachlicher Sicht sind, unter Voraussetzung der Nichtgefährlichkeit, die gegenständlichen Abfälle aus der Herstellung von Stahl im Wege des LD-Verfahrens auf Grund der dargelegten Eigenschaften und der angesetzten Prozesssystemgrenze der Abfallart SN 31220 „Konverterschlacke“ zuzuordnen.

4.   Beweiswürdigung:

4.1. Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die Verwaltungsakte der belangten Behörde, ***, *** und *** (mit Bezug auf *** und ***). Weiters wurde am 19.10.2021 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, bei der Vertreter der belangten Behörde sowie der Beschwerdeführerin anwesend waren und G, H, I und E als Zeugen einvernommen wurden. In der Verhandlung anwesend war außerdem der vom erkennenden Gericht beigezogene Amtssachverständige (ASV) für Abfallchemie, L, welcher in Folge im Auftrag des Verwaltungsgerichts Befund und Gutachten erstattete. Dieses wurde den Verfahrensparteien ins Parteiengehör übermittelt, wozu jeweils Äußerungen erstattet wurden.

4.2. Im Verfahren vorgelegt wurden mehrere Gutachten und technische Stellungnahmen, so etwa „Befund und Gutachten Nr. ***“ vom 18.1.2018, erstellt von G, „gutachterliche Stellungnahme“ vom 5.11.2018, erstellt von H, Stellungnahme vom 29.8.2019, erstellt von I, „übergeordnetes Gutachten Hüttenschutt“ vom 9.10.2019, erstellt von J, „Gutachten“ vom 23.3.2020, erstellt von E, „Ergänzung Gutachten Nr. ***“ vom 28.3.2020, erstellt von G, sowie „Gutachten“ vom 20.7.2020, erstellt von F. Weiters gab die ASV für Abfallchemie am Amt der Nö Landesregierung, K, am 16.11.2020 im Verfahren vor der LH von NÖ eine Stellungnahme ab. Von der belangten Behörde wurde eine „technische Stellungnahme“ von ihrem ASV, N, am 4.12.2020 eingeholt. Eine weitere „technische Stellungnahme“ wurde im Rahmen des Parteiengehörs vom ASV der belangten Behörde am 22.3.2022 abgegeben.

4.3. Die wesentliche Frage im Verfahren betrifft die Einstufung des verfahrensgegenständlichen Abfalls. So ist letztendlich strittig, ob dieser der SN 31111 „Hütten- und Gießereischutt“, oder der SN 31220 „Konverterschlacke“ zuzuordnen ist. Andere Schlüsselnummern wurden aus fachlicher Sicht nicht ins Treffen geführt, der ASV L legt in seinem Gutachten (S. 14) überdies dar, weshalb im Ergebnis lediglich diese zwei Schlüsselnummern fallbezogen in Frage gekommen sind. Die zur Einstufung notwendigen und oben angeführten Feststellungen waren im Wesentlichen auf Grundlage der Gutachten von E sowie vom ASV L zu treffen. Zum Gutachten von E ist auszuführen, dass E bei der C GmbH in *** mehrere Ortsaugenscheine durchgeführt hat, im Rahmen derer der Herstellungsprozess des Materials begutachtet wurde (vgl. Zeugenaussage VH-Protokoll S. 18). Ebenso ergab sich aus seiner Zeugenaussage, dass anhand seiner zahlreichen Untersuchungen von unterschiedlichen Schlacken im Rahmen seiner Studien das Kriterium der gefahrenrelevanten Eigenschaft HP 14 (ökotoxisch) praktisch nicht erfüllt werde. Die Untersuchungen im Rahmen der Gutachtenserstellung wurden fotografisch festgehalten (vgl. Gutachten E Pkt. 3.2). Das Gutachten legt weiters die Entstehung der gegenständlichen Abfallart dar (vgl. Pkt. 3.2ff) und charakterisiert diese in mineralogischer und chemischer Hinsicht anhand der von der Fa. C Stahl GmbH zur Verfügung gestellten chemischen Analysen. So kommt der Gutachter zu einer detaillierten qualitativen Stoffstromanalyse des gegenständlichen Materials (vgl. Gutachten E Pkt. 3.4.3.). Aus der von E durchgeführten Befundaufnahme ergibt sich im Wesentlichen die Zusammensetzung des Abfalls, wie unter Pkt. 3.2.2. bis 3.2.5. der Feststellungen angeführt.

Der ASV für Abfallchemie, L, legte seinem Gutachten sämtliche im Verfahren von den Parteien vorgelegte Gutachten und Stellungnahmen zugrunde (vgl. Gutachten L S. 2f), nenn also alle jene Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung, die für das Gutachten erforderlich sind (vgl. VwGH 27.10.1953, Slg. 3159). Zusätzlich nahm er an der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht teil, konnte sich somit durch die Zeugenbefragungen selbst ein Bild machen. In den Punkten 1. bis 3. seines Gutachtens erfolgt, wie vom erkennenden Gericht an Beweisthemen vorgegeben, eine Darlegung des aktuellen Standes der Technik und der Beurteilungsgrundlagen, eine Beschreibung der Materialströme und der Zusammensetzung des Abfalls und eine Charakterisierung der SN 31111 sowie der SN 31220. Ferner werden die Unterschiede zwischen dem Abfall und Konverterschlacke (lt. Definition im Gutachten L) herausgearbeitet und die vorhandenen Informationen zu Abfallherkunft und Abfallqualität sowie die vorliegenden Untersuchungsergebnisse beschrieben. Die Feststellungen zu den Punkten 3.2. und 3.3. fußen daher im Wesentlichen auf den Darstellungen im Gutachten L und den von ihm darin wiedergegeben und als relevant erachteten Verweisen. Diese Befundaufnahme ist für das erkennende Gericht schlüssig dargestellt und im Sinne der Vorgaben von § 1 Abs. 2 iVm Anlage 5 Abfallverzeichnisverordnung. Sie trifft überdies auch auf Zustimmung des ASV der belangten Behörde, welcher dieser attestiert, „schlüssig und zutreffend und unter Bezugnahme auf die vorliegenden Unterlagen und die zitierte Literatur beantwortet“ zu sein (vgl. Stellungnahme vom 22.3.2022, S. 3).

4.4. Im Hinblick auf die effektive Einstufung des Materials entweder als SN 31111 oder als SN 31220 divergieren die fachlichen Meinungen letztendlich. So vertritt der ASV der belangten Behörde die Ansicht, dass der Abfall sich stofflich deutlich von der Konverterschlacke, die mit der SN 31220 bezeichnet werde, und die nach dem Prozess des Frischens anfalle und einer besonderen Behandlung (Temperung, gezielte Abkühlung zur Erzielung einer gewünschten Kristallinität) unterzogen werde, unterscheide. Der Abfall stamme nicht unmittelbar aus dem Prozess des Frischens, sondern werde in der ERGA unter Änderung der stofflichen Zusammensetzung behandelt und mit anderen Stoffströmen vermischt. Auch wenn der überwiegende Teil des Inputs in die ERGA „Kellerschlacke“ sei, stamme diese nicht wie die Konverterschlacke aus dem abgeschlossenen Prozess des Frischens, weshalb sie sich deutlich von dieser unterscheide. Dies schließe die Zuordnung zur spezifischen und in der Literatur charakterisierten SN 31220 aus, weshalb die SN 31111 mangels einer spezifischen Schlüsselnummer (oder etwa einer Spezifizierung zur SN 31220) diese Abfälle am besten beschreibe (vgl. Stellungnahme vom 22.3.2022, S. 5f).

Ebenso zieht F in seinem Gutachten zusammengefasst den Schluss, dass eine „produktbezogene Äquivalenz von LD-Konverterschlacke und Hütten- und Gießereischutt […] unter Berücksichtigung der unterschiedlichen und schwankenden Gehalte an Eisen, Chrom und Zink nicht abgeleitet werden“ könne. LD-Konverterschlacke werde am Ende des Prozesses bewusst abgezogen. Kellerschlacke werde während des Prozesses ungewollt über den Tiegelmund ausgeworfen, weshalb die Abfallart mit der SN 31111 den verfahrensgegenständlichen Abfall am besten beschreibe.

Demgegenüber führt der ASV L in seinem Gutachten aus, dass der gegenständliche Abfall aus konkreten Prozessschritten aus der Herstellung von Stahl, dem LD-Verfahren sowie untergeordnet aus den nachfolgenden sekundären Produktionsschritten entstamme und über seine physikalischen und chemischen Eigenschaften in bestimmten Schwankungsbreiten charakterisiert werden könne, wiewohl diese Eigenschaften in den Leitparametern der Konverterschlacke am Ende des Frischens abweichen (vgl. Gutachten L S. 15).

Ebenso kommt E in seinem Gutachten zum Schluss, dass die SN 31111 keinen eindeutig definierten Abfallstrom darstelle, wobei unterschiedliche, hüttenspezifische Abfälle subsumiert werden könnten. Bei der gegenständlichen Abfallart handle es sich im Gegensatz zur Definition von „Hüttenschutt“ nicht um „ein undefiniertes Materialgemisch, sondern im speziellen Fall überwiegend aus LD-Schlacken und nur zu geringen Anteilen aus anhaftendem Feuerfestmaterial, Kalk oder Verteiler- sowie Hochofenschlacke“. Die chemischen Analysen zeigten nur geringe Schwankungen (innerhalb der üblichen Schwankungsbreiten), wonach von einer kontinuierlichen Qualität ausgegangen werden könnte. Da die Anfallsorte bekannt seien, alle beschriebenen Stoffströme separat gesammelt und einer mechanischen Behandlung (Aufbereitung) unterzogen würden, könne es sich nicht um ein unkontrolliert anfallendes Abfallgemisch handeln. Daraus werde der Schluss gezogen, dass unter Berücksichtigung der Herkunft bzw. Entstehung, der Behandlung (Aufbereitung) du der chemischen Zusammensetzung als konkretest mögliche Abfallart „Konverterschlacke“ mit der SN 31220 zuzuordnen sei (vgl. Gutachten E, S. 34, 36, 39).

Diese Unterscheidung fußt nach Ansicht des erkennenden Gerichts im Wesentlichen auf einer unterschiedlichen Auslegung der in Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung normierten allgemeinen Zuordnungskriterien. Wie in den rechtlichen Erwägungen (s.u.) ausgeführt, legte der ASV L seinem Gutachten die vom erkennendem Gericht vertretene Rechtsansicht zugrunde, weshalb sich das erkennende Gericht letztendlich der vom ASV L vertretenen Ansicht in Bezug auf die Einstufung des verfahrensgegenständlichen Abfalls anschließt. Bei Anwendung der Rechtsansicht des erkennenden Gerichts erweist sich das Gutachten von L als schlüssig und logisch im Sinne der Denkgesetze, weshalb das erkennende Gericht letztendlich seiner fachlichen Einschätzung folgt. Im Gutachten wurden überdies die an den ASV gestellten Beweisthemen dem aktuellen Stand der Technik entsprechend vollständig beantwortet.

4.5. Gegenüber den Gutachten von E und dem ASV L sowie den Stellungnahmen des ASV der belangten Behörde haben die weiters von den Parteien vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen für das erkennende Gericht fallbezogen nur mittelbare Bedeutung. Zum einen waren die vorgelegten Gutachten und Stellungnahmen u.a. Grundlage des Gutachtens des ASV L. Zum anderen setzen sich G, I, H und auch die ASV K in ihren Stellungnahmen mit dem gegenständlichen Abfall nicht in einer Tiefe auseinander, wie dies dem Gutachten von E zu attestieren ist, sondern bescheinigten den jeweils anderen vorliegenden Stellungnahmen Schlüssigkeit. Damit alleine vermag eine Schlüssigkeit jedoch nicht begründet werden, sodass diese Stellungnahmen zwar als mittelbare Grundlage der relevanten Fachgutachten Bedeutung haben, aber gegenständlich nicht gesondert darauf eingegangen zu werden brauchte.

5.   Rechtslage:

5.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 (AWG 2002) lauten auszugsweise:

„Ziele und Grundsätze
§ 1.

(1) […]

(2) Diesem Bundesgesetz liegt folgende Hierarchie zugrunde:

1.

Abfallvermeidung;

2.

Vorbereitung zur Wiederverwendung;

3.

Recycling;

4.

sonstige Verwertung, zB energetische Verwertung;

5.

Beseitigung.

[…]

Abfallverzeichnis
§ 4.

Die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie wird ermächtigt, mit Verordnung festzulegen:

1.

die Abfallarten in Form eines Abfallverzeichnisses, welches die Abfallarten des Verzeichnisses im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle umfasst;

2.

die Abfallarten, die gefährlich sind; dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle heranzuziehen; als gefährlich zu erfassen sind jene Abfallarten, welche im Verzeichnis im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle als gefährlich gekennzeichnet sind;

2a.

die Zusammenfassung der Abfallarten gemäß Z 1 und 2 nach typisierten Merkmalen in Abfallartenpools für bestimmte Anwendungsbereiche im Erlaubnisrecht gemäß den §§ 24a ff und im Anlagenrecht gemäß den §§ 37 ff, wobei deren Eignung zur Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gemäß § 1 Abs. 3 sowie die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle zu berücksichtigen sind;

3.

[…]

4.

Kriterien für spezifische Stoffe und Gegenstände für die Anwendung der in § 2 Abs. 3a festgelegten Bedingungen für Nebenprodukte.

[…]

Feststellungsbescheide
§ 6.

(1) Bestehen begründete Zweifel,

1.

[…]

2.

welcher Abfallart diese Sache gegebenenfalls zuzuordnen ist oder

3.

ob eine Sache gemäß den unionsrechtlichen Abfallvorschriften, insbesondere der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen (im Folgenden: EG-VerbringungsV), ABl. Nr. L 190 vom 12.07.2006 S. 1, bei der Verbringung notifizierungspflichtiger Abfall ist,

hat der Landeshauptmann dies entweder von Amts wegen oder auf Antrag des Verfügungsberechtigten oder auf Veranlassung der Bundespolizei nach Maßgabe des § 82 oder der Zollorgane nach Maßgabe des § 83 mit Bescheid festzustellen. Der Verfügungsberechtigte hat die für die Beurteilung erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Ein Feststellungsbescheid gemäß Z 2 darf nur beantragt werden, sofern nicht § 7 zur Anwendung kommt.

(2) […]

(3) Örtlich zuständige Behörde für Feststellungsbescheide gemäß Abs. 1 ist der Landeshauptmann, in dessen Wirkungsbereich sich die Sache zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens befindet.

(4) Die Behörde hat den Bescheid samt einer Kopie der diesbezüglichen Akten gleichzeitig mit der Zustellung an die Partei an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, kann ein Feststellungsbescheid von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn

1.

der dem Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder

2.

der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist.

Die Zeit des Parteiengehörs ist nicht in die Frist einzurechnen.

[…]“

5.2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Abfallverzeichnisverordnung (AVV), idF. BGBl. I Nr. 409/2020, lauten auszugsweise:

„Abfallverzeichnis
§ 1.

(1) Das Abfallverzeichnis umfasst die Abfallarten, die in Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 „Abfallverzeichnis“, ausgegeben am 1. Oktober 2005, aufgelistet sind, mit den in Abschnitt III. der Anlage 5 angeführten Änderungen. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat das Abfallverzeichnis am EDM-Portal, edm.gv.at, zu veröffentlichen.

(2) Die Zuordnung eines Abfalls zu einer Abfallart hat gemäß den Vorgaben der Anlage 5 zu erfolgen. Dabei sind die gefahrenrelevanten Eigenschaften gemäß Anlage 3 zu berücksichtigen. Sofern für die Zuordnung zu einer Abfallart Untersuchungen erforderlich sind, haben diese gemäß Anlage 4 zu erfolgen. Ist für die Zuordnung eines Abfallstroms eine Untersuchung erforderlich, so ist die Ausarbeitung des Probenahmeplans, Durchführung der Probenahme und die Untersuchung durch eine befugte Fachperson oder Fachanstalt vorzunehmen. Die für die Zuordnung notwendigen Beurteilungsunterlagen sind Teil der Aufzeichnungen betreffend die Abfallart.

(3) […]

Anlage 5Abfallverzeichnis

Es gilt Punkt 5 Tabelle 1 der ÖNORM S 2100 „Abfallverzeichnis“, ausgegeben am 1. Oktober 2005, erhältlich beim Österreichischen Normungsinstitut, Heinestraße 38, 1020 Wien, mit folgenden Zuordnungskriterien und Änderungen:

I. Allgemeine Zuordnungskriterien 1. Zuordnung

Die Zuordnung eines Abfalls hat zu jener Abfallart zu erfolgen, die den Abfall in seiner Gesamtheit am besten beschreibt. Hierbei sind die Herkunft sowie sämtliche stoffliche Eigenschaften des Abfalls einschließlich möglicher gefahrenrelevanter Eigenschaften zu berücksichtigen. Es muss die konkretest mögliche Abfallbezeichnung einschließlich einer allfälligen Spezifizierung verwendet werden. Ist für die Zuordnung eines Abfalls die Kenntnis der chemischen Zusammensetzung erforderlich, so ist diese durch eine sachverständige Beurteilung auf Basis einer chemischen Analyse der relevanten Parameter nachzuweisen. Die sachverständige Beurteilung hat nach dem Stand der Technik zu erfolgen und vorhandene Informationen zu Abfallherkunft und Abfallqualität sowie vorliegende Untersuchungsergebnisse zu berücksichtigen. Die für die Zuordnung notwendigen Beurteilungsgrundlagen, wie zB die sachverständige Beurteilung, der Analysenbericht, das Probenahmeprotokoll oder eine Prozessbeschreibung einschließlich der Einsatzstoffe für Abfälle, die in einem gleichbleibenden Prozess anfallen, sind Teil der Aufzeichnungen betreffend die Abfallart.

[…]“

6.   Erwägungen:

6.1. Eingangs ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht nach der Rechtsprechung zwar grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat und damit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen hat, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war (vgl. insbesondere § 28 Abs. 2 und 3 VwGVG). Diese Prüfbefugnis ist jedoch keine unbegrenzte, vielmehr ist ihr äußerster Rahmen die „Sache“ des bekämpften Bescheids (vgl. VwGH 3.2.2022, Ra 2021/09/0230).

Gegenständlich hat die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Feststellung der Abfallart gemäß § 6 Abs. 1 Z 2 AWG 2002 eingebracht und damit den Feststellungsgegenstand bestimmt (vgl. VwGH 31.3.2016, 2013/07/0156; ferner im Falle eines insoweit vergleichbaren Antrages gestützt auf § 6 Abs. 1 Z 1 AWG 2002: VwGH 24.4.2018, Ra 2017/05/0215). Verfügungsberechtigt im Sinne des § 6 Abs. 1 AWG 2002 ist überdies derjenige, der rechtmäßig über den Feststellungsgegenstand bestimmen bzw. verfügen kann (vgl. VwGH 29.3.2017, Ra 2016/05/0056). Dass dies die Beschwerdeführerin ist, wurde im gegenständlichen Verfahren nicht angezweifelt.

Dementsprechend stützte die LH von NÖ ihren Feststellungsbescheid (ausschließlich) auf § 6 Abs. 1 Z 2 AWG 2002. Die belangte Behörde änderte den Bescheid der LH von NÖ wiederum unter Anwendung von § 6 Abs. 4 Z 2 AWG 2002 ab, ohne, dass sie eine andere, oder auch eine weitere, Rechtsgrundlage des § 6 Abs. 1 leg. cit. zur Anwendung gebracht hätte. Dies ergibt sich im Übrigen auch nicht aus der Bescheidbegründung. Daraus folgt, dass Gegenstand und somit „Sache“ des Verfahrens die Frage ist, welcher Abfallart das verfahrensgegenständliche Material zuzuordnen ist. Eine Erweiterung der „Sache“ etwa dahingehend, dass auch zu beurteilen wäre, ob dieses Material bei einer Verbringung notifizierungspflicht

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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